Verfahren zur Gewinnung von acetonitrilfreiem Acrylnitril
Bei der Synthese von Acrylnitril nach verschiedenen Methoden, wie beispielsweise Umsetzung von Blausäure mit Acetylen, Dehydrierung von Propionitril, Umsetzung von Propylen mit Ammoniak und Sauerstoff oder Reaktion von Acrolein mit Ammoniak, erhält man meist ein Acrylnitril, das durch Acetonitril verunreinigt ist. So fällt beispielsweise bei der katalytischen Umsetzung von Propylen mit Ammoniak und Luft-Sauerstoff unmittelbar nach dem Syntheseofen ein Gasgemisch an, das neben einer grossen Menge an Ausgangsmaterialien und Stickstoff, das Reaktionsprodukt Acrylnitril und als hauptsächliche Nebenprodukte Acetonitril und Blausäure enthält.
Zur Aufarbeitung dieses Gasgemisches wurde bisher üblicherweise eine Abtrennung der wasserlöslichen Bestandteile von der grossen Menge der wasserunlöslichen Gase durch Wäsche mit einem grossen Uberschuss an Wasser im Gegenstrom vorgenommen, worauf dann aus der anfallenden wässrigen Lösung, die vor allem Acrylnitril, Acetonitril und Blausäure, gegebenenfalls neben geringen Mengen Ammoniak und Kohlendioxyd, enthält, die Nitrile und die Blausäure ausgetrieben und das Nitrilgemisch auf destillativem Wege getrennt wurde.
Während die Abtrennung der Blausäure wegen ihrer grossen Flüchtigkeit keine Schwierigkeiten bereitet, ist die destillative Trennung der beiden Nitrile sehr schwierig und erfordert einen grossen Aufwand, da die Siededifferenz zwischen Acetonitril und Acrylnitril nur etwa 3 C beträgt. Etwas bessere Ergebnisse erzielte man bei der fraktionierten Destillation der beiden Nitrile mit Wasser, doch ist auch hier die Siedepunktsdifferenz von etwa 5 C zu klein, um im praktischen Fall eine befriedigende Reinheit des Acrylnitrils zu erzielen.
Es wurde ferner vorgeschlagen, zur Trennung der beiden Nitrile die höhere Flüchtigkeit des Acrylnitrils mit Wasserdampf auszunützen. Zu diesem Zweck wird während der Destillation der Azeotrope der beiden Nitrile in einer Kolonne knapp unterhalb des Kopfes der Kolonne ein Strom warmen Wassers eingeführt und dadurch erreicht, dass als Kopfprodukt das Azeotrop von Acrylnitril erhalten wird, während im Sumpf eine Lösung von Acetonitril anfällt. Eine Variante dieses Verfahrens schreibt einen Zusatz von Alkalisalzen zum Wasser vor. Doch auch bei diesen Verfahren kann die Verwendung einer kostspieligen Destillationskolonne nicht vermieden werden.
Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist nunmehr ein Verfahren zur Gewinnung von acetonitrilfreiem Acrylnitril aus Gasgemischen, die neben was serunlöslichen Gasen als Hauptbestandteil und neben Acrylnitril auch Acetonitril in einer Menge von maximal 20 Gewichtsteilen, bezogen auf 100 Gewichtsteile Acrylnitril, enthalten, bei dem in einfacher und vollständiger Weise die Abtrennung des Acetonitrils gelingt, ohne dass die Anwendung einer hohen, kostspieligen Destillationskolonne erforderlich wäre.
Es konnte nämlich gefunden werden, dass sich das Acetonitril noch vor der Abtrennung des Acrylnitrils vollständig aus einem derartigen Gasgemisch entfernen lässt, wenn man dieses Gasgemisch vor der Durchführung üblicher Trennungsoperationen bei Atmosphärendruck und einer Temperatur von 10 bis 60 C, vorzugsweise 20-40 C, einer Gegenstromextraktion mit einer solchen Menge Wasser unterzieht, dass das ganze im Gasgemisch enthaltende Acetonitril darin absorbiert wird, während die Hauptmenge des Acrylnitrils unabsorbiert bleibt und mit den übrigen Gasen gasförmig abgeht. Dieses in der Vorwäsche nicht aufgenommene Acrylnitril kann dann z. B. auf übliche Art als vollkommen acetonitrilfreies Produkt gewonnen werden.
Diese vollständige Abtrennung des Acetonitrils in der Vorwäsche wird gemäss vorliegender Erfindung dann erreicht, wenn das dazu verwendete Wasser so bemessen wird, dass es die aus der Formel X=-+3 in der X die Wassermenge in Gewichtsteilen pro Gewichtsteil Acrylnitril und T die Absorptionstemperatur in Celsiusgraden bedeutet, sich ergebende Was sermenge keinesfalls übersteigt, vorzugsweise aber unterschreitet.
Die genaue Wahl der Wassermenge innerhalb der erfindungsgemässen Grenzen hängt von mehreren Faktoren ab. Neben der Temperatur sind auch der Acetonitrilgehalt des Gases und die Wirksamkeit der zur Extraktion verwendeten Kolonne massgebend. Je wirksamer die Kolonne ist, desto geringer kann die Wassermenge gewählt werden. In der Praxis hat sich eine Glockenbodenkolonne mit mindestens fünf praktischen Böden, vorzugsweise aber 12-20 praktischen Böden als besonders zweckmässig erwiesen. Natürlich kann aber anstelle einer Glockenbodenkolonne jeder andere Extraktionsapparat verwendet werden, der in seiner Wirksamkeit einer solchen Glockenbodenkolonne entspricht.
Durch die erfindungsgemässe Gegenstromextraktion wird das ganze Acetonitril und ein Teil des vorhandenen Acrylnitrils, und zwar 1525 /o, als wäss- rige Lösung aus dem Extraktionsapparat erhalten.
Als Kopfprodukt entweicht ein völlig acetonitrilfreies Gasgemisch, das neben den Inertgasen und gegebenenfalls Blausäure etwa 75-85"/o des ursprünglichen Acrylnitrilgehaltes aufweist. Die Abtrennung des Acrylnitrils erfolgt dann z. B. auf übliche Weise.
So kann beispielsweise dem Gasgemisch in einer weiteren Extraktionsstufe durch Waschen mit überschüssigem Wasser das gesamte Acrylnitril und die eventuell vorhandene Blausäure entzogen werden. Aus der in dieser weiteren Extraktionsstufe anfallenden wässrigen Rohacrylnitrillösung kann dann das Roh- acrylnitril auf übliche Weise, beispielsweise mit Wasserdampf, ausgetrieben werden, das dann in einer einfachen Destillationskolonne von der noch als Verunreinigung vorhandenen, bei 25 C siedenden Blausäure befreit werden kann. Das auf diese Weise erhaltene mit Wasser gesättigte Acrylnitril kann dann auf übliche Weise durch azeotrope Destillation getrocknet werden und fällt sehr rein an.
Ebensogut sind aber für die Abtrennung des Acrylnitrils auch andere Methoden, wie beispielsweise Auskondensieren desselben oder flüssig-flüssig-Extraktion, brauchbar.
Die in der Vorwäsche anfallende wässrige Lösung von Acetonitril und etwas Acrylnitril kann auf übliche Weise durch Austreiben der Nitrile aus der Lösung und destillative Trennung der beiden Nitrile aufgearbeitet werden. Zu dieser Trennung ist aber eine sehr hohe Kolonne erforderlich. Auch dieser Nachteil kann gemäss einer besonderen Ausführungs- form der vorliegenden Erfindung vermieden werden, wenn man das aus der wässrigen Lösung der Vorwäsche erhaltene Acetonitril-Acrylnitrilgemisch nicht vollständig auseinandertrennt, sondern diesem nur so viel Acetonitril entzieht, dass ein Acetonitril Acrylnitrilgemisch übrigbleibt, dessen Acetonitrilgehalt bezogen auf Acrylnitril den des Ausgangsgases für das erfindungsgemässe Verfahren nicht völlig erreicht.
Dieses Gemisch kann, gegebenenfalls mit etwas Wasser dem Vorwäscher zugeführt und somit im Kreislauf geführt werden. Der Aufwand für diese nur teilweise Abtrennung des Acetonitrils ist naturgemäss wesentlich geringer als für eine restlose Trennung auf destillativem Wege.
Falls das Ausgangsgas grössere Mengen Ammoniak enthalten sollte, kann es zweckmässig sein, den Ammoniak vor der erfindungsgemässen Trennoperation, beispielsweise durch eine saure Wäsche, zu entfernen.
Das erfindungsgemässe Verfahren lässt sich beispielsweise in der in der Zeichnung dargestellten Vorrichtung durchführen. In dieser Zeichnung bedeutet 1 die Syntheseeinrichtung, die über den Kühler 2 und die Leitung 3 mit der Basis der Glockenbodenkolonne 4 verbunden ist. Diese Kolonne wird an der Stelle IV mit Wasser beaufschlagt. Das Kopfprodukt wird über die Leitung 5 in die Füllkörperkolonne 6 geleitet.
Diese Kolonne erhält über die Leitung 15 das Waschwasser, V zeigt den Austritt der Abgase an, während Leitung 7 die Verbindung zum Abtreiber 8 darstellt, 9 bedeutet den Decanter, und 10 die Destillationskolonne, die der Abtrennung der gegebenenfalls vorhandenen Blausäre dient. Bei I tritt reines, mit Wasser gesättigtes Acrylnitril aus, während bei II Blausäure erhalten wird. Die Basis der Kolonne 4 ist über die Leitung 11 und den Vorwärmer 16 mit dem Abtreiber 12 verbunden. 13 ist dann der Decanter und 14 stellt die Destillationskolonne zur Trennung in Acetonitril und Acetonitril-Acrylnitril-Gemisch dar.
An III tritt das Acetonitril aus, während das Acrylnitril-Acetonitril-Gemisch vom Kopf der Kolonne über die beheizte Leitung 17 in den unteren Teil der Kolonne 4 rückgeführt wird.
Beispiel 1 : Ein Gasstrom von etwa 70 Nl/h, enthaltend 6, 8 g Acrylnitril/h, 0, 4 g Acetonitril/h und 0, 450 g Blausäure/h wird in dem in die Leitung 3 eingeschalteten Kühler (2) auf Raumtemperatur abgekühlt und in die Glockenbodenkolonne 4 mit 15 praktischen Böden eingeführt, welche von IV aus mit 70 ml Wasser/h von 25 C berieselt wird. Die Wassermenge entspricht 10, 5 Gewichtsteilen Wasser pro Gewichtsteil Acrylnitril. Das Abgas aus dieser Kolonne wird über die Leitung 5 in die Füllkörperkolonne 6 eingeführt, welche über die Leitung 15 mit 700 ml Wasser pro Stunde berieselt wird. Die aus dieser Kolonne ausfliessende Lösung wird über die Leitung 7 und einen Vorwärmer 16 in den Ab treiber 8 geführt. Das Destillat aus diesem Abtreiber trennt sich im Decanter 9 in zwei Schichten.
Die untere Schicht, bestehend aus mit Acrylnitril gesättig- tem Wasser wird in den Abtreiber 8 zurückgeführt.
Die obere Schicht, bestehend aus mit Wasser gesät- tigtem Acrylnitril, welche noch durch Blausäure verunreinigt ist, wird über einen Vorwärmer 16 in die Destillationskolonne 10 eingeführt. Am Kopf der Kolonne erhält man bei kontinuierlicher Fahrweise 0, 450 g Blausäure pro Stunde, im Sumpf 6, 95 g Acrylnitril mit einem Wassergehalt von etwa 0, 2 g.
Das Acrylnitril wird dampfförmig abgezogen und kondensiert. Es kann durch eine azeotrope Destil- lation weiter gereinigt werden.
Die aus der Kolonne 4 ausströmende Lösung wird in den Abtreiber 12 eingeführt. Im darauffolgenden Decanter 13 erhält man ein Acetonitril-Acryl nitril-Gemisch, das über einen Vorwärmer 16 in die Destillationskolonne 14 eingeführt wird. Im Sumpf der Kolonne erhält man pro Stunde 0, 395 g Acetonitril, welches weniger als 0, 5 /o H2O, weniger als 20 ppm HCN und unter 0, 1 O/o Acrylnitril enthält.
Das am Kopf der Kolonne anfallende Acrylnitril Acetonitrilgemisch mit einem Acrylnitrilgehalt von etwa 1, 6 g pro Stunde und einem Acetonitrilgehalt von etwa 0, 050 g pro Stunde wird durch die beheizte Leitung 17 rückgeführt und in das untere Viertel der Kolonne 4 eingespeist.
Beispiel 2 : Ein Gasstrom, bestehend aus 50 NI Stickstoff pro Stunde, 7, 3 g Acrylnitril/h, 0, 320 g Acetonitril/h und 0, 320 g Wasserdampf/h wird bei Atmosphärendruck und 20 C in einer Glockenbodenkolonne mit 12 praktischen Böden mit 50 ml Wasser/h (6, 8 Gewichtsteile Wasser auf 1 Gewichtsteil Acrylnitril) im Gegenstrom gewaschen. Das die Glockenbodenkolonne verlassende Gasgemisch wird in einer Kühlfalle auf80 C abgekühlt, wobei das Acrylnitril und Wasser auskondensieren. Man erhält auf diese Weise 5 g Acrylnitril/h, welches einen Acetonitrilgehalt von unter 0, 1 O/o aufweist. Das am Boden der Kolonne anfallende Waschwasser enthält 2, 3 g Acrylnitril und 0, 318 g Acetonitril, die auf übliche Weise daraus isoliert werden.
Beispiel 3 : Das gleiche Gasgemisch wie in Beispiel 2 wird bei Atmosphärendruck und einer Temperatur von 40 C in einer Glockenbodenkolonne mit 12 praktischen Böden mit 100 ml Wasser/h (13, 7 Gewichtsteile Wasser auf 1 Gewichtsteil Acrylnitril) im Gegenstrom gewaschen. Nach Auskondensieren des Acrylnitrils wie in Beispiel 2 erhält man 4, 9 g Acrylnitril pro Stunde mit einem Acetonitrilgehalt unter 0, 1 /o. Das Waschwasser enthält 2, 4 g Acrylnitril und 0, 318 g Acetonitril.