Verfahren zur Trennung von optischen Antipoden
Die Zerlegung razemiseher Gemische in ihre beiden optisch aktiven Bestandteile macht in der chemischen Technik erhebliche Sehwie rigkeiten. Da es für technische Verfahren nicht in Frage kommt, die enantiomorphen Kristallindividuen mechanisch auszulesen, war man darauf angewiesen, von Fall zu Fall geeignete, optisch aktive Substanzen zu ermitteln, die sich mit den beiden Antipoden zu Verbindungen, z. B. Salzen, Amiden, Estern oder Komplexverbindungen umsetzen, die sich nicht, wie die Antipoden selbst, wie Bild und Spiegelbild zueinander verhalten und infolge ihrer verschiedenen physikalischen Eigenschaf- ten voneinander trennbar sind.
Als Hilfssubstanzen dienen dabei hauptsächlich Alkaloide oder andere optisch aktive Naturstoffe, deren Kostspieligkeit ein für die Teehnik schwerwiegender Nachteil ist.
Es wurde nun gefunden, dass man optische Antipoden auch dadurch voneinander trennen kann, dass man sie mit Stoffen zusammenbringt, die mit ihnen E inschlussverbindungen bilden und welehe in diesen Einschlussverbindungen Gitter einer der 15 Symmetrieklassen (Cl, Cs, C2, 2V, D2, 54, C4, 4 > D2d, D4, C3, Ds, 06, D6, T und 0) ohne Symmetriezentrum aufweisen. Diese Gitter, die sog. Einschlussgitter, zeigen vielfach eine schraubenförmige asymmetrische Anordnung der Moleküle. Sie binden vorwiegend Moleküle der d-Form oder der l-Form, so dass sich durch Zerlegung der Einschlussverbindungen die betreffenden rechts -und linksdrehenden Antipoden gelwin- nen lassen.
Ein Stoff, der sich besonders gut zur Herstellung solcher Einschlussverbindungen eignet, ist Harnstoff. Es ist bekannt, dass Harnstoff mit bestimmten Stoffen Additionsverbin dungen bildet [Liebigs Annalen der Chemie: Ei65, 204 (1949)], die sich für die Zerlegung von Stoffgemischen eignen. In entsprechender Weise können die Einschlussverbindungen gemäss der vorliegenden Erfindung hergestellt werden. Der Harnstoff kann dabei in fester Form oder, z. B. in Methylalkohol gelöst, dem zu zerlegenden Gemisch zugesetzt werden. Die sieh abscheidenden Kristalle werden abgetrennt nnd in bekannter Weise, z. B. durch Behandlung mit Methylalkohol oder Wasser, in die Bestandteile zerlegt.
Ob sich im einzelnen Fall überwiegend Einschlussverbindungen als Kristalle abscheiden, die die rechts- oder die linksdrehende Form der Antipoden enthalten, hängt von der ersten Keimbildung ab. Durch Impfung der gesättigten Lösung mit Rechtskristallen oder mit Lillkskristallen hat man es in der Hand, Kristalle von Einschlussverbindungen zu bekommen, die vorwiegend die rechts- oder die linksdrehende Einschlusskomponente enthalten. Es ist zweekmässig, dafür zu sorgen, dass die Kristallisation langsam vor sich geht.
Durch Versetzen der Mutterlauge mit weiteren Mengen des Einschlussverbindungen bildenden Stoffes, z. B. Harnstoff, können zu- sätzliche Mengen vorwiegend der einen optisch aktiven Komponente abgeschieden werden, die man zur Aufarbeitung mit dem ersten Niederschlag vereinigt. Der andersdrehende Antipode reichert sich allmählich in der Mutterlange an und kann daraus ebenfalls in Form einer Einschlussverbindlmg, zweckmässig nach Impfung mit einem Kristall der betreffenden optisch aktiven Verbindung abgetrennt werden.
Beispiel
20 Gewichtsteile eines razemischen Gemisehes von 2-Chlor-oktan (Drehung 0) werden mit 100 Gewichtsteilen einer gesättigten methylalkoholisehen Lösung von Harnstoff vermiseht. Der sofort auftretende Niederschlag wird durch gelindes Erwärmen gelöst.
Hierauf lässt man die Lösung langsam auf +7 C abkühlen. Es scheidet sich eine Ein sehlussverbindung (8, 5 Gewichtsteile) von Harnstoff und 2-Chlor-oktan ab, aus der das letztere durch Behandlung mit Wasser abgetrennt wird. Es zeigt eine spezifische Drehung von aD +0, 30.
In der Mutterlauge ist der andere Antipode des 2-Chlor-oktans angereichert. Unter gelindem Erwärmen setzt man 2,6 Teile Harnstoff zu und kühlt dann innerhalb von 6 Stunden auf etwa - 60 C ab. Dabei scheiden sich 9,5 Gewichtsteile einer Einsehlussverbindung ab, die bei der Zerlegung mit Wasser ein 2-Chlor-oktan ergeben, das die spezifische Drehung aD = -0,36 hat. Durch erneuten Harn stoffzusatz kann man weitere Mengen des linksdrehenden Antipoden gewinnen. Auch bei der ersten Stufe lässt sich durch entsprechende Impfung erreichen, dass weitere Mengen des rechtsdrehenden Antipoden als Einschlussverbindung abgeschieden werden.
Durch oftmalige Wiederholung der Harnstoffbehandlung werden auf diesem Wege Präparate erhalten, die schliesslich zu 96,50/0 aus rechtsdrehendem bzw. linksdrehendem 2-Chlor-oktan bestehen.