Verwendung von Coxsackieviren zur Verbesserung der Transfektion von Zellen
Die vorliegende Erfindung beschäftigt sich allgemein mit der Verwendung von Coxsackieviren (im folgenden: CV) zur Verbesserung der Transfektion von Zellen.
Coxsackieviren gehören zur Familie der Picornaviridae und werden in die Subgruppe A mit den Serotypen 1-22 und 24 sowie die Subgruppe B mit den Serotypen 1-6 eingeteilt. Während im Rahmen der Erfindung allgemein von Coxsackieviren ausgegangen wird, beschäftigt sich die Erfindung im Besonderen mit Coxsackieviren der Subgruppe B, vorzugsweise des Serotyps B3.
Unter Transfektion wird im Rahmen der vorliegenden Anmeldung nicht nur das Einbringen von DNA oder RNA in Zellen, sondern auch das Einbringen von Peptiden in Zellen verstanden. Die Transfektion kann somit zu therapeutischen, diagnostischen oder prophylaktischen Zwecken, insbesondere einer Gentherapie eingesetzt werden.
Besonderes Augenmerk richtet die vorliegende Erfindung auf die Diagnose, Behandlung und Prävention von kardialen Erkrankungen, die insbesondere in den Industrienationen eine immer größere Bedeutung erlangen. Nachdem bereits verschiedene Gene für kar- diale Erkrankungen identifiziert wurden und es allgemein erwartet wird, daß eine Vielzahl von pathologischen Genen, die Herzerkrankungen auslösen können, in den nächsten Jahren noch identifiziert werden, ist die Entwicklung von Herzmuskel-spezifischen Gentransfersystemen zur selektiven Modulation der endogenen Genaktivität kardialer Myozyten für die zukünftige Behandlung einer Vielzahl von angeborenen und erworbenen Herzmuskelerkrankungen von großer klinischer Bedeutung. Ideale Vektorsysteme für die kontrollierte Modulation der endogenen Genaktivitäten kardialer Myozyten stehen jedoch bisher nicht zur Verfügung.
Für die Transfektion von Zielzellen des kardiovaskulären Systems wurden zwar bereits verschiedene Techniken beschrieben, diese weisen jedoch alle spezifische Nachteile auf. In präklinischen Studien zur somatischen Gentherapie kardiovaskulärer Erkrankungen wurden bislang insbesondere replika- tionsdefekte rekombinante Adenoviren angesetzt, mit denen eine hinreichende Transfektionseffizienz erreicht wird (Barr et al., Gene Therapy 1, 1994, 51). Im Gegensatz zu rekombinanten
Adenoviren ist die Applikation von retroviralen Konstrukten (Nabel EG et al., Science 249, 1990, 1285) sowie von Lipid/ DNA/Komplexen (Nabel EG et al., Science 244, 1989, 1342) durch die niedrige Transfektionseffizienz des Gentransfers limitiert. Trotz der Vorteile des Adenovirus-vermittelten Gentransfers bezüglich der hohen Genexpression liegen die Nachteile dieses Verfahrens in der aus der Literatur bekannten Komplementierung replikationsinaktiver Konstrukte, der Multiorgantropie von Adenoviren sowie der möglichen Induktion einer T-Zell- vermittelten Immunantwort.
Feigner et al., PNAS, Band 84, Seiten 7413-7417, 1987 beschreiben eine Lipofektion genannte Transfektion von DNA in Zellkulturzellen, bei der eine Liposomenformulierung aus dem kationischen Lipid N-[ l-( 2 , 3-Dioleyloxy )propyl]-n,n,n-Trime- thylammoniumchlorid (DOTMA) und Dioleoyl-Phosphotidylethano- lamin (PtdEtn) verwendet wird. Die zu transferierende DNA interagiert spontan mit der Liposomenformulierung, und es bilden sich Lipid-DNA-Komplexe . Die Fusion des Komplexes mit Zellkulturzellen führt zu einer effizienten Aufnahme und Expression der DNA.
Diese Liposomenformulierung wird von GIBCO/BRL unter dem Handelsnamen LIPOFECTIN® vertrieben. Die mitgelieferten Herstellinformationen, in denen PtdEtn mit DOPE bezeichnet wird, geben detaillierte Anweisungen für die Durchführung der Lipofektion an.
Mittlerweile ist Lipofektion eine anerkannte Methode, um rekom- binante DNA in Zellen einzuschleusen und dort zu exprimieren. Da die Lipofektion in bezug auf Sicherheit viralen Vektor-
Systemen überlegen ist, wird zunehmend versucht, diese Technik auch für die Gentherapie von Stoffwechsel- oder Tumorerkrankungen einzusetzen. Die Effizienz ist jedoch bei den meisten Anwendungen gering, insbesondere bei Primärkulturen oder in vivo-Applikationen sind die bekannten Liposomen-Systeme bisher nicht gut geeignet.
Ein weiterer Ansatz geht von der Erkenntnis aus, daß viele Viren über zelluläre Rezeptoren aufgenommen werden, auf natürlichem Weg in zytoplasmatische Endosomen gelangen und von dort ihren Replikationszyklus antreten, nachdem die Endosomen aufgebrochen wurden. Diese endosomolytische Wirkung nutzen Cotten et al., PNAS Band 89, Seiten 6094-6098, 1992 aus und verwenden replikationsinkompetente Adenoviren als endosomolytisches Agens zusammen mit Transferrin als Ligand für die Zielzellrezeptoren.
Wagner et al., PNAS Band 89, Seiten 7934-7938, 1992 zeigen, daß Peptidfragmente eines Influenzavirus endosomolytisch wirken. Als synthetisches, virusartiges Gentransfervehikel verwenden sie DNA-Komplexe aus Poly-Lysin zum Verpacken der DNA, Poly- Lysin-modifiziertem Transferrin als Ligand für die Zellober- flächenrezeptoren sowie Poly-Lysin-gebundene Influenzapeptid- fragmente als endosomolytisches Agens.
Die beschriebenen Verfahren sind zum einen sehr aufwendig und damit für Standardanwendungen nicht geeignet. Bei den beiden zuletzt beschriebenen Verfahren werden darüber hinaus sehr große Peptidmengen benötigt, was aufgrund der starken Immuno- genität bei in vivo-Applikationen ungünstig und aufgrund der teuren Herstellung darüber hinaus auch für in vitro-Anwendungen ungeeignet ist.
Einen weiteren Ansatz beschreiben Kern et al. in "Coxsackievirus-verstärkter endosomolytischer Gentransfer in kontraktile Kardiomyozyten" , Verh. Dtsch. Ges. Path. Band 81, Seite 611, 1997. Ausgehend von der Erkenntnis, daß das Coxsackievirus einen bisher unverstandenen Tropismus in das Herz aufweist, setzen sie bei der Lipofektion durch UV-Strahlung replikationsinkompetente CVB3-Partikel für den Gentransfer in Kardiomyozyten ein. Bei CVB3, einem Coxsackievirus der Subgruppe B mit Serotyp 3 handelt es sich um ein Picornavirus mit einem einzelsträngigen RNA-Genom positiver Polarität und einer Genomgröße von nur 7,4 kb. Zum Vergleich, Adenoviren haben eine Genomgröße von 48 kb.
Das Verfahren, durch UV-Strahlung replikationsinkompetente CVB3-Partikel herzustellen, ist jedoch nicht hinreichend sicher. Es ist nämlich nach Erkenntnis der Erfinder der vorliegenden Anmeldung nicht auszuschließen, daß einige Viruspartikel überleben und dann eine produktive Infektion in den Zielzellen einleiten.
Kandolf und HofSchneider, PNAS, Band 82, Seiten 4818/4822, 1985, beschreiben eine CVB3-Variante mit ausgeprägtem Tropismus für das Herz. Die vollständige Nukleotidsequenz der cDNA dieser infektiösen CBV3-Variante ist beschrieben bei Klump et al., Journal of Virology, 1990, Seiten 1573-1783. Es wird berichtet, daß das cDNA-abgeleitete Virus denselben Tropismus und dieselbe Plaque-Morphologie aufweist wie der Wildtyp.
Kern et al. (a.a.O.) beschreiben, daß durch das inaktivierte CVB3 eine Verstärkung der durch die Liposomenformulierung DOTAP (Böhringer) vermittelten Transfektion erfolgt. Die maximale
Transfektionseffizienz wird für die Verwendung von 10 pfu (Plaque-bildende Einheiten) an inaktiviertem CVB3 pro Zelle berichtet, sie lag für das Reportergen der ß-Galactosidase bis zu 6-fach höher als bei einer Transfektion der Reportergenkonstruktion ausschließlich mit DOTAP.
Obwohl aus der Veröffentlichung von Kern et al. bekannt ist, daß die CVB3-verstärkte DOTAP-vermittelte Lipofektion dazu führt, daß die transfizierte DNA schneller aus den Endosomen in das Zytosol gelangt, ist die beschriebene Effizienz sowie der hohe Einsatz von CVB3 aus immunologischen Gründen noch nicht zufriedenstellend .
Hiervon ausgehend ist es Aufgabe der vorliegenden Erfindung, für eine Steigerung der Effizienz der Transfektion von Zellen zu sorgen, wobei das Verfahren gleichzeitig preiswert, sicher und immunologisch unbedenklich sein soll.
Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe gelöst durch von dem Coxsackievirus, vorzugsweise von CVB abgeleitete, nicht infektiöse Partikel oder Peptide, die dazu geeignet sind, im Rahmen einer Transfektion von Zellen endosomolytisch zu wirken oder die Endocytose zu verstärken.
Die Partikel sind dabei ausgewählt aus der Gruppe
a) leere CV-, vorzugsweise CVB-Kapsidpartikel,
b) durch Abspaltung von Virusprotein 4 entstandene CV-, vorzugsweise CVB-A-Partikel,
c) CV-, vorzugsweise CVB-Proviruspartikel, bei denen die Virusproteine 2 und 4 noch fusioniert sind,
d) modifizierte Formen der Partikel aus a), b) oder c),
e) durch genetische Modifikation replikationsinkompetente CV-, vorzugsweise CVB-, weiter vorzugsweise CVB3-Partikel .
Das Peptid, das vorzugsweise weniger als 30 Aminosäuren umfaßt, ist dabei vorteilhafterweise ausgewählt aus der Gruppe:
a) Peptide mit den Aminosäuresequenzen SEQ ID Nr. 1, SEQ ID Nr. 2, SEQ ID Nr. 3, SEQ ID Nr . 4, SEQ ID Nr. 5, SEQ ID Nr. 6, SEQ ID Nr. 7, SEQ ID Nr. 8, SEQ ID Nr. 9, SEQ ID Nr. 10 aus dem beiliegenden Sequenzprotokoll,
b) Peptide, bei denen gegenüber den Peptiden aus a) eine oder mehrere der Aminosäuren fehlen oder gegen eine andere ausgetauscht sind, und
c) Peptide oder Polypeptide, die die Aminosäuresequenz eines der Peptide aus a) oder b) umfassen.
Die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe wird auf diese Weise vollkommen gelöst.
Die Erfinder der vorliegenden Anmeldung haben nämlich erkannt, daß von dem CV, vorzugsweise CVB, weiter vorzugsweise dem CVB3 abgeleitete Partikel oder Peptide für den Gentransfer eingesetzt werden können, da sie endosomolytisch wirken
und/oder die Endocytose verstärken. Das Verfahren der Transfektion wird durch die Verwendung dieser Partikel und/oder Peptide zum einen sehr preiswert, da sich äußerst hohe Ausbeuten bei der Herstellung ergeben, eine sehr einfache Reinigung möglich ist, sowie sehr kleine Peptide/Partikel eingesetzt werden, die eine wesentlich geringere Anzahl immunogener Epitope als Adeno- oder Influenzaviren haben. Die Erfinder konnten zeigen, daß sich bei sehr viel geringeren Peptidmengen als bei Adenoviren optimale biologische Effekte ergeben, die größere biologische Wirksamkeit geht ferner einher mit einer Herabsetzung der Immunogenität .
Ein weiterer Vorteil bei der Verwendung der Partikel und Peptide besteht darin, daß diese in jedem Fall nicht infektiös sind, wobei in vielen Fällen auch auf die UV-Bestrahlung zur Inaktivierung der RNA verzichtet werden kann.
Gegenüber dem von Kern et al. (a.a.O.) beschriebenen Einsatz von inaktivierten CVB3 Partikeln bei der Lipofektion war zunächst unerwartet, daß auch die abgeleiteten Peptide und Partikel zu einer Verstärkung der Transfektion führten. Es zeigte sich sogar, daß die Effizienz größer ist als bei inaktivierten CVB3.
Erfindungsgemäß weist ein Verfahren zur Erzeugung eines derartigen Partikels die Schritte auf:
Isolieren von nativen CV-, vorzugsweise CVB-Partikeln,
Erhitzen der isolierten CV-, vorzugsweise CVB-Partikel für 5-20 min, vorzugsweise ca. 10 min, auf über 45°C, vorzugsweise ca. 51 °C.
Versuche im Labor der Erfinder haben gezeigt, daß durch dieses Verfahren auf einfache Weise CV-A-Partikel erzeugt werden, bei denen das Virusprotein 4 abgespalten wurde.
Alternativ können CV-A-Partikel auch mit dem folgenden Verfahren hergestellt werden:
Bereitstellen einer Matrix mit gekoppeltem CV-Rezeptor,
Beschicken der Matrix mit nativen CVB3-Partikeln, und
Eluieren der Matrix.
Hier wird von der Tatsache Gebrauch gemacht, daß das Virusprotein 4 nach der Interaktion des CV mit dem zellulären Rezeptor abgespalten wird, so daß nur noch das verbleibende CV-A- Partikel internalisiert wird, das nicht infektiös ist und nach Erkenntnis der Anmelder endosomolytisch wirkt.
Vor diesem Hintergrund betrifft die vorliegende Erfindung ferner ein Verfahren zur Transfektion von Zellen, vorzugsweise von kardialen Myozyten mit einem Polyanion, vorzugsweise einer therapeutischen Gensequenz, bei dem zur Verstärkung der Transfektion zumindest ein Partikel oder Peptid der oben genannten Art eingesetzt wird, wobei vorzugsweise vor der Transfektion ein Komplex aus dem Polyanion, dem Peptid sowie einem kationischen Lipid, vorzugsweise DOTMA gebildet wird.
Während die erwähnten Partikel und Peptide allgemein endosomolytisch wirken, also für eine hohe Effizienz des neuen Verfahrens sorgen, besteht ein besonderer Vorteil bei der Lipofektion von kardialen Myozyten. Die Erfinder haben nämlich erkannt, daß die Endosomolyse organspezifische Aspekte haben kann, so daß die Verwendung von Partikeln und Peptiden, die von dem CV, vorzugsweise dem CVB3 abgeleitet sind, für den Gentransfer am Herzmuskel die Methode der Wahl ist. Es hat sich gezeigt, daß andere Viren bei weitem nicht so effizient sind, insbesondere haben Adenoviren keine Möglichkeit, dieses Organ so effizient zu besiedeln wie z.B. der kardiotrophe CVB3.
Das transfizierte Polyanion kann dabei eine DNA, eine RNA oder ein entsprechend geladenes Protein mit therapeutischer Wirkung sein.
Vor diesem Hintergrund betrifft die Erfindung ferner ein Verfahren zur Formulierung von Komplexen für den Transfer von Polyanionen, vorzugsweise einer therapeutischen Gensequenz in Zellen, vorzugsweise kardiale Myozyten, bei dem das Polyanion mit zumindest einem Peptid oder Partikel der oben genannten Art inkubiert wird.
Dabei ist es bevorzugt, wenn das Peptid vor der Inkubation mit dem Polyanion mit einem kationischen Lipid, vorzugsweise mit DOTMA, vorinkubiert wird.
Dieses Verfahren ist besonders effizient, preiswert und einfach durchzuführen, die einzelnen Agenzien sind lediglich der Reihe nach miteinander zu vermischen und für kurze Zeit zu inkubieren, wobei sich spontan der gewünschte Komplex bildet.
Derartige Komplexe sind somit einfach und damit preiswert herzustellende sowie immunologisch unbedenkliche Vehikel für den Transfer von diagnostisch, therapeutisch oder prophylaktisch wirkenden Agenzien in Zellen insbesondere des Herz-Kreislauf- Systems .
Vor diesem Hintergrund betrifft die vorliegende Erfindung auch die Verwendung eines Peptides oder Partikels der vorstehend genannten Art für die Therapie, Diagnostik oder Prophylaxe von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, insbesondere von Kardiomyopathien .
Des weiteren betrifft die Erfindung die Verwendung eines Peptides oder Partikels der vorstehend genannten Art als Agens zur Verbesserung der Transfektion von Zellen, vorzugsweise kardialen Myozyten, insbesondere zur Verbesserung der Lipofektion bei der Gentherapie.
Die gefundenen Peptide und Partikel lassen sich nicht nur im wissenschaftlichen Bereich oder bei der Einzelzubereitung einsetzen, sie sind vielmehr auch geeignet für den allgemeinen Einsatz auch in weniger spezialisierten Krankenhäusern oder Arztpraxen.
Vor diesem Hintergrund betrifft die vorliegende Erfindung auch eine therapeutische Zusammensetzung mit einem Peptid oder Partikel der vorstehend genannten Art, sowie einen Kit für die Formulierung von transfizierbaren Komplexen, insbesondere für die Gentherapie, der ein Peptid oder Partikel der vorstehend genannten Art enthält.
Derartige therapeutische Zusammensetzungen und Kits können die Partikel und/oder Peptide in Stammlösungen oder bereits in Endkonzentrationen enthalten, wobei im Kit ferner die weiter benötigten Reagenzien, z.B. die Liposomenformulierung vorhanden sein können.
Die Peptide und Partikel lassen sich zum einen enzymatisch durch Verdau von Viruspartikeln erzeugen, zum anderen aber auch auf gentechnische Weise.
Vor diesem Hintergrund betrifft die Erfindung ferner einen replizierbaren Expressionsvektor, der eine Gensequenz enthält, die auf exprimierbare Weise für ein Peptid oder Partikel der vorstehend genannten Art kodiert.
Ferner betrifft die Erfindung ein DNA-Isolat mit einer DNA- Sequenz, die für das Peptid oder Protein der vorstehend genannten Art kodiert.
Auf diese Weise ist es möglich, die Peptide und Partikel im großtechnischen Maßstab durch mikrobiologische Verfahren oder in vitro-Translation zu erzeugen.
Wenn durch genetische Manipulation replikationsinkompetente Viruspartikel eingesetzt werden, ergibt sich zum einen eine sehr hohe Sicherheit, denn diese Partikel können nur noch in einer Helferzelle repliziert werden, die die zerstörten Funktionen in trans zur Verfügung stellt. Diese Partikel können dann auch ohne weitere Inaktivierung durch UV-Bestrahlung oder thermische Behandlung für die Lipofektion eingesetzt werden.
Die Herstellung der replikationsinkompetenten Viruspartikel erfolgt zum Beispiel durch Deletion von kodierenden Genomsequenzen, vorzugsweise der VP2- und VP3-Region, die die Informationen für die replikationsrelevanten Proteine enthalten. Andererseits können diese replikationsrelevanten Genfunktionen auch durch Punktmutationen zerstört werden. Die deletierten Sequenzen werden durch andere Sequenzen, vorzugsweise nicht-kodierende Sequenzen ersetzt, um die optimale Genomgröße für die Verpackung wieder herzustellen. Die deletierten oder mutierten Genomsequenzen werden dann erfindungsgemäß in Helferzellen zur Verfügung gestellt.
Vor diesem Hintergrund betrifft die vorliegende Erfindung auch ein Vektorplasmid mit zumindestens einer DNA-Sequenz, die für ein genetisch modifiziertes CV-, vorzugsweise CVB-, weiter vorzugsweise CVB3-Genom kodiert, bei dem Anteile der kodierenden Sequenz ausgetauscht oder verändert sind, so daß das Virusgenom nicht infektiös ist, und mit einem der DNA- Sequenz vorgeschalteten Promotor. Ferner betrifft die Erfindung ein Helferkonstrukt zum Komplementieren der bei dem Vektorplasmid veränderten oder ausgetauschten Anteile der kodierenden Sequenz des Virusgenoms.
Dieses Helferkonstrukt kann dabei ein Helferplasmid, ein viraler Vektor oder eine Helferzelle sein, die stabil mit für mindestens eine der ausgetauschten oder veränderten Sequenzen kodierender Helfer-DNA transfiziert ist.
Zur Herstellung von durch genetische Manipulation replikationsinkompetenten Viruspartikeln werden Wirtszellen mit
dem Vektorplasmid transfiziert, wobei die ausgetauschten oder veränderten Sequenzen in der Wirtszelle durch das Helfer- Konstrukt komplementiert werden.
Auf diese Weise können einfach und reproduzierbar zuverlässig replikationsinkompetente Viruspartikel erzeugt werden, die im Rahmen einer Transfektion von Zellen endosomolytisch wirken bzw. die Endocytose verstärken.
Weitere Merkmale und Vorteile der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung bevorzugter Ausführungsbeispiele.
Beispiel 1: CVB3-Genom und -cDNA
Coxsackieviren sind Vertreter des Genus Enteroviren in der Familie der Picornaviren. Unter natürlichen Bedingungen erzeugen Coxsackieviren nur im Menschen Krankheiten, die initiale Isolierung von Coxsackieviren gelingt jedoch am besten in neugeborenen Mäusen, die auch zur Differenzierung der Viren in zwei Gruppen dienen:
Die Gruppe A mit 23 Serotypen und die Gruppe B mit 6 Serotypen.
CVB, vor allen Dingen CVB3 , gelten als häufige Erreger von viralen Herzmuskelentzündungen, die sich sowohl in dieser akuten Form wie auch in chronischen Verläufen äußern können. Bei Säuglingen verläuft die Myocarditis oft tödlich.
Wie alle Picornaviren haben auch Coxsackieviren ikosaedrische Nukleokapside, die aus vier Virusproteinen VPl, VP2, VP3 und VP4 bestehen. Während die Proteine VPl, VP2 und VP3 die äußere Hülle bilden, ist VP4 an der Innenseite der Partikel lokalisiert und mit dem einzelsträngigen RNA-Genom assoziiert. Das Genom ist per se infektiös; wird es unter geeigneten Bedingungen in einer Zelle aufgenommen, so kann schon die gereinigte RNA eine Infektion induzieren, denn sie besitzt Plusstrangorientierung, die Virusproteine können also ohne Zwischenschritt von der RNA translatiert werden. Das 3 ' -Ende der genomischen RNA ist polyadenyliert , an das 5 ' -Ende ist kovalent ein kleines, viruskodiertes Protein VPg gebunden.
Ein schematisches Beispiel für das CVB3-Genom ist in Fig. 1 dargestellt. Das Genom enthält einen einzigen, offenen Leserahmen, der für ein Vorläuferprotein kodiert. Dieses Poly- protein wird noch während seiner Synthese proteolytisch in die verschiedenen viralen Komponenten gespalten.
Aus dem Polyprotein gehen die bereits erwähnten Kapsidproteine VP1-VP4 in angegebener Weise aus den Bereichen 1A bis ID und das Vpg aus dem Bereich 3B hervor. Die Bereiche 2A und 3C kodieren für Proteasen, die das Polyprotein aufspalten. Die aus den Bereichen 2B und 2C hervorgehenden Proteine stehen mit der Wirtspezifität der Viren in Verbindung.
Der Bereich 3D kodiert für eine RNA-abhängige RNA-Polymerase, die in der Wirtszelle die Replikation des RNA-Genomes durchführt .
Am 5'- und 3 ' -Ende enthält das Genom noch nicht translatierte Bereiche (NTR) , wobei der NTR-Bereich am 5 ' -Ende eine ausgeprägte Sekundärstruktur aufweist und die Bindung von Ribosomen ermöglicht, also die Translation des Genoms in das Polyprotein erlaubt.
Die vollständige Nukleotidsequenz einer cDNA einer infektiösen CVB3-Variante mit ausgeprägtem Tropismus für das Herz ist beschrieben bei Klump et al. (a.a.O.). Diese infektiöse cDNA von CVB3 steht in dem Konstrukt pCB3/T7 aus Klump et al. oder dem von den Erfindern neu bereitgestellten Konstrukt pcMV-CVB3 zur Verfügung. Vor dem 5 ' -Ende befindet sich ein Promotor (Prom), der die Transkription der cDNA in das RNA-Genom ermöglicht.
Beispiel 2: Reinigung von CVB3-Partikeln
Zellkulturen mit konfluent gewachsenen Kardiomyozyten werden mit 1 - 5 infektiösen Einheiten (PFU) CVB3 infiziert. Nach einigen Stunden ist der zytopathische Effekt erkennbar.
Nach 6 - 12 Stunden werden die Zellkulturüberstände sowie die Zellen geerntet.
Die Viren werden durch übliche Gefrier/Tau-Lyse aus den Zellen freigesetzt. Diese Virussuspension wird zunächst durch Zentri- fugation bei 1.500 Upm von Zelltrümmern gereinigt.
Der virushaltige Überstand wird auf 10 ml eines 5 - 30 % Saccharosegradienten geschichtet und ultrazentrifugiert . Dadurch ergibt sich eine Trennung von nativen Virionen
(Sedimentationskoeffizient 160 S), CVB3-A-Partikeln (135 S) und Proviren (125 S) . Proviren sind unvollständig maturierte Viren, die bei jeder Präparation in großer Menge vorliegen und sich durch noch nicht erfolgte Spaltung des VPO-Proteins in VP2 und VP4 auszeichnen.
A-Partikel entstehen aus nativen Virionen durch Abspaltung des Virusproteins 4, einem bei der Infektion natürlicherweise ablaufenden Vorgang. Sie sind dann nicht mehr infektiös, jedoch in einer Zelle noch vermehrbar.
Die erfahrungsgemäß in den ersten fünf Fraktionen zu findenden infektiösen Partikel werden durch Western-Blot-Analyse auf die Anwesenheit der viralen Partikel untersucht.
Zur Elimination der Saccharose aus den Viruspräparationen werden die relevanten Einzelfraktionen gegen PBS/20 mM MgCl2 für 24 Stunden bei 4°C dialysiert.
Die gereinigten Virusstocks werden bei -20°C gelagert. Verdünnungen dieser Virusstocks werden auf Wirtszellen ausgesät, um den Virustiter in einem üblichen Plaque-Test zu überprüfen.
Zur Inaktivierung der CVB3-Viren wird der Virusstock in eine Petrischale gefüllt und 30 - 60 min mit UV-C bestrahlt. Dabei werden die Nukleinsäuren der Viren geschädigt, nicht aber die biologisch aktiven Proteine.
Beispiel 3: Erzeugung von CVB3-A-Partikeln
In den gemäß Beispiel 2 hergestellten Fraktionen finden sich nur geringe Mengen an CVB3-A-Partikeln, so daß diese auf die beiden folgenden Weisen aus infektiösen CVB3-Partikeln hergestellt werden können:
A) native Virionen werden für 10 min bei 51°C erhitzt und gehen dabei quantitativ in CVB3-A-Partikel über.
Auf diese Weise steht ein Verfahren zur Verfügung, mit dem beliebig große Mengen dieser sonst nur in limitierenden Mengen von infizierten Zellen freigesetzten Partikel erzeugt werden können.
B) Die Alternative beruht auf einer Säulenaufreinigung, bei der rekombinante CVB3-Rezeptoren an eine Matrix gekoppelt werden. Die Säule wird dann mit aktiven CVB3-Partikeln geladen, die mit dem Rezeptor interagieren und dabei das Virusprotein 4 verlieren. Durch die Elution der Säule lassen sich die CVB3-A-Partikel gewinnen.
Beispiel 4: Endosomolytische Aktivität
Es konnte gezeigt werden, daß die CVB3-verstärkte Lipofektion unabhängig vom Rezeptor ist, so daß bei der Lipofektion keine A-Partikel erzeugt werden. A-Partikel sind jedoch die bei einer Rezeptor-abhängigen Infektion natürlicherweise entstehenden Partikel und haben eine höhere endosomolytische Aktivität als
native Virionen. Daher sind die Ergebnisse, die mit der durch
A-Partikel verstärkten Lipofektion erzielt werden, besser als die von Kern et al. beschriebene Lipofektion mit nativen Virionen.
Die eindeutige endosomolytische Aktivität von CVB3 konnte dadurch nachgewiesen werden, daß die CVB3-vermittelte Verstärkung der Lipofektion durch Bafilomycin, einem spezifischen Inhibitor der endosomalen Protonen-Pumpe (Bowman et al., PNAS, Band 85, Seiten 7972-7962, 1988; Drose et al., Biochemistry, Band 32, Seiten 3902-3906, 19993) wieder aufgehoben wird. Die Infektion von Zellen mit CVB3 läßt sich durch Bafilomycin jedoch nicht hemmen .
Peptide aus der Kapsidregion von CVB3, die endosomolytisch aktiv sind, sind in der folgenden Tabelle abgedruckt:
Tabelle 1: CVB3-Peptide mit endosomolytischer Aktivität. Hydrophile saure bzw. basische Aminosäuren sind fett gedruckt.
Bei den Peptiden kann das Problem bestehen, daß sie sich aufgrund ihrer amphipathischen Eigenschaften nur schwer mit Lipo- somen kombinieren lassen, denn diese werden dadurch zerstört. Dieses Problem kann dadurch gelöst werden, daß einige saure Aminosäuren zusätzlich N-terminal oder C-terminal synthetisiert
werden, und das synthetische Peptid dann über eine positiv geladene Poly-Lysin-Brücke an die zu transferierende DNA gebunden wird. Dies hat den weiteren Vorteil, daß Transferrin-gekoppel- tes Poly-Lysin verwendet werden kann, so daß eine effiziente Bindung an den Transferrin-Rezeptor möglich ist (Wagner, a.a.O. ) .
Beispiel 5: Replikationsinkompetente, genetisch modifizierte Viruspartikel
Ausgangspunkt für die Herstellung von genetisch modifizierten, replikationsinkompetenten Viruspartikeln ist ein Vektorplasmid, wie es in Fig. 2 dargestellt ist. Dieses Vektorplasmid enthält hinter einem Promotor eine DNA-Sequenz, die für das RNA-Genom aus Fig. 1 kodiert, wobei jedoch bestimmte Anteile des RNA- Genoms ausgetauscht oder z.B. durch Punktmutation derart verändert wurden, daß das RNA-Genom selbst nicht mehr infektiös ist.
In Fig. 2 ist das RNA-Genom aus Fig. 1 schematisch in einen ersten Anteil I sowie einen zweiten Anteil II aufgeteilt. Die Anteile I und II müssen nicht zwingend schematisch hintereinander angeordnet sein, sie können auch in beliebiger Reihenfolge mehrfach vorhanden sein.
Der Anteil I representiert den ausgetauschten oder modifizierten Sequenzanteil, während der Anteil II das Rest- Genom aus Fig. 1 repräsentiert.
Die Vektorplasmide aus Fig. 2 werden dann mit Helfer- Konstrukten in Wirtszellen ko-transfiziert, um replikationsinkompetente Viruspartikel zu erzeugen. Damit diese Ko-Transfizierung zum Erfolg führt, müssen die Helfer- Konstrukte den ausgetauschten oder modifizierten Anteil I komplementieren.
Dies kann zum einen dadurch erfolgen, daß der Anteil I mittels spezifischer PCR-Pri er aus dem in Beispiel 1 erwähnten Plasmid pCMV-CVB3 amplifiziert wird. Diese Amplifikate können mit einem viralen Vektor in Wirtszellen eingebracht werden, wobei andererseits eine Helferzelle auch stabil mit diesen Amplifikaten transfiziert werden kann. Auf diese Weise dienen die Helferzellen bei der Transfizierung mit Vektorplasmid als Wirtszellen und stellen in trans die fehlenden oder veränderten Anteile des Virusgenoms zur Verfügung.
Bevorzugt ist es jedoch, wenn die Helfer-Konstrukte ebenfalls Plasmide sind, die stabil oder transient in Wirtszellen transfiziert werden, um dann in RNA transkribiert zu werden, die wiederum translatierbar ist, um die Struktur- und Nichtstruktur-Proteine zu erzeugen, für die das Vektorplasmid selbst nicht kodiert.
Zu diesem Zweck ist es erforderlich, in z.B. das pCR-Script™- Plasmid einen Promotor, z.B. den CMV-Promotor , und eine IRES (internal ribosomal entry site) zu klonieren. Dahinter werden dann die Amplifikate mit den Anteilen I von CVB3 kloniert. Durch die IRES wird die Translationseffizienz der Helferanteile
erhöht, es kann z.B. die IRES von EMVC (Enzyphalomyocarditis- Virus), die EMCV-IRES von CLONETECH verwendet werden.
Auf diese Weise werden Helfer-Plasmide erzeugt, die in Bakterien verstärkbar und in RNA transcribierbar sind, die wiederum translatiert werden kann, um die Translationsprodukte der Vektor-Plasmide derart zu komplementieren, daß replikationsinkompetente Viruspartikel gebildet werden.
Dazu werden die Helferzellen, die transient oder stabil mit dem Helfer-Plasmid transfiziert sind, mit entsprechendem Vektorplasmid transfiziert, das dann durch die Wirtszelle in trans komplementiert wird.
Auf diese Weise entstehen replikationsinkompetente Viruspartikel, die nach entsprechender Aufreinigung verwendet werden können.
Ein Weg, der eine größere Variabilität ermöglicht, besteht darin, Wirtszellen mit dem Vektor-Plasmid aus Fig. 2 und dem entsprechenden, komplementierenden Helfer-Plasmid aus Fig. 3 zu ko-transformieren, wodurch die replikationsinkompetenten Viruspartikel entstehen.
Beispiel 6: CVB3-verstärkte Lipofektion
Als Zielzellen wurden Chinese-Hamster-Ovarian-Zellen (CHO), Rattenmyoblasten-Zellen (H9C2), humane Zervix-Karzinom-Zellen (HeLa), primäre humane Fibroblasten sowie primäre adulte Herzmuskelzellen des Schweins eingesetzt.
Am ersten Tag wurden 5 x 104 Zellen auf 24-Loch-Platten ausgesät. An zweiten Tag wurden die folgenden Lösungen angesetzt:
Lösung A: 150 μl Serum-freies Medium
5 μl Lipofektin (GIBCO/BRL)
1 Partikel pro Zelle CVB3 bzw. 100 ng-10 μg-
Peptidlösung
Lösung A wird 30 min bei Raumtemperatur inkubiert.
Lösung B: 1 , 5 μg Plasmid-DNA (z.B. pCMVLacZ) ad 150 μl Serum-freies Medium
Die Lösungen A und B werden gemischt und 15 min bei Raumtemperatur inkubiert.
Vor Zugabe der fertigen Lipofektionslösung werden die Zellen einmal mit Serum-freiem Medium gewaschen.
Das Medium wird vollständig entfernt und die 300 μl Lipofektionslösung auf die 24-Loch-Platte gegeben. Danach werden die Zellen für 5 Stunden bei 5 % C02 und 37 °C inkubiert. Nach dieser Zeit wird die Lipofektionslösung entnommen und durch Zellkulturmedium ersetzt.
Die Auswertung der Transfektion erfolgt am nächsten Tag durch einen In-situ-Lac-Z-Assay:
Das transfizierte Plasmid pCMVLacZ kodiert für die ß-Galactosidase, die aus der zunächst farblosen Lösung ein blaues, unlösliches Reaktionsprodukt in den Zellen erzeugt. Die Zellen wer-
den dabei zunächst fixiert und dann mit der Färbelösung inkubiert. Die Transfektionseffizienz ergibt sich aus der Anzahl der gefärbten Zellen/Gesamtzellzahl und wird im Mikroskop bestimmt.
Erste Ergebnisse aus dem Labor der Erfinder zeigen, daß durch die Partikel gemäß Beispiel 2, 3 und 5 sowie die Peptide gemäß Beispiel 4 eine Transfektion vermittelt werden kann, deren Effizienz oberhalb der Effizienz von Adenovirus-vermittelter Lipofektion liegt.