Substrat für Zellkulturen
Die Erfindung betrifft ein Substrat für Zellkulturen bestehend aus a) einem plattenför igen Körper mit gitterartig angeordneten, gegeneinander durch Stege getrennten Durchbrüchen und b) einem für Flüssigkeiten, nicht jedoch für Zellen durchläs¬ sigen Boden, der die Durchbrüche einseitig verschließt.
Ein solches Substrat ist aus der DE 29 02 026 AI bekannt. Die¬ ses Substrat besteht aus einem Wandkörper und einem Boden, der mit dem Wandkörper lösbar verbunden ist. Der Wandkörper be¬ steht aus einer Platte aus einem Kunststoff, die mehrere, durch Stege voneinander getrennte Durchbrüche (Kammern) auf¬ weist. Aus den Figuren geht hervor, daß die lichte Weite der Durchbrüche etwa 10 mm (10000 μm) beträgt.
Als Boden werden Glas- oder vorzugsweise Kunststoffplatten bzw. Kunststoffolien eingesetzt. Bei diesem Substrat wachsen die Zellen auf dem Boden auf, weshalb sich mit diesem Substrat im wesentlichen zweidimensionale Zellkulturen ergeben. Es ist weiterhin angegeben, daß der Boden mit der Zellkultur einen mikroskopischen Objektträger bilden oder zusätzlich auf einen Glasobjektträger aufgebracht werden kann. Auch hierbei wird davon ausgegangen, daß die Zellen praktisch nur am Boden an¬ wachsen und hier eine im wesentlichen zweidimensionale Schicht ausbilden.
Aus der Veröffentlichung "Morphologische Untersuchungen an Ei¬ leiterepithelzellen des Kaninchens: Primärkulturen auf Poly- carbonatmembranen" von I. G. Noske in TECNOMARA NEWS IV/90, Labortechnische Informationsschrift ist ein zweidimensionales Substrat für Zellkulturen und eine zweidimensionale Zellkultur bekannt. Das Substrat besteht aus einer Membran, die Poren un¬ terschiedlicher Größe aufweist. Einige dieser Poren durchdrin¬ gen die Membran. Die Zellen zeigen eine Tendenz, sich in die-
sen Poren zu verankern. Im wesentlichen bildet die Zellkultur eine Monoschicht, die die Oberseite und die Unterseite der Membran bedeckt.
Solche Substrate haben den Vorteil, daß Nährlösung den Zellen ungehindert zugeführt und Stoffwechselprodukte leicht abtrans¬ portiert werden können. Ferner besteht ebenfalls die Möglich¬ keit, auf solchen Substraten haftende Zellen optisch unter dem Mikroskop zu kontrollieren. Als Fazit der Veröffentlichung ist jedoch angeführt, daß die Zellen sich in Abhängigkeit vom an¬ gebotenen Substrat in ihrer Form verändern. So wachsen sie auf Glas- oder Plastikunterlage oft extrem flach, so daß die für ihre Funktion so wichtige Polarität nicht gewährleistet ist.
Aus den Veröffentlichungen "Solid tissue masses formed in vitro from cells cultured on artificial capillaries" von Richard A. Knazek, Federation Proceedings Vol. 33, No. 8 (Au¬ gust 1974) und einem Firmenprospekt der Firma «dünn Labortech¬ nik GmbH» in Asbach, DE, mit dem Titel "Cellmax™ 100 - Hollow Fiber Bioreactor System for Mammalian and Insect Cell Culture", der auf die Veröffentlichung Knazek bezug nimmt, ist ein Zellsubstrat bekannt, das aus einer Vielzahl parallel ver¬ laufender Kapillaren besteht, die im Abstand voneinander ange¬ ordnet sind. Die Kapillaren sind an ihren Enden durch jeweils ein Abschlußstück zusammengefasst, mit dem Nährlösung durch die Kapillaren geleitet werden kann. Die Zellen wachsen an der Außenseite der Kapillaren in dem Zwischenraum, den sie unter¬ einander bilden, auf. Die Nährlösung diffundiert aus dem In¬ nern der Kapillaren durch die Kapillarwand in den Zwischenraum und versorgt hier die Zellen. Auf diese Weise kann eine drei¬ dimensionale Zellstruktur erzeugt werden.
Dieses Substrat erscheint aus verschiedenen Gründen zur Anlage und Untersuchung von Zellkulturen weniger geeignet. Der Stoff¬ wechselgradient ist wegen der unregelmäßigen Geometrie nicht eindeutig definiert. Ferner wird die Diffusion von Produkten durch die Konstruktion der verschiedenen Kapillaren in Abhän-
gigkeit vom verwendeten Material immer auf bestimmte Moleku¬ largewichte eingeschränkt. Für manche Anwendungen ist eine Be¬ schichtung des Substrats notwendig; eine solche Beschichtung kann bei diesem Zellsubstrat als Diffusionssperrschicht wirken und damit einen Gradienten zusammenbrechen lassen. Schließlich kann das bekannte Substrat nicht so ausgebildet werden, daß eine mikroskopische Kontrolle der Zellen während der Kultivie¬ rung möglich ist.
Ein weiteres Substrat für die Kultivierung von menschlichen und/oder tierischen Zellen ist aus der EP 0 205 790 Bl be¬ kannt. Bei diesem Substrat handelt es sich um einen Verbund von perlenartigen Teilchen mit einem Durchmesser von etwa 50 bis 300 μm, in deren Zwischenräumen sich eine dreidimensionale Zellkultur ausbilden kann. Die perlenartigen Teilchen besitzen auf ihrer Oberfläche Makroporen, deren Durchmesser geringer als 10 μm ist und vorzugsweise im Bereich zwischen 0,1 und 3 μm liegt. Die Makroporen bilden ein Kapillarsystem, in welches die Zellen nicht hineinwachsen können, da der Zelldurchmesser der hierbei eingesetzten Zellen ca. 20 μm beträgt. Durch die¬ ses Kapillarsystem erfolgt die Versorgung der Zellen mit Nähr¬ medium und der Abtransport von StoffWechselprodukten.
Dieses Substrat scheint mit ähnlichen Nachteilen behaftet zu sein wie das oben erwähnte Kapillarrohr-Substrat.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, den genannten Nach¬ teilen der bekannten Zellsubstrate abzuhelfen. Insbesondere sollen die Vorteile von membranartigen Substraten mit der Mög¬ lichkeit, dreidimensionale ZeilStrukturen ausbilden zu können, kombiniert werden.
Die Aufgabe wird bei dem eingangs genannten Substrat für Zell¬ kulturen dadurch gelöst, daß die lichte Weite der Durchbrüche im Bereich zwischen 50 μm und 1000 μm liegt. Die abhängigen Ansprüche geben besonders vorteilhafte Ausführungsformen des Substrats an.
Die Durchbrüche können im Prinzip jede beliebige Form anneh¬ men. Vorzugsweise besitzen sie eine Rechteck- oder Sechseck¬ form, weil sich solche Formen mit Stegen von konstanter Breite realisieren lassen. Bei anderen, z. B. auch unregelmäßigen Formen soll die lichte Weite in jeder Richtung im angegebenen Bereich liegen. Die lichte Weite der Durchbrüche braucht nicht konstant zu sein. Die Durchbrüche können beispielsweise auch die Form von Rechteck- oder Sechseck-Pyramidenstümpfen, die sich in Richtung auf den Boden verjüngen, annehmen, wobei auch hier die angegebenen Werte für die lichte Weite in jeder Flä¬ che parallel zum Boden eingehalten werden sollen.
Obwohl das erfindungsgemäße Substrat im wesentlichen die selbe äußere Form aufweist wie das aus der eingangs zitierten DE 29 02 026 AI, ergeben sich allein aus der Wahl anderer Ab¬ messungen beträchtliche Unterschiede in der Wirkung des Sub¬ strats. Die Abmessungen des erfindungsgemäßen Substrats sind in der Weise gewählt, daß eingebrachte Zellen nicht (wie in dem bekannten, eingangs beschriebenen Substrat) am Boden an¬ wachsen, sondern sich an den seitlichen Wänden verankern und untereinander eine große Zahl von Verbindungen in horizontaler als auch besonders in vertikaler Richtung aufnehmen. Damit wird ein kompakter dreidimensionaler Zellverband aufgebaut, dessen Größe durch die Abmessung des einzelnen Durchbruchs vorgegeben ist. Aufgrund der erfindungsgemäß gewählten Größe wird zugleich die Versorgung des Zellverbands gewährleistet.
Der wesentliche Grundgedanke bei der Wahl der erfindungsge¬ mäßen Abmessungen besteht darin, den einzelnen Zellen bereits bei der Anlage der Kultur möglichst wenig ebene Bodenfläche anzubieten. Es hat sich gezeigt, daß ein dreidimensionaler Aufbau einer Gewebestruktur nicht mehr erreicht werden kann, wenn sich wie beim eingangs beschriebenen Substrat mehrere Zellen unter Ausbildung einer zweidimensionalen Schicht am Bo¬ den anheften.
Besonders bevorzugt wird ein Substrat, bei dem die lichte Weite der Durchbrüche im Bereich zwischen 150 μm und 400 μm liegt. Durchbrüche mit diesen Abmessungen sind insbesondere auf Zellen mit einem Durchmesser von 20 μm abgestimmt.
Die Tiefe der Durchbrüche hängt vom vorgesehenen Einsatzzweck des erfindungsgemäßen Substrats ab. Sie wird dadurch begrenzt, daß unter physiologischen Bedingungen eine gute. Nähr¬ stoffversorgung der zentralen Gewebszone im einzelnen Durch¬ bruch (Kompartiment) gewährleistet sein muß. Unter diesem Ge¬ sichtspunkt erscheint eine Tiefe der Durchbrüche im Bereich zwischen 50 und 300 μm am besten geeignet. Für spezielle, un¬ physiologische Anwendungen erscheint eine Tiefe im Bereich zwischen 300 und 1000 μm besser geeignet. Solche Anwendungen sind beispielsweise Untersuchungen an Tumormodellen, bei denen eine zentrale nekrotische Zone bewußt erzeugt wird.
Besonders bevorzugt sind Substrate, deren Durchbrüche die Form eines sich in Richtung auf den Boden verjüngenden Pyra¬ midenstumpfs aufweisen. Solche Substrate lassen sich mit den Methoden der mechanischen Mikrofertigung besonders einfach herstellen.
Durch eine geeignete Wahl der Breite der Stege auf der freien, nicht durch den Boden abgedeckten Seite des plattenförmigen Körpers läßt sich eine definierte Gewebsschicht auf kleinstem Raum herstellen. Hierbei wachsen die Zellen aus den Durchbrü¬ chen heraus und verbinden sich zu einem das ganze Substrat überdeckenden Gewebeverband, der selbst keine störenden Stütz- Strukturen mehr enthält. Unter diesem Gesichtspunkt soll die Breite der Stege im Bereich zwischen 15 und 115 μm liegen.
Beim erfindungsgemäßen Substrat ist der Boden an sich nur wäh¬ rend der Anlage der Zellkultur erforderlich. Da sich die Zel¬ len, bedingt durch die erfindungsgemäße Wahl der Abmessungen, an den Wänden der Durchbrüche verankern, kann es insbesondere für eine mikroskopische Kontrolle der Zellkultur vorteilhaft
sein, wenn der Boden abnehmbar ist. Im Gegensatz zum eingangs beschriebenen Substrat trägt hierbei nicht der Boden, sondern der plattenför ige, mit den Durchbrüchen versehene Körper die Zellkultur.
Als Boden kann eine mikroporöse, nur für Flüssigkeiten, nicht dagegen für einzelne Zellen durchlässige Platte, etwa eine ke¬ ramische Fritte, oder eine eine entsprechende Kunststoff- membran eingesetzt werden. Eine gitterartige Bodenplatte mit definierten, durch Wände abgetrennte Öffnungen wird jedoch be¬ vorzugt. Die Öffnungen können dabei so gewählt werden, daß einzelne Zellen zurückgehalten werden.
In jedem Fall wird der Boden vorzugsweise so ausgelegt, daß die eingebrachten Zellen prinzipiell nur unwesentlich oder besser überhaupt nicht anheften können.
Dies kann beispielsweise dadurch erreicht werden, daß der Bo¬ den keine freie, ebene Fläche aufweist, die der Größe der ein¬ zelnen Zelle entspricht. Wird beispielsweise eine keramische Fritte als Boden eingesetzt, soll die Porosität der Fritte entsprechend gewählt werden. Weiterhin kann der Boden aus ei¬ ner Platte oder Folie bestehen, die aus einem solchen Material besteht, das für die Anheftung von Zellen ungeeignet ist.
Bei den bekannten, als Boden für Zellsubstrate einsetzbaren Platten oder Folien liegen die Größen der freien Flächen zwi¬ schen den Poren im allgemeinen innerhalb einer bestimmten Bandbreite. Ein gleichmäßigerer Boden besteht aus einem re¬ gelmäßigen Gitter mit durch Wände voneinander getrennten Öff¬ nungen. Ein solches Gitter läßt sich ebenfalls mit den Metho¬ den der Mikrofertigung (mechanische Mikrofertigung, Röntgen¬ tiefenlithographie, andere Lithographieverfahren etc.) her¬ stellen.
Besonders bevorzugt sind solche gitterartigen Bodenplatten, die den Zellen bei der Anlage der Zellkultur prinzipiell keine
ausreichende Fläche zum Verankern bieten. Deshalb werden die Wände des vorzugsweise eingesetzten Gitters maximal 20 μm, etwa 1 bis 20 μm dick und die lichte Weite der Öffnungen maxi¬ mal 5 μm, etwa 1 bis 5 μm groß gewählt. Die untere Grenze der Abmessungen eines solchen Gitters wird meist durch das Her¬ stellungsverfahren begrenzt sein. Vorzugsweise ist im Inte¬ resse der ungehinderten Zufuhr von Nährlösung und des un¬ gehinderten Abtransports von Stoffwechselprodukten der Flä¬ chenanteil der Öffnungen in dem Boden größer als der Flächen¬ anteil der Stege.
Es ist vorteilhaft, wenn das erfindungsgemäße Substrat aus einem durchsichtigen Material gefertigt ist. Als durchsichti¬ ges Material ist insbesondere Polymethylmethacrylat (PMMA) ge¬ eignet. Substrate aus PMMA können mit den Methoden der Mi¬ krofertigung einerseits einfach hergestellt werden; anderer¬ seits besitzt PMMA gewebefreundliche Eigenschaften.
Mikroskopische Untersuchungen können vereinfacht werden, wenn die Bodenplatte nach der Anlage der Zellkultur vom Gitter ge¬ löst werden kann. Für den Fall, daß das Substrat aus dem plat- tenförmigen Körper und einem lösbaren Boden aufgebaut ist, reicht es für mikroskopische Beobachtungen aus, wenn nur der plattenformige Körper aus einem durchsichtigen Material gefer¬ tigt ist.
Für manche Anwendungen können die Innenwände der Durchbrüche und die freien Flächen des Bodens in der Weise beschichtet werden, daß Zellen nicht anheften. In diesem Fall eignet sich das erfindungsgemäße Substrat außer zur Bildung definierter Gewebsschichten auch zur Erzeugung multizellulärer Sphäroide von definierter und sehr einheitlicher Größe. Eine hierfür ge¬ eignete Beschichtung wird beispielsweise durch eine Siliko- nisierung hergestellt. Bei einem solchen Substrat kommt es zu einer freien Aggregation der eingebrachten Zellen in den ein-
zelnen Durchbrüchen (Kompartimenten) . Die lichte Weite der Kompartimente bestimmt dann den Durchmesser der so gebildeten Sphäroide.
Das erfindungsgemäße Substrat stellt beispielsweise einen plattenförmigen Körper dar, der in der Art einer GitterStruk¬ tur quadratische Vertiefungen enthält, die dicht nebeneinander angeordnet sind und sich in Form eines Pyramidenstumpfs nach unten verjüngen. Auf den Grundflächen der Vertiefungen sind weitere, wesentlich kleinere pyramidenförmige Vertiefungen an¬ gebracht, wobei die Spitzen der kleineren pyramidenförmigen Vertiefungen den plattenförmigen Körper durchstoßen. Bei die¬ ser Ausführungsform sind der plattenformige Körper und der Bo¬ den in einem Bauteil verbunden.
Eine weitere Ausführungsform des erfindungsgemäßen Substrats besteht darin, daß ein durchbrochener plattenförmiger Körper auf eine mikroporöse, insbesondere eine gitterförmige Boden¬ platte aufgesetzt ist.
Durch dreidimensionale Kultivierung der Zellen im erfindungs- gemäßen Substrat erfolgt Zelldifferenzierung zusätzlich zu den Substratkontakten über Zell-zu-Zell-Interaktionen. Neben der mikroskopischen Beobachtung können Serien-Dünnschnitte des mit Zellen gefüllten Substrates angefertigt werden, ein für die Anwendung histologischer und histochemischer Methoden ent¬ scheidender Vorzug.
Das erfindungsgemäße Substrat kann in einen Objektträger ebenso wie in ein Medium-Zirkulationssystem integriert werden. Bei mehrlagiger randdichter Ausfüllung mit Zellen stellt das Substrat eine Art Gewebefilter dar, wodurch zwei physiologi¬ sche Halbräume oberhalb und unterhalb desselben definiert wer¬ den. Durch unterschiedliche Mediumbeschickung im Zirkulations¬ system bilden sich vertikal gerichtete Stoffwechselgradienten in der Kultur aus, die auch durch eine zusätzliche Beschich-
tung der Gitterelemente (z. B. mit Komponenten der Extrazellu¬ larmatrix im Zuge zellspezifischer Anwendungen) nicht blockiert oder behindert werden.
Das erfindungsgemäße Substrat stellt eine stabile Stützstruk¬ tur für Zellen dar und ermöglicht die Herstellung von defi¬ nierten Schichten aus verschiedenen Zelltypen. Durch die hier¬ bei auftretenden heterotypischen Zellinteraktionen kann es zu weiteren Differenzierungssvorgängen kommen. Mit solchen Syste¬ men können beispielsweise zellspezifische Transportprozesse studiert werden. Speziell könnten die in vitro nur schwer re- stituierbaren Bedingungen des Organsystems Haut näher unter¬ sucht werden, indem ein Halbraum von Luft anstelle von Medium durchströmt wird.
Eine solche "organnahe" Kulturtechnik auf der Basis des erfin¬ dungsgemäßen Substrates ist auf eine große Zahl verschieden¬ artiger Zelltypen anwendbar. Sie kann für Fragestellungen aus zahlreichen biomedizinischen Gebieten eingesetzt werden, bei denen ein Höchstmaß an Zelldifferenzierung erforderlich ist:
Für toxikologische Untersuchungen zur Erzielung wirklich¬ keitsnaher Ergebnisse.
Bei der Entwicklung von Arzneimitteln: Wirkungs- und Abbau¬ tests.
In der Grundlagenforschung.
- Als Alternative zum Tierexperiment, vor allem bei der Un¬ tersuchung komplizierter Organsysteme (z. B. Leber oder Haut) .
Die Erfindung wird im folgenden anhand von Figuren und Ausfüh- rungsbeispielen näher erläutert.
Fig. 1 zeigt eine Ausführungsform mit quaderförmigen Vertie¬ fungen 1, die durch senkrechte Stege 2 voneinander getrennt und nach unten durch eine poröse Bodenplatte 3 abgeschlossen sind.
Fig. 2 zeigt die Ausführungsform gemäß Fig. 1 und eine abge¬ wandelte Ausführungsform mit V-förmigen Stegen im Querschnitt.
Die Fig. 3 bis 5 zeigen verschiedene Bearbeitungsschritte ei¬ nes Formeinsatzes, mit dem eine Ausführungsform des erfin¬ dungsgemäßen Substrats abgeformt werden kann.
Fig. 3 stellt den vorbearbeiteten Formeinsatz dar.
In Fig 4 ist der grobstrukturierte Formeinsatz dargestellt.
Fig. 5 zeigt den feinstrukturierten Formeinsatz.
Fig. 6 zeigt mit dem grobstrukturierten Formeinsatz abgeformte Stege aus PMMA.
Fig. 7 zeigt mit dem feinstrukturierten Formeinsatz abgeformte Stege mit kleinen Einsenkungen am Grund der durch die Stege getrennten Durchbrüche, aus denen die Öffnungen hergestellt werden.
Fig. 8 zeigt die durch Fräsen bearbeitete Unterseite des Sub¬ strats mit den Öffnungen.
Fig. 9 stellt die Oberseite des in Fig. 8 gezeigten Substrats dar.
Fig. 10 zeigt einen Mikroskop-Objektträger, in den das Sub¬ strat integriert ist.
Fig. 11 zeigt einen weiteren Mikroskop-Objektträger mit inte¬ griertem Substrat.
Beispiel 1
Herstellung einer Ausführungsform des erfindungsgemäßen Sub¬ strats
Die erfindungsgemäßen Substrate können durch Röntgenlithogra¬ phie-Verfahren oder durch Abformverfahren hergestellt werden. Im folgenden wird anhand der Fig. 3 bis 8 ein Abformverfahren beschrieben, mit dem auf einfache Weise eine Vielzahl der er¬ findungsgemäßen Substrate in Serie hergestellt werden können.
Zur Abformung eines Substrats aus Kunststoff wird ein Formein¬ satz benötigt, in den die Positiv-Strukturen der Durchbrüche und Öffnungen des mikrostrukturierten Substrats eingebracht sind.
Fig. 3 zeigt einen vorbearbeiteten Formeinsatz mit vier erha¬ benen Plateaus von 10 mm x 10 mm in den Bereichen 1 bis 4. Die Höhe der Plateaus beträgt 1 mm. In jedes Plateau werden mit einem keilförmig profilierten Diamanten kreuzweise Nuten der¬ art eingebracht, daß im Rastermaß 400 μm quadratische Netze aus 280 μm tiefen Gräben mit dreieckigem Querschnitt entste¬ hen. Dadurch bleiben Pyramidenstümpfe mit Deckflächen von 300 μm x 300 μm stehen. Diese grobstrukturierte Form des Formein¬ satzes ist in Fig. 4 dargestellt.
Danach werden in den Bereichen 1 bis 4 in die Pyramidenstümpfe durch erneute kreuzweise Bearbeitung mit feineren Diamanten eine Substruktur eingebracht: Die Deckfläche eines jeden Pyra¬ midenstumpfs wird im Raster 40 μm durch 8 8 Mikropyramiden¬ stümpfe strukturiert. Die Höhe der Mikropyramidenstümpfe liegt bei 80 μm, die Deckflächen messen einige 10 μm2. Das Ergebnis dieses Bearbeitungsschritts ist in Fig. 5 dargestellt.
Der auf diese Weise bearbeitete Formeinsatz wird mit Hilfe ei¬ ner Spritzgießmaschine abgeformt. Fig. 6 und 7 zeigen Grob- und Feinstruktur des in PMMA abgeformten Werkzeugs.
In einem abschließenden Bearbeitungsschritt wird das unter den abgeformten Strukturen befindliche Material entfernt; durch diesen Schritt werden die Öffnungen am Boden des Substrats freigelegt. Hierzu wird das Substrat auf einer Vakuumspannvor¬ richtung fixiert und solange Material von der Unterseite des Substrats entfernt, bis die Öffnungen bzw. Poren des Bodens offen zutage treten. Über das Maß des Abtrags läßt sich die Dicke des Bodenteils und der minimale Porendurchmesser steu¬ ern. Das Ergebnis dieses Verfahrensschritts ist in den Fig. 8 (Unterseite des Substrats) und 9 (Oberseite des Substrats) dargestellt. Wird der Boden des Substrats vollständig ent¬ fernt, läßt sich ein Kunststoffgitter aus 100 μm breiten Ste¬ gen mit Maschenweiten von 300 μm herstellen, das als platten- förmiger Körper dienen kann.
Beispiel 2
Herstellung eines Mikroskop-Objektträgers
Ein gemäß Beispiel 1 hergestelltes Substrat 2 mit einer be¬ nutzbaren Fläche von 10 mm x 10 mm wird, wie in Fig. 10 ge¬ zeigt, mit zwei Glasobjekttragerplattchen 1, Justierscheiben 3 und Zwischenscheiben 4, die Thermostatisierungs- und Nähr¬ lösungskanäle 5 enthalten, zu einem Objektträger vereinigt.
Die äußeren Kanäle dienen der Thermostatisierung; über die mittleren Kanäle wird Nährlösung zu- und abgeleitet.
Beispiel 3
Herstellung eines weiteren Mikroskop-Objektträgers
Der Mikroskop-Objektträger besteht aus zwei nahezu identischen Zwischenscheiben 10, 11, zwischen denen ein gemäß Beispiel l hergestelltes Substrat 2 flüssigkeitsdicht eingespannt werden kann. Die obere 10 und untere 11 Zwischenscheibe sind bis auf den Unterschied identisch, daß die obere seitlich vier Bohrun¬ gen 12 und die untere an den entsprechenden Stellen vier Ge-
winde (nicht dargestellt) enthält, durch die mittels Schrauben das dazwischenliegende Substrat 2 eingeklemmt wird. Die Zwi¬ schenscheiben sind aus Messing gefertigt und oberflächlich durch eine galvanisch aufgebrachte Schicht aus Rhodium für die Gewebekultur veredelt. Die jeweilige Außenfläche ist mit einer rechteckigen Einfräsung der Breite versehen, daß Sie ein han¬ delsübliches Mikroskop-Objekttragerplattchen 14 aufnehmen kann, das durch jeweils zwei an den kurzen Außenkanten befind¬ liche Kunststoffschrauben (in den Bohrungen 15) arretiert wird. Die Zwischenscheiben sind mit einer zentralen Bohrung 16 versehen, durch die eine optische Beobachtung der Zellen im Substrat möglich ist.
Auf der Innenseite befindet sich eine kreisförmige Einfräsung 20, die der paßgenauen Aufnahme des Substrats dient.
Zwei äußere durchgehende Rohre 17 (Innendurchmesser 3 mm, Außendurchmesser 4 mm) können über den Anschluß an ein exter¬ nes Wasserbad mit Warmwasser zur Temperierung durchströmt wer¬ den. Mittlere Rohre 18, 19 ragen von gegenüberliegenden Seiten in die zentrale Bohrung 16 hinein. Durch diese wird frisches Nährmedium durch den Hohlraum geleitet, der an der mittleren Fläche durch das Substrat 2 und an der äußeren Fläche durch das jeweilige Objekttragerplattchen 14 begrenzt ist. Dadurch entstehen im zusammengebauten Zustand zwei Hohlräume, die von unterschiedlichen Nährmedien durchströmt werden können.
Das gesamte System ist somit von oben nach unten symmetrisch durch die folgenden Komponenten aufgebaut:
Objekttragerplattchen 14, verschraubt an die obere Zwischen¬ scheibe 10, verschraubt unter Zwischenlage des Substrats mit der unteren Zwischenscheibe 11, an der ein weiteres Objekttra¬ gerplattchen 14' verschraubt ist.
Mit den gemäß Beispiel 1 hergestellten Substraten wurden im folgenden biologische Versuche durchgeführt, um die Kultivie¬ rung dreidimensionaler Zellkulturen zu demonstrieren.
Beispiel 4
Beschickung des Substrats mit Zellen
Die Experimente wurden mit zwei permanenten Zellinien der Maus durchgeführt: L- und SV40-3T3-Zellen. Es kamen durchweg Stan¬ dard-Kulturmedien zum Einsatz.
Zunächst wurden die Substrate durch Co-Gammabestrahlung mit ca. 100 Gy sterilisiert und in eine trockene Petrischale über¬ führt. Auf die 1 cm2 große Gitterfläche wurden 300 bis maximal 400 μl einer konzentrierten Suspension von Zellen bzw. Sphä- roiden (Zellaggregate) aufgetragen. Durch die Kapillarwirkung kam es zu einem raschen Eindringen in die Vertiefungen des Substrats innerhalb von ca. einer Minute unter vollständiger Mitnahme der Zellen oder Sphäroide. Nach ca. 15 Minuten im Brutschrank bei 37 "C wurde die Petrischale vorsichtig mit Me¬ dium gefüllt, wobei zwei Varianten erprobt wurden. Einmal wurde die Gitterstruktur unterschichtet, so daß sie auf dem Mediumfilm schwamm. Alternativ wurde sie überschichtet. In beiden Fällen etablierte sich ein vollständiger Kontakt des Mediums mit den Zellen im Substrat; beide Varianten erwiesen sich als gleichwertig in Bezug auf die weitere Kultivierung der Zellen im Brutschrank. Die Beschickung des Substrats ist insgesamt problemlos; auf eine zusätzliche vorsichtige Zentri- fugierung zur Verbesserung des Eindringens der Zellen bzw. Sphäroide kann im allgemeinen verzichtet werden.
Beispiel 5
Zur Gewebefreundlichkeit des verwendeten Kunststoffs PMMA
Ein weiteres Testziel bestand in der Untersuchung der Gewebe¬ freundlichkeit des Substratmaterials. Als Kriterium wurde hier die Ausbildung von mikroskopisch sichtbaren Kontakten mit den
Wänden herangezogen. Es zeigte sich, daß es innerhalb weniger Stunden zur Anheftung der Zellen an den Wänden der Vertiefun¬ gen des Substrats kommt. Zusammen mit Vitalitätstests und wei¬ teren Details der Zellwechselwirkung mit den Gitterwänden wird damit die Gewebeverträglichkeit des Substratmaterials PMMA und der Geometrie der Substratstruktur demonstriert. Die beobach¬ tete hohe Affinität der Zellen zum Material wird möglicher¬ weise durch die Vorbestrahlung zur Sterilisierung begünstigt. Die hierbei auftretenden Oberflächenveränderungen (Veränderung des Ladungsmusters) können die Ausbildung von Zellkontakten erleichtern.
Beispiel 6
Vitalität und Waσhstumsverhalten der Zellen
Das Testziel bestand zum einen darin, etwaige zellschädigende Wirkungen bei der Langzeitkultur im Substrat zu identifizie¬ ren. Zum andern sollte das Wechselwirkungsmuster der Zellen mit den Gitterwänden und ihre morphologische Differenzierung untersucht werden. Um zeilschädigende Wirkungen zu identifi¬ zieren, wurden Zellen und Sphäroide in den Gitterstrukturen über mehr als 2 Wochen kultiviert. Die NährstoffVersorgung er¬ folgte durch Mediumwechsel alle 2 bis 3 Tage. Während dieser Zeit blieb die Kultur steril, die Zellen lebens- und teilungs¬ fähig. Beim Abbruch der Versuchsreihen waren noch alle Zellen vital (Nachweis durch Trypanblau-Ausschlußtest) und teilungs¬ fähig (Klonogenitätstest) . Von dem Kultursystem gehen damit, selbst bei Langzeitkultur, keinerlei zellschädigende Wirkungen aus.
Zur Herstellung und Kultur mehrlagiger Zellschichten in den Vertiefungen des Substrats kann man von Einzelzellen oder be¬ reits fertigen Sphäroiden ausgehen. Die Wahl wird in der Pra¬ xis nach den Eigenschaften der verwendeten Zellarten, z. B. nach ihrer proliferativen Kapazität, getroffen.
Bei der Einbringung von Einzelzellen kommt es zunächst zur An¬ heftung an die Wände der Vertiefungen und zwar meist selektiv etwa in der Mitte der Wände, d. h. auf halber Wandhöhe. Eine Besiedlung des porösen Bodens der Vertiefungen findet nur in geringem Umfang statt. Von den Wänden ausgehend vermehren sich die Zellen ohne mechanische Unterstützung zur Mitte der Ver¬ tiefungen hin. Es entsteht ein mehrlagiges dichtes Zellge¬ flecht. Dieses Verhalten hängt in gewissem Umfang vom Typus der eingesetzten Zellen ab und war bei den L-Fibroblasten be¬ sonders ausgeprägt.
Zur Untersuchung des Verhaltens von Sphäroiden wurden die Ver¬ tiefungen mit SV40-3T3-Sphäroiden mit einem mittleren Durch¬ messer von 200 μm beschickt. Sie waren damit kleiner als die Vertiefungen, so daß ihr Wachstumsverhalten verfolgt werden konnte. Sie lagerten sich zunächst jeweils an eine Wand der Vertiefungen an. Die ZeilVermehrung führte zu einer Volumenzu¬ nahme der Sphäroide, so daß diese nach wenigen Tagen die Ver¬ tiefungen randdicht ausfüllten. Die Kontaktbildung der äußeren Spharoidzellen mit den Substratwänden und damit die Ausbildung eines mehrschichtigen gewebeartigen Zellverbands konnte mi¬ kroskopisch nachgewiesen und verfolgt werden.
Beispiel 7
Ablösung der Zellen zur Analyse; Wiederverwendbarkeit der Sub¬ strate
Die in den Vertiefungen verankerten Zellen können mit Hilfe einer enzymatischen Behandlung mit Trypsin herausgelöst und weiter analysiert werden. Die lichtmikroskopische Inspektion zeigt, daß die Zellen dabei quantitativ aus den Vertiefungen entfernt werden. Auch eine einwöchige Inkubation des geleerten Substrats mit frischem Kulturmedium ergab, daß keine Zellen in den Vertiefungen verblieben. Gleichzeitig konnte damit die Aufrechterhaltung der Sterilität dokumentiert werden. Auf diese Art "gereinigte" Substrate sind wiederholt einsetzbar.