EP0503341B1 - Stabile, stickstoffreiche Verbindung - Google Patents
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Description
- Die Erfindung betrifft eine stabile, stickstoffreiche organische Verbindung und deren Verwendung in pyrotechnischen Mischungen.
- Stickstoffreiche organische Verbindungen finden in der Chemie und Technik vielfache Verwendung, sei es als Reaktionspartner in chemischen Prozessen oder als gas-, insbesondere innertgaserzeugende Substanzen. Problematisch ist, daß bei stickstoffreichen Verbindungen die direkte Kopplung von N-Atomen miteinander nur wenig stabil ist und solche Verbindungen deshalb für viele Anwendungszwecke nicht in Frage kommen. So ist zwar beispielsweise Tetrazol als sehr stabile Verbindung geläufig, weist jedoch einen relativ geringen Stickstoffgehalt auf. Dieser wiederum ließe sich nennenswert dadurch erhöhen, daß zwei Tetrazolringe über eine Azo-Brücke zum 5,5' Azotetrazol verbunden werden. Diese Verbindung ist als freie Säure aber wenig stabil.
- Auch Salze des 5,5'-Azotetrazol sind als Innertgas erzeugende Substanzen schon vorgeschlagen worden. So ist ein Bis (-triaminoguanidinium)-5,5'-azotetrazolat bekannt (US-A-4 601 344) zur Verwendung in Feuerlöschmitteln bekannt. Diese Verbindung weist jedoch eine so hohe Reib- und Schlagempfindlichkeit auf, daß sie in die Kategorie der Initialsprengstoffe einzuordnen ist. Auch die thermische Stabilität ist so gering, daß die Verbindung bei erhöhter Temperatur nur eine kurze Lebensdauer hat. Den gleichen Nachteil hat das weiterhin bekannte Aminoguanidinium-5,5'-azotetrozolat (DE-A-2 004 620 mit DE-A-34 22 433). Perchlorate von Diguanidin sind in US-A-4340755 als Sprengstoffe beschrieben. das Guanidiniumsalz von 5-Nitroaminotetrazol ist aus US-A-3905322 bekannt; es kann als Gasgenerator Verwendung finden. DE-A-3641788 betrifft ein Verfahren zum Verbessern der Druckabhängigkeit des Abbrandverhaltens von Festtreib- und Rohrwaffentreibmitteln.
- Erfindungsgemäß wird mit Diguanidinium-5,5'-azotetrazolat eine Verbindung vorgeschlagen, die, wie ihre Summenformel C₄H₁₂N₁₆ zeigt, einen hohen Stickstoffgehalt, nämlich 78,7 % bei einem Molekulargewicht von 284,5, aufweist. Sie ist als Salz des 5,5'-Azotetrazols sehr stabil und in den üblichen organischen Lösungsmitteln mit Ausnahme von Methanol, Dimetyhlformamid und Dimethylsulfoxid bei Zimmertemperatur praktisch unlöslich. Auch die Löslichkeit in Wasser ist nur sehr mäßig. Die thermische Beständigkeit ergibt sich aus dem festgestellten, relativ hohen Schmelzpunkt zwischen 238 und 239 °C. Ferner zeigt sich bei einer Einlagerungstemperatur von 130°C nach 50 Tagen nur ein Gewichtsverlust von 1%, der also praktisch vernachlässigbar ist. Der Vorteil der Verbindung insbesondere für technische Einsätze ergibt sich daraus, daß die bei der Zersetzung entwickelten Gase für den Menschen unschädlich sind, so das ein Einsatz in der Nähe von Menschen, insbesondere auch in geschlossenen Räumen möglich ist.
- Bei der Darstellung von Diguanidinium-5,5'-azotetrazolat wird zweckmäßigerweise von handelsüblichen Substanzen ausgegangen. So wird erfindungsgemäß vorgeschlagen, daß 5-Aminotetrazol durch Oxidation zu Natrium-5,5'-azotetrazolat-Pentahydrat umgewandelt und in wässriger Lösung mit Guanidiniumchlorid oder -nitrat zu Diguanidinium-5,5'-azotetrazolat umgesetzt wird.
- Sowohl Aminotetrazol, als auch Guanidiniumchlorid oder -nitrat sind im Handel erhältlich, so daß sich der erfindungsgemäße Stoff auch preisgünstig herstellen läßt.
- Das Zwischenprodukt Natrium-5,5'-azotetrazolat-Pentahydrat läßt sich dadurch herstellen, daß 5-Aminotetrazol-Monohydrat in NaOH gelöst, der Lösung pulveriges KMn0₄ zugegeben, das Reaktionsgemisch abfiltriert und aus dem Filtrat Natrium-5,5'-azotetrazolat-Pentahydrat auskristallisiert wird. Das Pentahydrat wird anschließend in wässriger Lösung mit Guanidiniumchlorid oder -nitrat zu Diguanidinium-5,5'-azotetrazolat umgesetzt. Bei diesem Umsatz fällt das Diguanidinium-5,5'-azotetrazolat als leicht filtrierbarer gelber Niederschlag mit guter Ausbeute an.
- 50 g 5-Aminotetrazol-Monohydrat werden in 500 ml 15 %iger Natronlauge bei Siedetemperatur unter Rühren gelöst. In einem Zeitraum von ca. einer halben Stunde werden 65 g im Mörser pulverisiertes Kaliumpermanganat eingetragen. Überschüssiges KMnO₄ wird, beispielsweise mit Äthanol, reduziert. Nach einer 1-stündigen Nachreaktion wird das siedend heiße dunkelbraune Reaktionsgemisch über einen beheizten Filtertrichter abfiltriert. Im Filtrat kristallisiert das gelbe Natrium-5,5'-azotretazolat-Pentahydrat aus. Nach Umkristallisation und 48-stündigem Trocknen über Phosphorpentoxid werden 37,5 g Ausbeute (51,2 % des theoretischen Wertes) erhalten. Durch Einengen der Mutterlauge und gründliches Waschen des Braunsteins kann die Ausbeute bis auf 75 % gesteigert werden.
- 12,0 g des so erhaltenen Na-5,5'-azotetrazol-Pentahydrats (0,04 Mol) werden bei 50°C in 100 ml Wasser gelöst und unter kräftigem Rühren in eine Lösung von 9,76 g Guanidiniumnitrat (0,08 Mol) eingegeben. Dabei bildet sich ein dicker gelber Niederschlag, der nach Filtration, einmaliger Umkristallisation aus Wasser von 100°C und 48-stündigem Trocknen über P₂O₅ im Vakuumtrockenschrank eine Ausbeute von 9,5 g Diguanidinium-5,5'-azotetrazolat (84,1 % d. Th.) liefert.
Analyse berechnet für C₄H₁₂N₁₆: 16,9 % C; 4,26 % H; 78,8 % N Analyse gefunden: 16,8 % C; 4,13 % H; 78,2 % N - Die außerordentlich gute thermische Beständigkeit des Diguanidium-5,5'-azotetrazolat (GZT) gegenüber dem bekannten Bis (-triaminoguanidium)-5,5'-azotetrazolat (TAGZT) bzw. dem ebenfalls bekannten Aminoguanidium-5.5'-azotetrazolat (AGZT) ergibt sich aus nachstehender Tabelle I, in der der Gewichtsverlust in % einer Einwaage von 1000 mg bei einer konstanten Temperatur von 130°C in jeweils zwei Versuchsreihen für jeden der drei Stoffe gegenübergestellt ist.
- Die Erzeugung von großen Gasmengen aus Festkörpern mit relativ kleinem Volumen spielt in vielen Bereichen der Technik eine große Rolle. Hier sei beispielsweise auf sicherheitstechnische Rückhaltesysteme in Kraftfahrzeugen (Airbags) verwiesen, die im Ausgangszustand ein den Komfort der Fahrzeuginsassen, wie auch das äußere Erscheinungsbild des Fahrzeugs nicht beeinträchtigendes, geringes Volumen aufweisen, aus dem bei einem Aufprallunfall spontan große Mengen Gas erzeugt werden, um die Fahrzeuginsassen vor gefährdenden Teilen des Kraftfahrzeugs abzufangen bzw. abzustützen. Weitere Anwendungsgebiete solcher pyrotechnischen Sätze sind aufblasbare Rettungssysteme, wie Schlauchboote, Flöße, Fluchtleitern. Ferner können sie zum Beschleunigen von Wurfkörpern, zum schnellen Transport von Elektrolytflüssigkeiten aus Vorratsbehältern in Akkumulatoren zur Aktivierung derselben im Bedarfsfall, wie auch zum Verbessern von Raketen-Festtreibstoffen oder Rohrwaffenpulvern dienen.
- Die bislang zum Aufblasen von Luftkissen für Insassenschutzvorrichtungen in Kraftfahrzeugen, auch "Airbags" genannt, angewendeten pyrotechnischen Sätze, wie sie in der Praxis zum Einsatz kommen (DE-A-22 36 175), enthalten das hochtoxische Natriumazid. Bei der ständigen Zunahme von Kraftfahrzeugen mit solchen Insassenschutzvorrichtungen entstehen daraus erhebliche Umweltprobleme. Auf Schrottplätzen besteht wegen der guten Wasserlöslichkeit von Natriumazid die Gefahr der Boden- und Grundwasserverseuchung. Bei Einwirkung von Säuren, z.B. Batteriesäure, bildet sich die hochexplosive Stickstoffwasserstoffsäure. Im Kontakt mit Schwermetallen wie Blei, Kupfer, Messing können hochexplosive Schwermetallazide entstehen.
- Daher werden Anstrengungen unternommen, den hohen gewichtsprozentualen Anteil von Natriumazid in solchen gaserzeugenden Mischungen wenigstens zu reduzieren, wenn es schon nicht gelingt, ganz auf Natriumazid zu verzichten (DE-A-3 733 176 und JP-A-02 184 590).
- Die erfindungsgemäße Verbindung ist in hervorragender Weise als Grundlage für eine pyrotechnische Mischung zur Erzeugung umweltfreundlicher und ungiftiger Gase geeignet, die trotz der geforderten Lebhaftigkeit auch unter extremen Einsatzbedingungen beständig und eine lange Lebensdauer aufweist, indem Diguanidinium-5,5'-azotetrazolat (GZT) mit einem pulverförmigen, chemisch stabilen Oxidator gemischt wird.
- Das erfindungsgemäß verwendete GZT kann als pulverförmige Substanz verarbeitet werden. In Verbindung mit einem pulverförmigen, chemisch stabilen Oxidator, der insbesondere auch nicht hygroskopisch sein darf, läßt sich eine Mischung herstellen, bei der die Sauerstoffbilanz weitgehend ausgeglichen ist. Diese Mischungen sind thermisch sehr stabil sowie schlag- und reibunempfindlich. Mit der Erfindung wird also ein azidfreies, insbesondere natriumazidfreies Produkt vorgeschlagen, das demzufolge wesentlich umweltfreundlicher ist.
- Als Oxidator wird vorzugsweise KNO₃ verwendet. Eine hieraus mit GZT hergestellte Mischung läßt sich aufgrund ihrer hohen Handhabungssicherheit - siehe Tabelle 2 - auch in größeren Chargen fein mahlen. So läßt sich insbesondere ein Korngrößenspektrum herstellen, bei dem über 50 % der Partikel der Mischung einen Teilchendurchmesser < 15 »m aufweisen. Die Korngrößenverteilung und die Korngröße selbst bestimmen sehr maßgeblich die Lebhaftigkeit einer solchen Gasgeneratormischung, wobei naturgemäß auf eine homogene Mischung zu achten ist.
- Durch Zusatz organischer oder anorganischer Bindemittel lassen sich aus der Pulvermischung Formkörper herstellen. Dabei sollte der Anteil der Bindemittel 5 Gew% nicht übersteigen. Durch unterschiedliche Geometrie der Formkörper läßt sich das Abbrandverhalten wesentlich beeinflussen.
- Erkenntnisse über das Abbrandverhalten und die Gaserzeugung lassen sich anhand der Druckentwicklung (Druck-Zeit-Kurven) bei Zündversuchen in einer ballistischen Bombe sammeln. Z.B. kann das Druck-Zeit-Verhalten einer GZT-KNO₃-Formulierung ohne Binder bei einer Ladedichte von 10 g auf 100 cm³ ermittelt werden. Zur Anzündung eignen sich z.B. 0,7 g Anzündmischung aus Bor und KNO₃. Entscheidend für einen bestimmten Einsatzzweck können z. B. der Zündverzug, die Flankensteilheit und die Zeitdauer bis zum Erreichen des Maximaldrucks sein. Einen wichtigen Erkenntniswert für die Lebhaftigkeit der Gaserzeugung gibt die 30/80-Zeit, das heißt die Steigung der Abbrandkurve im Bereich zwischen 30 % und 80 % des Maximaldrucks. Der Kurvenverlauf im Druck-Zeit-Diagramm läßt sich bei Formkörpern unter anderem auch durch deren Geometrie beeinflussen. Selbstverständlich üben auch eventuell vorhandene anorganische oder organische Bindemittel einen Einfluß auf die Flankensteilheit aus.
- Eine weitere Möglichkeit zur Steuerung der Gaserzeugung bzw. der Erzeugungsgeschwindigkeit ist durch die Verwendung katalytischer Abbrandregler möglich. Sie können mit einem Anteil von 0,1 bis 5 Gew% eingesetzt werden.
- Als Abbrandregler kommen vornehmlich Oxide der Schwermetalle der Nebengruppen des Periodensystems der Elemente, insbesondere der I. oder VIII. Nebengruppe und hierunter vor allem Eisenoxide in Frage.
- Statt dessen können als Abbrandregler auch organische oder anorganische Salze dieser Metalle vervendet werden.
- Für eine GZT-KNO₃-Formulierung ohne Binder konnten folgende Eigenschaften festgestellt werden:
Ein Maß für die thermische Stabilität läßt sich durch Messung des Gewichtsverlustes bei 130 °C in lose verschlossenen Prüfröhren feststellen. Er beträgt bei einer GZT-KNO₃-Formulierung nur 0,3 Gew% nach 34 Tagen. - Die Entzündungstemperatur dieser Formulierung liegt zwischen 251 und 253 °C bei einer Einwaage von 0,2 g und einer Aufheizgeschwindigkeit von 20 K/min.
- Die Schlagempfindlichkeit, ermittelt nach der Fallhammermethode der BAM (Koenen und Ide "Explosivstoffe" 9 (1961) Seite 4, 30), liegt bei über 10 kpm, das heißt mit dem 10-kp-Fallhammer konnte bei einer Fallhöhe von 1 m keine Reaktion beobachtet werden. Auch die Bestimmung der Reibempfindlichkeit (a.a.O.) ergab bei einer Stiftbelastung von 36 kp noch keine Reaktion.
- In der nachfolgenden Tabelle II sind die Schlag- und Reibempfindlichkeit von GZT/KNO₃ einerseits, dem reinen GZT und dem bekannten TAGZT und AGZT andererseits gegenübergestellt.
TABELLE II Schlag- Reib- empfindlichkeit (kpm) (kp) TAGZT 0,15 - 0,16 10,8 AGZT 0,7 36,0 GZT 0,75 36,0 GZT/KNO₃ keine keine
Claims (14)
- Stabile, stickstoffreiche organische Verbindung in Form des Diguanidinium-5,5'-azotetrazolat der Summenformel C₄H₁₂N₁₆.
- Verfahren zur Herstellung von Diguanidinium-5,5'-azotetrazolat, dadurch gekennzeichnet, daß 5-Aminotetrazol durch Oxydation zu Natrium-5,5'-azotetrazolat-Pentahydrat umgewandelt und in wässriger Lösung mit Guanidiniumchlorid oder -nitrat umgesetzt wird.
- Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß 5-Aminotetrazol-Monohydrat in NaOH gelöst, der Lösung pulveriges KMnO₄ zugegeben, das Reaktionsgemisch abfiltriert und aus dem Filtrat Natrium-5,5'-azotetrazolat-Pentahydrat auskristallisiert wird, das anschließend in wässriger Lösung mit Guanidiniumchlorid oder -nitrat umgesetzt wird.
- Verwendung der Verbindung nach Anspruch 1 in Mischung mit einem pulverförmigen, chemisch stabilen Oxidator als pyrotechnische Mischung zur Erzeugung unweltverträglicher, ungiftiger Gase.
- Verwendung nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, daß als Oxidator KNO₃ eingesetzt wird.
- Verwendung nach Anspruch 4 oder 5, dadurch gekennzeichnet, daß die Mischung fein gemahlen ist.
- Verwendung nach einem der Ansprüche 4 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß über 50 % der Partikel der Mischung einen Teilchendurchmesser kleiner 15 »m aufweisen.
- Verwendung nach einem der Ansprüche 4 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß die Mischung zu Formkörpern kompaktiert wird.
- Verwendung nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, daß zur Bildung von Formkörpern organische oder anorganische Bindemittel mit einem Anteil bis zu 5 Gew% zugegeben werden.
- Verwendung nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, daß zur Steuerung der Gaserzeugung katalytische Abbrandregler mit einem Anteil von 0,1 bis 5 Gew% zugegeben werden.
- Verwendung nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, daß als Abbrandregler Oxide der Schwermetalle der Nebengruppen des Periodischen Systems zugegeben werden.
- Verwendung nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, daß als Abbrandregler Oxide der Schwermetalle der I. oder VIII. Nebengruppe des Periodensystems der Elemente zugegeben werden.
- Verwendung nach Anspruch 11 oder 12, dadurch gekennzeichnet, daß als Abbrandregler Eisenoxide zugegeben werden.
- Verwendung nach einem der Ansprüche 4 bis 13, dadurch gekennzeichnet, daß als Abbrandregler organische oder anorganische Salze der genannten Metalle zugegeben werden.
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