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Verfahren zur Gewinnung von Mikroorganismen bzw. deren Stoffwechsel-
oder Gärungsprodukten Es ist bekannt, bei der Durchführung biologischer Prozesse,
z. B. bei den Verfahren zur Gewinnung von Hefe, Eiweiß und Fetten, bei Gärungsprozessen
u. dgl., Zusätze von Phosphaten anzuwenden, wenn der natürliche Gehalt des Nährmediums
hieran nicht ausreichend ist. Diese Verwendung beruht auf der Erkenntnis, daß die
Phosphorsäure in den Stoffwechsel der lebenden Zelle eingeht und dort als Aufbau-
und Wirkstoff benötigt wird. Angewandt werden für diese Zwecke ausschließlich die
löslichen Alkali-Orthophosphate und unter geeigneten Umständen auch technische Produkte,
wie Superphosphat.
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Es wurde nun die überraschende Feststellung gemacht, daß mit der Anwendung
von löslichen anhydrischen anorganischen Phosphaten, wie z. B. Pyro-, Meta- und
Polyphosphaten, ein ganz abweichender Einfluß auf den Ablauf von derartigen biologischen
Prozessen ausgeübt werden kann. Hierbei treten ganz unerwartete zusätzliche Wirkungsmomente
in Erscheinung, die außerhalb der Teilnahme dieser Stoffe am normalen Phosphorsäurestoffwechsel
stehen.
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Aus der Literatur ist bekannt, daß Metaphosphate eine fällende und
gerbende Wirkung auf Eiweißstoffe ausüben und daß Pyrophosphat die Atmungsfermente
schädigt und auf Trypsin eine hemmende Wirkung ausübt. Im Widerspruch dazu wird
von anderer Seite auch behauptet, daß anhydrische Phosphate .die Wirksamkeit von
Trypsin und von Maltose steigern. Ferner ist auch bekannt, daß bei der Vergärung
nach dem Dismutationsverfahren
durch Verwendung sehr hoher, ein
Mehrfaches des Zuckers oder der Hefe betragender, bereits toxisch wirkender und
den Gärungsprozess als solchen stark lähmender Zusätze von Tetrakaliumpyrophosphat,
als Alkalisator zur primären Dismutation des Zuckers, die Glycerinausbeute unter
untragbarem Hefeaufwand gesteigert werden kann Aus diesen Vorveröffentlichungen
war nicht zu entnehmen, daß mittels recht kleiner, untergeordneter Zusatzmengen
von anhydrischen Phosphaten das Wachstum, die Vermehrung und der Stoffwechselprozeß
von Hefe und anderen Mikroorganismen sehr wirksam angeregt werden kann.
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Wie zunächst gefunden wurde, kann bei der biologischen Fettsynthese
auf dem Wege der Hefeverfettung durch Mitverwendung der anhydrischen anorganischen
Phosphate der Nutzeffekt überraschend gesteigert werden, und zwar auch, wenn unter
plasmolysierenden, d. h. mehr oder minder zellfreien Gärungsbedingungen gearbeitet
wird. Ini Anschluß daran hat sich ergeben, daß auch die biologische Eiweißsynthese
auf dem Wege der Hefezüchtung bei Mitverwendung von anhydrischen an organischen
Phosphaten erhöhte Ausbeuten an Eiweiß und Fett liefert und daß ebenso Gärungsprozesse
durch die anhydrischen anorganischen Phosphate günstig zu beeinflussen sind, so
daß der Anwendung dieser Stoffe für alle Stoffwechsel- bzw. Gärungsprozesse von
Mikroorganismen Bedeutung zukommt. Nach den festgestellten Befunden erscheinen die
anhydrischen löslichen Phosphate unter ailderem als spezifische Stimulantien der
Fettbildung wirksam.
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Die optimal anzuwendenden Konzentrationen der anhydrischen anorganischen
Phosphate in der Gärflüssigkeit sind mit etwa o,oi °/o bei einer Reihe von Hefezüchtungs-
und Gärungsprozessen außerordentlich gering, bei anderen liegen sie etwas höher,
und sie erreichen bei plasmolytischen Prozessen wegen des weit geringeren Ausmaßes
an verfügbarem Flüssigkeitsvolumen Beträge von über i 'o%. Die Anwendungsmengen
müssen daher, je nach dem besonderen Anwendungsfall, der Art des vorliegenden Reaktionsgemisches
und der Zuträglichkeit für die vorhandenen biologischen Wirkstoffe und Reaktionsabläufe,
ermittelt werden. In Anwendung kommen die anhydrischen anorganischen Phosphate je
nach dem Verwendungszweck hauptsächlich als neutrale, basische oder saure Salze
des Ammoniums, der Alkalien oder Erdalkalien.
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Da die anhydrischen Phosphate im biologischen Reaktionsablauf, durch
fermentativ bewirkte Hydrolyse und Resorption vielfach einem ständigen Verbrauch
unterliegen können, ist es in solchen Fällen zweckmäßig, die optimale Konzentration
durch laufende Ergänzung konstant zu halten, was bei Züchtungs- und Gärungsprozessen
nach dem Zulaufverfahren zusammen mit der Ergänzung der übrigen Bedarfsstoffe möglich
und in anderen Fällen entsprechend zu regeln ist.
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Bei der plasmolytischen Hefeverfettung hat sich durch Mitverwendung
kleiner Mengen Harnstoff bzw. Harnstoffderivat eine weitere Wirkungssteigerung ergeben.
Von den sonstig benötigten Nährsalzen können die Orthophosphate, etwa nach Maßgabe
des festgestellten Verbrauches von anhydrischem Phosphat, reduziert werden. Das
Verfahren eignet sich wie für die Erzielung der Stoffwechsel- bzw. Gärungsendprodukte
gleicherweise auch für die Gewinnung der intermediären Zwischenprodukte dieser Art.
Wenn diese Zwischenprodukte selbst Phosphorverbindungen sind, wie z. B. die Phosphorsäureester
der Zucker oder ihrer Spaltprodukte, so ist es nach dem vorher Gesagten in diesem
Sonderfall möglich und sogar zweckdienlich, für den hier entsprechend größeren Verbrauch
an Gesamtphosphat unter weitgehendem oder völligem Verzicht auf üblicherweise angewandtes
Orthophosphat entsprechend vergrößerte Mengen von anhydrischen anorganischen Phosphaten
zu verwenden. Für die Durchführung der biologischen Prozesse in Gegenwart anhydrischer
anorganischer Phosphate gelten im übrigen alle für dieses Gebiet maßgeblichen Regeln
und Methoden.
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Die Wirksamkeit der anhydrischen Phosphate äußert sich teils in der
beschriebenen Beeinflussung der Art und Menge der Endprodukte, teils auch in der
Beschleunigung der Reaktionsabläufe. Durchweg scheint auch die Stabilität der Mikroorganismen
und ihrer, Inhaltsstoffe gegen höhere Temperaturen und gegen sonstige schädliche
Beeinflussung chemischer oder physikalischer Art wesentlich erhöht, so daß bei z.
B. höherer Temperatur gearbeitet werden kann, wodurch wiederum eine noch raschere
Arbeitsweise ermöglicht wird.
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Hinsichtlich des vermutlich in verschiedensten Richtungen eingreifenden
Wirkungsmechanismus der anhy drischen anorganischen Phosphate kann angenommen werden,
daß als ein wesentlicher Faktor die katalytische Beeinflussung der aktiven Grenzflächen
von Zellen und Zelleninhalt eine Rolle spielt, also ein physikalisch-chemischerEffekt,
bei welchem die anhydrischen Phosphate unverändert bleiben. Andererseits wird bei
den Zellsystemen, welche diese Phosphate zu hydrolysieren und also auch chemisch
umzusetzen und sogar zu resorbieren vermögen, gegenüber Orthophosphat offenbar eine
stärkere Belebung des Phosphorsäureumsatzes und bzw. oder eine verbesserte Kohlenhydratverwertung
bewirkt, und zwar zusätzlich zu dem erstgenannten Beeinflussungsmoment.
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Das Verfahren besitzt für die Beeinflussung des Wachstums und Stoffwechsels
von Mikroorganismen bzw. für die Gewinnung von deren Stoffwechsel- oder Gärungsprodukten
allgemeinere Bedeutung.
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Beispiele i. Gewinnung von Preßhefe (biologische Eiweißsynthese) Aus
25o g Gerstenmalz, die in bekannter Weise mit Wasser in «süße Würze» übergeführt
werden, wird unter Zusatz von ioo g Traubenzucker, io g Harnstoff, io g prim. Natriumphosphat
und 2o g Natriumhexametaphosphat einekonzentrierteNährlösung in einer Menge von
z2oo ccm hergestellt, die anschließend sterilisiert wird.
In einem
mit einer Feinbelüftungseinrichtung versehenen Gärgefäß werden 41 steriles Wasser
mit 400 ccm der obigen Nährlösung versetzt, sodann wird eine Aufschlämmung von 2o
g Preßhefe (Sprithefe) in 6o ccm Wasser hinzugefügt. Bei einer Arbeitstemperatur
von 25° C befindet sich dieser Ansatz nach etwa einer Stunde in lebhafter Gärung.
In diesem Zeitpunkt wird durch Einschalten der Feinbelüftung der biologische Prozeß
auf überwiegendes Hefewachstum umgeschaltet und unter gleichzeitiger Steigerung
der Arbeitstemperatur auf 30° C weitergearbeitet. Nunmehr erfolgt laufend jeweils
nach Ablauf von 3 Stunden Zugabe von je Zoo ccm der konzentrierten Nährlösung. Nach
vollständigem Einbringen der Würze wird noch 4 Stunden bei 30° C weiterbelüftet.
Der danach völlig zuckerfreie Ansatz wird bis zum Absitzen der Hefe stehengelassen.
Nach Dekantieren der klaren oberen Flüssigkeit wird die untenliegende Hefesuspension
durch Zentrifugieren weitmöglichst von Flüssigkeit befreit und etwa in der gleichen
Konsistenz des Ausgangsmaterials, d. h. mit einem Wassergehalt von etwa 8o °/o erhalten.
Ausbeute 390 g Preßhefe rnit einem Fettgehalt von 5,6 °/o in der Trockensubstanz;
der gleiche Ansatz lieferte ohne Mitverwendung von Hexametaphosphat 308 g
Preßhefe mit einem Fett -Behalt von 2,4 % in der Trockensubstanz. Das Hefewachstum
wurde also beträchtlich gesteigert, ob-.wohl die hier benutzte Sprithefe für die
biologische Eiweißsynthese nicht speziell geeignet erscheinen kann. 2. Gewinnung
von Hexosephosphaten In 400 g feinzerbröckelter frischer Unterhefe knetet man ein
feinpulvriges Gemisch aus Zoo g Dextrose, 45 g Trinatriumpyrophosphat, 45 g Natriumhexametaphosphat
ein. Binnen weniger Minuten entsteht durch Plasmolyse ein dünner heller Brei, dessen
PH-Wert mittels Bikarbonatlösung auf etwa 6,5 eingestellt wird. Bei einer Temperatur
von 35° C: setzt rasch Gärung ein, die innerhalb von 15 bis 30 Minuten zu
überraschender Stärke anschwillt. Um ein überschäumen zu verhindern, muß mit Wasser
so weit verdünnt werden, daß die Kohlensäure unbehindert rasch aus dem Reaktionsansatz
entweichen kann. Mittels abfiltrierter Proben, deren Verhalten gegen Silbernitratlösung
geprüft wird, verfolgt man den Umsatz von Pyro- und Metaphosphat, welche nach I
bis i12 Stunden nicht mehr nachweisbar sind. Sobald dieser Punkt erreicht ist, wird
durch kurzes Erhitzen auf ioo° C die Gärung zum Stillstand gebracht, die Hefe durch
Abzentrifugieren abgetrennt und die klare Reaktionsflüssigkeit zur Abscheidung der
Hexosephosphate bis auf nahezu ioo° C erhitzt und mit siedender konzentrierter Calciumchloridlösung
versetzt, worauf die somit ausgefällten Hexosephosphate abgetrennt und in bekannter
Weise gereinigt und getrocknet werden. Ausbeute etwa 170 g Calciumhexosephosphat.
Bei stufenweisem Zusatz der anhydrischen Phosphate kann der Bedarf an Hefe und Kohlenhydrat
noch weiter verringert werden. Im Vergleich zu der bekannten, mit Orthophosphat
arbeitenden Methode werden bei der vorliegenden Arbeitsweise der Rohstoffverbrauch,
das Arbeitsvolumen und der Zeitverbrauch stark verringert und die Ausbeute erhöht.