-
Fahrschaltersteuerung für elektrische Triebfahrzeuge Bei Triebwagen
für elektrische Straßenbahnen oder ähnliche Fahrzeuge mit Antrieb durch Elektromotoren,
welche von einer Oberleitung gespeist werden, dient meist die elektrische Kurzschlußbremse
als Betriebsbremse. Die Fahrzeuge werden mit dieser Bremse bis auf kleine Geschwindigkeiten
von wenigen km/h herunter abgebremst, so daß die Handbremsen nur die übrigbleibende
geringe Geschwindigkeit bis zum Stillstand des Fahrzeuges abzubremsen brauchen bzw.
als Notbremse dienen.
-
Die Abbremsung der Fahrzeuge über den größten Teil des Geschwindigkeitsbereiches
mit Hilfe der Fahrmotoren hat verschiedene Vorzüge gegenüber anderen Bremsverfahren,
z. B. eine Ersparnis an Bremsklötzen und Radbandagen, die Verhütung von metallischem
Bremsstaub usw. Außerdem ist die elektrische Kurzschlußbremse einfach in der Bedienung,
billig in der Anschaffung und im allgemeinen auch unabhängig vom Vorhandensein der
Fahrdrahtspannung. Die für das Fahren ohnehin vorhandene Steuerung, beispielsweise
der Fahrschalter, bedarf für die elektrische Bremsung nur weniger zusätzlicher Schaltelemente.
Die vorhandenen Schaltmittel im Fahrschalter, die Fahrmotoren und der Anfahrwiderstand
werden einfach nach der Abschaltung des Fahrstromes umgeschaltet und zur Bildung
und Regelung des Kurzschlußbremsstromkreises benutzt. Üblicherweise wird die elektrische
Bremse beispielsweise durch den handbedienten Fahrschalter so betätigt, daß die
Fahrkurbel von der Fahrschalter-Nullstellung aus in die entgegengesetzte Richtung
gedreht wird wie zur Herstellung der Fahrschaltung. Wird beispielsweise der Fahrschalter
bei Fahrt im Uhrzeigersinn gedreht, so wird er beim Bremsen entgegen dem Uhrzeigerdrehsinn
geschaltet.
-
Die selbsterregte Kurzschlußbremse hat aber folgenden Nachteil: Die
auf Grund der Remanenz vorhandene
Anfangsspannung derAnker der
zum Bremsen benutzten Fahrmotoren ist verhältnismäßig klein. Dies kann bei einem
großen Widerstand im Bremsstromkreis dazu führen, daß sich die Fahrmotoren nicht
erregen. Die Ankerspannung kann beispielsweise bei einem längeren Auslauf der Fahrmotoren
am Schluß nur mehr einige Volt betragen. Sind dann die Übergangswiderstände an den
Schaltelementen beispielsweise infolge von Oxydation, kleinen Schmelzperlen od.
dgl. groß, so ist die vorhandene kleine Ankerspannung oftmals nicht in der Lage,
diese schlecht leitenden Kontaktstellen zu durchschlagen, und es kommt dann zum
Versagen der elektrischen Bremse.
-
Die Erfindung beseitigt diesen Nachteil der selbsterregten Kurzschlußbremse
bei einer Fahrschaltersteuerung für elektrische Triebfahrzeuge, insbesondere bei
einer unmittelbar von Hand betätigten Starkstrom-Fahrschaltersteuerung für Straßenbahntriebwagen
oder Oberleitungsomnibusse, mit Gleichstrommotoren, die zur Abbremsung der Fahrzeuge
in selbsterregter Kurzschlußbremsschaltung benutzt werden, dadurch, daß in der betriebsmäßigen
Auslaufstellung (Stellung »Aus«) die Fahrmotoren auf Selbsterregung durch die abklingende
Ankerspannung geschaltet werden.
-
Die Erfindung sei nachfolgend an Hand der Fig. z, 2 und 3 der Zeichnung
beispielsweise näher beschrieben.
-
Fig. x zeigt beispielsweise den Verlauf der Ankerspannung eines zum
Bremsen benutzten Fahrmotors in Abhängigkeit von der Auslaufzeit des Motors. Hierbei
sind die Ankerspannung E als Ordinate und die Auslaufzeit t als Abszisse aufgetragen.
-
Bei neuzeitlichen Fahrschaltern dauert der Löschvorgang beim Abschalten
des Fahrstromes von Reihenschlußmotoren mit bei Straßenbahnen üblichen Leistungen
etwa 1/1o Sekunden, d. h., vom Anfang der Kontaktöffnung (Zeitpunkt t1 der Fig.
z) bis zum Abklingen des Stromes auf den Wert J = o (Zeitpunkt t2). In dem Zeitpunkt
t2 hat die Ankerspannung E (J = o)
einen Wert von etwa der halben Netzspannung
EN
und sinkt dann in weniger als 1/1o Sekunde auf etwa ein Drittel bis ein
Viertel der Netzspannung EN. Sie klingt dann langsamer ab und beträgt nach
weiteren 0,5 Sekunden etwa noch ein Fünfundzwanzigstel des Wertes der Netzspannung
EN. Bei längerem Auslauf der Fahrmotoren vor dem Einsetzen der Bremsung sinkt
die Spannung am Anker (Remanenzspannung) ganz allmählich dann noch etwas weiter
ab.
-
Diese Tatsache macht sich die Erfindung zunutze in der Erkenntnis,
daß man den elektrischen Kurzschlußbremsstromkreis nicht erst dann bilden und erregen
muß, wenn die Bremsung einsetzen soll, beispielsweise nach mehreren Sekunden Auslaufzeit,
also bei kleinster Remanenzspannung, sondern unmittelbar nach Ausschaltung des Fahrstromes,
wenn die Ankerspannung noch einen Wert aufweist, der etwa bei der Hälfte, einem
Viertel oder einem Fünftel der Netzspannung EN liegt. Diese Spannung ist
dann in der Lage, sämtliche Widerstände im Bremsstromkreis einschließlich der von
Fall zu Fall sehr verschiedenen Übergangswiderstände an den Fahrschalter-Kontaktstellen
zu überwinden. Sieht man dann noch einen zusätzlichen Widerstand vor, der mit den
Bremsstufenwiderständen (dem Anfahrwiderstand) in Reihe liegt, dann kann der Strom
in dem unmittelbar nach Ausschaltung des Fahrstromes gebildeten Bremsstromkreis
auf so geringen Werten gehalten werden, daß eine merkliche Verzögerung des Fahrzeuges
im Auslauf trotz der Selbsterregung der Fahrmotoren nicht stattfindet. Andererseits
verschwindet aber auch der Bremsstrom bei den in FragekommendenGeschwindigkeitennichtmehr,sodaß
gewünschtenfalls die selbsterregte elektrische Bremse sofort in volle Wirksamkeit
gesetzt werden kann.
-
Damit die Bremskraft in der Selbsterregungsstellung wegen der verhältnismäßig
hohen Selbsterregungsspannung nicht zu groß wird und zu plötzlich einsetzt, können
auch noch andere Mittel, beispielsweise eine Feldschwächung der Fahrmotoren mittels
eines Parallelwiderstandes verwendet werden. In manchen Fällen wird es zur Erzielung
schnellster und kräftiger Anregung der Kurzschlußbremsselbsterregung auch vorteilhaft
sein, kurzzeitig auf den Bremswiderstand zu schalten, der in der ersten Bremsstufe
eingeschaltet ist, und erst bei erreichter Auslaufstellung den Zusatzwiderstand
einzuschalten. Zweckmäßig wird der Selbsterregungsstrom über einen größeren Geschwindigkeitsbereich
konstant gehalten. Als Bremszusatzwiderstand wird mit Vorteil ein Eisen-Wasserstoff-Widerstand
verwendet, dessen Widerstandswert mit zunehmendem Strom ansteigt.
-
Die Fig. 2 und 3 zeigen, in welcher Weise die Selbsterregung beispielsweise
eingeschaltet werden kann. In den Fig. 2 und ,3 sind handbetätigte Starkstromfahrschalter
schematisch dargestellt, und zwar zeigt Fig. 2 den bisher üblichen Fahrschalter
und Fig.3 beispielsweise einen gemäß der Erfindung ausgebildeten Fahrschalter.
-
F sind die Fahrstufen und B die Bremsstufen. Zwischen den Fahrstufen
F und den Bremsstufen B war bisher die betriebsmäßige Nullstellung N vorgesehen.
Gemäß der Erfindung wird zweckmäßigerweise diese bisherige Nullstellung, wie in
Fig. 3 dargestellt ist, als Selbsterregungs-Bremsstellung VE ausgebildet. Dann wird
die bisher allgemein übliche Betätigungsweise des Fahrschalters für den Fahrer nicht
geändert.
-
Bei Fahrzeugen mit zwei Führerständen wird man die Stellung zur Außerbetriebsetzung
des Fahrschalters so ausbilden wie die bisherige Nullstellung und entweder bei A1
(Fig. 3) oder bei A2 vorsehen, d. h. also entweder zwischen der ersten Fahrstellung
F1 und der Selbsterregungs-Bremsstellung VE oder hinter der letzten Bremsstufe B5.
-
Erwähnt sei noch, daß in letzter Zeit Steuerungen für Triebfahrzeuge
mit selbsttätig betätigtem Fahr-und Bremsschaltwerk bekanntgeworden sind, bei denen
während des Auslaufes zur Vorerregung der Fahrmotoren ein gleichzeitig fremd- und
selbsterregter Bremsstromkreis gebildet wird und gleichzeitig eine Voreinstellung
des Bremsschaltwerkes auf eine der jeweiligen Geschwindigkeit entsprechenden Schaltstufe
vorgenommen wird.
-
Diese Vorerregung der Fahrmotoren und Voreinstellung des Bremsschaltwerkes
dient aber bei diesen
bekannten Steuerungen anderen Zwecken als
bei der erfindungsgemäßen Fahrschaltersteuerung. Bei solchen selbsttätig bewegten
Bremsschaltwerken ist es nämlich beispielsweise von erheblicher Wichtigkeit, daß
bei den verschiedensten Geschwindigkeiten des Triebwagens erreicht wird, daß die
j e nach der Geschwindigkeit verschieden langen Durchlaufzeiten des Schaltwerkes
zwischen dem Einschalten und dem Wirksamwerden der Kurzschlußbremsung vermieden
werden. Ferner soll bei diesen bekannten selbsttätig bewegten Bremssteuerungen verhindert
werden, daß beim Erreichen derjenigen Stufe, die der jeweiligen Geschwindigkeit
entspricht, das bis dahin schneller laufende Schaltwerk über diese Stufe zu schnell
hinwegläuft und zu Bremsstößen oder zum Blockieren der Räder führt. Die durch die
Vorerregung der Fahrmotoren bei diesen bekannten Steuerungen zu lösende Aufgabe
ist also von der durch die erfindungsgemäße Steuerung zu lösenden Aufgabe wesentlich
verschieden. Bei diesen bekannten, mittelbar betätigten Steuerungen dient die Vorerregung
der Fahrmotoren zur Voreinstellung des Bremsschaltwerkes und nicht zur Erhöhung
der Sicherheit des Eintrittes der Kurzschlußbremsung, da dieser ja zu jeder Zeit
durch die vorhandene Fremderregung der Fahrmotoren erzwungen wird.
-
Der Vorzug der erfindungsgemäßen Steuerung besteht aber gerade darin,
daß einerseits ein rasches Einsetzen des Bremsvorganges ermöglicht wird und andererseits
eine Fremderregung der Fahrmotoren nicht erforderlich ist. Die Vermeidung einer
Fremderregung und damit einer Fremdstromquelle, wie beispielsweise einer Batterie
oder eines Umformers, ist gerade beispielsweise bei Straßenbahnen und ähnlichen
Fahrzeugen sehr wesentlich, da bei solchen Fahrzeugen die Anschaffungskosten und
insbesondere die Kosten für die Instandhaltung von Fremdstromquellen bei einem großen
Wagenpark von ausschlaggebender Bedeutung sein können.
-
Von einer Fahrschaltersteuerung, insbesondere für Straßenbahntriebwagen
und ähnliche Fahrzeuge, wird im übrigen folgendes gefordert: Einfachheit im Aufbau,
geringer Bedarf an Ersatzteilen, Vermeidung von Teilen, die ständiger Pflege und
Überwachung bedürfen (z. B. von Batterien), ferner Vermeidung eines unwirtschaftlichen
Stromverbrauches, größte Betriebssicherheit selbst bei längeren Abständen zweier
Revisionen und nicht zuletzt Einfachheit der Bedienung. Diese soll durch Kurbeln
(bzw. Fußhebel) möglichst unmittelbar erfolgen (bei in der Wagenmitte angeordneten
Fahrschaltern kann deren mechanischer Antrieb über eine Hohlwelle od. dgl. erfolgen).
Alle diese Forderungen erfüllt die Erfindung restlos.