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Verfahren zur Herstellung eines blutgerinnungshemmenden Mittels
Die
Erfindung betrifft die Herstellung eines blutgerinnungshemmenden Mittels durch ein
Verfahren, bei dem man Chondroitinschwefelsäure hydrolytisch auf eine Viskositätszahl
(Z) unter o,25, vorzugsweise von o,25 bis o,Io (Konzentration in g/Ioo ccm und Viskositätszahl
gemessen in 0,5 n NaCl-Lösung), abbaut und die erhaltene Verbindung in einen Polyschwefelsäureester
überführt.
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Nach dem neuen Verfahren wird zunächst Chondroitinschwefelsäure,
beispielsweise aus Knorpel, nach der Vorschrift von K. H. Meyer und anderen (Helvetica
Chimica Acta, Bd. 3I, I402 [I948]) hergestellt, vorzugsweise mit verdünnten Mineralsäuren,
z. B.
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Salzsäure, hydrolytisch abgebaut. Bei diesem Abbau wird vor allem
der Polymerisationsgrad verringert, indem die Glukosidbindungen der Monosaccharideinheiten
gespalten werden; es tritt dabei jedoch auch eine teilweise Desacetylierung und
Desulfonierung ein, so daß das hydrolytisch abgebaute Produkt nicht mehr als Chondroitinschwefelsäure
angesprochen werden kann. Um einen gezielten, reproduzierbaren Abbaugrad zu erhalten,
ist es empfehlenswert, die Abbaureaktionsbedingungen so zu wählen, daß das Fortschreiten
des Abbaues viskosimetrisch verfolgt werden kann. Dies geschieht beispielsweise
dadurch, daß man eine 50l,ige wäßrige Lösung von Chondroitinschwefelsäure in einem
Rührkolben im Thermostaten auf 65" erhitzt, mit 1/,-oo Raumteil konzentrierter Salzsäure
versetzt und den Abbaugrad laufend durch Viskositätsproben verfolgt. Nach Erreichen
einer relativen Viskosität der Abbaulösung von 21rel = etwa 2,6 und weniger (je
nach dem gewünschten Abbaugrad) wird die Hydrolyse durch Neutralisieren der Reaktionslösung
mit Alkali unterbrochen. Die
neutralisierte Reaktionslösung kann
hierauf durch Dialyse oder eine andere gleich wirkende Arbeitsweise entsalzt, unter
vermindertem Druck auf ein geringes Volumen eingedampft und mit einem Fällungsmittel.,'
wie z. B. Alkohol oder Aceton, ausgefällt und getrocknet werden. Dieses Abbauprodukt
besitzt eine Viskositätszahl (Zy) zwischen o,25 und 0,10, wenn die Abbaulösung ein
?7rel zwischen 2,6 und 2,0 hatte.
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(Dabei ist die Konzentration in g/Ioo ccm angegeben und die Viskositätszahl
in einer Lösung von o,5-'n NaCl bei 250 gemessen.) Die Veresterung kann nach einer
an sich bekannten Methode durchgeführt werden, z. B. in der Weise, daß man das abgebaute
Produkt in ein etwa 70" warmes Gemisch von Chlorsulfonsäure und Pyridin unter Rühren
einträgt. Dabei ist es von Vorteil; mit der Reaktionstemperatur nicht -wesentlich'
über 80" zu gehen, da dadurch der Polymerisationsgrad des Endproduktes und damit
seine Viskositätszahl beeinflußt werden kann. Die Veresterung kann auch mittels
SO, oder Oleum und anderen organischen Basen als Pyndin, wie beispielsweise Chinolin,
a-Picolin, durchgeführt werden.
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Die Isolierung des veresterten Produktes geschieht mit Vorteil in
der Weise, daß man die abgekühlte Reaktionsmischung mit Eis versetzt und die erhaltene
wäßrige Lösung mit Alkohol fällt; sodann wird das ausgefällte Pyndinsalz mit Wasser
gelöst, mit Alkali, z. B. Natronlauge, in das Alkalisalz übergeführt und erneut
mit Alkohol gefällt. Zwecks Reinigung kann das rohe Natriumsalz in an sich bekannter
Weise in ein schwerlösliches Alkaloidsalz, z. B. in das Narcotinsalz, übergeführt
werden, indem man die wäßrige Lösung des Natriumsalzes mit Narcotinhydrochloridlösung
versetzt und das ausgefällte Narcotinsalz durch Filtration isoliert; nach Auswaschen
des Niederschlages wird das Narcotinsalz mittels Soda wieder in das Natriumsalz
umgewandelt und durch Umfällen gereinigt. Die so gewonnenen Produkte besitzen in
der Regel einen Schwefelgehalt von In 01, und mehr.
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Die vorstehend beschriebenen Polyschwefelsäureester sind in bezug
auf ihre Molekülgröße mehr oder weniger dispers. Diese Dispersität kann sich in
den pharmakologischen Eigenschaften insofern auswirken, als die Anteile höheren
Polymerisationsgrades infolge ihrer verzögerten Ausscheidung eine höhere Toxizität
bedingen. Diesem Umstand kann, wenn nötig, dadurch vorgebeugt werden, daß das Produkt
in an sich bekannter Weise durch fraktionierte Fällung in Fraktionen mit einheitlicherer
Molekülgröße aufgetrennt wird. Eine solche Fraktionierung kann entweder vor oder
nach der Veresterung des Chondroitinschwefelsäureabbauproduktes durchgeführt werden.
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So kann man z. B. zu einer konzentrierten Lösung des Chondroitinschwefelsäureabbaupro
duktes, eventuell nach Veresterung desselben, unter Rühren ein Fällungsmittel, wie
z. B. Aceton, Methanol, Äthanol, zutropfen lassen; dabei scheiden sich die Anteile
höheren Molekulargewichtes zuerst aus. Auf Zusatz weiterer Mengen Fällungsmittel
folgen die Anteile niedrigeren Molekulargewichtes. Die einzelnen Fraktionen können
durch Abdekantieren oder Abzentrifugieren gewonnen werden. Auf diese Weise ist es
möglich, höhere und auch niedermolekulare Anteile abzutrennen.
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Die so erhaltenen Polyschwefelsäureester sind farbfose bis leicht
gefärbte Pulver und sehr gut wasserlöslich. Ihre gerinnungshemmende Aktivität ist
in vitro und in vivo eine ausgezeichnete, und ihre Toxizität ist überraschenderweise
nur von der Größenordnung derjenigen des Heparins. Für Injektionszwecke verwendet
man vorzugsweise Lösungen der Alkalisalze der neuen Verbindungen.
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Die Toxizität der neuen Veresterungsprodukte von abgebauten Chondroitinschwefelsäure
ist gegenüber derjenigen des gemäß Helvetica Chimica Acta 26, 1296 (I943) gewonnenen
Veresterungsproduktes von nativer Chondroitinschwefelsäure in erheblichem Maße herabgesetzt,
wie Versuche an der Maus zeigen. Die geringere Toxizität -der Veresterungsprodukte
von abgebauter Chondroitinschwefelsäure im Vergleich zu den Veresterungsprodukten
von nativer Chondroitinschwefelsäure ist auch durch die Blutbildveränderung von
Kaninchen belegt, von denen eine Gruppe eine bestimmte Dosis des bekannten Veresterungsproduktes
unabgebauter nativer Chondroitinschwefelsäure und eine andere Gruppe eine gleiche
Dosis des Verfahrensproduktes durch intravenöse Einspritzung verabreicht erhielten.
Die Leukozytenzahl im Blut der Tiere der ersten Gruppe stieg innerhalb 7 Stunden
nach der Injektion auf den dreifachen Wert an, während bei der zweiten Gruppe eine
nur schwache Vermehrung zu beobachten war. Trotz erheblich geringerer Toxizität
ist die blutgerinnungshemmende Wirksamkeit der Verfahrensprodukte gegenüber den
bekannten unabgebauten Produkten nur unwesentlich herabgesetzt.
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Beispiel 100 Gewichtsteile Chondroitinschwefelsäure werden mit Wasser
zu 2000 Raumteilen gelöst und im Thermostaten auf 65" erhitzt. Dann wird mit 40
Raunateilen konzentrierter Salzsäure versetzt und bei 65" gerührt.
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Sobald die relative Viskosität einen Wert von 2,3 erreicht hat, wird
die Wärmequelle entfernt und der Abbau durch Neutralisation der Lösung mit Natronlauge
unterbrochen. Sodann wird die Lösung durch 24stündiges Dialysieren gegen laufendes
Brunnenwasser entsalzt. Nach Einengen unter vermindertem Druck auf ein Volumen von
etwa 400 Raumteilen wird das abgebaute Polysaccharid mit Methanol gefällt und getrocknet.
Die Viskositätszahl dieses isolierten Produktes (Zrl) beträgt o,20 (Konzentration
in g/Ioo ccm und Viskositätszahl gemessen in 0,5 n NaCl-Lösung).
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Dieses Produkt wird sodann in eine Mischung von 665 Raumteilen Pyridin
und I60 Raumteilen Chlorsulfonsäure, welche auf 70" aufgewärmt worden ist, unter
Rühren eingetragen. Nun wird die Temperatur der Reaktionsmischung auf 80" erhöht
und 6/4 Stunden bei 80" und nachher noch 2 Stunden ohne Erwärmen weitergeführt.
Dann wird die Reaktionsmischung mit 350 Gewichtsteilen Eis versetzt, die viskose
Lösung durch Cellulose filtriert und mit etwa 8000 Raumteilen Methanol unter Rühren
gefällt. Das etwas bräunlich gefärbte Pyridinsalz wird sodann in etwa 500 Raum-
teilen
Wasser aufgenommen, mit Natronlauge auf PH 8 bis 9 eingestellt und das entstandene
Natriumsalz durch Eintragen in Methanol erneut gefällt.
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Die wäßrige Lösung des Natriumsalzes wird anschließend am Rührwerk
mit etwa 2500 Raumteilen 10 0/0iger Narcotinhydrochloridlösung versetzt, abgesaugt,
gewaschen und mit etwa 500 Raumteilen Wasser aufgeschlämmt. Diese Aufschlämmung
wird zwecks Überführung ins Natriumsalz mit Io°/Oiger Sodalösung etwa 2 Stunden
gerührt und vom ausgefallenen Narcotin abgesaugt. Das Filtrat wird mit Eisessig
neutralisiert, unter vermindertem Druck eingeengt und mit Methanol versetzt. Das
dabei ausfallende Produkt zeigt einen Schwefelgehalt von etwa 14 0t,; Zy = 0,075
(Konzentration in glIoo ccm und Viskositätszahl gemessen in 0,5 n NaCl-Lösung).