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Verfahren zur Darstellung von Salzen der 3-Oxypropan-l-sulfonsäure
Die Gewinnung von Salzen der 3-Oxypropan-l-sulfonsäure durch Addition von Natrium-
oder Kaliumbisulfit an Allylalkohol durch vielstündiges Kochen. unter Rückfluß wurde
zuerst von Müller (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 6, 1442 [z873])
und sodann von M a r ck w a1 d und F r ah n e (ebenda, 31, 1864 [i898]) beschrieben.
M. S. Kharasch, E. M. M ay und F. R. M a y o (Journal of Organic Chemistry, 3, 175
[1939] fanden, daß die Addition von Bisulfiten an Allylalkohol nur in Gegenwart
von Sauerstoff oder Sauerstoff abgebenden Mitteln erfolgt.
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Bei der Nacharbeitung der von den genannten Autoren angegebenen Arbeitsweisen
konnten die von diesen erhaltenen Ergebnisse im wesentlichen bestätigt werden. Es
wurde jedoch gefunden, daB die Ausbeuten der unter diesen Bedingungen erhaltenen
Salze der 3-Oxypropan-l-sulfonsäure nur in der Größenordnung von etwa 30 °/o der
Theorie liegen, während als Hauptprodukt dieser Umsetzung ein nicht kristallisierendes
Salz, leicht löslich in Wasser, aber, im Gegensatz zu den entsprechenden Salzen
der 3-Oxypropan-l-sulfonsäure, außerordentlich schwer löslich in go%igem Äthylalkohol
erhalten wird. Wenn auch über die chemische Konstitution dieses Salzes nähere Angaben
noch nicht gemacht werden können, so scheint doch sicher, daß zur Bildung dieses
Salzes nicht allein Bisulfit, sondern außerdem noch Schwefeldioxyd an Allylalkohol
addiert wurde und daß dieses Salz außer der Sulfonsäuregruppe sehr wahrscheinlich
noch Disulfongruppen im Molekül enthält, entsprechend etwa dem Schema
Es wurde nun die überraschende Beobachtung gemacht, daß, während die zitierten Autoren
stets
die Additionsreaktion durch mehr- bis vielstündiges Kochen
der Komponenten in wäßriger Lösung durchführten, die gleiche Reaktion bereits bei
wesentlich tieferen Temperaturen und in wesentlich kürzerer Zeit quantitativ verläuft,
wenn man eine Mischung von Allylalkohol mit Bisulfit in wäßriger Lösung mit Sauerstoff
in möglichst innigen Kontakt bringt. Schüttelt man z. B. eine derartige Mischung
intensiv mit Luft durch, so findet eine stark exotherme Reaktion statt, die bis
zum Sieden der Mischung führen kann, wobei in kürzester Zeit, unter Umständen bereits
in wenigen Minuten, quantitative Umsetzung erfolgt. Man kann die Umsetzung auch
in Gegenwart kleiner katalytisch wirkender Mengen von Schwermetallsalzen, z. B.
Kupfersulfat, durchführen; an Stelle von elementarem Sauerstoff können auch Sauerstoff
übertragende Substanzen, wie Wasserstoffsuperoxyd, Verwendung finden.
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Die Aufarbeitung eines derartigen Ansatzes in der an sich bekannten
Weise ergibt eine Ausbeute von 45 bis 65 °/o der Theorie an 3-oxyproparn-i-sulfonsaurem
Salz neben einer entsprechenden Menge des schon erwähnten amorphen Salzes noch unbekannter
Konstitution.
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Es wurde weiter gefunden, daß die Ausbeute an 3-Oxypropan-i-sulfonsaurem
Salz bedeutend, bis auf etwa 8o °/o der Theorie gesteigert werden kann, wenn man
i. die Umsetzungstemperatur möglichst tief, bis etwa -5° hält und möglichst nicht
über 40° steigen läßt, 2. den pH-Wert der Reaktionsflüssigkeit möglichst nahe dem
Neutralpunkt hält und eher bei schwach alkalischer als bei schwach sauerer Reaktion
arbeitet und 3. den Allylalkohol stets im Unterschuß gegenüber dem Bisulfit hält.
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Um der unter 2 angegebenen Bedingung gerecht zu werden, ist es erforderlich,
gemeinsame Lösungen von neutralem und saurem Sulfitin Wassermit neutraler oder schwach
alkalischer Reaktion zur Umsetzung zu bringen und das Bisulfit in dem Maß, in dem
es durch die Reaktion verbraucht wird, zuzugeben oder durch Einleiten von Schwefeldioxyd
entstehen zu lassen. Durch dauernde Kontrolle des pR-Wertes ist es möglich, die
Geschwindigkeit der Zugabe von Bisulfit oder dessen Bildung aus neutralem Sulfit
und Schwefeldioxyd während der Umsetzung dem Verbrauch entsprechend zu regulieren.
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Um die Bedingung 3 zu erfüllen, ist es zweckmäßig, den Allylalkohol
in die gekühlte Lösung des Sulfit-Bisulfit-Gemisches unter intensivster Rührung
einfließen zu lassen. Dabei ist dann, wenn Sauerstoff oder Luft als Oxydationsmittel
verwendet wird, dafür Sorge zu tragen, daß durch Intensivrührung ein möglichst inniger
Kontakt zwischen dem feiest verteilten Gas und der Flüssigkeit gewährleistet ist.
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Als Sulfite kommen vor allem diejenigen des Natriums, Kaliums und
Ammoniums in Betracht; der Allylalkohol kann ebensogut in reiner als auch in Form
der etwa 7o°/Qigen konstant siedenden Mischung mit Wasser verwendet werden.
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Nach dem von M. S. Kharasch, Ernest M. May und F. R. Mayo (Chemistry
and Industry, 57 [i938] 774) angegebenen Verfahren wird Allylalkohol mit 411-N atriumbisulfit
2 Stunden auf ioo° in geschlossenen Röhren erhitzt und ein Umsatz von 65 °/o der
Theorie erzielt.
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Bei dem neuen, vorstehend beschriebenen Verfahren wird dagegen stets
ein Umsatz von ioo °/o, bezogen auf Allylalkohol, erzielt, sofern für das Vorhandensein
der erforderlichen Menge an Bisulfit beziehungsweise Bisulfit-Sulfit-Gemisch Sorge
getragen wird, d. h. sofern außer der an den Allylalkohol zu addierenden Menge Bisulfit
noch ein ausreichender Überschuß vorgesehen ist, der für die gleichzeitig erfolgende
Oxydation zu Sulfat verbraucht wird. Aus dem so quantitativ entstandenen Umsetzungsprodukt
können die reinen Salze der i-Oxypropan-3-sulfonsäure in einer Ausbeute von 45 bis
So %
der Theorie isoliert werden, berechnet auf eingesetzten Allylalkohol.
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Müssen demnach die nach dem vorstehend beschriebenen Verfahren erhältlichen
Ausbeuten als erheblich über den nach dem von Kharasch und seinen Mitarbeitern erhaltenen
liegend angesehen werden, so bietet die neue Arbeitsweise an sich schon wesentliche
Vorteile, die einen eindeutigen Fortschritt gegenüber der bekannten bedeuten. Das
Arbeiten bei Siedetemperatur (ioo°) mit den stark sauren Bisulfitlösungen erfordert
teuere druck- und korrosionsfeste Apparaturen und, falls nicht in geschlossenen
Systemen gearbeitet wird, kostspielige Kondensationseinrichtungen zur Rückführung
des verdampfenden Allylalkohols. Diesen Nachteilen stehen folgende Vorteile des
neuen Verfahrens gegenüber: Das Arbeiten bei tiefen Temperaturen bringt es mit sich,
daß einfachste und billigste Apparate Verwendung finden können. Da außerdem bei
praktisch neutraler Reaktion gearbeitet werden kann, gerade dann werden die besten
Ausbeuten an i-oxypropan-3-sulfonsaurem Salz erzielt, liegen die Ansprüche an Korrosionsfestigkeit
der Gefäße denkbar günstig. Ferner findet, besonders, wenn wie in den Beispielen
3 und 4 angegeben gearbeitet wird, die Bindung des Allylalkohols an Bisulfit so
schnell statt, daß in offenen Gefäßen gearbeitet werden kann, ohne daß Verluste
an Allylalkohol zu befürchten sind; kostspielige Kondensations- und Rückgewinnungsapparaturen
kommen in Wegfall: Da im Gegensatz zu allen bisher bekanntgewordenen Arbeitsweisen
nach dem neuen Verfahren stets eine allylalkoholfreie Salzlösung erhalten werden
kann, ist es möglich, dieselbe ohne besondere Vorsichtsmaßnahmen weiterzuverarbeiten,
z. B. offen einzudampfen. Es sei schließlich noch darauf hingewiesen, daß die erwähnten
Vorteile gestatten, das neue Verfahren besonders leicht zu einem kontinuierlichen
zu gestalten.
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Beispiele i. In 400 ccm wäßrige 5 n-Kaliumhydroxydlösung die mit Zoo
ccm Wasser verdünnt wurde, leitet man unter Kühlung 136 g Schwefeldioxyd ein. Die
so erhaltene Lösung von Kaliumbisulfit wird mit weiteren Zoo ccm Wasser und Zoo
g konstant siedendem Allylalkohol von etwa 7o °/o versetzt. Beim kräftigem Durchschütteln
dieser Mischung mit Luft erwärmt sich dieselbe stark; durch Kühlung wird gegebenenfalls
eine zu starke Erwärmung vermieden. Das Bisulfit
wird schnell verbraucht;
durch Titration mit Jodlösung kann die Reaktion leicht verfolgt werden. Wird Jodlösung
praktisch nicht mehr entfärbt,. was nach etwa i bis 2 Stunden der Fall ist, so wird
nicht umgesetzter Allylalkohol abdestilliert und in, einer Menge von etwa 5o g zurückgewonnen.
Die verbleibende klare und farblose Salzlösung wird durch Eindampfen, gegebenenfalls
im Vakuum, von Wasser befreit, wobei das rohe Umsetzungsprodukt in kristalliner
Form zurückbleibt. Zur Reinigung wird aus 90°/o igem Äthylalkohol umkristallisiert,
wobei Kaliumsulfat und das als Nebenprodukt entstandene amorphe Salz ungelöst zurückbleiben,
während das 3-oxypropan-i-sulfonsaure Kalium in Form großer Kristallschuppen in
einer Menge von 15o bis Zoo g erhalten wird, entsprechend einer Ausbeute von 47
bis 62°/o der Theorie, berechnet auf verbrauchten Allylalkohol.
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2. In 130 ccm wäßrige 5n-Natriumhydroxydlösung, die mit 5o ccm Wasser
verdünnt wurde, leitet man 40 g Schwefeldioxyd ein. Die so erhaltene Lösung von
Natriumbisulfit wird mit weiteren 300 ccm Wasser und sodann mit einer Lösung
von o,5 g kristallisiertem Kupfersulfat in 5 ccm Wasser versetzt. Man gibt 40 g
7o°/oigen Allylalkohol zu und schüttelt energisch mit Luft. Da sich das Bisulfit
im Überschuß befindet, wird in diesem Fall der Allylalkohol restlos verbraucht.
Ist dies der Fall, so wird die erhaltene Lösung durch Eindampfen zur Trockene gebracht
und das verbliebene Salz durch Umkristallisieren aus go°/oigem Äthylalkohol gereinigt.
Es werden 45 bis 50 g davon erhalten, was 6o bis 67 °/o der Theorie, berechnet
auf Allylalkohol, entspricht.
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3. In I000 ccm 5,2 normalwäßrigeNatriumhydroxydlösung, die mit 40o
ccm Wasser verdünnt wurde, werden zunächst 220g Schwefeldioxyd eingeleitet.
Man versetzt sodann mit weiteren 12o0 ccm Wasser und kühlt auf -2 bis -4° ab. Die
so dargestellte Sulfit-Bisulfit-Lösung weist einen pH-Wert von etwa 7 auf. Durch
energisches Rühren mit einem Intensivrührer wird Luft eingerührt, so daß infolge
der feinen Verteilung der Luftbläschen eine milchig trübe Flüssigkeit entsteht,
in die man 330 g Allylalkohol von 70 °/o Gehalt langsam eintropfen läßt.
Der Allylalkohol wird fast augenblicklich verbraucht, und die Reaktion der Lösung
verändert sich dauernd infolge des Verbrauchs von saurem Sulfit nach der alkalischen
Seite hin. Durch gleichzeitiges Einleiten von weiteren 120 g Schwefeldioxyd sorgt
man dafür, daß die Reaktion sich dauernd in der Nähe des Neutralpunktes hält, diesen
aber nicht nach der sauren Seite hin überschreitet. Die Temi)eratur des Reaktionsgemisches
wird durch Außenkühlung bei -4 bis höchstens -f- 1o° gehalten, und das Eintropfen
des Allylalkohols sowie das Einleiten des Schwefeldioxyds in die energisch turbinierte
Lösung mit einer solchen Geschwindigkeit durchgeführt, daß nach Ablauf von 2 bis
21/, Stunden alles zugegeben ist. Der Allylalkohol ist nach kurzem Nachrühren durch
Bindung an das im Überschuß eingesetzte Bisulfit völlig verbraucht. Man arbeitet
die resultierende Lösung nach der in Beispiel e gegebenen Vorschrift auf und erhält
das gereinigte 3-oxypropan-i-sulfonsaure Natrium in einer Ausbeute von etwa 8o °%
der Theorie, berechnet auf Allylalkohol.
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4. In eine Mischung von 50o ccm 1o,8 normalem wäßrigem Ammoniak und
50o ccm Wasser werden zunächst 23o g Schwefeldioxyd, eingeleitet. Man gibt sodann
160o ccm Wasser hinzu und kühlt auf -2° ab. Bei einer 5° nicht übersteigenden Temperatur
werden 345 g 70°/oiger Allylalkohol in die energisch gerührte Lösung von Ammonsulfit-bisulfit,
in der sich Luft in feinster Verteilung befindet, eingetropft, und durch Einleiten
von weiteren 130 g Schwefeldioxyd wird dafür Sorge getragen, daß die Reaktion stets
bei einem pH-Wert von 7 bis 7,5 gehalten wird. Nach 2 bis 3 Stunden Versuchsdauer
kann die Reaktion beendet werden; sie verläuft unter restlosem Verbrauch des im
Unterschuß vorhandenen Allylalkohols. Die resultierende farblose Salzlösung kann
in analoger Weise, wie in den vorhergehenden Beispielen beschrieben, auf das Ammoniumsalz
der 3-Oxypropani-sulfonsäure verarbeitet werden. Sie kann aber auch zur Gewinnung
von Sulfat- und sulfitfreien Salzen dieser Säure in folgender Weise dienen ebenso
wie zur Gewinnung der freien Säure selbst: Man versetzt zu diesem Zweck mit 240
g Calciumhydroxyd oder einer entsprechenden Menge Bariumhydroxyd und treibt das
in Freiheit gesetzte Ammoniak durch Kochen aus; durch Absorption in Wasser kann
dasselbe quantitativ in bekannter Weise zurückgewonnen werden. Man filtriert sodann
von dem ausgefallenen Erdalkalisulfat-Erdalkalisulfit-Gemisch ab; die klare Lösung
wird sodann entweder mit der benötigten Menge Natrium- oder Kaliumcarbonat in der
Hitze gefällt und durch Filtration von den ausgefallenen Erdalkalicarbonaten befreit,
wonach aus den Filtraten die Alkalisalze in der bereits beschriebenen Weise in reiner
Form in einer Ausbeute von etwa 70 °/o der Theorie erhalten werden. Oder man fällt
mit der erforderlichen Menge Schwefelsäure die entsprechenden Erdalkalisulfate aus
und erhält nach deren Filtration eine Lösung der freien 3-Oxypropani-sulfonsäure
in Wasser, woraus sie durch Eindampfen, das zweckmäßig unter vermindertem Druck
durchgeführt wird, in Form einer wenig gefärbten viskosen Flüssigkeit gewonnen werden
kann.
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Die 3-Oxypropan-i-sulfonsäure und ihre Salze stellen wertvolle Zwischenprodukte
dar, die zur Gewinnung zahlreicher anderer technisch wichtiger Verbindungen Verwendung
finden können.