-
Verfahren zur Dernethylierung von Ligninstoffen Schon seit langem
ist man bestrebt, die Methylgruppen von Ligninkörpern abzuspalten, um auf diese
Weise zu hochmolekularen, an freiem Phenolhydroxyl reichen, als Gerbstoffe brauchbaren
Produkten zu gelangen. Bei der dazu erforderlichen energischen Behandlung des Lignins
mit Säuren oder Alkalien konnte aber bisher nie ein gleichzeitiges Überhandnehmen
unerwünschter Begleitreaktionen, wie Humifizierung, Verharzung oder auch Aufspaltung
zu niedermolekularen Phenolkörpern, vermieden werden.
-
Nur die alkalische Demethylierung von Ligninsulfonsäure war bisher
in sehr bescheidenem Umfange ohne Humifizierung möglich. Demethylierung bis zur
Hälfte führt bereits zu teilhumifizierten, dunklen und daher gerberisch minderwertigen
Produkten, die bei völliger Demethylierung schließlich in sogar alkaliunlösliche,
schwarze Huminstoffe übergahen.
-
Was die saure Demethylierung betriff t, so setzt diese zwar schon
bei niedrigerer Temperatur ein als die alkalische, die Humifizierung aber hier offenbar
noch früher.
-
So konnten Heuser, Schmitt und Gunkel (Cellulosechemie, wissenschaftliche
Beiblätter zur Zeitschrift »Der Papierfabrikant«, Jahrg. 2, S. z7) beim Erhitzen
von Säurelignin mit verdünnter Salzsäure unter Druck auf r5o bis 16o° zwar das g.samte
Methoxyl abspalten; das entstandene, schwarze Produkt war aber weitgehend humifiziert
und ließ sich mit Dimethylsulfat nur bis 5,8 °/o OCH3 anstatt theoretisch
bis 32 °/o 0 CH, wieder aufmethylieren. Versuche
von Beckmann,
Liesche und Lehmann (Biochemische Zeitschrift, Jahrg. zag, S. 491) mit Alkalilignin
und Jodwasserstoffsäure ergaben braune, verharzte Produkte mit starkem Jodgehalt,
die ebenfalls zwar methoxylfrei, aber nicht mehr aufmethylierbar waren. Auf gleiche
Weise erhielten H o 1 m b e r g und Wintzel (Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft,
Jahrg. 54, S. 9,417) Produkte, die. nicht mehr acetylierbar waren. Zu ähnlichen
Präparaten gelangten auch Willstätter und Kalb (Berichte der Deutschen Chemischen
Gesellschaft, Jahrg.55, S. 2737) bei der Hydrierung von Säurelignin mit Jodwasserstoffsäure
und rotem Phosphor als Zwischenstufen. Aus der Zusammensetzung der bei höherer Temperatur
entstandenen Kohlenwasserstoffgemische mußten sie erkennen, daß sie keine Lignin-,
sondern Huminhydrierungsprodukte in Händen hatten.
-
Das neue Demethylierungsverfahren beruht auf der Beobachtung, daß
man Humifizierung, Verharzung und je nach Wunsch auch eine weitgehende Aufspaltung
des Ligninmoleküls nur dadurch vermeiden kann, daß man das Erhitzen mit starken
Säuren in Gegenwart von Reduktionsmitteln vornimmt, die schon bei Temperaturen vor
Beginn der Humifizierung wirksam sind. In Frage kommen Phosphorwasserstoff oder
unter den gegebenen Bedingungen leicht solchen entwickelnde Stoffe, wie weißer Phosphor,
Phosphoniumhalogenide oder niedrige Oxydationsstufen des Phosphors, besonders unterphosphorige
Säure.
-
Zur Demethylierung selbst dienen vor allem Halogenwasserstoffsäuren.
Doch sind im Prinzip auch andere, ähnlich starke Mineralsäuren` verwendbar, soweit
sie unter den gewählten Bedingungen gegenüber den Reduktionsmitteln beständig sind.
-
Zusatz organischer Lösungsmittel, z. B. von Eisessig, begünstigen
unter Umständen die Auflösung des Lignins und damit den Fortgang der Reaktion. Unterphosphorige
Säure kann als Reduktions- und zugleich auch als Lösungsmittel dienen. Als konzentrierte
etwa ioo°/oige Säure bringt sie Lignin beim Kochen leicht und vollständig mit schwach
gelblicher Farbe in Lösung, aus der es beim Verdünnen mit Wasser als gelblichweißer
Niederschlag wieder ausfällbar ist. Das durch Umfällen aus verdünnter Natronlauge
mit Säure gereinigte Produkt besitzt noch den vollen Methoxylgehalt des Lignins,
gibt aber die bekannten Hadromalreaktionen nicht mehr, ist also als eine Art Hydrolignin
anzusprechen. Die Substanz ist in heißem Wasser kolloidal teilweise löslich. Beim
Ansäuern tritt Ausflockung ein. Leicht lösen verdünnte Natronlauge, Soda- und Ammon
iaklösung. Es liegt hier eine Vorstufe zur Demethylierung vor, deren Abscheidung
bei Ausführung des beanspruchten Verfahrens geschehen kann, aber nicht nötig ist.
Die Endprodukte der Demethylierung sind bei Anwendung von Chlor- und Bromwasserstoffsäure
praktisch halogenfrei. Sämtliche Endprodukte, auch die obenerwähnte Vorstufe, besitzen
einen gewissen Phosphorgehalt noch unbekannter Bindungsart.
-
Die Demethylierungsprodukte sind meist hell gelblichgraue Pulver.
Mit kochendem Wasser geben sie stark schäumende Emulsionen, bei großer Verdünnung
klare Lösungen. In kaltem Wasser sind sie äußerst schwer löslich, sehr leicht in
wäßrigen Alkalien, auch in sehr verdünnter Soda-, Ammoniak- und Natriumacetatlösung.
Nicht lösen Äther, Petroläther und Benzol, leicht dagegen Alkohol, feuchtes Aceton
und Pyridin mit rötlicher Farbe und grüner Fluoreszenz. Die Demethylierungsprodukte
sind luftempfindlich und färben sich besonders in alkalischer Lösung leicht braun.
Mit diazotierten Aminen treten kräftige Kuppelungserscheinungen auf. Eisenchlorid
färbt die neutrale oder schwach saure Lösung von demethyliertem Fichtenlignin intensiv
blaugrün; auf Zusatz von Soda oder Ammoniak schlägt die Farbe nach Rotviolett um.
Bei demethyliertem Buchenlignin sind die entsprechenden Färbungen tiefblau bzw.
violett.
-
Auf Grund der in den Beispielen angegebenen Analysen ließ sich vollständig
demethyliertes Fichtenlignin mit Diazomethan auf 1,og OCH,- Gruppen, bezogen auf
die Lignineinheit von g C-Atomen ohne Methoxylkohlenstoff, vollständig demethyliertes
Buchenlignin bis 1,440CH3-Gruppen aufmethylieren (die entsprechenden Zahlen für
ursprüngliches Fichtenlignin betragen gemäß Literaturangaben o,9 bis 1,o, für Buchenlignin
1,45). Demethylierte Fichtenligninsulfonsäure konnte auf 1,29 OCH,- Gruppen je Einheit
aufmethyliert werden. Die starke Überhöhung gegenüber Fichtenlignin ist hier auf
bekanntlich schon in ursprünglicher Ligninsulfonsäure zusätzlich vorhandenes, freies
Phenolhydroxyl, außerdem auf Veresterung der Sulfogruppen zurückzuführen.
-
In den Beispielen i bis ¢ sind die Bedingungen so gewählt, daß eben
eine vollständige Demethylierung erreicht wird. Das Verfahren schließt aber auch
eine Variierung der Arbeitsweise sowohl in Richtung einer Milderung als auch einer
Verschärfung der Bedingungen ein. Im ersten Falle kann z. B. durch Abkürzung der
Erhitzungsdauer oder Erniedrigung von Menge oder Konzentration der spaltenden Säure
die Demethylierung weniger, aber doch noch zweckentsprechend weit getrieben und
dabei der Vorteil einer höheren Ausbeute an hochmolekularem Produkt erreicht werden.
Dies kann zur direkten Gewinnung von Gerbstoffen erwünscht -sein, zumal bei vollständiger
Demethylierung unvermeidlich ein gewisser Anteil stärker abgebaut wird. Umgekehrt
läßt sich durch Verschärfung der Bedingungen auch auf die Gewinnung hauptsächlich
niedrigermolekularer und leichter löslicher Phenolkörper hinarbeiten, die als Ausgangsmaterial
für Gerbstoffsynthesen, für Farbstoffe, Kunststoffe und andere Zwecke in Frage kommen.
Beispiel 1 1 Gewichtsteil Fichten-Säürelignin (oder sonstiges Nadelholz-Ligninmaterial,
wie von Cellulose und Harz gereinigter Holzverzuckerungsrückstand oder Alkalilignin)
wird mit einer Mischung von 1o Raumteilen konzentrierter, etwa ioo°/oiger unterphosphoriger
Säure und 5 Raumteilen 48°/oiger Bromwasserstoffsäure unter Rückfluß 6 Stunden zum
Sieden erhitzt (Ölbadtemperatur 14o bis 15o°). Wegen Entwicklung von zum Teil selbstentzündlichem
Phosphorwasserstoff wird die Luft aus der Apparatur vorher durch ein indifferentes
Gas verdrängt und das während des
Kochens abgehende Gasgemisch in
einem Wäscher durch konzentrierte Salzsäure unschädlich gemacht. Das Lignin geht
mit bräunlicher Farbe klar in Lösung. Nach dem Erkalten verdünnt man mit Wasser,
wobei das Reaktionsprodukt als voluminöser, blaß gelblicher, beim Anwärmen sich
gut absetzender Niederschlag ausfällt.
-
Zur Reinigung wird das abfiltrierte Produkt einige Male mit Wasser
ausgekocht, jeweils nach Zusatz von etwas Salzsäure wieder abfiltriert und schließlich,
da luftempfindlich, im Vakuum getrocknet. Aus den vereinigten, gelbgrünen Filtraten
können durch Einengen und Aussahen noch gewisse Mengen an leichter löslichen Anteilen
gewonnen werden. Gesamtausbeute 5o 0/0. Auch Umfällung des Rohproduktes aus wenig
verdünnter Soda- oder Natriumacetatlösung ist möglich, jedoch unter Gefahr der Dunkelfärbung
durch Luftoxydation. Die sonstigen Eigenschaften sind im allgemeinen Teil beschrieben.
-
Analyse: 59,880/, C, 4,380/, H, o,oo 0/0 O CH,
4,92"/,
Asche. Mit Diazomethan erschöpfend aufmethyliert: 62,71% C, 5,0711/0 H, 17,56"/,)
OCHS, 1,25"/, Asche. Mit Dimethylsulfat aufmethyliert: 25,66 % O CH, Beispiel 2
1 Gewichtsteil Buchen-Säurelignin wird mit 8 Raumteilen konzentrierter unterphosphoriger
Säure und 2 Raumteilen 62%iger Bromwasserstoffsäure 8 Stunden unter Rückfluß gekocht.
Aufarbeitung wie unter i. Das Produkt ist etwas dunkler als dort.
-
Analyse: 58,05)/o C, 3,8o0/, H, o,oo % OCH3, 8,73 % Asche. Mit Diazomethan
erschöpfend aufmethyliert: 61,17')/, C, 6,690/, H, 21,82 % OCH3, 4,44 % Asche.
-
Beispiel 3 z Gewichtsteil ligninsulfonsauresNatrium mit 37,5% Ligningehalt
wird mit j e 3 Raumteilen konzentrierter unterphosphoriger Säure und 62%iger Bromwasserstoffsäure
6 Stunden unter . Rückfluß gekocht. Aufarbeitung und (hier auf den Ligningehalt
des Ausgangsmaterials bezogene) Ausbeute wie unter z. Das Produkt ist in Wasser
etwas leichter löslich als das dort beschriebene.
-
Analyse: 57,180f, C, 4,0011/0 H, o,oo % O C H3, 1,6.1% S, 9,93 % Asche.
Mit Diazomethan erschöpfend aufmethyliert: 57,86 % C, 6,o6 % H, 18,77 0/0 O C H3,
Z,44 % S, 9,78 % Asche.
-
Beispiel 4 1 Gewichtsteil Fichten-Säurelignin wird mit der Mischung
von zo Raumteilen unterphosphoriger Säure, 5 Raumteilen 66%iger Bromwasserstoffsäure
und zo Raumteilen Eisessig 7 Stunden unter Rückfluß gekocht. Der Zusatz von Eisessig
fördert die Auflösung des Lignins. Die grünlich fluoreszierende, in der Durchsicht
rötliche Lösung wird nach Abdestillieren des Eisessigs im Vakuum mit Wasser gefällt.
Sonst wie unter 1.
-
Das methoxylfreie Produkt ließ sich mit Diazomethan bis 2o,64 0/0,
mit Dimethylsulfat bis 25,66 0/0 O C H3 aufmethylieren.
-
Beispiel 5 i Gewichtsteil Fichten-Säurelignin wird mit ioRaumteilen
konzentrierter unterphosphoriger Säure unter ,Erhitzen gelöst, die Lösung mit 15
Raumteilen konzentrierter Salzsäure (d = 1,19) versetzt und in säurefestem Druckgefäß
8 Stunden auf i2o° weitererhitzt. Aufarbeitung wie unter 1. Das Produkt enthielt
noch 5% OCHS.
-
Beispiel 6 1 Gewichtsteil Fichten-Säurelignin und 2 Gewichtsteile
weißer Phosphor werden mit 2o Raumteilen starker jodwasserstoffsäure (d = 1,96)
in einem säurefesten Druckgefäß zunächst 5 bis 6 Stunden auf 8o° erhitzt. Das Lignin
geht dabei mit gelber Farbe in Lösung. Nach weiterem 8stündigen Erhitzen auf 15o°
ist das Reaktionsgemisch fast farblos. Durch Verdünnen mit Wasser wird das Reaktionsprodukt
als methoxylfreie Substanz abgeschieden. Es ist jod-
haltig und teilweise
hydriert.