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Anordnung zur Messung komplexer Widerstände der Fernmeldetechnik Die
elektrische Fernmeldetechnik verwendet bei ihren Apparaten in großem Umfang Spulen
und Kondensatoren im Sinne reiner Blindwiderstände. Praktisch lassen sich solche
reinen Blindwiderstände nur unvollkommen herstellen; es bleibt auch bei der besten
Ausführung immer noch eine kleine Wirkkomponente vorhanden. Mit der fortschreitenden
Verfeinerung der Technik sind die Ansprüche an die Kleinheit dieser Wirkkomponente,
oder mit anderen Worten, an die Kleinheit des Verlustwinkels, immer mehr gestiegen
und dementsprechend auch die Anforderungen an die Meßmethoden, mittels deren solche
Blindwiderstände mit kleinem Verlustwinkel gemessen werden.
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Für die Messung derartiger Blindwiderstände verwendet man bisher
fast ausschließlich Brückenmethoden, an deren Genauigkeit gerade dann, wenn es sich
um die Messung kleinster Verlustwinkel handelt, äußerste Anforderungen gestellt
werden. Die Brückenmethode erfordert dabei einen erheblichen Aufwand an Mitteln,
weil außer dem zu untersuchenden komplexen Widerstand und dem Vergleichswiderstand
noch zwei weitere
Brücken zweige vorhanden sind, deren komplexe
Widerstände mit außerordentlicher Genauigkeit bekannt sein müssen.
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Zum Vergleich einer Kapazität mit einer Gegeninduktivität ist bereits
von Ca m p b e ii eine Schaltung angegeben worden, bei der der Wechselstrom den
Kondensator C und die Primärwicklung der Gegeninduktivität M in Reihe durchfließt,
während die Kompensationsspannung von der Sekundärwicklung der Gegeninduktivität
geliefert wird (Fig. 1).
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Wenn das TelephonT schweigt, so muß die Kompensationsspannung J j
# M gleich der J Spannung jwC an der Kapazität sein, woraus bei bekannter Gegeninduktivität
und Frequenz die Kapazität oder umgekehrt bei bekannter Kapazität die Gegeninduktivität
ermittelt werden kann.
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Die Anordnung nach Fig. 1 zeigt aber gleichzeitig auch die grundsätzliche
Schwierigkein, die auftritt, wenn man diese N1eilode zur Bestimmung des Verlustwinkels
bzw. der Wirliliomponente des kapazitiven Widerstandes benutzen will. Denn diese
Anordnung gestattet nur einen Vergleich- der Blindwiderstände; eine Kompensation
des Wirkanteils des kapazitiven Widerstandes ist ohne weiteres nicht möglich, weil
etwa durch Einschaltung eines Wirkwiderstandes in den Hauptstromkreis keine Wirkspannung
erzeugt werden kann, die die Wirkkomponente der Wiilspannung am Kondensator kompensiert.
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Würde man z. B. in Reihe mit dem Kondensator einen Ohmschen Widerstand
schalten, so hätte die an ihm auftretende Spannung gerade die falsche Phase; sie
würde sich im Iiompensationskreis zu der Wirkspannung am Kondensator addieren, anstatt
sich von ihr zu subtrahieren.
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Um trotzdem zu einer Kompensation der Wichspannung zu gelangen, hat
Campbell später verschiedene Kunstschaftungen angegeben, die auf indirektem Wege
die Herstellung von Kompensationsspannungen der richtigen Phasenlage ermöglichen.
Er benutzt dazu eine weitere in den Hauptstromkreis eingeschaltete eisenfreie Gegeninduktivität
dll, deren Sekundärwicklung entweder unmittelbar an einen Ohmschen Widerstand R
angeschlossen ist oder über einen Ohmschen Widerstand R die Primärwicklung einer
zweiten Gegeninduktivität iL, speist. Er erreicht so, daß an den Klemmen von R bzw.
an M2 eine Spannung auftritt, die wenigstens eine Komponente von der gewünschten
Phasenlage enthält und deren Größe aus M1, R, der Induktivität L des Sekundärkreises,
der Frequenz und gegebenenfalls ill.l berechnet werden kann.
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Dieses Verfahren besitzt aber, namentlich vom Gesichtspunkt der praktischen
Handhabung aus, erhebliche Mängel: Erstens ergibt sich der Wirkwiderstand des Meßobjekts
nicht durch unmittelbare Ablesung, sondern erst mittelbar aus einer Formel, die
die obengenannten, durch besondere Niessungen zu ermittelnden Größen enthält; zweitens
tritt außer der erwünschten phasenrichtigen Spannungskomponente noch eine weitere
um go° phasenverschobene Komponente auf, die sich zu der zur Kompensation der Blindspannung
des Meßobjekts dienenden Kompensationsspannung addiert und im allgemeinen berücksichtigt
werden muß, so daß auch der Blindanteil des zu messenden W iderstandes sich erst
durch eine umständliche Rechnung ergibt; drittens haben die eisenfreien Gegeninduktivitäten
notwendigerweise erhebliche magnetische Streufelder und beeinflussen sich dadurch
gegenseitig, was zu erheblichen Meßfehlern führen kann. Diese Methoden haben sich
daher praktisch nicht durchsetzen könnten.
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Man hat ferner versucht, die Aufgabe mittels des bekannten komplexen
Kompensators, wie er erstmals von L a r 5 e n angegeben worden ist, zu lösen. Ein
solcher komplexer Rompensator besteht aus einer veränderbaren Gegeninduktivität,
deren Primärwicklung in Reihe mit einem Schleifdraht an einer Wechselspannung liegt;
die von dem Schleifdraht abgegriffen Spannung wird in Reihe mit der von der Sekundärwicklung
der Gegeninduktivität gelieferten Spannung geschaltet, so daß man so Wechselspalmungen
beliebiger Größe und Phase erzeugen und damit unbekannte Spannzungen durch Kompensation
messen kann. all hat nun versucht, diese Anordnung auch zur unmittelbaren Messung
komplexer Widerstünde zu verwenden, indem man den Speisestrom des Kompensators gleich
dem Strom im Meßobj ekt macht. Da eine unmittelbare Reihenschaltung von Meßobjekt
und Kompensator aus dem gleichen Grunde wie vorstehend für die Campbellsche Anordnung
dargelegt, nicht möglich ist, hat man den Kom--pensator mit dem Meßstrom nicht direkt,
sondern unter Zwischenschaltung eines Stromwandlers, wie er aus der Starkstrommeßtechnik
bekannt ist, gespeist. Da nunmehr der Kompensator von dem Meßobjekt isoliert ist,
besteht die Möglichkeit, die ganze Kompensationsspannung umzupolen und ihr so die
richtige Phase zu geben.
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Diese Anordnung vermeidet zwar die hauptsächlichen Nachteile der
von Campbell angegebenen Kunstschaltullgen, ist aber nicht geeignet, die bei der
Messung von Verlustwinkeln in der Fernmeldetechnik gestellten Genauigkeitsforderungen
zu erfüllen. Denn die Messung würde nur dann streng richtig werden, wenn der Sekundärstrom
des Meßwandlers nach Größe und Phase genau dem
Primärstrom entsprechen
würde, was in Wirklichkeit nicht der Fall ist; insbesondere besitzt jeder Meßwandler
einen Phasenfehler, und um diesen Phasenfehler wird der zu messende Verlustwinkel
gefälscht. Soll daher der Verlustwinkel mit einem Fehler von höchstens 0,0001, wie
es in der Fernmeldetechnik üblich ist, gemessen werden, so dürfte der Phasenfehler
des Meßwandlers ebenfalls einen Betrag von 0,000I, das ist 1/3 Bogenminute, nicht
übersteigen, wobei noch zu berücksichtigen ist, daß der Phasenfehler eines Meßwandlers
mit der Bürde, d. h. dem sekundären Belastungswiderstand, angenähert proportional
zunimmt; bei der besprochenen Schaltung ist diese Bürde angenähert gleich dem induktiven
Widerstand der Primärwicklung der Gegeninduktivität und daher von gleicher Größenordnung
wie der Blindwiderstand des Meßobjekts, der von der Größenordnung 1000 Ohm sein
kann.
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Selbst bei hundertmal kleineren Bürden sind Meßwandler von dieser
Genauigkeit bisher nicht bekanntgeworden, insbesondere nicht auf dem Gebiet der
Tonfrequenztechnik. Tatsächlich ist auch die genannte Schaltung zur Präzisionsmessung
von Verlustwinkeln in der Fernmeldetechnik bisher nicht benutzt worden.
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Hier setzt nun die Erfindung ein. Sie besteht darin, daß zur Phasenumkehr
der Wirkspannung ein Meßwandler verwendet wird, der lediglich mit der am Ohmschen
Widerstand auftretenden Spannung belastet ist, derart, daß entweder der Ohmsche
Widerstand im Hauptstromkreis liegt und die Phasenumkehr durch einen an den Widerstand
angeschlossenen Spannungswandler erfolgt oder daß der Widerstand die Sekundärseite
eines primärseitig vom Hauptstrom durchflossenen Stromwandlers iiberbrückt.
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Dadurch, daß bei der Erfindung der Meßwandler nicht die gesamte Kompensationsspannung,
sondern nur den Wirkanteil überträgt, werden gegenüber der letztgenannten bekannten
Schaltung zwei wesentliche Vorteile erreicht: Erstens wird die Bürde des Wandlers
um Größenordnungen herabgesetzt, weil diese jetzt nicht mehr von der Größenordnung
des Blindwiderstandes des Meßobjelds, sondern nur noch von der des Wirkxviderstandes
ist, der bei einem Verlustwinkel von etwa 0,01 rund hundertmal kleiner ist. Infolgedessen
wird der Phasenfehler des Wandlers im gleichen Maße verringert.
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Zweitens, und das ist der Hauptvorteil, geht der Phasenfehler des
Wandlers nur noch zu einem ganz geringen Bruchteil in das Meßergebnis ein; denn
er bewirkt jetzt nur, daß außer der gewünschten Wirkspannung noch eine Blindspannung
auftritt, die aber klein gegenüber der Wirkspannung, somit bei kleinem Verlustwinkel
des Ateßobjekts erst recht klein gegenüber der Blindspannung ist, zu der sie sich
addiert. Formelmäßig drückt sich dies folgendermaßen aus: Es sei R der Wirkwiderstand.
X der Blindwiderstand des Meßobjd:ts, R der Verlustwinkel des Meßx objekts, # X
bzw. 8 E die Fehler von X bzw. e, 85o der Phasenfehler des Meßwandlers.
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Dann wird ## = - #X = - R## = - ### e x de E Der Fehler bs des Meßergebnisses
ist also jetzt E2mal kleiner als der Phasenfehler e3qg des Meßwandlers, so daß bei
einem Verlustwinkel # von der Größenordnung 0,01 der Phasenfehler ## fast beliebig
groß sein kann und daher nicht einmal ein WIeßwandler im üblichen Sinne erforderlich
ist, sondern ein normaler Übertrager verwendet werden kann.
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Der andere Fehler, der bei Äleßwandlern auftritt, nämlich der Fehler
des Betrages des Übersetzungsverhältnisses, bewirkt nur einen Fehler der Größe der
gemessenen Wirkspannung im gleichen relativen Betrag; auch dieser Fehler ist bei
kleinem Verlustwinkel vernachlässigbar klein; beispielsweise genügt es bei einem
Verlustwinkel von der Größenordnung 0,01, um die erforderliche ÄIeßgenauigkeit von
0,000I einzuhalten, wenn das Übersetzungsverhältnis auf I °/o richtig ist, was bei
geeigneter Auslegung des Übertragers ohne Schwierigkeit zu erreichen ist.
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Ausführungsmöglichkeiten des Erfindungsgedankens zeigen die Fig.
2 und 3. Darin bedeutet AII eine veränderbare Gegeninduktivität bekannter Größe,
R den zu messenden komplexen Widerstand, II den Äleßwandler, R einen veränderbaren
Ohmschen Widerstand von bekannter Große und T das Telephon. In Fig. 2 wird ein Stromwandler
verwendet, dessen Erstwicklung vom Hauptstrom durchflossen wird; an seine Zweitwicklung
ist der Widerstand R gelegt. der ganz oder zum Teil im Kompensationskreis liegt.
Infolgedessen ist der Strom im Widerstand R sehr genau phasengleich dem Hauptstrom;
die an ihm auftretende Spannung ist eine Wirkspannung, die bei geeigneter Polung
der Zweitwicklung die Wirkspannung am Widerstand R kompensieren kann, während die
Blindspannung an durch die Spannung der Zeitwiclilung von M kompensiert wird.
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Fig. 3 zeigt die entsprechende Schaltung bei Verwendung eines Spannungswandlers.
Der Hauptstrom durchfließt außer R und M den veränderbaren bekannten Ohmschen Widerstand
R; an den Klemmen von R oder eines Teils von R liegt die Erstwicklung des Spannungswandlers
tut', dessen Zweitwidlung in den Kompensationskreis eingeschaltet ist.
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Durch W wird bei geeigneter Polung die Phase der Klemmenspannung an
R umgekehrt, so daß sie im Kompensationskreis die Wirkspannung an R aufhebt.
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Bei beiden Anordnungen kann man entweder den Widerstand R als Ganzes
veränderbar machen oder, wie in den Figuren angedeutet, den Gesamtwiderstand fest
an die Sekundärklemmen des Wandlers legen bzw. in den Hauptstromkreis einschalten
und die Spannung für den Kompensationskreis über einen veränderbaren Teil von R
abgreifen; letzteres ist vorteilhafter, insbesondere daml, wenn R beispielsweise
als Schleifdraht ausgebildet ist, weil dann durch den Schleifkontakt kein oder nur
ein sehr geringer Strom fließt, so daß sein Übergangswiderstand unschädlich bleibt.
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Bei den Messungen nach Fig. 2 und 3, bei denen zur Kompensation der
Blindspannung eine Gegeninduktivität Verwendung findet, ist zu beachten, daß wegen
der Eigenkapazitäten der beiden Wicklungen von M und der gegenseitigen Kapazitäten
zwischen ihnen die von erzeugte Kompensationsspannung unter Umständen eine kleine
Wirkkomponente enthalten kann. Durch geeignete Ausführung der Spulen ist es aber
möglich, diese Wirkkomponente sehr klein zu halten, so daß sie die Messung nicht
stört. Bei äußersten Ansprüchen an Genauigkeit läßt sich diese Wirkkomponente durch
eine besondere Messung bestimmen und im Endergebnis berücksichtigen.
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Die Anordnung nach der Erfindung ist keineswegs auf die Verwendung
einer Gegenindulitivität wie in Fig. 2 und 3 beschränkt.
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Man kann die Blindspannung des Meßobjekts auch in anderer Weise kompensieren.
Ein Beispiel dafür zeigt Fig. 4, bei der das Meßobjekt R aus einer Spule mit Verlustwiderstand
besteht, deren Blindspannung durch einen veränderbaren verlustfreien Kondensator
C kompensiert wird. Wesentlich für die Erfindung ist stets die Anwendung eines Spannungs-
oder Stromwandlers zur Umkehr der Phase der an dem Ohmschen Widerstand R gelieferten
Wirkspannung.
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Auch für die Untersuchung magnetisierbaren Materials, wie es für
Pupinspulen benötigt wird, ist die Methode sehr geeignet; hier bietet sie gegenüber
den Erüclienmethoden noch einen besonderen Vorteil dadurch, daß sie die Anwendung
des bekannten Verfahrens gestattet, die Eisenverluste für sich allein zu messen,
während die Brückenmethoden immer nur die Summe von Eisenverlusten und Kupferverlusten
der Wicklung liefern. Man versieht dazu die ringförmige Eisenprobe bzw. den Pupinspulenkern
mit zwei über den Kern gleichmäßig verteilten Wicklungen und verwendet beispielsweise
eine Schaltung, bei welcher die eine Wicklung an Stelle des Meßobjekts in den Hauptstromkreis
eingeschaltet ist, während die zweite im Kompensationskreis liegt, derart, daß die
in der zweiten Wicklung induzierte Spannung kompensiert wird, wobei eine veränderbare
Kapazität zur Erzeugung der zur Kompensation des Blindanteils dienenden Spannung
verwendet wird.
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Auf diese Weise gehen die Kupferverluste in die Messung nicht ein,
und der Eisenverlustwiderstand, der im allgemeinen sehr viel kleiner als der Kupferwiderstand
ist, kann so sehr viel genauer gemessen werden als in der sonst üblichen Weise durch
Differenzbildung zwischen Gesamtwirkwiderstand und Gleichstromwiderstand der Wicklung.
Natürlich kann die gleiche Messung auch an fertigen Pupinspulen vorgenommen werden,
die ja sowieso stets zwei getrennte Wicklungen tragen.
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Es sei noch erwähnt, daß das Ubersetzungsverhältnis des Strom bzw.
Spannungswandlers beliebig gewählt werden kann. Ist es gleich 1 : 1, so ist beim
Schweigen des Nullinstruments T der Verlustwiderstand des Meßobjelits R einfach
= R; bei einem von I abweichenden Übersetzungsverhältnis ü ist R in bekamlter Weise
mit ü zu multiplizieren bzw. 17 zu divildieren. Auch kann es vorteilhaft sein, zwecks
Erweiterung des Meßbereichs einen Wandler mit Anzapfungen zur Wahl verschiedener
tZbersetzungsverhältnisse zu verwenden.