-
Fremderregte Nutz- und Widerstandsbremseinrichtung für mit Gleichstrom-Reihenschlußmotoren
angetriebene Fahrzeuge Bei Nutzbremsanordnungen für elektrische Bahnen wird stets
angestrebt, die Stromrückgewinnung über möglichst große Fahrgeschwindigkeitsbereiche
aufrechtzuerhalten, bevor beim weiteren Sinken der Motordrehzahl eine Ersatzbremse
an ihre Stelle gesetzt wird, die dann die Motoren vollends bis zum Stillstand abbremst.
Diese Ersatzbremse ist aus Preisgründen meistens eine Widerstandsbremse. Die Umschaltung
der Nutzbremse in eine Widerstandsbremse geschieht von Hand, wozu jedoch eine gewisse
Erfahrung notwendig ist, damit sie im richtigen Augenblick vollzogen und der Stoß
in der Bremswirkung vermieden oder vermindert wird.
-
Für diejenigen Nutzbremsschaltungen, welche auf Selbsterregung der
Motoren beruhen, ist es bereits bekanntgeworden, durch
eine selbsttätig
wirkende Schaltvorrichtung die Umschaltung der selbsterregten Nutzbremse in eine
selbsterregte Widerstandsbremse unabhängig vom Fahrer so zu bewirken, daß bei diesem
Übergang kein Bremsstoß auftritt. Die bisher für diesen Zweck verwendeten Umschaltvorrichtungen
beruhen entweder auf einer Ausbildung verschiedener gegeneinander wirkender elektromagnetischer
Felder oder auf einer spannungsteilerartigen Gegeneinanderschaltung der Netz- und
der Bremsspannung. Ferner haben polarisierte Relais mit Schütz sowie polarisierte
Schütze Verwendung gefunden, die je nach der Über- oder Unterspannung der bremsenden
Motoren ansprechen. Für Nutzbremsschaltungen mit Selbsterregung müssen derartige
Schaltvorrichtungen, um eine möglichst große Ausnutzung der Nutzbremse zu gewährleisten,
so ausgelegt sein, daß sie erst beim Absinken des Rückgewinnungsstromes auf ziemlich
geringe Werte die Nutzbremse unterbrechen und auch imstande sind, bei geringen Bremsüberspannungen
bereits die Nutzbremsschaltung herzustellen.
-
Handelt es sich aber um Nutzbremsanordnungen mit Fremderregung, so
würde eine derart späte Umschaltung aus der Nutzbremse in die Widerstandsbremse
immer stoßartig wirken. Die -Tutzbremsmomente würden nämlich bei so weitem Absinken
des Rückgewinnungsstromes nahezu ganz verschwinden, d. h. es würde kurze Zeit fast
ein Leerlauf der Motoren bestehen, `vorauf die Widerstandsbremse mit Fremderregung
mit vollem Bremskraftmoment wieder einsetzen würde. In der Fig. z ist der bei einer
derartigen Umschaltung auftretende Bremsstoß durch den Kurventeil x dargestellt.
Die Kurve N kennzeichnet die Charakteristik der Nutzbremse und die Kurvenschar B,s,
diejenige der fremderregten Widerstandsbremse. während die Kurve J den Verlauf des
Stromes angibt.
-
Bei der erfindungsgemäßen Schaltung findet, ein an sich bekanntes
Stromrückgewinnungsrelais Verwendung, das sowohl eine dem den Nutzbremsstromkreis
herstellenden Relaiskontaktpaar parallel geschaltete Spule besitzt, die an der Differenzspannung
zwischen der Bremsüberspannung und der Netzspannung liegt, als auch eine vom Rückgewinnungsstrom
durchflossene Spule aufweist. Das Neue und Erfinderische besteht nun darin, daß
die vom Rückgewinnungsstrom durchflossene. als Haltespule dienende Relaisspule derart
ausgelegt ist, daß eine Umschaltung von der fremderregten -Nutzbremse auf die Widerstandsbremse
bei einer Rückgewinnungsstromstärke stattfindet, bei welcher sich während des Sinkens
der Motordrehzahl die Nutzbremsmometite wieder vom höchsten bis zu einem Wert verringert
haben, welcher der sich beim Abschalten ergebenden Widerstandsbremsstufe nahezu
entspricht.
-
Bei selbsterregter Nutzbremse müßte die als Haltespule dienende Relaisspule
dagegen so bemessen sein, daß sie beim Absinken der Fahrgeschwindigkeit die Umschaltung
auf reine `'Widerstandsbremse bei einem in der -Nähe von Null liegenden Rückstrom
vornimmt. Beim überschalten tritt deshalb kein Bremsstoß ein, weil der selbsterregten
Nutzbremsung immer eine Widerstandsbremsung überlagert ist, die bestehenbleibt,
wenn der Nutzbremskreis geöffnet ist.
-
Bei Verwendung von Hauptstrommotoren gibt aber allein die Fremderregung
die Möglichkeit, im größten Teil des Geschwindigkeitsbereiches mit reiner Nutzbremse
zu arbeiten, die Widerstandsbremse also ganz abzuschalten und daher einen viel größeren
Teil der Bremsarbeit nützlich ins Netz zurückzugeben. Bei der Umschaltung von fremderregter
Nutzbremse auf Widerstandsbremse muß jedoch ein Strom erheblicher Größe unterbrochen
und ein zweiter erheblicher Größe eingeschaltet werden, so daß der Umschalter konstruktiv
als Starkstromschütz auszubilden ist. Aus dem Vorstehenden erhellt also die völlig
anders geartete Bauweise der Stromrückgewinnungseinrichtung bei Fremderregung gegenüber
dem bekannten Fall einer Nutzbremsung mit Eigenerregung.
-
Die Verwendung einer Differentialspule, d. h. einer vom Überschuß
der Bremsspannung erregten Spule, als I-Iebespule hat den Vorteil, daß beim Schalten
auf die Bremsstellungen des Fahrschalters für das Einrücken des Schützes die Netzspannungsschwankungen
vollkommen ohne Einfluß bleiben. Es wird immer der gleiche Mindestüberschuß der
Bremsspannung über die Netzspannung für die unterste Einschaltgrenze des Schützes
maßgebend sein, wobei es gleichgültig ist, 0l) die Netzspannung in ihren Schwankungen
niedrig oder hoch ist. Infolgedessen ist selbst bei den höchsten Netzspannungen
eine Nutzbremsung ebenso möglich wie bei den niedrigsten Netzspannungen.
-
Die bisher bekannten Schaltvorrichtungen müssen wegen der bei selbsterregten
N utzbremssystemen notwendigen Ansprech- und Loslaßbedingungen von leichtester Bauart
sein. Sie haben auch nur einen verhältnismäßig kleinen Kontaktdruck beim Einrücken
zu überwinden. Zur Bedienung von großen und plötzlichen Kraftaufwand erfordernden
Kontakten sind sie jedoch nicht geeignet. Im Gegensatz dazu besitzt das Umschaltschütz
nach der Erfindung die den bei Nutzbremssystemen mit Fremderregung notwendigen
veränderten
Ansprech- und Loslaßbedingungen angepaßten Kräftewirkungen und kann, ohne seine
normale Baugröße zu überschreiten, die erforderliche Schaltleistung zur Bedienung
der Umschaltkontakte ohne weiteres aufbringen.
-
Die Schaltung des erfindungsgemäßen Umschaltschützes U ist, wie die
Fig. z zeigt, so getroffen, daß die Hebespule h zwischen dem obersten Motorankerpunkt
und dem Netz gegebenenfalls mit einem Schutzwiderstand r in Reihe liegt und daß
die Starkstromspule s mit dem einen Ende ebenfalls an den obersten Motorankerpunkt
und mit dem anderen Ende an den einen noch offenen Arbeitsstromkontakt Z angeschlossen
ist, dessen Gegenkontakt a am Netz liegt. Beide Spulen sollen in gleicher Richtung
erregt werden. Das Schütz besitzt im gezeichneten Fall noch zwei Paar Negativkontakte
(Ruhestromkontakte) 3, 4 und 5, 6, welche beim Beginn der Bremsung ' die Widerstandsbremskreise
der Motoren a1, f1 und (L2, f2 geschlossen halten, so daß bei fehlender Netzspannung
auf jeden Fall eine Bremswirkung vorhanden ist. Die :Motorfelder f1, f2 «.erden
durch eine mit einer Nebenschlußfeldwicklung st und eine Gegenkompoundwicklung k
versehenen Erregermaschine e fremderregt.
-
Wenn Netzspannung vorhanden ist oder wiederkehrt, so wird die Hebespule
h das Schütz U bei genügend hoher Bremsüberspannung in die Einschaltstellung bringen.
Die Mindestüberschußspannung der letzteren über die Netzspannung ist erfindungsgemäß
auf einen solchen Wert vorbestimmt, der sich rechnungsmäßig ergibt, wenn die Nutzbremse
nach erfolgter Schließung entsprechend den verschiedenen Motordrehzahlen sich verschieden
einstellenden Bremsmomenten den größten Wirkungsgrad erreicht.
-
Während der Einrückbewegung des Umschaltschützes U schließen sich
zuerst die Arbeitsstromkontakte i und a, so daß die Starkstromhaltespule s an das
Netz angeschlossen und von da ab vom Rückgewinnungsstrom durchflossen wird. Zwar
wird vom ersten Augenblick des Kontakteingriffes ab die Hebespule h kurzgeschlossen
und daher wirkungslos, dafür übernimmt aber die Starkstromhaltespule s die Aufgabe,
das Schütz vollends bis in seine Endlage einzurücken. Dazu ist diese Spule befähigt,
weil die maßgebende Mindestrückstromstärke von ansehnlicher Größe ist. Bei dem erwähnten
Weitereinrücken des Umschaltschützes werden die noch im Eingriff befindlichen Widerstandsbremskontakte
3, 4 und 5, 6, welche als Ruhestromkontakte die Bremswiderstände w1, w2 mit den
Motorankern a1, a2 bisher verbunden hielten, unterbrochen, so daß von nun an die
Nutzbremse mit reiner Fremderregung ohne Überlagerung einer fremderregten Widerstandsbremse
besteht.
-
Diese Nutzbremse wird sich nun z. B. im Straßenbahnbetrieb dahingehend
auswirken, daß sie die Drehzahl der Motoren- von beliebiger Höhe mit einer stetigen
Wirkung, also stoßlos, herabsetzt, wobei eine allmähliche Verminderung der Rückgewinnungsstromstärke
stattfindet. Dabei wird aber eine nach vorbestimmter Weise sich steigernde Größe
der Nutzbremsmomente zustande kommen, bis dieselben ihr Maximum erreichen, «enn
der sinkende Rückgewinnungsstrom bis zu einem gewissen Mindestwert gesunken ist.
Beim weiteren Sinken der Motordrehzahl fallen, wie die Fig. i klar erkennen läßt,
die NutzbremsmomenteN und der Rückgewinnungsstrom T erst mäßig schnell, dann aber
immer rascher ab bis nach Null. Erfindungsgemäß wird nun die Loslaßstromstärke für
die Starkstromhaltespule s des Nutzbremsschützes U auf einen Wert vorbestimmt, der
sich einstellt, wenn sich während des weiteren Sinkens der Motordrehzahl die Nutzbremsmomente
von ihrem höchsten Werte so weit gesenkt haben, daß sie dem untersten Spitzenwert
der ersten nachfolgenden Widerstandsbremsstufe gleich sind. Das Schütz U fällt dann
ab und schaltet die Nutzbremse in die Widerstandsbremse um. Der auftretende Bremsstoß
ist nur gering und bleibt unter dem zulässigen Wert. Dabei wirken die kurzzeitig
überlappenden Arbeits- und Ruhestromkontakte des Umschaltschützes in zweckmäßiger
Weise mit, indem sie nämlich beim Abfallen des Schützes einer Bremsleistungsunterbrechung
vorbeugen. Obgleich die Schwachstromspule h bei diesem Umschalten von Nutzbremse
auf Widerstandsbremse infolge des öffnens der Stromrückgewinnungskontakte 1,:2 wieder
die Überschußspannung zwischen Brems- und l\Tetzspannung erhält, so ist dieser Überschuß
infolge der bereits zu tiefen Motordrehzahl zu klein, um ein Hämmern des Schützes
zu veranlassen. Das Schütz fällt vielmehr endgültig ab.
-
Die noch vorhandene Wagengeschwindigkeit kann danach durch jede Widerstandsbremsstellung
eines Fahrschalters bis zum Stillstand abgebremst werden. Mit Rücksicht auf eine
Verkürzung der Bremswege werden jedoch die Widerstandsbremsstufen weitergeschaltet.
Dabei werden die Bremsspannungen der Motoren immer kleiner und schließlich Null.
Infolgedessen könnte die Differentialspule h des Schützes U unter
dem Einfluß der nun anwachsenden, umgekehrt gerichteten Spannung dasselbe während
des weiteren Abbremsens gelegentlich einschalten und einen gefährlichen Netzstromstoß
durch die
Motoren nach Erde zu bewirken. Um diese Gefahr zu beseitigen,
wird erfindungsgemäß ein (in Fig. 2 nicht gezeichnetes) Sperrorgan in Form eines
polarisierten Relais oder eines elektrischen Ventils oder einer Stromrichterzelle
in den Differentialspulenkreis gelegt und der entgegengesetztgerichtete Strom gesperrt.
Es würde aber auch ein durch Zentrifugalschalter oder durch eine Spannungsspule
bedienter Hilfskontakt geeignet sein, die Stromzufuhr zur Differentialspuke so lange
zu verhindern, als die Motordrehzahl beim Bremsen zu gering ist.
-
Sollen die Nutzbremsanordnungen mit verschieden einstellbarer Fremderregung
arbeiten, so ist dies in bekannter Weise durch Regelung des Nebenschlußfeldes n.
der Erregermaschine e mittels eines Vorschaltwiderstandes oder vermittels Wicklungsanzapfungen
erreichbar. Bei derartigen Regelungen wird erfindungsgemäß eine entsprechende Nachregelung
hinsichtlich der Stromspeisung der Starkstromhaltespule s zugleich mit vorgenommen,
damit ihre Loslaßamperewindungszahl zustande kommt, trotzdem eine Veränderung des
Minimalrückstromes für das verlangte Mindestnutzbremsmoment infolge Veränderung
der Fremderregung eingetreten ist. Dies wird dadurch erreicht, daß sich die Widerstandsbremsmomente
in veränderter Größe an die ebenfalls veränderten Nutzbremsmomente in tunlichst
gleicher Größenordnung anschließen. Dazu dienen entweder Parallelwiderstände zur
Haltespule oder Anzapfungen an derselben.
-
Ferner wird für die Differentialspule 1a bei Regelung der Fremderregung
erfindungsgemäß eine Nachregelung der Spannungszuteilung vom Überschuß der Bremsspannung
über die Netzspannung zugleich mit vorgenommen, damit ihre Mindestamperewindungszahl
zustande kommt, trotzdem eine Veränderung des Mindestüberschusses der Bremsspannung
über die Netzspannung für das verlangte Maximum der Nutzbremsmomente im Augenblick
des Netzanschlusses infolge Veränderung der Fremderregung eingetreten ist. Dies
wird dadurch erreicht, daß beim Übergang von der Widerstandsbremse auf die Nutzbremse
beim Anschließen des Netzes die dabei auftretenden Nutzbremsmomente nie in den absteigenden
Teil der sich mit sinkender Motordrehzahl stark verringernden Bremsmomente fallen.
Bei Straßenbahnen kann in den meisten Fällen auf Nachregelung verzichtet werden.
Ist aber die Regelung der Fremderregung auf zwei Stärkegrade beschränkt, so genügt
es für Straßenbahnbetriebe, die Spannungszuteilung für die Differentialspule und
die Stromspeisung der Starkstromhaltespule auf einheitliche Mittelwerte abzustimmen.
-
Die im vorstehenden beschriebene Erfindung ist natürlich nicht auf
Bremsschaltungen beschränkt, bei denen eine rotierende Fremderregungseinrichtung
Verwendung findet. An ihre Stelle kann ebenfalls eine Batterie treten.