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Radreifen für Schienenfahrzeuge Die Gefahr 'der Entgleisung eines
Eisenbahnfahrzeugs ist dann gegeben, wenn ein anlaufendes, führendes Rad. mit seinem
Spurkranz so stark und so lange an die Schienenkopfabrundung angepreßt wird, daß
.es mit der Spurkranzflanke am Schienenkopf emporklettert. Abb. r zeigt einen im
Entgleisen begriffenen Radsatz: er befindet sich augenblicklich in einer Krümmung
und läuft mit seinem. rechten Rad y an der Außenschiere s an. Das Rad r rollt nicht
rnehr mit der schwachkegeligen oder zylindrischen Lauffläche L auf der oberen Kopffläche
der Schiene, sondern stützt sich im Punkt p der Spurkranzflanke in sogenannter Einpunktberührung
auf die innere Abrundung des Schienenkopfes. Unter der Wirkuhg eines unzulässig
großen Seitendruckes Y ist das Rad auf,der durch. die Spurkranzflanke gebildeten
Kegelfläche aufgestiegen. Sofern die Wirkung dieser Kraft Y lange genug andauert,
wird das Rad weiter bis zum Ende der Spürkranzflanke emporgerollt, mit dem Spurkranzkopf
k über die Schienenfahrfläche hinweggeschoben und zur vollen Entgleisung gebracht.
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Die Sicherheit der Führung in der Geraden und in Bogen, die sogenannte
Sicherheit gegen Entgleisen, hängt bei gegebenem Radreifenumriß und :gegebenem .augenblicklichem
senkrechtem Raddruck O von folgenden Größen ab: z. Von dem zulässigen Seitendruck
-d. h. von- dem .gerade noch zulässigen Größtwert der vom Rad zur Schiene gerichteten
waagerechten Reaktionskraft, die durch den augenblicklich wirkenden senkrechten
Raddruck O, die Form der Radreifenumrißlinie und die Reibungsverhältnisse der sich
berührenden Flächen mathematisch und physikalisch bestimmt ist. Der zulässige Seitendruck
Yi"lj"e#., soll grundsätzlich möglichst groß sein.
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z. Von dem wirklich auftretenden Seitendruck Y dieses Rades, bedingt
durch die Bauart des Fahrzeugs, durch Einwirkungen anderer mit ihm gekuppelter Fahrzeuge
und durch dynamische, voh der Fahrgeschwindigkeit
abhängende Einflüsse.
Der wirklich auftretende Seitendruck l" soll grundsätzlich möglichst klein sein.
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3. Vom Anlaufwinkel x, im Grundriß gesehen, der ebenfalls möglichst
klein sein soll. d.. Von der ltei,bung zwischen den sich beriihrend.-ri Flächen
des Rades und der Schiene. Diese Flächen sind bei Einleitung einer Entgleisung und
während des Zustandekommens derselben nach Abb. 2 an der Schiene: die innere Abrundung
des Schienenkopfes c-d, bei abgenutzter Schiene auch die innere Schienenflanke,
am Rad:- der Spürkranzkegel, bestimmt durch den Neigungswinkel r3 der Spurkranzflanke
a,-b.
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Hohe Reibung, wie sie durch Sandstreuen oder auf Überwegen eintritt,
begünstigt das Aufklettern der Spurkranzflanke auf die Schiene, niedere Reibung
dagegen erschwert oder verhindert das volle Aufsteigen und erleichtert das Herabsinken
des in Bögen stets etwas angehobenen Rades.
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Radreifen, deren Lauffläche und Spurkranz in der bisher allgemein
üblichen Art abgedreht sind, haben im neuen Zustand am ganzen Radreifenumriß, somit
auch an den genannten Spurkranzflächen, Drehrillen, die j° nach der Art der Bearbeitung
mehr oder minder tief sind (Abb.3). Diese Rillen bilden an der Kegelfläche des werkstattneuen
Spurkranzes eine treppenförmige Spirale, ergeben somit eine in die Flanke eingegrabene
treppenförmige Verzahnung und damit besonders hohe Reibung zwischen Rad und Schiene.
Die Drehrillen verhindern also nicht nur das Herabsinken des angehobenen Rades,
sondern begünstigen durch ihre treppenförmige Gestalt geradezu das Aufklettern.
Entgleisungen neu abgedrehter Räder kommen deshalb an Lokomotiven und Wagen auf
den ersten etwa i ooo kin Laufweg unverhältnismäßig häufig vor, eine Betriebserfahrung,
die seit Jahrzehnten bekannt ist. Nach Zuriicklegung eines gewissen Laufweges, dessen
Länge von der Häufigkeit und den Halbmessern der durchlaufenen Bögen abhängt, sind
die genannten Drehrillen der Spurkranzflanke durch die Schiene kalt gewalzt und
allmählich geglättet, so daß die Reibung und damit die Gefahr des Entgleisens sinkt.
Im weiteren Verlauf wird der Werkstoff an der Spurkranzflanke unter Beibehaltung
.der im Betrieb erreichten Glätte mehr und mehr abgeschliffen. Wodurch der Flankenwinkel
ß' der Ahb. 2 erhöht, die Sicherheit gegen Entgleisen in günstigem Grade «-eitergesteigert
wird. Mit zunehmendem Laufweg wird also die Sicherheit der Führung immer größer.
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In der bisher üblichen Art bearbeitete Eisenbahnräder sind demnach
in dein ersten, günstigerweise verhältnismiil-.l.ig nur kleinen Teil ihres gesamten
Laufwegs der Gefahr des Ehtgleisens weit höher ausgesetzt. als dies später der Fall
ist.
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Gegenstand der Erfindung ist die Beseitigung dieses betriebstechnischen
JIangels, der immer wieder zu Entgleisungen führt, durch- fnlgende, bisher nicht
ausgeführte Bearbeitung der Räder: der Radreifenuniriß wird in der bisherigen Weise
abgedreht. nur diejenige Fläche, an der eine Entgleisung eingeleitet «-erden und
zustande kommen kann, nämlich die I ;egelfläche des Spurkränzes, die sogenannte
Spurkranzflanke, dargestellt in :@bli. : im Stück a-b, wird auf der Radsatzhänk
spiegelnd glatt ausgeführt.
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Durch Feindrehen. Polieren oder Feinschleifen wird ohne härtende Verdichtung
auf dieser Kegelfläche ein solcher Grad der Glätte hergestellt, daß die Reibung
zwischen Flanke und Schienenkopfabrundung auf einen Wert in der Größenordnung von
11" vermindert wird. Die sonstigen Flächen des Radreifenumrisses, seine Lauffläche
und Spurkranzhohlkehle, «-erden in der bisher üblichen Weise bearbeitet, also abgedreht,
wobei sich auf diesen Flächen Drehrillen ergehen. Diese sind an der Lauffläche werkstattneuer
Räder tischt schädlich, vielmehr wertvoll, denn sie dämpfen das Schlingern und erhöhen
die Bremswirkung und bei Treibrädern die übertragbare Zugkraft.
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Bekannt ist es, die Laufkränze der Radsätze vor der Inbetriebnahme
durch Prägepolierung härtend zu verdichten, um einer ungleichmäßigen Betriebsprägepolierung
vorzubeugen. Im Gegensatz hierzu soll gemäß der Erfindung nur die Kegelfläche der
Spurkranzflanke, die im allgemeinen nicht als Lauffläche wirkt, ohne härtende Verdichtung
spiegelnd geglättet werden, und zwar zu dem abweichenden Zweck, die Entgleisungsgefahr
neuer Räder zu vermindern. Aufgabe und Löseng weichen also in beiden Fallen voneinander
ab. Die erfindungsgemäße Spurkränzflankenglätteng vermindert also, an werkstattneuen
Rädern vom ersten :Meter Laufweg an die zur Verfügung stehende Haftreibung zwischen
Flanke und Schiene auf einen so geringen Betrag, daß die beim beginnenden Aufklettern
zum Tragen kommende Fläche, nämlich die Spurkranzflanke, keinen Halt mehr zu weiterem
Emporklettern findet, vielmehr an der Schienenkopfabrundung abgleiten muß. Der hierbei
auftretende Gleitreibungswiderstand ist dank der "Spurl:ranzflankenglättung besonders
gering. Die mit zunehmendem Laufweg im Betrieb eintretende, unvermeidliche seitliche
Abnutzung des Spurkranzes führt erfahrungsgemäß zii einem solchen
Grad
der Glätte seiner Kegelfläche, daß mit einer ausreichend niedrigen Haftreibung,
also mit entsprechender Sicherheit gegen Entgleisen dauernd bestimmt gerechnet werden
kann, Die spiegelnde Spurlcranzflankenglättung werkstattneuer Räder ist also für
die Sicherheit gegen Entgleisen hauptsächlich in der ersten Betriebszeit von entscheidender
Bedeutung. Ganz besonders wichtig wird sie dann, wenn der Raddruck aus wirtschaftlichen
Gründen relativ sehr niedrig gehalten weiden muß, also bei Leichtbaufahrzeugen.
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Die bisherigen Erfahrungen mit Leichtbauwagen, deren Räder mit in
der üblichen Weise abgedrehten Reifen versehen waren, haben wiederholt bewiesen,
daß solche Wagen, deren Raddruck bei Regelspur häufig nur z t beträgt, in Krümmungen
.dann entgleisen, wenn sie mit schwererfen Wagen straff gekuppelt im Zugverband
laufen. Entgleisungen solcher Art fanden mehrfach auf der ersten Fahrt von ;der
Wagenbaraanstalt zum Bahnbetrielbswerk statt, also bei sehr rauhem Zustand der neuen,
in der bisherigen Art abgedrehten Radreifen. Beträchtliche Beschädigungen, in einzelnen
Fällen völlige Zerstörung des betreffenden Wagendrehgestells, waren die Folge. Dieser
betriebs@gefährl che Zustand wirddurch die erfindungsgemäße Spurkra-nzflankenglättung
beseitigt.
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Die vorliegende Erfindung soll allen Eisenbahnrädern zugute kommen,
welche Lokomotiv en und 'Vagen in der Geraden und in Bögen führen, insbesondere
Wagen leichter Bauart, da solche der Gefahr des Entgleisens in stärkerem Grad ausgesetzt
sind als schwere..
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Die Bedeutung der spiegelnden Spurkranzfiankenglättung, also der Verminderung
der Reibung an diesen _Kegelflächen, sei zahlenmäßig klargelegt: Bei Einfahrt in
einen Bogen geht das Rad, das bisher .in seiner angenähert zylindrischen Lauffläche
getragen wurde, in die Anlaufberührung über (A.bb.4@, und stützt sich in einer punktförmigen
Fläche mit der Spurkranzhohlkehle auf die innere Abrundung des Schienenkopfes, z.
B. .in Punkt p der Abb. d.. Das Rad wird hierbei etwas angehoben. D,ie in diesem
Punkte p an,die Schienenabrundung gelegte . Berührungsebene I--, hat zur Waagrechten
den Neigungswinkel y. Je mehr sich diesef Stützpunkt deni Beginn a, der Spurkranzflanke
nähert, desto größer wird dieser Neigungswinkel. Mit Erreichung des Punktes a, also
des Anfangspunktes der Spurkranzflanke, wird,der Neigungswinkel der genannten Berührungsebene
gegen die Waagrechte ebenso groß wie der des Spurkranzkegels gegen die Waagrechte.
Dieser Winkel, r) genannt, ist auf den Bahnen Mitteleuropasallgemein mit 6o° ausgeführt.
Im Punkt u ist der Beginn der Entgleisungsgefahr geometrisch erreicht. Kann das
Rad nicht mehr zum Abrutschen auf die Spurkra:nzhohlkehle kommen, wird es also durch
.die wirkenden Kräfte hieran verhindert, so muß der Entgleisungsvorgang weiter fortschreiten.
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Die im geometrischen Entgleisungsbeginn, also bei Erreichung des Radaufstandspunktes
ca in diesem Punkte wirkenden Kräfte sind in den Abb. 5 und 6 dargestellt. Sie zeigen
den Gleichgewichtszustand für den genannten Zeitpunkt. Wird dieser Zustand durch
Veränderung der Kräfte, entweder durch Abnahme des senkrechten Raddrucks infolge
einer Wankschwingung oder durch Zunahme des Seitendrucks durch statische oder dynamische
Wirkungen, gestört, so wird der Entglesungsvorgang eingeleitet.
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Die wirkenden Kräfte im Grenzzustand, der aus Gründen der Betriebssicherheit
nicht .überschritten werden darf, sind dargestellt: a) In Abb.5 bei rauher Spurkranzkegelfläche,
wie sie heute bei der bis jetzt allgemein üblichen Art des Abdrehens der Radreifen
im neuen Zustande gegeben ist. Der Kräfteermittlung ist eine Reibungsziffer f =1;/8
beispielsweise zugrunde gelegt.
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b) In Abb.6 bei nach dem Erfindungsgedanken spiegelnd geglätteter
Spurkranzkegelfläche,, entsprechend einer Reibung, d,ie beispielsweise mit f = lflo
vorausgesetzt ist, ein Wert, der sich mit Sicherheit erreichen läßt und im Betrieb
bei Eintreten der Abschleifung des Spurkranzes erhalten bleiben wird.
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Der augenblicklich wirkende senkrechte Raddruck O ist in beiden Fällen
gleich groß, vorausgesetzt, der Normaldruck N liegt senkrecht zur Spurkranzflanke,
die Spurkranzreibung f - N des am Abwärtsgle.iten verhinderten Rades in Richtung,
der Spurkranzflanke und der sich ergebende höchste zulässige Seitendruck h';,@l,zsst;
in der Waagrechten.
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Die zeichnerische Kräfteermittlung ergibt: a) für den Fall der Abb.5
bei rauhem Spurkranzkegel: Höchster zulässiger Seitendruck Y;,Iässt, - o,89
O.
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b) Für den Fall der Abb. 6 bei spiegelnd geglättetem Spurkranzkegel
: Y@,@läss@ = 1,39 Q. Die zusätzliche spiegelnde Glättung nach dem Erfindungsgedanken
bringt also unter Voraussetzung der vorgenannten Reibungswerte eine Steigerung des
zulässigen Anlaufdrucks von I oo °/o auf
also in einer Größenordnung, die die Sicherheit der Führung in Krümmungen wesentlich
zu erhöhen ermöglicht.' Ein weiteres zur Verfügung stehendes Mittel zur Steigerung
der Fahrsicherheit in
Krümmungen, die Vergrößerung des \ eigungswinkels
der Spurkranzflanke gegen die Waagrechte von 6o auf 68,70' oder darüber,
ist durch ausländische Ausführungen bekannt und wird hier nicht erörtert. Sie kann
selbstverständlich in Vereinigung mit der spiegelnden Spurkranzglättung in Anwendung
gebracht werden.
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Die Richtigkeit der vorstehenden zeichnerischen Kräfteermittlung kann
an Hand der bekannten Beziehung des bei einem bestimmten senkrechten Raddruck Q
zulässigen Seitendruckes I";rrt:;.,.,r geprüft werden. Es ist angenähert Dies ergibt
für i') = 6o°
und f = 113: ;,@t,st:; = o,89 Q, für f ='1lo: 1,39 Q, wie zeichnerisch in
den Abh. 5 und 6 ermittelt. Die Abhängigkeit des Ouotienten
von der Reibungsufer f im Radattfstandspunkt, ist gemäß obiger Gleichung- in Abt.
7 dargestellt. Die hieraus ersichtliche physikalische Tatsache, nach welcher der
zulässige Seitenriruck tnit abnehmender Schienenreihung zunimmt, ist bekannt. Die
betriebspraktische Folgerung zur Erreichung einer erhöhten Sicherheit der Führung
der Schienenfahrzeuge beim Durchfahren von Gleisbögen wird mit der vorgeschlagenen
spiegelnden Spurkranzflankenglättung gezogen. Wie die _11)b. j zeigt, Wird durch
die Verminderung; der Schienenreibung, herbeigeführt durch die zusätzliche spiegelnde
Shurkranzglättung, eine wesentliche, hei der bisherigen Bearbeitung der Räder nicht
entfernt erreichbare Erhöhung des zulässigen Führungsdruckes anlaufender, das Fahrzeug
führender Räder und damit die Verarbeitung erhöhter rivnarnischer Anlaufdrücke erreicht.
Dieser Fortschritt zur Steigerung der Betriebssicherheit wird um so wichtiger, je
geringer der statische senkrechte Raddruck, je höher die beabsichtigte Fahrgeschwindigkeit
ist, je mehr also dynamische Einflüsse die Etitgleisu.ngsgefalir steigern können,
ist also besonders wertvoll für schnellfahrende Leichtfahrzeuge.