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Verfahren zur Herstellung von echt gefärbten künstlichen Gebilden
aus Casein oder einem Gemisch von Casein und regenerierter Cellulose Die aus alkalischer
Caseinlösung gesponnene Kunstfaser hat ähnliche Eigenschaften wie die Wollfaser,
besitzt jedoch eine viel geringere Festigkeit als diese und hat ferner den Nachteil,
daß sie beim Kochen im Wasser eine Festigkeitsabnahme erleidet. Beim Kochen in schwach
sauren oder alkalischen Lösungen tritt eine starke Quellung und nach dem Trocknen
ein Morschwerden der Faser ein. Dieses Verhalten verursacht beim Färben dieser neuen
Kunstfaser Schwierigkeiten. Ein Färben in stark saurem Bad oder bei zu hoher Temperatur,
das oft für das vollkommene Aufziehen der Farbstoffe, besonders auf Fasern mit Wollcharakter,
erforderlich ist, würde hier sehr schädlich sein. Aus obigen Gründen ist verständlich,
daß beim Färben mit sauren Wollfarbstoffen infolge der sauren Behandlung diese Caseinfaser
leicht spröde und brüchig wird. Ferner ist eine Behandlung in stärkeren alkalischen
Bädern, wie diese für gewisse Farbstoffe ebenfalls notwendig sind, hier unmöglich.
Die Anzahl der Farbstoffe und der Färbemethoden, die infolgedessen für diese Faser
in Frage kommen, ist demnach beschränkt.
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Es. wurde nun gefunden, daß man auf dem Gebiete der Caseinkunstfaser
ohne Schwierigkeiten echte Färbungen in allen Farbtönen erzielen kann, wenn man
der zum Erspinnen der genannten Kunstfaser verwendeten alkalischen Caseinlösung
in irgendeinem Stadium ihrer Herstellung Lösungen von schwefelsauren Estersalzen
von Leukoküpenfarbstoffen zugibt und die Färbung durch eine geeignete saure oxydative
Behandlung in irgendeinem Zeitpunkt nach dem eigentlichen Spinnen entwickelt.
Bekanntlich
kann man auch die zur Herstellung der Caseinfaser notwendige Caseinspinnlösung mit
Viscose mischen, um so
:Mischfasern Charetwa Viscosekttnstseide deinl -raturseide
zwischen nähert. zu demjenigen erhalten, liegt Auch l@z@@-. hier der deren kann
Wolle sich man u11' eci |
Färbungen erzielen. Man verfährt dabei. so, daß man zunächst der Viscose die Lösung
eines schwefelsauren Estersalzes eines Leukoküpenfarbstoffes zufügt und diese Viscose
bierauf mit der Caseinlösung vermischt.
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Man erhält so aus Caseinlösung oder aus Gemischen von Casein- und
Celluloselösung, denen man Ester salzlösung zugefügt hat, gleichmäßig gefärbte Fäden.
Unterschiede in der Affinität der Faser gegenüber Farbstoffen, die durch Schwankungen
in den Herstellungsbedingungen verursacht werden können und die sich bei den gewöhnlichen
Färbeverfahren durch Ungleichmäßigkeit der Farbtöne unangenehm bemerkbar machen,
sind hier nicht vorhanden. Außerdem sind diese Färbungen höchst echt. Das neue Verfahren
bedeutet demnach einen wichtigen technischen Fortschritt.
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In der Patentschrift 623 118 ist ein Verfahren zur Herstellung
von gefärbten Gebilden, insbesondere Fäden und Filmen, aus Viscose beschrieben,
gemäß dein man einer Cellulosexanthogenatlösung ein Estersalz eines Leul:ol:üpenfarbstoffes
zusetzt und dann die Lösung in bekannter Weise mittels eines Füllbades- 1:oaguliert
und die Entwicklung der Färbung während oder nach der Koagulation des Gebildes durch
saure Oxydation erfolgen läßt.
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Nun ist aber bekanntlich Casein ein Protein und hat als solches mit
Cellulose nichts gemeinsam. Es war daher nicht möglich, aus der Patentschrift 623
11,9 zu schließen, daß eine Vermischung von Estersalzlösungen von Leul:ol:üpenfarbstoffen
mit einer alkalischen Caseinlösung weder auf die Estersalzlösung noch auf die Caseinlösung
einen schädlichen Einfuß hat. Es ist nämlich bekannt, daß unter gewissen Bedingungen
Estersalzlösungen Eiweißkörper z. B. aus ihrer Lösung ausfällen. Man hätte befürchten
können; daß das im vorliegenden Falle ebenfalls eintreten würde. Ferner kristallisieren
die meisten Estersalze sehr gut, und einige werden durch Alkalien aus ihren Lösungen
leicht ausgesalzen, so daß man hätte befürchten können, daß die Farbstoffe in der
stark alkalischen Caseinlösung zum Teil auskristallisieren, was zu Unegalitäten
in der Färbung und zu Ausscheidungen in der Apparatur geführt hätte. Die Ester bleiben
jedoch vollkommen in Lösung. Andererseits ist auch bekannt, daß schon durch sehr
kleine Zugaben von gewissen Alkalisalzen die Dichte der Caseinlösung stark t.rhöht
wird. Man hätte auch hier befürchten
9uien, daß die Estersalze, die besonders in |
r Handelsform Alkalisalze enthalten, eine |
Ir oder weniger störende Wirkung ans- |
üben und mitunter auch die Spinnbarkeit der Lösung beeinträchtigen würden. Es war
ferner zu befürchten, daß die leicht löslichen Estersalze während der Koagulation
der Caseinfaser, die langsam vor sich geht, oder während den darauffolgenden Behandlungen
in den verschiedenen Bädern, die notwendig sind, um die Faser unlöslich zu machen,
von dieser weggewaschen würden. Überraschenderweise ist dies jedoch nicht der Fall;
ein Ausbluten oder Auswaschen des Farbstoffes wird nirgends während der Fabrikation
beobachtet.
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Das Verfahren wird durch folgende Beispiele erläutert. Beispiel r
300 g Casein mit ?ooo/o Molken werden in einer geeigneten Vorrichtung, die
mit einem guten Rührwerk versehen ist, mit 24 ccm 32o/oiger Natronlauge und Si ccm
Wasser verrührt. Die Temperatur wird konstant auf 24° gehalten. Nach einigen Stunden
ist bereits eine vollkommene Lösung des Caseins eingetreten, und die erhaltene Masse
beginnt dicker zu werden. Man fügt nun allmählich und unter stetem Rühren ungefähr
i 5o ccm Wasser hinzu, welches auf 24° gehalten wird. Hierauf verdünnt man weiter
allmählich mit einer filtrierten Lösung von 3 g Estersa1z von Leuko-6-äthoxy-4'-methyl-6'-chlortliioindigo
in 150 ccm Wasser bei 24°. Nach gutem Durchmischen rührt man die Masse bis zur Erzielung
der gewünschten, für den Spinnvorgang besten physikalischen Beschaffenheit weiter.
Gegebenenfalls wird man noch weitere Zugaben von kleineren Mengen Wasser von 24:°
machen müssen. Durchschnittlich ist die richtige physikalische Beschaffenheit nach
einer Zeit von ungefähr .40 bis t8 Stunden nach Beginn der Operation erreicht. Die
Lösung wird sodann filtriert, von Luftblasen befreit und gesponnen. Als Koagulationsbad
kann man z. B. ein Bad von r4o ccm 96o/oiger Schwefelsäure und 4009 calcitiiertem
Natriumsulfat je Liter Wasser wählen. Die Temperatur des Bades beträgt etwa 53'.
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Die erhaltenen Fäden «erden nach dem Durchgang durch das Bad auf eine
gelochte säurefeste Spulenhülse aufgewickelt, auf der sie je nach dem Titer mehr
oder weniger lange bis zur vollständigen Koagulation bleiben. Die Spule wird hierauf
in einer geeigneten
Vorrichtung in einem Entwicklungsbad behandelt,
das 4 g kristallisiertes Natriumnitrit, 2o ccm 96o/oige Schwefelsäure, 120 g Natriumchlorid
und i o g ¢o % ige Form -aldehydlösung je Liter Wasser enthält. Die Temperatur des
Bades beträgt nunmehr ungefähr 25°. Die Dauer der Entwicklung hängt von der Menge
des aufgewickelten Fadens ab und von der Leichtigkeit, mit der das Bad durch die
Spule zirkulieren kann. Wenn nur eine kleine Fadenschicht vorhanden ist, so daß
das Rad rasch durch alle Teile der Spule hindurchkommen kann, genügen bereits i
5 Minuten, um eine volle Entwicklung zu erzielen. Der Faden wird dann in üblicher
Weise mit weiteren Härtungsbädern behandelt. Alsdann wird mit Wasser gespült und
mit geeigneten Lösungen behandelt, um den erwünschten Griff und die erwünschte Weichheit
zu erhalten. Man erhält so Fäden, die in einem mittelsatten Rosa gefärbt sind. Auf
dieser Färbung kann man, wenn man sie unter dem Mikroskop betrachtet, weder Kristalle
noch Ausscheidungen irgendwelcher Art beobachten. Die so erzielte Färbung ist nicht
nur durchaus egal, sie besitzt auch hohe Echtheitseigenschaften. Beispiel 2 ioo
g trockenes und gepulvertes Casein werden in einer geeigneten Vorrichtung mit Rührwerk
2 bis 3 Stunden bei 24° mit Zoo ccm Wasser verrührt. Man fügt sodann eine Lösung
von 20 ccm 32 °/o iger Natronlauge in 77 ccm Wasser hinzu und verrührt energisch,
bis eine vollkommene Lösung eingetreten ist. Wenn die erhaltene Masse dick zu werden
anfängt, verdünnt man langsam und unter Umrühren mit einer Lösung von 3 g Estersalz
von Tetrahydro-3, 3'-dichlor-1, 2, 1', 2'-anthrachinonazin in ioo ccm Wasser bei
24°. Man rührt energisch durch und verfährt im übrigen genau, wie unter Beispiel
i angegeben. Man - erhält so hellblau gefärbte Fäden von sehr guter Echtheit. Beispiel
3 Man verfährt genau, wie unter Beispiel ,2 angegeben. Die Farbe wird, nachdem der
Faden das Koagulationsbad durchlaufen hat, in einem Bad, bestehend aus 3 g Eisenchlorid,
2o ccm 96 % iger Schwefelsäure und 20 g Natriumchlorid jie Liter Wasser,
bei 30° @entwiclcelt. Nach einer Zeit, die von der Art der Behandlung abhängt, ist
der Farbton vollständig entwickelt. Für wenig Garn und wenn ein guter und rascher
Kontakt des Garns mit dem Bad gesichert ist, genügt eine Entwicklungsdauer von 15
Minuten. Der Faden wird dann in den verschiedenen Härtungsbädern behandelt, dann
gewaschen, durch Avivierungsbäder gezogen und fertiggestellt. Man erhält so einen
lebhaften hellblauen Farbton von sehr guter Echtheit.
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Beispiel 4 `-'Man veYfährt genau, wie in Beispiel i angegeben, mit
dem Unterschied, daß man mit einer Lösung von 3 g Estersalz von Leuko.-dimethoxydibenzanthron
in 200 ccm Wasser klei 24° verdünnt. Der Faden wird, wie in Beispiel i angegeben,
gesponnen und koaguliert. Dann wird er in den verschiedenen Härtungsbädern mit steigender
Konzentration behandelt. Nach dieser Behandlung wird der Farbton bei 25° in einem
Bad von 4 g kristallisiertem Natriumnitrit und 2o ccm 96%iger Schwefelsäure je Liter
Wasser entwickelt. Die Dauer der Behandlung hängt von der Geschwindigkeit, mit der
das Bad auf den Faden einwirken kann, ab. Wenn der Faden in Strangform vorliegt,
genügt z. B. eine Ent-@vicklungsdauer von .io bis 15 Minuten. Sodann wird der Faden
gewaschen und gegebenenfalls mit Weichmachungsflüssigkeiten behandelt und fertiggemacht.
Man erhält so Fäden, die in einem lebhaften mittelstarken Grün von hervorragender
Echtheit gefärbt sind. . Beispiel 5 Man verfährt genau wie in Beispiel4, mit dem
Unterschied, daß man bereits dem Koagulationsbad 49 Natriumnitrit je Liter zufügt.
Die Entwicklung des Farbtones erfolgt infolgedessen schon während der Koagulation
dis Fadens und gleichzeitig mit dieser. Der Faden wird nachher mit Formaldehyd-
und Natriumchloriälösungen, wie bereits erwähnt, weiterbehandelt, dann gewaschen
und fertiggestellt. Man erhält dasselbe Ergebnis wie in Beispiel 4. Beispiel 6 300
g Casein 2oo°/oig werden in einer geeigneten Vorrichtung bei 24° mit 23 ccm 32 °/a
iger Natronlauge und 88 ccm Wasser innig herrührt, bis vollständige Lösung eingetreten
ist. Sobald die Masse dick zu werden beginnt, wird eine filtrierte Lösung von 3
g Estersalz von Leuko-4-methyl-5-chlor-7-methoxy-4'-chlor-2-indol-2 =naphthalinindigo
in Zoo ccm Wasser langsam und unter stetem Rühren zugegeben. Die Lösung wird, wie
üblich, auf die gewünschte Dicke gebracht, versponnen und, wie in Beispiel i angegeben,
koaguliert. Dann wird die Farbe in einem Bad, das aus r20 g Natriumchlorid, 2o ccm
96 °/a iger Schwefelsäure, i g Ammoniumrhodanat und 2 g Kaliumbichromat je Liter
zusammengesetzt ist, bei 2o° entwickelt. Die Dauer der Entwicklung hängt von der
Art
der Behandlung ab. Wenn das Bad leicht und rasch mit dein Faden
in Berührung kommt, so wird der Farbton schon nach 5 bis io Minuten vollständig
entwickelt sein. Hierauf wird in Härtungsbädern behandelt, ge-,vaschen und fertiggemacht.
Man erhält einen lebhaften blau gefärbten Faden von ausgezeichneten Echtheitseigenschaften.
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Man könnte noch weitere Beispiele bringen, indem man die zur Entwicklung
notwekidige Nitritmenge gleich mit dem Färben de' Caseinlösung zufügt, so daß durch
das Passieren durch das Koagulationsbad gleichzeitig der Faden koaguliert und die
Färbung entwickelt wird.
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Es ist nochmals zu betonen, daß in keinem der zur Verwendung gelangenden
Bäder, weder im Koagulationsbad noch in den Härtungsbädern usw., der Farbstoff von
der Faser weggelöst wird, so daß es möglich ist, im gleichen Koagulationsbad gleichzeitig
gefärbte und ungefärbte Kunstfaser zu erzeugen. Das vorliegende Verfahren eignet
sich allgemein zur Herstellung von echt gefärbten Fäden, Flocken, strohartigen Bändern
oder sonstigen Gebilden aus Casein oder aus Mischungen von Casein und regenerierter
Cellulose.