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Verfahren zur Herstellung von Kunststoffen aus Säurecasein und Füllstoffen
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Kunststoffen, bei dem Säurecasein,
in das ein Lösungsmittel eingequollen ist, in äußerlich trockenem Zustand,mit großen
Mengen von Füllstoffen vermischt und nach unter Anwendung von Druck und Wärme vorgenommener.
Plastifizierung und Verformung gehärtet wird. i Es ist bereits bekannt,- Casein
mit einer reichlichen Menge von Wasser zu mischen und nach einiger Zeit ein Mittel
zum Lösen des Caseins, z. B. Ammoniak, zuzusetzen. In die dann sirupartige Masse
werden schließlich Füllmittel irgendwelcher Art eingebracht. Das Erzeugnis wird
dann auf übliche Weise verformt, getrocknet und gehärtet. Die Mischung des Caseins
mit dem Wasser und dem Lösungsmittel ist hier jedoch recht umständlich und langwierig.
Infolge der großen bei der Herstellung benutzten Wassermenge ergeben sich ungünstige
Festigkeitseigenschaften des Enderzeugnisses. Es neigt dazu, poröse Stellen aufzuweisen
und während des Trocknens und Härtens stark zu schwinden und sich zu ver--ziehen.
° Man hat auch schon vorjeschlagen, unlösliches Casein gleichzeitig mit geringen
Mengen eines Lösungsmittels, z. B. sehr konzentrierter Ammoniäkflüssigkeit, und
Zeit -einem Härtungsmittel, z. B. Formaldehyd oder Hexamethylentetramin, zu versetzen.
Die Wirkung dieser Mittel muß sich jedoch gegenseitig aufheben, so daß auf das Labcasein
als der schwer löslichen Form- des Caseins nur die überwiegende Komponente der beiden
Mittel wirksam werden kann. Es kann auf diese Weise also weder :eine vollständige
Lösung des Caseins noch eine vollkommene Härtung erreicht werden.
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Erfindungsgemäß wird in Säurecasein eine gesättigte Lösung von Ammoniunicarbonat
eingequollen, aus der erst durch Anwendung von Druck und Wärme Ammoniak frei wird.
Ammoniumcarbonat zerfällt bei einer Temperatur von etwa 58° in Ammoniak und Kohlensäure.
Das so abgespaltene Ammoniak bewirkt .die Lösung des Caseins, während die gasförmige
Kohlensäure leicht abziehen kann.
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Die zur Quellung des Caseins verwendete wäßrige Lösung von Ammoniumcarbonat
muß gesättigt sein, da bei geringer Konzentration eine Verklebung der einzelnen
Caseinkörner zu einem zähen Brei eintritt, wodurch ihre Vermischung mit dein Füllmittel
bedeutend erschwert würde.- Bei der Verwendung einer gesättigten wäßrigen Lösung
des Ammoniumcarbonats quillt dagegen jedes. einzelne Caseinkorn auf, ohne an der
Oberfläche klebrig zu werden. Hierdurch wird erreicht, daß sich die gequollenen
Körner leicht mit dem Füllstoff ganz gleichmäßig vermengen lassen. Ein weiterer
Vorteil besteht darin, daß die Wirkung
des Lösungsmittels auf .das
als Bindemittel wirkende Casein beschränkt bleibt und sich nicht auf die Füllstoffe
erstreckt. Hierdurch ist es eine verhältnismäßig große Menge von Füllstoff mit einer
nur geringen Menge von Casein zur Bindung zu bringen. Der Feuchtigkeitsgehalt der
Gesamtmasse bleibt gering, so daß das Fertigerzeugnis günstige Festigkeitseigenschaften
besitzt und weder zur Porenbildung noch zum Schwinden oder Verwerfen neigt.
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Der gemäß der vorliegenden Erfindung erzeugte Kunststoff stellt ein
Halbzeug dar, das infolge seiner guten Bearbeitungs- und P@oHerfähigkeit sowohl
durch spanabhebende Bearbeitung als auch durch spanlose Verformung außerordentlich
gut weiterverarbeitet werden kann. Das Verfahren ermöglicht außerdem bei ungewöhnlichgeringenZusätzenvonBindemitteln
die Verwendung verschiedenartiger und bisher für derartige Kunstmassen nicht brauchbarer
Füllstoffe. Durch entsprechende Auswahl eines Füllmittels oder einer Mischung von
mehreren Füllmitteln ist es außerdem möglich, Kunststoffe herzustellen, deren Eigenschaften
und Aussehen sich in weitgehendem Maße voneinander unterscheiden.
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Grundsätzlich sind als Füllstoffe alle Stoffe geeignet, die von -dem
zur Verwendung gelangten Säurecasein gebunden werden können. Bei der Auswahl der
Füllstoffe ist weiterhin darauf Rücksicht zu nehmen; in welcher Weise das Halbzeug
durch Verformung oder Bearbeitung weiterverarbeitet werden soll. So müssen diejenigen
Füllstoffe, die die Werkzeuge stark abstumpfen, vermieden werden. Es kommen als
Füllstoffe vor allem in Betracht: Holzmehl, Kaolin, Strohmehl, Wollmehl, gemahlene
Abfälle der Leder- und Kunststoffindustrien, beispielsweise Kunsthorn, Kunstharz,
Linoleum, Cellulose in gemahlenem Zustande, ferner Abfälle der Ölindustrie, wie
extrahiertes Sojabohnenschrot usw. Im allgemeinen ist es bei zweckmäßiger Auswahl
und Vorbehandlung der Füllstoffe möglich, etwa 9o % Füllstoffe mit i o % Bindemittel
in einwandfreier Weise zu binden und ein in jeder Hinsicht gutes Material zu erhalten.
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Die Wasseraufnahmefähigkeit des neuen Kunststoffes gegenüber den bisher
bekannten Kunsthornmassen ist wesentlich geringer, da die neue Masse nur zu etwa
i o % aus Kunsthorn besteht.
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Nach Fertigstellung der losen Mischung von Füll- und Bindemittel kann
die Abspaltung des chemisch gebundenen Lösungsmittels Ammoniak durchgeführt werden.
Es ist zweckmäßig, die dazu erforderliche Erwärmung gleich mit der notwendigen Preßknetung
zu verbinden, und zwar so, daß man die Masse durch die Reibungswärme, die bei der
Knetung entsteht, oder durch Beheizung auf eine Temperatur bringt, die oberhalb
derjenigen liegt, bei der das Lösungsmittel frei wird; es ist nur darauf zu achten,
daß die abgespaltene Kohlensäure frei abziehen kann. "Bei Verwendung von geschlossenen
Knetmaschinen, wie z. B. Schneckenpressen, ist es ratsam, die Masse schon vor Einführung
in die Druckzone zu erwärmen und dadurch zu entgasen. Dagegen kann man .bei Verwendung
von offenen Knetmaschinen, wie z. B. Walzwerken o. dgl., die Masse ohne vorherige
Erwärmung zugeben und durch mehrmaliges warmes Walzen eine vollkommene Homogenisierung
erzielen. Nur durch eine sehr kräftige Knetung und durch eine große innere Reibung
der Masse werden die Caseinkörner_genügend aufgeschlossen und eine gleichmäßige
Umhüllung jedes einzelnen Füllstoffkörnchens mit einer dünnen Caseinschicht bewirkt.
Daher erfordert dieser Arbeitsgang schwere Maschinen, und er kann am vorteilhaftesten
auf einem schweren Walzwerk mit verschieden schnell laufenden Vollwalzen durchgeführt
werden.
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Die derart plastifizierte Masse kann nun in Pressen in die gewünschte
Form gebracht werden. Die Härtung der Formlinge erfolgt in Bädern von wäßrigem Formaldehyd
oder durch Einwirkung anderer geeigneter Härtungsmittel.
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Es ist bereits bekannt, pulverförmiges Casein mit möglichst wenig
Wasser (2o bis 4220/0) unter hohem Druck in der Wärme zu verkneten und zu pressen
und zur Vermeidung einer nachträglichen Härtung der Masse vor der Verknetung Hexamethylentetramin
als Härtemittel zuzusetzen. Hexamethylentetramin ist ein sanft wirkendes Härtungsmittel,
so daß große Mengen notwendig 'sind, um eine ausreichende Härtewirkung zu erreichen.
Es ist bei dem bekannten Verfahren nicht möglich, diese Mengen zur Verfügung zu-stellen.
Sie sind tatsächlich so gering, daß durch den Zusatz von Hexamethylentetramin nur
die bakterielle Zersetzung der Caseinmasse unterbunden, nicht aber eine ausreichende
Härtung erreicht werden kann.
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Auf Grund .des Verfahrens der Erfindung ergibt sich weiter eine Möglichkeit,
die bisher sehr langwierige Härtung der Masse wesentlich zu verkürzen. Erfindungsgemäß
wird vorgeschlagen, außerdem noch ein langsam wirkendes Härtemittel, z. B. Hexamethylentetramin,
Glyoxal, Formamid, Acetamid, Glyoxalharnstoff, in die Füllstoffe einzuquellen. Die
Härtung des Caseins tritt erst nach Vollendung der Preßknetung allmählich in dem
Maße ein, wie das Härtemittel aus dem Füllstoff in das gelöste Bindemittel hineindiffundiert.
Es ist wichtig, daß es sich um ein langsam wirkendes Härtemittel handelt, da es
bei
sofortiger Wirkung die Lösung des Caseins vorzeitig aufheben und dadurch seine Klebfähigkeit
so stark beeinträchtigen würde, @daß kein genügendes Abbinden der Masse erfolgte.
Die Diffusionszeit kann durch eine Vergrößerung der Korngröße der Füllmasse erhöht
werden. Es empfiehlt sich also, für die Durchführung dieses Verfahrens ein verhältnismäßig
grobkörniges Füllmittel zu wählen. Erst also nachdem die Füllstoffe sich mit dem
mit Lösungsmittel behandelten Bindemittel vereinigt haben, kann das Härtemittel
in das Bindemittel eindiff undieren und das Casein auf diese Weise härten. Trotz
gleichzeitiger Zugabe des Lösungsmittels und des Härtemittels tritt demgemäß bei
der Erfindung eine zeitliche Verlagerung in dem Auftreten der Wirkung der beiden
gegensätzlich wirkenden Mittel ein, die dazu benutzt wird, um die Plastifizierung,
Preßknetung und Verformung -des Materials vorzunehmen.
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Zur weiteren Erläuterung der Erfindung sind im nachfolgenden zwei
Ausführungsbeispiele angegeben: i. i ooo g Säurecasein werden mit 1500 ccm
einer gesättigten Lösung von Ammoniumcarbonat angequollen.
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In i 5oo -ccm Wasser werden 3009 Änilinfarbe gelöst. Diese
Farblösung wird mit 9ooog Füllstoff oder Füllstoffgemisch vermengt.
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Beide Teile werden lose gemischt, was bei dem nicht klebrigen Zustand
des Bindemittels leicht möglich ist. Die Mischung wird nun z. B. auf einem schweren
Walzwerk, wie sie in der Kunstharzindustrie üblich sind, mit warmen Walzen 5- bis
i o mal durchgewalzt. Durch die bei .dieser Knetarbeit entwickelte oder zugeführte
Wärme zerfällt das Amrnoniumcarbonat in frei abziehende Kohlensäure und in Ammoniak,
das lösend auf das Bindemittel einwirkt und ihm die Fähigkeit verleiht, den Füllstoff
zu binden. Nach mehrmaligem Walzen hat die Masse gebunden und kann als lose zusammenhängendes
Fell von den Walzen abgenommen werden. In hydraulischen Pressen wird nun diese Masse
zu Platten, Stäben oder Formkörpern mit etwa iookg/cm2 Druck bei 6o bis 9o° etwa
3o bis 6o Minuten lang gepreßt. Die erhaltenen Rohlinge werden darauf in bekannter
Weise in Förmaldehydbädern gehärtet und anschließend getrocknet.
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2. 1ooog Säurecasein werden mit i5ooccm einer gesättigten Lösung von
Ammoniumcarbonat gemischt. In gooo g Füllstoff, z. B. auf 24 Maschen gemahlener
Abfall von Kunsthorn, werden 1200 ccm Lösung folgender Zusammensetzung eingequollen:
Wäßrige Lösung mit 5 % Hexamethylentetramin, 7% Formamid und 3% Formaldehyd. ` Die
weitere Bearbeitung erfolgt wie im vorigen Beispiel, jedoch ohne die Härtung im
Formaldehydbad, die ja durch Eigenhärtung ersetzt ist.