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Auf Punkten gelagerte, vieleckige Schalenkuppel Bei den neueren Kuppelbauten
macht sich immer mehr das Bedürfnis bemerkbar, große Säulenabstände zu erzielen.
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Bei der bekannten Jahrhunderthalle in Breslau wurden große Säulenabstände
erreicht durch schwere und sehr teure Abfangkonstruktionen. Eine wesentliche Verbilligung
ergibt sich, wenn man die der Kuppelschäle eigene Trägerwirkung ausnutzt.
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Das erste Beispiel einer derartigen Ausnutzung der Trägerwirkung der
Kuppelschale sind die Vieleckskuppeln der Großmarkthalle Leipzig, die aus zylindrischen
Schalen (Zeiß-Dywidag-Schalentonnen) zusammengesetztsind. Die zylindrischen Schalen
wirken zusammen mit den Randgliedern als einheitlicher Raumträger zwischen den Ecksäulen,
wodurch sich Säulenabstände von 32 m erzielen lassen. Zu der normalen Kuppelwirkung
tritt also bei diesen Kuppelbauten noch eine Trägerwirkung der Zeiß-Dywidag-Tonne
hinzu, und der tatsächliche Spannungszustand besteht aus einer Überlagerung der
Kräfte aus Kuppel- und Trägerwirkung (s. Beton und Eisen 1929: Die Großmarkthalle
Leipzig, Heft zz u. f.). In dieser Veröffentlichung ist auch der seinerzeitige Stand
der Technik klar gekennzeichnet.
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Die vorliegende Erfindung beruht nun auf der Erkenntnis, daß sich
auch bei den doppelt gekrümmten Rotationsschalen eine solche Trägerwirkung der Kuppelschale
erzielen läßt, wenn man die Schale durch zwischen den Tragsäulen angeordnete Binderscheiben
aussteift. Es ergeben sich dadurch Kuppeln mit rechteckigem Vieleck oder vieleckigem
Grundriß. Die Verwendung der doppelt gekrümmten Schale für Vieleckskuppeln hat gegenüber
den Kuppelsäulen von Leipzig auch noch den Vorteil, daß die Grate vollständig in
Wegfall kommen können.
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Schon im Mittelalter wurden kleine rechteckige Räume durch Rotationskuppeln
überdacht in Form der bekannten böhmischen Kappe, bei der die Kuppel durch Umfassungsmauern
begrenzt und dadurch der rechteckige Grundriß erzielt wurde. Die böhmische Kappe
unterscheidet sich von der vorliegenden Erfindung dadurch, daß in der böhmischen
Kappe ein drehsymmetrischer Spannungszustand vorhanden ist und daß infolgedessen
die an den Schnitträndern der rechteckigen Kuppel verbleibenden, schräg gerichteten
Gewölbeschübe von den Umfassungsmauern als Widerlager aufgenommen werden müssen.
Die Umfassungsmauern müssen also so stark durchgebildet werden, daß sie sowohl den
vertikalen wie auch den horizontalen Komponenten der Gewölbeschübe das Gleichgewicht
halten können.
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Bei der erfindungsgemäßen Konstruktion dagegen besitzen die Scheiben
nur eine Steifigkeit in ihrer Ebene, während sie senkrecht dazu keine besitzen und
deshalb auch nicht in der Lage sind, einen Gewölbeschub aufzunehmen, und damit ist
auch ein drehsymmetrischer Spannungszustand nicht mehr möglich.
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Auch in der neueren Zeit wurden Kuppeln mit quadratischem Grundriß
ausgeführt, wie z. B. die Kuppel der Matthäikirche in Lodz
(s. M
ö r s c h : Der Eisenbetonbau, 5. Aufl., 1926, 1I, S. 227, Abb. 3r5). Diese Rotationskuppel
wird begrenzt durch Vierungsbögen, die als Balken ausgebildet sind. Je zwei Gurtbögen
sind über Eck durch Anker miteinander verbunden, um dem Schub der Kuppel auf die
Bögen entgegenzuwirken, das Zusammenwirken von tragender Schale und Bogenbalken
zur Aufnahme des Bogenschubs ist hier aber nicht berücksichtigt worden. Bei der
Kuppel der Magdalenenkirche in Straßburg (Armierter Beton, 19i2, S. 1o2), bei welcher
eine elliptische Kuppel nur auf einer Seite durch eine Scheibe begrenzt ist, wird
der bei dieser Kuppel an und- für sich sehr geringe Gewölbeschub durch die angrenzende
Wand aufgenommen.
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Bei der erfindungsgemäßen Konstruktion wirkt dagegen die Aussteifungsscheibe
mit der Kuppelschale als ein einheitlicher Raumträger, und es werden von der Schale
an die Scheiben keine Horizontalkräfte, sondern nur Schubspannungen, die tangential
zur Schnittlinie von Schale und Scheibe gerichtet sind, abgegeben; die Scheibe benötigt
deshalb auch keine Steifigkeit senkrecht zu ihrer Ebene. Die Kuppelschale und die
Scheibe wirken zusammen wie ein Plattenbalken, aber diese Plattenbalkenwirkung unterscheidet
sich ganz wesentlich von der gewöhnlichen Plattenbalkenwirkung, bei welcher nur
die benachbarten Zonen der Platte Druckspannungen erhalten, denn bei der erfindungsgemäßen
Konstruktion erstrecken sich die Druckspannungen der Platte bis zum Scheitel. Sehr
gut zeigt diese Wirkung die von dem Erfinder hergestellte, in Beton und Eisen, 1932,
S.245, veröffentlichte Versuchskuppel von 7,32 m Spannweite, die nur eine Schalenstärke
von 1,5 cm besitzt. Bei einem gewöhnlichen Plattenbalken würde nur eine ganz schmale
Zone der Schale Druckspannungen übernehmen, während bei der erfindungsgemäßen Konstruktion
sich die Druckspannungen, wie schon gesagt, bis zum Scheitel erstrecken, und dadurch
ergibt sich auch eine vollständige Umlagerung der Dehnungsspannungen gegenüber denen
der Rotationsschale. Während bei der durch Eigengewicht belasteten. Rotationsschale
der Spannungszustand drehsymmetrisch ist, d. h. die Spannungstrajektorien in Richtung
der Meridiane und der Ringe verlaufen, wechseln bei der erfindungsgemäßen Konstruktion
die Trajektorien ständig ihre Richtung, und am Ubergang von Schale zur Scheibe verlaufen
sie unter 45' zur Schnittlinie von Schale und Scheibe. Diese unter beliebigen Richtungen
verlaufenden Spannungstrajektorien kennzeichnen die jetzt vorhandene Trägerwirkung
der Schale. Aus der Rotationskuppel ist jetzt eine Schalenkuppel entstanden, die
Kuppel-und Trägerwirkung vereinigt.
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Durch die Veröffentlichung des Erfinders in Beton und Eisen, 1929,
S. 326, Abb. 2a und 2b, sind zwar ebenfalls schon doppelt gekrümmte, durch Scheiben
ausgesteifte Schalen bekanntgeworden. Die Abb.2b zeigt hierbei eine doppelt gekrümmte
Tonne in Form einer Translationsfläche, die entsteht durch Verschieben einer Halbellipse
als Erzeugenden auf einem Kreissegmentbogen als Leitkurve. Sobald der Krümmungsradius
der Leitkurve unendlich wird, geht die doppelt gekrümmte Tonne in eine einfach gekrümmte
Zeiß-Dywidag-Tonne über. Die doppelt gekrümmte Tonne der Abb.2b stellt also den
verallgemeinerten Fall der Zeiß-Dywidag-Tonne dar. Nun ist bekannt, daß bei einer
einfach gekrümmten Zeiß-Dywidag-Tonne mit vertikalen Endtangenten alle Lasten im
wesentlichen nur durch Dehnungsspannungen übertragen werden, das gilt natürlich
auch in erhöhtem Maße für die doppelt gekrümmte Tonne der Abb.2b, bei welcher die
Erzeugenden ebenfalls vertikale Endtangenten besitzen.
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Während also bei einer Translationsfläche gemäß dieser Abb. 2 b der
Membranspannungszustand eine Selbstverständlichkeit war, war dies bei der erfindungsgemäßen
Konstruktion ohne weiteres nicht zu erwarten, weil bei einer durch Scheiben begrenzten
Rotationsschale vertikale Endtangenten nicht möglich sind, denn die Anschnitte der
Schale. an die Scheibe sind immer sehr flach. Die überraschende Wirkung der erfindungsgemäßen
Konstruktion besteht nun darin, daß trotz dieser flachen Anschnitte und trotz fehlender
Widerlager an den Umgrenzungslinien der Schale alle Lasten im wesentlichen nur durch
Dehnungsspannungen nach den Eckpunkten übertragen werden, so daß es also auch bei
den größten Spannweiten möglich ist, mit ganz dünnen Schalen, deren Stärke nur durch
die Knicksicherheit begrenzt ist, auszukommen. Schale und Randträger wirken hierbei
als ein einheitlicher Raumträger, dessen Wirkungen sich bis zum Scheitel der Kuppel
erstrecken.
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Von großem Interesse ist auch die Wirkungsweise einer derartigen Schalenkuppel,
wenn die Kuppel nur teilweise durch vertikale Scheiben ausgesteift ist, so daß sie
teilweise auf den aussteifenden Scheiben und teilweise auf dem horizontalen Ring
auflagert. Auch in diesem Falle bildet sich ein in bezug auf den Kuppelscheitel
symmetrischer Spannungszustand heraus, abgesehen von dem Fall, daß nur eine oder
zwei Begrenzungsscheiben gewählt werden. In diesem Falle erstreckt sich die Einwirkung
der Raumträger über den Scheitel hinweg und können sich gegenseitig überschneiden.
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Die Fig. i zeigt eine erfindungsgemäße Schalenkuppel, bei der die
aussteifenden Scheiben (b) zusammen mit der Rotationsschale (a)
einheitliche
Raumträger bilden, die in der Lage
sind, nur durch Umlagerung der
Dehnungskräfte in der Schale die gesamten Kuppel= und Binderlasten nach den in großen
Entfernungen angeordneten Tragpunkten abzutragen. Die Wirkungsweise dieses Raumträgers
ist in den Fig. 2 und 3 dargestellt.
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Die Fig. 2 zeigt einen Schnitt x-x durch die Feldmitte, also zwischen
den Tragsäulen. In der Linie c sind die Ringdruckkräfte dargestellt, die bei der
gewöhnlichen Kuppel auftreten würden. Infolge des in der Feldmitte positiven Biegungsmomentes,
das durch die Übertragung der Lasten nach den Ecksäulen bedingt wird, entstehen
in der Schale zusätzliche Druckkräfte, die zu den obigen Ringdruckkräften hinzutreten.
Die Summe der Druckkräfte aus Kuppel und Trägerwirkung ist in der Linie d dargestellt.
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Längs des Schnittes y-y durch die Ecken (Fig. 3) ist infolge der Trägerwirkung
ein negatives Biegungsmoment vorhanden. Dementsprechend werden die Ringdruckkräfte
der Kuppelwirkung c durch die Trägerwirkung entlastet, und es entsteht ein Spannungsdiagramm
gemäß der Linie e, wobei in dem oberen Teil der Kuppelschale Druckkräfte, in dem
unteren dagegen Zugkräfte entstehen.
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Infolge der Aussteifung durch die vertikalen Binderscheiben ist demnach
die doppelt gekrümmte Kuppelschale in der Lage, nur durch Umlagerung ihrer Dehnungskräfte
die gesamten Lasten der Kuppelschale und der Binderscheiben nach den Ecksäulen abzutragen.
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Fig. q. und 5 zeigen Kuppeln, bei denen die Rotationsschale zum, Teil
auf dem Ring auflagert und zum Teil durch Scheiben begrenzt ist. Wie schon erwähnt,
ist die Spannungsverteilung auch in diesem Falle vollständig symmetrisch in bezug
auf den Scheitel, und in Fig. q. sind die Symmetrielinien zu den Scheiben mit angedeutet.
An die. außerhalb dieser Symmetrielinien liegenden Apsiden werden nur tangentiäl
an diese Linie gerichtcte Schubspannungen abgegeben.
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An Stelle der Rotationsschale lassen sich naturgemäß auch Schalen
verwenden, die durch affine Verzerrung aus den Rotationsschalen hervorgegangen sind,
insbesondere, wenn sie noch durch das Gesetz des statischen Massenausgleiches mit
ihnen verwandt sind (s. Handbuch für Eisenbeton, Band XII, Auflage 3, S. 241, Abb.
9o).