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Herstellung von Kieselsäure Es- ist bekannt, daß man Schlacke, z.
B. Hochofenschlacke, mit Säuren unter Bildung von Kieselsäure zersetzen kann. Man
pflegt dabei' die Zersetzung so zu leiten, daß entweder unmittelbar 'oder unter
intermediärer Bildung eines Sols eine Kieselgallerte erhaften @ wird. Dieses Verfahren
besitzt den Nachteil, daß, da Sole und Gallerte im allgemeinen sehr wasserreich
sind und selbst die konzentriertesten ' Gallerten noch über 70 °l, Wasser aufweisen,
zur Umsetzung der Schlacke, insbesöndere"aber zum Waschen der Gallerte, unverhältnismäßig
große Gefäße erforderlich sind. Beim Trocknen tritt weiterhin ein starkes" Schrumpfen
der Gallerte ein, so -daß große, nur schlecht ausnutzbare Trockenräume benötigt
werden, und da die Gallerten beim Schrumpfen überdies meist in kleine Stücke zerspringen
lassen sich gröbere Stücke meist- überhaupt nicht herstellen: Solche werden aber
überall dort verlangt, wo das Fertigprodukt "bei seiner Verwendung einer Behandlung
mit strömenden Gasen oder Flüssigkeiten unterworfen wird und wo der Gas- oder Flüssigkeitswiderstand
klein gehalten werden soll: Es wurde 'nun gefunden, daß man Kieselsäure in sehr
vorteilhafter Weise ohne die genannten Schwierigkeiten erhält, wenn man poröse'Schlacken
töpöchemisch zersetzt, d. h. derartig, daß -die erhaltene Kieselsäure die Gestalt
und Struktur der Ausgangsschlacke aufweist; diese Kieselsäure schrumpft beim Trocknen
überhaupt nicht oder in nur geringem Maße ein. Da genügend poröse Schlacken infolge
ihrer zahlreichen Poren den Zersetzungsmitteln besonders leicht zugänglich sind,
tritt eine rasche Zersetzung auch dann ein, wenn man die Schlacke in großen Stücken
anwendet, so daß man die Herstellung stückiger Kieselsäure von beliebiger Größe
ganz in der Hand hat. Als Ausgangsmaterial sind besonders die bei der thermischen
Herstellung von Phosphor aus Calciumphosphaten, Kohle und Kieselsäure erhaltenen
Calciumsilikatschlacken geeignet, vor allem dann, wenn sie durch Abschrecken mit
Wasser, unter Aufgießen der geschmolzenen Schlacke auf ein poröses, mit Wasser getränktes
Beet aus Sand u. dgl., in stark poröser Form erzeugt sind; jedoch sind auch aridere,
i. B. Hochofen-, Abstichgeneratorenschlacken oder tonerdereiche Phösphorschlakken,
die bei der thermischen Phosphorherstellung unter Verwendung von Kieselsäure und
Tonerde oder Aluminiumsilikaten erhalten wurden, 'verwendbar, sofern sie genügende
Porosität besitzen: Um eine topochemische Zersetzung zu erreichen, muß vor allem
die Konzentration der zu .verwendenden Säure innerhalb bestimmter verhältnismäßig
enger Grenzen gehalten werden, die, ebenso wie die
Temperatur, von
Fall zu Fall, je nach Art der Schlacke, der Natur der Säure und der sonstigen Arbeitsbedingungen,
ermittelt werden müssen. Im allgemeinen wird am zweckmäßigsten Salpetersäure benutzt,
die zugleich den Vorteil der Gewinnung besonders wertvoller Nebenprodukte bietet,
und zwar verwendet man die Säure in der Regel in einer Konzentration von 2o bis
so 0%, wobei vorzugsweise Zersetzungstemperaturen von 4o bis 5o° angewandt werden.
Als Zersetzungsmittel lassen sich auch, wenn auch im allgemeinen weniger günstig,
andere Säuren, z.13. Salzsäure, Phosphorsäure, Schwefelsäure, ferner Salze, z. B.
Bisulfate und saure Phosphate sowie gasförmige Säuren oder säurebildende Gase, gegebenenfalls
zusammen mit evtl. überhitztem oder gespanntem Wasserdampf, benutzen. In manchen
Fällen kann der Aufschluß der Schlacke zweckmäßig auch unter Druck erfolgen.
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Beim Aufschließen größerer Schlackenstücke kann es vorkommen, daß
im Innern der Schlacke noch ein kleiner Rest unverändert bleibt, zu dessen Zersetzung
eine unverhältnismäßig lange Einwirkungsdauer der Säure nötig wäre, was aber mitunter
unwirtschaftlich ist. Aber auch bei leicht zersetzlichen Schlacken ist es oft zweckmäßig,
z. B. bei der Herstellung eines Trägermaterials für Katalysatoren, die Zersetzung
unvollständig durchzuführen, so däß in dem aufzuschließenden Kieselsäurestück ein
unzersetzter Kern vorhanden bleibt, der eine größere Härte des Katalysators bewirkt.
In diesen Fällen erhält man Massen, die außer Kieselsäure noch andere Substanzen
enthalten. Das gleiche ist auch dann der Fall, wenn man zum Aufschluß Schwefelsäure
oder Phosphorsäure verwendet, wobei unlösliche Calciumsalze innerhalb der Poren
der Kieselsäure eingelagert bleiben können. Erfolgt nach der Zersetzung tonerde-
oder eisenhaltiger Schlacken mit Salz- oder Salpetersäure vor dem Auswaschen des
porösen Skelettes eine Trocknung bei 25o°, so gehen die in den Poren noch vorhandenen
Chloride oder Nitrate der Tonerde bzw. des Eisens in unlösliche Verbindungen über,
so daß nach einem Waschprozeß, bei dem die Calciumsalze entfernt werden, eine tonerde-
bzw. eisenoxydhaltige poröse. Kieselsäure hinterbleibt.
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Die in der beanspruchten Weise erhaltene poröse Kieselsäure bzw. die
Kieselsäure enthaltenden porösen Massen sind, insbesondere flach etwaigem Trocknen
oder Calcinieren durch Adsorptionsvermögen und große Reaktionsfähigkeit ausgezeichnet
und können in stückiger Form oder gemahlen, z. B. als künstliche Bleicherde, als
Adsorbentien, als Katalysatoren, Reinigungsmassen, z. B. für. Montanwachs bzw. als
Träger für Kontaktmassen oder Reinigungsmassen, zur Herstellung von Wasserglas und
Wasserglasisoliermassen, von Basenaustauschern, keramischen Massen, Baustoffen,
ferner als Mittel zur Entchlorung und Entölung von Wasser, zur Filtration von Flüssigkeiten,
zur Entschwefelung von Gasen, Ölen usw., als Füllmittel für Isoliermassen, Beton,
Schaumbeton, Kautschuk,- Papier, Seifen, als Packmaterial, z. B. für Isoliermatratzen
gegen Schall und Wärme, ferner zur Erzeugung von Kunstmassen, insbesondere zusammen
mit organischen Stoffen, z. B. rohem oder gebleichtem Montanwachs, verwendet werden.
Sie kommen als Aufsaugematerial für Flüssigkeiten, z. B. für hygienische Zwecke,
oder für Elektrolyte, z. B. in Trockenelementen, ferner für Benzin, Spiritus u.
dgl., für Acetylen, Nitroglycerin oder Blausäure, Phosgen, Brom usw. in Betracht
und können demnach als Verfestigungsmittel, z. B. für Brennstoffe, als Mittel zur
Verhinderung von Explosionen oder beim Transport von Giftstoffen bzw. als Schädlingsbekämpfungsmittel
Verwendung finden. Mit Löschmitteln, z. B. Tetrachlorkohlenstoff, getränkt, können
sie als Feuerlöschmittel benutzt werden. Auch bei der Herstellung von Farben, z.
B. Mineralfarben, Druckfarben, Ölfarben, Tapetenfarben, Farben für Buntpapier u.
dgl., oder von Schleif- und Schmiermitteln können sie Verwendung finden sowie für
alle Zwecke, für die man bisher Kieselgör zu benutzen pflegte (s. beispielsweise
K r ä t z e r : »Wasserglas und Infusorienerde«, 1922).
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Die Massen eignen sich insbesondere auch als das Zusammenbacken verhindernde
Zusatzstoffe bz-w. als Träger für Düngemittel, z. B. Phosphorsäure, Harnstoff usw.
Wird Salpetersäure als Aufschlußmittel verwendet, so erhält man neben der Kieselsäure
noch wertvolle Nitrate, insbesondere Calciumnitrat. Beispiel i Drei gemauerte, mit
säurefestem Material ausgekleidete oder aus Chrom-Nickelstahl (sog. V 2 A-Legierung)
bestehende Türme werden mit je i t poröser Calciumsilikatschlacke, die 49,30lo Si02,
43,7% Ca 0, 2,4% Ah O3 und o,80/, Mg 0 enthält und auf Walnußgröße gebrochen
ist, gefüllt. Sie stellt ein Abfallprodukt der thermischen Phosphorherstellung dar
-und ist in bereits erwähnter Weise in größeren zusammenhängenden Stücken durch
Aufgießen der Schlackenschmelze in dünner Schicht auf ein mit Wasser getränktes
Kiesbeet erhalten worden, dessen Wassergehalt nicht wesentlich von dem Gewicht der
aufzublähenden Schlacke abweicht. In den ersten Turm werden 2,75 t
einer
q.o°/oigen, etwa 50° warmen Salpetersäure gepumpt, worauf diese durch Einblasen
von Luft mit der Schlacke in intensive Berührung gebracht wird. Nach etwa dreistündiger
Reaktionsdauer wird die Säure in den zweiten Turm übergeführt, während der erste
Turm mit frischer Säure beschickt wird. Die im zweiten Turm befindliche Säure kommt
nach weiteren 3 Stunden in den dritten Turm, während die jetzt im ersten Turm befindliche
Säure dann in den zweiten Turm gepumpt und der erste Turm erneut mit Säure gefüllt
wird. Aus dem dritten Turm wird nach weiteren 3 Stunden eine Kalksalpeterlauge von
der Dichte 1,35 abgezogen, die praktisch keine freie Säure mehr enthält.
Sobald die Schlacke im ersten Turm genügend umgesetzt ist, wird sie mittels Dampf
ausgelaugt, bis die in den Poren der Masse enthaltene bzw. äußerlich anhaftende
Kalksalpeterlauge entfernt ist, worauf der Turm I entleert - wird. Nach erneuter
Füllung mit frischer Schlacke wird dieser als letzter wieder in das System eingeschaltet.
Bei dauerndem Betrieb wird in dieser Weise jede Turmfüllung fünfmal mit Säure ausgelaugt,
wobei eine weitgehende Umsetzung stattfindet.
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Die ausgelaugte Schlacke stellt ein Kieselsäureskelett dar, das genau
die Form der ursprünglichen Schlacke hat. Nach dem Trocknen mit heißen strömenden
Gasen bei Too bis 15o° erhält man ein Produkt, das durch hohe Adsorptions- und Reaktionsfähigkeit
ausgezeichnet ist. Die Kalksalpeterlauge enthält noch etwa 0,5 bis 1,o °/o
des Schlakkengewichtes an gallertiger Kieselsäure sowie die in der Schlacke enthaltene
Tonerde als Nitrat. Sie wird mit der zur Fällung von Tonerde nötigen Ammoniakmenge
versetzt, wobei sich so viel Ammoniumnitrat bildet, daß eine' zur Herstellung von
Kalksalpeter als Düngesalz, zweckmäßig unter Verspritzen, günstige Zusammensetzung
der eingedickten und evtl. filtrierten Lauge entsteht.
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Beispiel e In einem säurefesten gemauerten Turm wird i t der in Beispiel
i angegebenen Cal-. ciümsilikatschlacke mit 1,9 t einer 45 °/oigen Salpetersäure
zur Einwirkung gebracht. Die Temperatur steigt dabei infolge der Reaktionswärme
rasch auf etwa go°; sie wird mittels Heizdampf noch mehrere Stunden. auf etwa 7o°
gehalten. Die Säure wird währenddessen mehrmals langsam im Kreislauf durch den Turm
gepumpt, bis die entstehende Salpeterlauge eine Dichte von 1,5 besitzt. Sodann wird
die :Lauge abgelassen. Die in ihr noch vorhandenen geringen Mengen freier Säure
werden mit Kalk oder auch Schlackenpulver umgesetzt, worauf die erhaltene dicke
Lösung auf festen Kalksalpeter verarbeitet wird.
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Der im Turm vorhandene poröse Rückstand wird gewaschen und durch Lagern
an der Luft getrocknet. Er kann in bekannter Weise, z. B. auf Wasserglas, weiterverarbeitet
werden.