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Verfahren zur Herstellung von künstlichen Fäden und ähnlichen Gebilden
durch Verspinnen von Kupferoxydanimoniakcelluloselösungen in stark alkalische Fällbäder
In der Kunstseideindustrie sind mehrere Verfahren bekannt, bei welchen ein Strecken
der Fäden während ihrer Herstellung vorgenommen wird; es sind dies die sogenannten
Streckspinnverfahren, bei welchen der Faden im Spinnbad ausgezogen wird. Dann ist
es auch bekannt, daß ein Faden sich vor dem ersten Trocknen verhältnismäßig stark
ausziehen läßt und einen Teil dieser Dehnung nach erfolgter Trocknung beibehält.
Solche Versuche vor dem Trocknen wurden speziell mit Viskosefäden vorgenommen.
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Bei der Herstellung von künstlichen Fäden aus Kupferöxydammoniakcelluloselösungen
ist auch schon vorgeschlagen worden, die in alkalischen Spinnbädern koagulierten
Fäden vor der Entkupferung mit Säure einem Waschverfahren zu unterwerfen und hierzu
kaltes oder warmes Wasser zu verwenden.
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Es wurde nun gefunden, daß bei der Herstellung von Kunstseide und
anderen künstlichen Fäden, z. B. auch künstlichem Roßhaar, Bändchen usw., nach dein
Kupferoxydammoniakverfahren, wenn stark alkalische Spinnbäder verwendet werden,
die kupferhaltigen, vollständig koagulierten Fäden, wenn sie hinreichend lang mit
Wasser bei gewöhnlicher Temperatur oder besser mit warmem Wasser gewaschen werden,
einen weichen, gumm.iartigelastischen Charakter annehmen, in welchem sie sich bis
um das Doppelte ihrer Länge und darüber ausziehen lassen, ohne zu reißen. Dieses
Streckungsvermögen der Fäden in so weiten Grenzen ist aber kein dauerndes, sondern
nimmt mit der Einwirkungszeit des Waschwassers und dessen Temperatur stufenweise
zu und nachher wieder ab; mit anderen Worten, ein Faden von einer bestimmten Dicke,
welcher in Wasser eingetaucht ist, nimmt z. B. in der ersten halben Stunde der Immersion
an Dehnungsvermögen zu, erreicht z. B. nach dieser ersten halben Stunde das Maximum
der Dehnungsfähigkeit und verliert dann nach und nach einen Teil dieses Streckvermögens.
Der blaue Kupferoxydammoniakcellulosefaden besitzt unmittelbar nach dem Verlassen
des alkalischen Spinnbades ein nur sehr geringes Dehnungsvermögen. Wird der Faden
aber einige Zeit lose in Wasser bei gewöhnlicher Temperatur oder besser noch in
erwärmtem Wasser behandelt, so wird erweich, gummiartig und läßt sich sehr stark
ausziehen, ohne zu reißen. Bleibt aber ein solcher Faden noch längere Zeit in Wasser
liegen, so schrumpft er ein, und das Dehnungsvermögen geht stark zurück.
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Es wurde weiter beobachtet, daß ein im starken Alkalibad gesponnener
Kupferoxydammoniakcellulosefaden, wenn derselbe im richtigen Stadium, d. h. nachdem
er den weichen elastischen Charakter durch teilweises Auswaschen der Lauge angenommen
hat, gestreckt wird, einen viel reineren, seideähnlicheren Glanz hat als ein nicht
so gestreckter Faden. Dazu ist seine Reißfestigkeit im Verhältnis zu der durch die
Streckung erzielten Feinheit größer und der Griff besser
als bei
einem in gleicher Feinheit ohne Streckung gesponnenen Faden. Auch die Elastizität
des gestreckten Fadens entspricht mindestens derjenigen eines ohne Streckung gesponnenen
Fadens gleicher Dicke. Will man aber den Faden ohne Nachteil für Reißfestigkeit
und Elastizität auf ein Maximum ausstrecken, so ist es nötig, den günstigen Moment
zu wählen, d. h. das Strecken in dem Stadium vorzunehmen, in welchem er durch eine
gewisse Einwirkung des Waschwassers den weichen gummiartigen Charakter angenommen
hat. Streckt man den Faden zu früh, d. h. wenn er noch nicht genügend ausgewaschen
und noch hart ist, oder zu spät, d. h. wenn er den weichen gummiartigen Charakter
schon wieder verloren hat, so geht diese Dehnung auf Kosten der Festigkeit und Elastizität
des Fertigproduktes. Die Zeit der Immersion im Wasser bis zum günstigsten Stadium
des Streckens richtet sich nach der Dicke der gesponnenen Fäden und dauert bei gröberen
Fäden länger als bei feineren. Auch spielt die Temperatur des Wassers eine Rolle,
denn warmes Wasser verkürzt die Immersion bzw. beschleunigt den Eintritt der erwähnten
Dehnungseigenschaft. Es können dem Wasser auch solche neutrale oder alkalische Salze
beigegeben werden, die das Auswaschen der Lauge beschleunigen, die Immersionszeit
abkürzen und auf die Streckfähigkeit des Fadens günstig einwirken, wie z. B. Bittersalz
oder andere Magnesiumsalze.
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Es ist auch schon vorgeschlagen worden, die aus Kupferoxydammoniakcelluloselösungen
mit Hilfe von neutralen oder alkalischen Fällbädern gesponnenen Fäden während der
Elimination der Kupferverbindungen durch Einwirkung von Säuren o. dgl. zu strecken.
Die Streckung erfolgt in diesem Falle in einer späteren Verfahrensstufe als bei
der vorliegenden Erfindung, nämlich im Augenblicke des Herauslösens der Kupferverbindungen
aus dem Faden, .z. B. in einem Säurebad. Demgegenüber wird bei dem vorliegenden
Verfahren die Streckung des mit Hilfe stark alkalischer Spinnbäder erhaltenen Fadens
nicht während dessen Entkupferung vorgenommen, sondern vor derselben, und zwar während
oder unmittelbar nach einer der Entlupferung vorausgehenden hinreichend langen Behandlung
mit Wasser, zweckmäßig warmem Wasser, oder geeigneten Salzlösungen der erwähnten
Art. Der erfindungsgemäß durch die Behandlung mit Wasser oder @vässerigen Lösungen
in gummiartigen Zustand übergeführte und hierbei gestreckte Faden wird erst nach
erfolgter Streckung entkupfert. Das vorliegende weist jenem bekannten Verfahren
gegenüber den Vorteil auf, daß das Strecken der Fäden leichter und sicherer bewerkstelligt
werden kann, da die Streckbarkeit des Fadens nicht wie bei dem bekannten Verfahren
an einen zeitlich engbegrenzten Augenblick gebunden ist.
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Bei dem bekannten Verfahren erfolgt nämlich die Streckung am leichtesten
im Augenblick der Säureeinwirkung; vor dieser ist zur Streckung eine ziemlich große
Kraft nötig, und nach erfolgtem Absäuern ist eine Streckung nur in ganz beschränktem
Maße möglich; es ist deshalb nicht überraschend, daß eine Konzentrationsänderung
des Säurebades, wie sie bei der fabrikatorischen Ausübung des bekannten Verfahrens
auftreten kann, nicht nur eine Änderung in der Geschwindigkeit der Entkupferung
des Fadens, sondern auch eine Änderung in der Streckbarkeit dieses letzteren zur
Folge haben muß, was sich insbesondere beim Anfärben durch ungleichmäßiges Aufziehen
der Farben unangenehm bemerkbar machen muß. Ein weiterer Vorteil des vorliegenden
Verfahrens besteht darin, daß das Strecken der Fäden ausgeführt werden kann, ohne
daß wie bei dem bekannten Verfahren säurebeständige und infolgedessen kostspielige
Apparaturen verwendet werden müssen.
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Bei dem Verfahren gemäß -der vorliegenden Erfindung kann das Strecken
der Fäden nach verschiedenen Methoden durchgeführt werden. Der kupferhaltige blaue
Faden kann z. B. auf Spulen aufgewickelt bzw. direkt auf Spulen gewonnen werden,
auf diesen Spulen bis zum gewünschten Stadium ausgewaschen und auf denselben durch
Vergrößerung des Spulenumfangs gestreckt werden. Man kann den Faden auch z. B. auf
dehnbare Haspel spinnen und auf diesen weiterbehandeln und strecken. Weiterhin kann
der. Faden z. B. in einen Spinntopf :gesponnen, nachher aufgehaspelt, in Strangform
gewaschen und alsdann z. B. auf :Spanngestellen oder Walzenstreckmaschinen gespreckt
werden. Beim Strecken in Strangform empfiehlt .es sich, den Strang während .der
Streckoperation leicht zu drehen, da sonst Unregelmäßigkeiten entstehen .könnten
und die Auflagestellen nicht genügend gestreckt würden. Schließlich kann man den
blauen Faden auch von Spule zu Spule, von Haspel zu Haspel, von Haspel zu Spule
oder von Spule zu Haspel strecken, wobei jeweils der zweite Apparat mit einer entsprechend
größeren Abzugsgeschwindigkeit läuft, so daß der Faden von .den langsamer laufenden
ersten Apparaten abgezogen lind gleichzeitig gestreckt wird: Bei allen diesen Arbeitsweisen
kann das Strecken der Fäden ganz unter Wasser oder außerhalb des Wassers oder zum
Teil unter und zum Teil außerhalb des Wassers .ausgeführt werden;
dasselbe
gilt natürlich auch, wenn an Stelle des Wassers die erwähnten wässerigen Salzlösungen
verwendet . werden.
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Die durch Streckung des Fadens im weichen, elastischen Zustand erhaltene
Fadenlänge kann z. B. dadurch fixiert werden, daß der Faden in gestrecktem Zustand
in ein saures Bad gebracht und in geeigneter Weise, vorzugsweise unter Zug, entkupfert
wird. Nach einer derartigen Fixierung schrumpft der Faden beim Trocknen nicht mehr
ein als ein nicht gestreckter Faden. Man kann das Einschrumpfen sogar vollständig
verhüten, wenn man die erste Trocknung unter Zug vornimmt.
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Es hat sich weiterhin gezeigt, daß es möglich ist, das Strecken des
weißen fertigen Fadens auch auf Fäden, welche im Sinne vorliegender Erfindung bereits
einem Streckvorgang unterworfen worden sind, anzuwenden und hierdurch äußerst feine
Fäden zu erzielen. Zweckmäßig wird der Faden hierbei unter Spannung getrocknet.
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Das Verfahren gemäß der vorliegenden Erfindung kann beispielsweise
wie folgt ausgeführt werden: Beispiel i Ein aus einer Kupferoxydammonial.:celluloselösung
(mit etwa 7 bis 8/, Cellulosegehalt) durch eine o,25 mm weite Düse in ein 25°C warmes
Spinnbad aus Ätznatron von z. B. 3o° Be gesponnener und auf Spulen oder in einem
Spinntopf aufgewickelter Faden wird, vorteilhaft erst z. B. einige Stunden nach
dem Spinnen, wodurch ein noch besseres Durchfällen und Reifen des Fadens bewirkt
wird, in Strangform aufgehaspelt. Hierauf wird der Strang, der beispielsweise einen
Umfang von 925 mm aufweist, vorteilhaft erst während 8 Minuten in 28° C warmes Wasser
eingetaucht, wobei die Hauptmenge der anhaftenden Lauge entfernt und eine regenerierbare
Lösung entsteht, dann 3 Minuten lang in einer 45° C warmen, wässerigen, 7 °/oigen
Bittersalzlösung gebadet. Der auf diese Weise gemäß der Erfindung in den weichen,
elastischen Zustand übergeführte Strang wird hierauf auf einer Streckmaschine bis
zu einem Strangumfang (trocken) von 1225 mm gestreckt. Die so erhaltene, 321e °/o
des ursprünglichen Strangumfanges betragende Streckung wird dann in einem Säurebad,
in dem die Fäden gleichzeitig entkupfert werden, fixiert.
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Beispiele Arbeitsweise wie in Beispiel i mit dem Unterschied, daß
an Stelle der dort erwähnten Bittersalzlösung hier ein Bad aus 40° C warmem Wasser
verwendet wird, um die Fäden in den elastischen Zustand überzuführen, in welchem
sie gestreckt werden. Vorteilhaft wird der Strang auch hier zwecks Wiedergewinnung
der anhaftenden Lauge erst 8 Minuten lang in 28° C warmes Wasser getaucht und hierauf
beispielsweise während 6 Minuten in 4o° C warmem Wassei gebadet. Nach dieser Behandlung
kann der Strang von ursprünglich 925 mm Umfang auf einer Strangstreckmaschine bis
zu einem Umfang (trocken) von etwa i igo mm und mehr gestreckt werden. Die Fixierung
der erreichten Streckung erfolgt wie in Beispiel i mittels eines Säurebades, in
welchem die Fäden gleichzeitig entkupfert werden.
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Eine Spinnanlage, welche z. B. pro Tag iooo kg Kunstfäden von Zoo
Deniers produziert, kann üblicherweise im gleichen Zeitraum nur 5oo kg Kunstfäden
von ioo Deniers herstellen. Die vorliegende Erfindung bietet nun den großen Vorteil,
daß in einer derartigen Anlage zunächst iooo kg Fäden von Zoo Deniers gesponnen
und diese auf ioo Deniers ausgezogen werden können, wodurch also die Produktion
verdoppelt werden kann. Die Erfindung ermöglicht weiterhin, sehr feine Deniers zu
erzielen, ohne daß die Anzahl Filamente im Faden reduziert oder immer feinere Spinndüsenöffnungen
zur Anwendung gelangen müssen. Dazu hat man für die erste Operation des Spinnens
und des ersten Waschens einen dickeren, festeren Faden in der Hand, welcher erst
nach diesen Manipulationen zu größeren Feinheitsgraden ausgestreckt wird. Das Streckverfahren
kann auch für gezwirnte Kunstfäden, für Hohlfäden u. dgl. angewendet werden.