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Schädlingsbekämpfungsmittel Es ist bekannt, giftige Gase oder Dämpfe,
welche nicht leicht bemerkbar sind, wie z. B. die nur schwach riechende Blausäure,
mit Stoffen zu versetzen, welche eine Reizwirkung auf die Sinnesorgane von Menschen
und Tieren auszuüben vermögen. Als derartige Reiz- und Warnstoffe hat man u. a.
Stoffe, wie z. B. Cvanchlorid, Kakodylrhodanid und Chlorameisensäureester usw.,
vorgeschlagen.
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Es hat sich nun gezeigt, daß die bekannten Reizstoffe den Nachteil
zeigen, daß die Reizwirkung verspätet in Erscheinung tritt. Bei Verwendung von z.
B. Blausäure zu Zwecken der Schädlingsbekämpfung ist es infolgedessen möglich, daß
die Blausäure zum Beginn der Entwicklung oder Anwendung infolge verspäteten Auftretens
der Reizwirkung schädliche Wirkungen zu entfalten vermag.
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Es wurde nun gefunden, daß Chlorpikrin einen Stoff darstellt, welcher
einerseits ausgezeichnete Reizwirkung besitzt und andererseits im Gegensatz zu bekannten
Reizmitteln die Reizwirkung sofort bei Freimachung der mit ihm versetzten Blausäure
entfaltet. Weiterhin hat sich gezeigt, daß man durch Zusatz von Chlorpikrin zu Blausäure
eine beträchtliche Steigerung von deren Giftwirkung erzielt, so daß man durch Versetzen
von Blau= säure mit zur Erzielung einer zuverlässigen Reizwirkung ausreichenden
Mengen Chlorpikrin ein ausgezeichnetes Schädlingsbekämpfungsmittel erhält. Die Bemessung
des Chlorpikrinzusatzes muß natürlich unter dem Gesichtswinkel erfolgen, daß die
Reizwirkung nicht nur zu Beginn des Freiwerdens der Blausäure erfolgt, sondern daß
sie noch wahrnehmbar ist, solange Giftgas vorhanden ist. Die Anwendung von Chlorpikrin
als Reizstoff hat sich u. a. auch dann als zweckmäßig erwiesen, wenn die Blausäure
mit festen Trägerstoffen vereinigt, z. B. in Stoffen wie Kieselgur, Diatomit o.
dgl. aufgesaugt ist.
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Es ist zwar bereits vorgeschlagen worden, Chlorpikrin für sich als
Schädlingsbekämpfungsmittel, z. B. zur Bekämpfung von Pflanzenschädlingen, zu verwenden.
In der einschlägigen Literatur wird ausgeführt, daß Chlorpikrin bei kurzdauernder
Einwirkung für den Menschen ungefährlich und nur durch Reizung der Schleimhäute
lästig sei und sich mit großer Leichtigkeit verflüchtige.
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Aus diesen Angaben konnte die besondere Eignung des Chlorpikrins als
Reiz- und Warnstoff für die schwer bemerkbare Blausäure nicht hergeleitet werden.
Es wird nämlich gleichzeitig in der Literatur ausgeführt, daß Pflanzen bei zweistündigem
Verweilen in einem Raum, dem io ccm Chlorpikrin pro Kubikmeter zugeführt worden
sind, in Plasmolvse verfallen, daß Chlorpikrin bei großer Verdünnung an der Luft
bloß einen aromatischen, etwas bitteren Geruch besitzt und nur in höherer Konzentration
Reizwirkungen ausübe.
Außerdem wird auf die bedeutende Schwere des
Chlorpikrins hingewiesen.
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Diese Unistände mußten den Fachmann von vornherein abhalten, Chlorpikrin
als Reizstoff zu verwenden. Neben einem Angriff auf die Pflanzen war im Hinblick
auf die große Verschiedenheit des spezifischen Gewichtes mit einer' raschen Entmischung
von Blausäure und C hlorpikrin zii rechnen. Ebenso konnte aus dem Hinweis auf die
relativ leichte Verdampfbarkeit des Chlorpikrins nicht der Schluß gezogen werden,
daß eine ;.Mischung von Blausäure und Chlorpikrin gleichmäßig verdampft und daß
ein Entmischen im Dampfzustand nicht stattfindet. Der weitere Hinweis vollends,
daß Chlorpikrin bei größerer Verdünnung nur einen aromatischen, etwas bitteren Geruch
besitzt und seine Reizwirkung erst bei höheren Konzentrationen in Erscheinung tritt,
konnte um so weniger eine Empfehlung der Verwendung des Chlorpikrins als Reizstoff
darstellen, als, wie bekannt, Reizstoffe, welche in üblicher Weise der Blausäure
zugesetzt werden, zumeist nur einen geringen Bruchteil der Blausäure ausmachen,
so daß dieselben mithin in dem begasten Raum nur in großer Verdünnung vorhanden
sind.
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Es ist also nach allem durchaus neu, gemäß vorliegender Erfindung
ein Gemisch von Blausäure und Chlorpikrin zu Zwecken der Schädlingsbekämpfung zu
verwenden. Eine solche Verwendung bedeutet zugleich eine sehr erhebliche Bereicherung
der Technik, in welcher Hinsicht auf die bereits oben erwähnte Tatsache verwiesen
sei, daß die Kombination Blausäure/Chlorpikrin neben der ausgezeichneten zuverlässigen
Reizwirkung des Chlorpikrins noch den weiteren Vorteil besitzt, daß durch Anwesenheit
des Chlorpikrins die Giftwirkung der Blausäure gesteigert wird, also eine potenzierte
Giftwirkung eintritt.
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Auch dieser überraschende Erfolg war durchaus nicht vorhersehbar.
Die meisten der bekannten Reizstoffe besitzen zwar ebenso wie Chlorpikrin an sich
eine Giftwirkung, sie sind aber trotzdem nicht geeignet, bei gemeinschaftlicher
Einwirkung von Blausäure Wirkungssteigerungen auszulösen, wie sie bei Verwendung
der Kombination Blausäure/ Chlorpikrin in Erscheinung treten.
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Das Chlorpikrin stellt also nicht einen Reizstoff schlechthin dar,
sondern bildet für Blausäure einen Reizstoff von ganz. besonderer Oualität. Das
Chlorpikrin hat nämlich bei kombinierter Anwendung mit Blausäure die überraschende
Eigenschaft, bereits in sehr geringen Konzentrationen eine genügende Reizwirkung
zu entfalten. So genügt z. B. bereits eine Dosis von 6o cmni im Kubikineter zur
Erzielung einer zuv erläsigen Reizwirkung, während bei Anwendung anderer bekannter,
in der Technik angewandter Reizmittel, wie z. B. Chlorlcohlensäuremethylester, Chloressigsäureester,
etwa ioo cmin und mehr erforderlich sind, um eine zuverlässige Reizwirkung zu erzielen.
Die sogenannte Unerträglichkeitsgrenze liegt also für Chlorpikrin überraschend günstig.
Dieser Effekt ist insbesondere auch deshalb überraschend, weil in der bisherigen
einschlägigen Literatur ausdrücklich gesagt wird, daß das Chlorpikrin bei großer
Verdünnung nur einen aromatischen, etwas bitteren Geruch zeige und seine Reizwirkung
nur bei höheren Konzentrationen in Erscheinung trete.
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Weiterhin besitzt Chlorpikrin den Vorteil, erheblich langsamer verseifbar
zu sein als bekannte Reizstoffe, wie z. B. solche der oben genannten Art. deren
Wirksamkeit infolgedessen durch Luftfeuchtigkeit u. dgl. weitgehend verringert wird.
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Ein ganz besonderer Vorzug des Chlorpikrins als Reizstoff in der Kombination
mit Blausäure besteht schließlich noch darin, daß die Reizwirkung sofort bei Freimachung
der Blausäure entfaltet wird und während der ganzen Dauer der Begasung, d. h. so
lange vorhält, als überhaupt noch Blausäure in dem begasten Raum vorhanden ist.
Auch in dieser Hinsicht unterscheidet sich das Chlorpikrin vorteilhaft von den bekanten,
bisher verwendeten Reizstoffen.
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In diesem Zusammenhang wird noch verwiesen .auf die Veröffentlichung
von Dr. T r a p p m a n n , Schädlingsbekämpfung, S. 350 und 3Si, aus welcher
hervorgeht, daß man nach langen erfolglosen Versuchen, einen Reizstoff aufzufinden,
welcher hinsichtlich seiner chemischen und physikalischen Eigenschaften mit Blausäure
so weitgehend übereinstimmt, daß eine Trennung beider nicht stattfindet, schließlich
dazu übergegangen ist, sich durch gemeinschaftliche Anwendung mehrerer Reizstoffe
zu helfen.
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Diese Veröffentlichung zeigt deutlich die Schwierigkeiten, welche
auf dein Fachgebiet der Schädlingsbekämpfung zu überwinden waren, sie zeigt aber
auch, daß der Fachmann ganz gewiß nicht damit rechnen durfte, daß gerade Chlorpikrin
einen Reizstoff darstellt, welcher auch bei alleiniger Anwendung als Zusatz. zu
Blausäure die Forderung erfüllt. seine Reizwirkung von Anfang bis zu Ende gleichmäßig
und zuverlässig zu entfalten. Ebensowenig durfte der Fachmann damit rechnen, daß
eine Trennung der beiden Bestandteile der Kombination Blausiure/Clilorpikrin nicht
stattfinden würde. da gerade das Chlorpikrin in chemischer und physikalischer Hinsicht
außerordentlich weitgehend von
Blausäure verschieden ist. Liegt
doch der Siedepunkt der Blausäure bei 26°, der des Chlorpikrins dagegen bei 112',
und ist die Schwere des Chlorpikrins etwa sechsmal so hoch als die der Blausäure.