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Verfahren zur Herstellung von Vollkornbrot Das Bereiten des Weichbrotes
hat im Laufe der Zeit zu beklagenswerten Zuständen geführt. In Deutschland bevorzugt
man meistens ein Weichbrot aus Roggen, das nicht einmal die Hälfte der natürlichen
Eiweiß- und Mineralstoffe des Korns und so gut wie gar keine Ergänzungsnährstoffe
(Vitamine) enthält. Der schlummernde Getreidekeim, der eigentliche Mineralstoff-
und Vitaminträger des Korns, ist aus dem für dieses weiße Roggenbrot bestimmten
Roggenmehl vollständig ausgeschaltet. Auf Grund der neuen Erkenntnis über die Wichtigkeit
der im Getreidekorn enthaltenen Mineral- und Ergänzungsstoffe setzen Bestrebungen
ein, um weitere Kreise der Bevölkerung für Vollkornernährung zu gewinnen. Dabei
stieß man auf die ablehnende Haltung eines großen Teiles der Bevölkerung. Es wird
behauptet, daß ein Brot aus dem ganzen Inhalt des Getreidekornes schwer verdaulich
sei, Blähungen veranlasse, die Darmschleimhaut reize und schlecht ausnutzbar sei.
Man hat sich daher bemüht, durch weitgehende mechanische Aufschließung die Randschichtteile
des Getreidekorns so weitgehend zu zertrümmern, daß die Verdauungssäfte an unendlich
vielen Stellen die in den Kleberzellengeweben eingebetteten Eiweiß-, Mineralstoff-
und Vitaminbestandteile herauslösen können, wodurch ein Reizen der Darmschleimhäute
vermieden und ein sehr hohes Ausnutzen der Nährstoffe erreicht wird.
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Beim Verwenden derartigen Vollkornfeinmehles muß aber ein besonderes
Backverfahren eingeschlagen werden. Man kann ein solches Brot nicht in der üblichen
Backzeit, die weniger als i Stunde für das Brot von etwa 2 kg Gewicht beträgt, und
nicht mit den üblichen festen Teigen backen, sondern man muß die Teige so weich
halten, daß ein möglichst hoher Nährstoffaufschluß erreicht wird. Dies erfordert
aber das Backen in Blech-oder Steingutformen und eine Backzeit von mindestens d.
Stunden für das 2-kg-Brot. Das auf diese Weise hergestellte Brot zeigt sehr günstige
Ausnutzungsziffern, ist sehr bekömmlich, von langer Haltbarkeit und ganz besonders
hohem Wohlgeschmack.
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Das Bestreben, in der Backzeit, wie sie für das helle Roggenbrot gegeben
ist, Vollkornbrot zu bereiten, führt zu ebenfalls bekannt gewordenen Verfahren,
nach denen man zunächst ein hell-es Mehl von 6o bis 75 °/o aus dem Getreidekorn
ausmahlt und die sogenannte Kleie für sich behandelt, um sie leichter verdaulich
zu machen. Man bereitet den Sauerteig aus dem hellen Mehlanteil und setzt beim Teigmachen
außer weiterem hellen Mehl die durch besondere Behandlung entstandene Kleie zu.
Auf diese Weise erzielt man ein Vollkornbrot, das alle Bestandteile des Getreidekorns
enthält, die Darmschleimhäute nicht reizt und in kurzer Backzeit -bis i Stunde für
das 2-kg-Brot - gebacken werden kann. Der Kleieanteil macht, wie oben angedeutet,
ein besonderes Aufschließverfahren durch. Bei dem einen bekannt gewordenen Verfahren
wird die Kleie
mit Wasser angeteigt und in Druckgefäßen sehr hocherhitzt,
bei dem anderen Verfahren wird die Kleie zuerst mit Säuren und dann mit Ätzalkalien
behandelt -unid ebenfalls hoch erhitzt. Dieser Aufschluß führt zu einer beträchtlichen
Umwandlung der in der Kleie vorhandenen Stärke in Maltose und karamelartige Stoffe.
Das Eiweiß er Kleie wird hydrolytisch verändert; bei dem einen Verfahren werden
auch die in der Kleie enthaltenen Mineralstoffe geschädigt. Vor allem aber werden
die lebenswichtigen Ergänzungsnährstoffe (Vitamine) durch die tief eingreifende
Behandlung und insbesondere durch das hohe Erhitzen vernichtet.
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Die Aufgabe, .die Kleieschicht für das Eindringen der Verdauungssäfte
zugänglich zu machen und ihre Nährstoffe gewissermaßen vorzuverdauen, zugleich aber
die lebenswichtigen Nährstoffe zu schonen, ist durch die dargelegten Verfahren nicht
gelöst. Diese Verfahren stellen zu heftig -wirkende Eingriffe dar, die nicht ohne
schädigende Einwirkung auf die gegen thermische und chemische Behandlung empfindlichen
lebenswichtigen Nährstoffe sind.
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Es hat sich gezeigt, daß beim Ausmahlen von Getreide auf ein Mehl
von 7o bis 75 °@o und dem Aufschließen der Kleie von 25 bis 3o °J" ein neuer Weg
eingeschlagen werden kann, der der oben dargelegten Aufgabenstellung gerecht wird,
aber die Schädigungen der in der Kleie enthaltenen lebenswichtigen Stoffe vermeiden
läßt. Nach diesem neuen Verfahren wird die Kleie mit Wasser angeteigt, dem Diastase
und andere Getreideenzyme enthaltende Auszüge zugesetzt werden. Außerdem fügt man
dem Teig Milchsäurereinkulturen enthaltende Aufschwemmungen und so viel basische
Mineralstoffe zu, daß in dem durch Vereinigung des hellen Roggenmehles mit der aufgeschlossenen
Kleie entstehenden Vollkornmehl ein Basenüberschuß in den Mineralstoffen erreicht
wird. Man wählt dazu basische Mineralstoffe, die an organische Säuren, wie Milch-,
Zitronen-, Apfel- und Weinsäure, gebunden sind, und zwar in demselben Verhältnis,
wie diese Mineralstoffe im Durchschnitt der Früchte und Gemüse enthalten sind. Der
so bereitete Kleieteig wird auf die für die Einwirkung der Enzyme und Milchsäurebil,dner
günstige Temperatur erwärmt, wodurch die Stärke in Amylodextrine und Maltodextrine,
noch nicht aber in Maltose, übergeführt wird. Durch den enzymatischen und bakteriellen
Aufschluß wird das Kleieeiweiß günstig beeinflüßt, und es entstehen lösliche Eiweißverbindungen,
die bei dem späteren Lockerungs-und Backvorgang günstig auf die Ernährung der Hefezellen
wirken. Durch die entstehende Milchsäure quellen die Rohfaserzellen an, was das
später folgende mechanische Aufschließen erleichtert. Der wie beschrieben behandelte
Kleieteig wird dann in der Luftleere bei Wärmegraden nnter menschlicher Blutwärme
zu spröden, morschen Krusten getrocknet und darauf zu einem feinen Pulver unter
immer wieder sich erneuerndem Absieben durch Seidengaze vermahlen. Dieses Kleiepulver
wird mit dem hellen koggenmehl vermischt, so daß ein gleichmäßiges Vollkornmehl
entsteht.
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Bei einem der obenerwähnten alten Verfahren zum Aufschließen der Kleie
und zur Herstellung von Vollkornmehl ist in der Patentschrift ausdrücklich erwähnt,
daß man die Brotteige nicht aus dem vereinigten Vollkornmehl herstellen soll, sondern
daß man die aufgeschlossene Kleie vom Sauerteig fernhalten und sie erst beim eigentlichen
Teigmachen zusetzen soll. Dies ist vollkommen verständlich, weil die nach dem alten
Verfahren bereitete Kleie weitgehend geschädigte Stoffe enthält, die für die Sauerteigbildung
ungünstig sind. Der bei dem neuen Verfahren erfolgende enzymatische und bakterielle
Aufschluß der Kleie verläuft so schonend, daß keine Bedenken bestehen, das durch
Vermischen des hellen Mehles mit der aufgeschlossenen Kleie bereitete Vollkornmehl
zum Sauerteig zu verwenden. Dieser Umtausch bedeutet eine wesentliche Vereinfachung
und Verbesserung der Mahl- und Backtechnik. Durch die Trocknung der aufgeschlossenen
Kleie in der Luftleere wird jede Überhitzung der empfindlichen lebenswichtigen Nährstoffe
vermieden, und die Enzyme bleiben wenigstens zum Teil erhalten.
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Es ist ein Verfahren bekannt, nach dem Kleie vor der Mitverwendung
zum Brotteig mit Wasser angerührt, mit Sauerteig versetzt und der Gärung überlassen
wird, worauf die Rohfaser durch Abpressen entfernt wird. Bei diesem Verfahren geht
vier größte Teil der in der Kleie enthaltenen Kohlehydrate durch alkoholische Gärung
und dadurch verursachte Bildung gasförmiger und flüchtiger Stoffe verloren.
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Bei einem anderen bekannten Verfahren wird die Kleie vor der Mitverwendung
zum Brotbereiten eingeteigt und dann naß vermahlen. Bei beiden Verfahren kommt es
nicht zu den für volle Wirkung der Enzyme notwendigen Wärmegraden von 36°. Man kann
die beiden Verfahren nur im Bäckereibetrieb anwenden und das Verfahren nicht in
zwei Vorgänge teilen, wie dies bei dem neuen Verfahren möglich ist.
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Nach dem hier vorliegenden Verfahren kann Kleie für sich in einem
Großbetrieb
enzymatisch aufgeschlossen, in der Luftleere getrocknet,
vermahlen und an eine beliebig große Anzahl von Bäckereien verschickt werden, die
dann aus .dieser enzymatisch aufgeschlossenen Kleie durch Vermischen mit den im
betreffenden Ort erhältlichen hellen :Mehlen von etwa 7 3 °j" Ausmahlung das Vollkornbrot
bereiten. Dadurch wird die gleichmäßige Herstellung eines Vollkornbrotes an beliebig
vielen Stellen eines großen Ländergebietes gesichert. Beispiel io ooo kg mühlentechnisch
einwandfrei gereinigter Roggen werden mit bekannten Mahlvorrichtungen zu 7 5oo kg
hellem Roggenmehl verarbeitet. Die dabei entstehenden etwa 2 500 kg Roggenkleie
werden mit ungefähr i 500 kg Wasser angeteigt. Zu diesem Teig fügt man auch
die Roggenkeime, die man beim Reinigen bzw. Vermahlen des Roggens gewonnen und sorgsam
von Fremdkörpern befreit hat, ferner ioo kg eines dem Durchschnitt der Mineralstoffe
der Gemüse und Früchte entsprechenden basischen Mineralstoffpräpare,tes sowie ioo
kg eines Diastase und andere Getreideenzyme enthaltenden Auszuges und i 5o kg einer
Milchsäurereinkultur enthaltenden Aufschwemmung. Man erwärmt den Kleieteig etwa
3 Stunden lang auf etwa 36° C, bringt ihn dann in Vakuumgefäße und trocknet den
Teig zu spröden, morschen Krusten bei Wärmegraden, die 36° C nicht übersteigen.
Die Kleiekrusten werden dann fein gemahlen und mit den 7 5oo kg hellem Roggenmehl
zu einem gleichmäßigen Vollkornmehl gemischt. Das Vollkornmehl wird in der üblichen
Backzeit und der in der Weichbrotbäckerei üblichen Weise verbacken, wobei in Anbetracht
des guten Aufschlusses der Kleie keine wesentlich längere Backzeit erforderlich
ist als bei hellem Brot.
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Man kann auch -das Verfahren teilen, indem man an einer Stelle eines
großen Landgebietes .die Kleie in der beschriebenen Weise enzymatisch aufschließt
und als trockenes Pulver nach beliebig zahlreichen Orten dieses Landgebietes verschickt.
In diesen verschiedenen Orten können dann 75 Teile von dort hergestelltem hellen
Getreidemehl von etwa 75 °/o Ausmahlung mit 25 Teilen der in einer Zentralstelle
bereiteten, enzymatisch aufgeschlossenen Kleie zu einem Vollkornmehl vermischt werden.
Dadurch wird die Herstellung eines nach diesem Verfahren herzustellenden Vollkornbrotes
auch in solchen Teilen eines großen Landgebietes möglich, wo durch die Ungunst der
Frachtverhältnisse das Verschicken des gesamten Vollkornmehles unmöglich ist bzw.
die Herstellung eines Vollkornbrotes auf diese Weise unwirtschaftlich wird.