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Verfahren zur mechanischen Bearbeitung von aus einem oder mehreren
größeren Kristallen bestehenden Drähten o. dgl. aus schwer schmelzbaren 1VIetallen,
z. B. Wolfram. Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur mechanischen Bearbeitung
von Drähten, Bändern o. dgl. aus schwer schmelzbaren Metallen, z. B. Wolfram, die
von einem oder mehreren größeren Kristallen, sogenannten »Einkristallen« oder »Stapelkristallen«,
erfüllt sind. Die Länge der Einkristalle ist nicht unbegrenzt, es treten vielmehr
in gewissen Abständen Stoßstellen auf, die von aneinandergrenzenden einzelnen Kristallen
herrühren. Diese Stoßstellen beeinträchtigen die Brauchbarkeit der Drähte in erheblichem
Maße. Bei Stapelkristallen, die bekanntlich aus einzelnen sich überlappenden oder
ineinandergreifenden Kristallen bestehen, ist die Güte der Drähte in erster Linie
von der Vollkommenheit der Verankerung dieser Einzelkristalle abhängig.
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Ein llaß für die Güte von z. B. Einkristall-bzw. Stapelkristalldrähten
stellt die leicht zu messende Zerreißfestigkeit dar. Während stoßstellenfreie Stücke
von Einkristalldrähten aus Wolfram bei gewöhnlicher Temperatur eine Zerreißfestigkeit
von etwa i io bis i 2o kg je Quadratmillimeter aufweisen, geben Stücke von Einkristalldrähten,
die mit Stoßstellen behaftet sind, bis zur Hälfte niedrigere, sehr schwankende Zerreißfestigkeitswerte.
Bei Stapelkristalldrähten beträgt die Zerreißfestigkeit go bis i2o kg je Ouadratmillimeter.
Nur bei weitestgehender Verankerung der Kristallstücke wird die Zerreißfestigkeit
des Einkristalls erreicht. Werden Einkristalldrähte oder Stapelkristalldrähte, wie
dies schon vorgeschlagen wurde, durch Hämmern, Ziehen, Walzen oder sonstigeBearbeitung
verjüngt, dann zeigt sich, daß nach Durchlaufen einiger Verjüngungsstufen die ursprüngliche
Weichheit und Biegsamkeit mehr und mehr verlorengeht; zum weiteren Ziehen werden
größere Kräfte erforderlich als bei der ersten Ziehstufe. Das Herunterziehen kann
infolgedessen fortschreitend größere Schwierigkeiten machen. Trotzdem gelingt es,
drahtförmige Kristalle, z. B. aus Wolfram, von o, i mm Durchmesser weitgehend, z.
B. auf 0,03 bis 0,04 mm, zu strecken, ohne daß bei normaler Temperatur eine
Änderung ihrer Kristallstruktur eintritt bzw. durch Ätzung feststellbar ist. Die
Zerreißfestigkeit wächst jedoch bei derartiger Streckung in zunehmendem 'Maße mit
der Ouerschnittsveränderung und kann bis etwa i8o kg je Ouadratmillimeter ansteigen.
Erhitzt man jedoch den so verjüngten,- bei normaler Temperatur noch immer die Einkristallstruktur
besitzenden Kristalldraht und bringt ihn beispielsweise auf die Temperatur des Leuchtkörpers
einer elektrischen Glühlampe, so tritt plötzlich eine grundlegende Veränderung im
Kristallaufbau ein. Es findet die sogenannte Rekristallisation statt, die darin
besteht, daß sich neue, wesentlich kleinere Kristalle ausbilden, deren Zahl und
Größe sehr verschieden sein kann und
deren Korngrenzen ganz willkürlich
liegen können. Der Kristalldraht ist, obwohl er i:ach der Streckung noch bei normaler
Temperatur die Einkristallstruktur besaß, durch die hohe Erhitzung spröde geworden,
und seine Zerreißfestigkeit ist bis auf Werte von etwa 30. kg je Quadratmillimeter
zurückgegangen. Die entstandenen neuen Korngrenzen lassen sich durch Anätzen auch
sichtbar machen. Der Kristall hat somit durch die Deformation seine wichtige Eigenschaft,
nämlich auch nach Erhitzung auf höchste Weißglut biegsam zu bleiben, eingebüßt.
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Es wurde nun gefunden, daß bei Kristallen, die nur um wenige Stufen
verjüngt und dann auf höchste Weißglut erhitzt wurden, eigenartigerweise eine Rekristallisation
und ein Kornzerfall nicht eintritt, und daß bei diesen Kristallen demgemäß auch
trotz stattgefundener Hocherhitzung bei Atiätzung noch immer die Einkristallstruktur
feststellbar ist. Es tritt also nur bei zu weit verjüngten Drähten eine erst nach
Hocherhitzung wahrnelinibare, grundlegende Strukturveränderung in der Weise ein,
daß sich tu:ter Zerfall des Einkristalles ganz neue, wesentlich kleinere Kristalle
ausbilden. Außerdem erhalten die Kristalle, wenn sie nicht zu weit- verjüngt sind,
durch die Hocherhitzung wieder ihre Ausgangseigenschaften. Die Zerreißfestigkeit,
die beispielsweise bis i 4.o oder i 5o kg gesteigert sein mag, kehrt wieder auf
den Ursprungswert zurück, und es ist möglich, durch Wahl der Temperatur und Dauer
der Erhitzung die eingetretene 'Minderung der Biegsamkeit und Ziehbarkeit rückgängig
zu machen. Wenn der Kristalldraht auf seine Ursprungszerreißfestigkeit zurfickgekehrt
ist, hat er auch seine ursprüngliche Weichheit und Biegsamkeit wieder erhalten.
Die Rekristallisation bei nachfolgender Erhitzung tritt erst dann ei-, wenn die
Verjüngung einen Mindestwert erreicht oder überschritten hat. Diese Grenze und die
damit verbundene Schwelle der Rekristallisation ist bei verschiedenen Drahtstärken
verschieden. Bei sehr dicken, etwa mehrere Millimeter starken Drähten kann die Grenze
schon bei sehr geringer Verjüngung überschritten werden, während bei dünnen Drähten
die Verjüngung mehr als 50 Prozent des Durchmessers betragen kann, ohne daß
die Grenze erreicht wird.
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Die Deforniationsgrenze und Rekristallisationsschwelle schwankt ferner
je nach der Reinheit der '-Metalle. So lassen sich z. B. Einkristalldrähte, welche
in bekannter Weise Thoroxyd enthalten. weiter verjüngen ohne nachfolgende Rekristallisation
als Drähte aus reinem Wolfram. Auch durch die Art der Deformation wird das Erreichen
der Rekristallisationsschwelle bestimmt, denn es kommt sehr darauf an, ob man z.
B. in großen oder kleinen Stufen sowie schnell oder langsam zieht.
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Auf Grund dieser neuen, für die Bearbeitung der drahtförmigen Kristalle
grundlegenden und an sich in keiner Weise vorauszusehenden Beobachtungen ist es
möglich, Drähte, Bänder o. dgl. herzustellen, welche die bekannten Einkristall-
oder Stapelkristalldrähte an Güte weit übertreffen. Man kann nämlich die Verankerung
der aneinanderstoßenden Kristalle beliebig vervollkommnen, ohne die übrigen Eigenschaften
des Drahtes nachteilig zu beeinflussen.
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Bei der Herstellungwird in folgender Weise verfahren: Der Draht, der
in an sich bekannter Weise vorher in den sogenannten Einkristallzustand oder in
sich gegenseitig fl:erlappende Kristallstücke verwandelt ist, wird, wie an sich
schon vorgeschlagen wurde, durch mechanische Bearbeitung, etwa Ziehen, Walze:i,
Hämmern, Pressen, Recken, verjüngt, jedoch wird diese mechanische Bearbeitung nur
bis zti einem bestimmten Verjüngungsgrade durchgeführt, der Draht also beispielsweise
nur um eine oder wenige Stufen heruntergezogen. Man überzeugt sich dann erfindungsgemäß
davon, daß die Schwelle der Rekristallisation bei dieser mechanischen Bearbeitung
nicht überschritten ist, indem man eine kleine Probe des ganzen zu verarbeitenden
Drahtes kurze Zeit auf höchste Weißglut erhitzt und feststellt (durch metallographische
oder mechanische Prüfung), daß sie nicht spröde geworden bzw. der Kristall nicht
zerfallen ist. Ist dies nicht eingetreten, so wird darauf der gesamte verjüngte
Kristalldraht in gleicher Weise wie die Probe sehr hoch, gegebenenfalls bis in die
-Nähe des Schmelzpunktes, erhitzt.
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Es ist zwar schon vorgeschlagen worden, Wolfrainstäbe, die bei Rotglut
einer mechanischen Bearbeitung unterworfen werden sollen, Zwischenglühungen, die
bis 1300° oder 16oo° C gesteigert werden können, auszusetzen. In diesem Falle handelte
es sich jedoch nur darum, unter Aufrechterhaltung einer etwa schon ausgebildeten
Faserstruktur den Stab oder Draht bei der geringer bemessenen Bearbeitungstemperatur
gefügiger zu machen. Iin vorliegenden Falle dient jedoch die weit höher, gegebenenfalls
bis nahe an den Schmelzpunkt, gesteigerte Erhitzung dazu, dem eine ganz andere Struktur
aufweisenden, nämlich von einem oder mehreren größeren Kristallen erfüllten Draht
die durch die mechanische Verjiingung beeinträchtigte Weichheit und Biegsamkeit
wiederzugeben und gleichzeitig auch eine leicht zu Bruch führende Rekristallisatiön
des verjüngten Kristalldrahtes beim Brennen in der Lampe zu verhindern. Dabei kann
die Erhitzung in an sich bekannter Weise entweder
in ruhendem Zustande
oder fortlaufen<' durch Hindurchbewegen des Kristalldrahtes, z. B. zwischen.
Quecksilberkontakten, erfolgen. Die Verjüngung mit anschließender Erhitzung kann
man beliebig oft wiederholen. Bei der dann folgenden Verjüngung werden die Berührungsflächen
der sich gegenseitig überlappenden Kristalle des Drahtes, Bandes o. dgl. mit in
die Länge gezogen, wodurch die Verankerung der Kristalle ganz wesentlich verbessert
wird. :Ulan gelangt so zu Stapelkristallen, deren Zerreißfestigkeit über ihre ganze
Länge gleich oder nahezu gleich der Festigkeit des Einzelkristalles ist. Bei Einkristalldrähten
werden die bisher unvermeidlichen. für den Gebrauch so schädlichen, quer zur Drahtrichtung
sich erstreckenden Stoßstellen im Verhältnis zum Querschnitte wesentlich vergrößert.
Auch wir_d die Verankerung der Kristalle an diesen Stellen vervollkommnet, so daß
also die Bruchgefahr weitgehend beseitigt ist.
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Die Verwendung der nach der Erfindung hergestellte:' Drähte bedingt
daher z. B. eine wesentliche Förderung der Glühlampenfabrikation.
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Gegebenenfalls kann die letzte Erhitzung des Drahtes mit dem Aufwickeln
in Schraubenlinienform verbunden werden. Zur Erläuterung des Verfahrens diene folgendes
Ausführungsbeispiel: Ein - Stapelkristalldraht aus Wolfram mit einem Zusatze von
0,75-Prozent . Thoroxvd vom Durchmesser 0,07 111m wird in zwei Viehstufen
auf o,o6 mm verjüngt, sodann unter Hindurchziehen durch zwei O_.uecksilberkontakte
oder Wolframkontakte, welche 2 cm voneinander c-:tfernt sind, in einer Wasserstoffatmosphäre
fortlaufend auf höchste Weißglut erhitzt, wobei die Vorschubgeschwindigkeit 20 cm
in der Minute beträgt. Der Draht wird dann in zwei weiteren Stufen auf o,o5 mm Durchmesser
heruntergezogen und abermals, wie vorher, auf höchste Weißglut erhitzt:-