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Herstellung von Kalziumthiosulfat. Wenn feuchtes Schwefelkalzium an
der Luft lagert und -durch häufiges Wenden immer neue Teile mit ihr in Berührung
gebracht werden, so werden durch die Einwirkung der Kohlensäure und des Sauerstoffes
der Luft verschiedene chemische Reaktionen hervorgerufen. Man ist von jeher bestrebt
gewesen, dieselben so zu lenken, daß das Schwefelmetall möglichst vollständig in
die gewünschten chemischen Verbindungen übergeführt wird.
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Besonders eingehend sind in dieser Richtung die beim Leblanc-Sodaprozeß
entfallenden Rückstände bearbeitet, die neben Schwefelkalzium als Hauptbestandteile
Kalziumkarbonat und Kalziumoxydhydrat enthalten. Zur Nutzbarmachung des Schwefels
in diesem Abfallprodukt verarbeitete man es meist auf Schwefelwasserstoff, Schwefel
und schweflige Säure, benutzte es aber auch zur Herstellung der wertvolleren Hyposulfite
des Kalziums bzw. Natriums. Man verfuhr im letzten Falle so, daß man die Rückstände
genügend lange an der Luft liegen ließ und dann auslaugte. Die :erhaltenen gelben
Schwefellaugen wurden mit schwefliger Säure behandelt, bis sämtliches Polysulfid
und. Sulfhydrat in Kalziumhyposulfit verwandelt war; oder man kochte die nach Schaffners
Verfahren entschwefelten Sodarückstände, welche viel Kalziumsulfit enthielten, mit
Schwefel zur Darstellung von Kalziumhyposulfit.
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Das vorliegende Verfahren zur Herstellung von Kalziumthiosulfat besteht
darin, daß man Schwefelkalzium, das durch Reduktion von Gips mittels Kohle bei Rotglut
hergestellt wurde, mit der äquivalenten Menge einer Magnesiumoxydhydratmilch anrührt,
die aus schwefelsäurefreier Chlormagnesiumlauge durch Fällen mit Kalkmilch und Ablaugen
mit Wasser hergestellt wurde. Durch Liegen an der Luft und öfteres Wenden und Anfeuchten
bei Temperaturen bis zu etwa 55° C wird das Schwefelkalzium in einigen Tagen zu
Kalziumthiosulfat oxydiert, ohne daß in irgendeiner Periode der Umwandlung das Auftreten
von Schwefelwasserstoff mit Bleipapier nachzuweisen war. Nachdem in entnommenen
Proben durch Zusatz von Wasser und verdünnter Salzsäure H. ,S-Entwicklung nicht
mehr wahrgenommen werden konnte, wird das oxydierte Material mit Wasser ausgelaugt,
wodurch eine völlig farblose Kalziumthiosulfatlauge von etwa io° B6 gewonnen wird.
Wenn nach dem Erschöpfen des Materials mit Wasser noch erhebliche Mengen von in
Wasser unlöslichem Thiosulfat nachgewiesen werden können, wird der erste Rückstand
mit Ätznatronlauge ausgekocht und völlig mit Wasser abgelaugt. Danach finden sich
in diesem nur noch Spuren von Schwefel. Der Natronauszug enthält kein Schwefelnatrium,
dagegen Natriumthiosulfat und schwefelsaures Natron im ungefähren Verhältnis von
zwei Teilen Nag SO., zu drei Teilen 11a2 S203. Der Vorteil des Verfahrens besteht
darin, daß man bei der Herstellung von Kalziumthiosulfat die Entstehung von Kalziumsulfhydrat
und Polysulfid vermeidet.
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Bei Ausführung des Verfahrens werden
68 kg rohes Schwefelkalzium
mit 69 Prozent CaS mit 38 kg Mg(OH)2 innig gemengt, die aus 164 1 schwefelsäurefreier
Chlormagnesiumlauge durch Fällen mit Kalkmilch hergestellt sind. Im angewandten
Schwefelkalzium waren sonach enthalten: I9,56kg S einschließlich o,5 kg S als Ca
S04. Nach der Oxydation, als H2S mit Salzsäure aus dem Reaktionsprodukt nicht mehr
freigemacht werden konnte, enthält der wäßrige Auszug 12,3 kg S = 58,6 kg
Ca S.03, die Auskochung mit Natronlauge: 3,48 kg S = I6,4 Na S203, 2,94 kg S = als
Na S04. Im Rückstand wurden noch o,34 kg S gefunden, so daß von den 19,o6 kg S,
die im angewandten Schwefelkalzium enthalten waren, I578 kg in Kalziumthiosulfat
übergeführt wurden oder 82,8 Prozent, während 2,94 kg S abzüglich o,5 kg S, «welcher
als Sulfat im Rohschwefelkalzium nachgewiesen wurde, also 2,44kg S oder 12,22 Prozent
zu schwefelsaurem Kalk oxydiert wurden.
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Verfährt man beim Auslaugen des rohen Oxydationsprodukts von Schwefelkalzium
bei Gegenwart von Magnesiahydrat derart, daß man es sofort mit Natronlauge auskocht
und den gelaugten Rückstand mit schwefelsäurefreier Chlormagnesiumlauge behandelt,
so wird der durch das Ätznatron abgeschiedene Kalk durch die Einwirkung der Chlormagnesiumlauge
in Chlorkalzium übergeführt und ausgelöst, so daß das verbleibende gips- und kalkfreie
Magnesiahydrat wieder zur Umsetzung neuer Mengen von Schwefelkalzium in Thiosulfat
benutzt werden kann, sofern man es nicht anderweit vierwerten will. In gleicher
Weise läßt sich ein inniges Gemenge von Schwefelkalzium und Magnesiahydrat in äquivalentem
Verhältnis durch Oxydation an der Luft bei Temperaturen nicht über 55° C in Kalziumthiosulfat
überführen. Ein derartiges Gemenge verbleibt als Abfallprodukt bei der Herstellung
von Chlorbarium aus Bariumsulfat, Chlormagnesium und Kalziumoxyd nach dem Auslaugen
der rohen Chlorbariumschmelze mit Wasser. Da zur Überführung von Schwerspat in Chlorbarium
neben der Reduktionskohle äquivalente Mengen von Kalk und Magnesiumchlorid im Überschuß
gegenüber dem Schwerspat verwendet werden, so wird nicht allein alle Schwefelsäure
im schwefelsauren Baryt in Schwefelkalzium beim reduzierenden Glühen übergeführt,
sondern auch die in der Chlormagnesiumlauge etwa als Kaliummagnesiumsulfat vorhandene
und in gleicher Weise auch ein Teil des Schwefels in der Reduktionskohle. Der Schwefel
aus allen drei Quellen wird bei der Oxydation des Chlorbariumrückstandes ungefähr
im oben nachgewiesenen Verhältnis in Kalziumsulfat und Kalziumthiosulfat übergeführt
und als solches gewinnbar.