-
Verfahren zur Herstellung von organischen Säuren. Es ist bekannt,
daß durch Einwirkung von Salpetersäure auf pflanzliche Materialien, insl:esondere
solche, die sich in einem mehr oder minder weitgehenden Vertorfungs- oder Inkohlungsgrad
befinden, ein mit wechselnder Salpetersäureinenge qualitativ und quantitativ variierender
oxydativer Abbau eintritt, der je nach der Art des Ausgangsmaterials zu wasserlöslichen
oder nur alkalilöslichen organischen Säuren oder meist zu beiden führt. (The Chemical
News 1866, Vo1.13/14, S.2o6.; Donath u. Margosches, Chem. Ind. 19o2, S. 226; M a
r c u s s o n , Z. f. ang. Ch. 31, 237/238; D o n.a t h u. D i t z , C.
1903,
II, S. 147; Donath u. Bräunlich, Chein. Ztg. 28, S. 180 u. 953;
G u i g e t, Compt. rend. 88, S. 59o; G in e 1 i n - K r a u t Handbuch der org.
Ch. 4.. Aufl. 4, 2, S. 186o; Albert u. Maliomesius, J. f. pr. Ch. 70,
509 bis 514; 1T ä r c u s s o n, Chem. Ztg. 42, 437 ff.; Brit. Pat. Schrift
21 [1858] ; Referat in Dinglers polyt. Journal 150, S.319.) Mit Ausnahme
der letzterwähnten, später zu besprechenden englischen Patentschrift sind die Veröffentlichungen
über die Einwirkung von Salpetersäure auf Körper pflanzlicher Herkunft aus Laboratoriumsversuchen
und zu I1 orschungszwecken hervorgegangen, so daß die Schwierigkeiten nicht bemerkt
oder doch nicht als solche gewürdigt wurden, die einer Vergrößerung dieser Versuchsansätze
zu technischen Dimensionen entgegenstehen würden.
-
Die Bearbeiter dieses Gebietes haben entweder die Materialien und
die Salpetersäure bei niedriger Temperatur aufeinander einwirken gelassen und sie
dann in Wasser gegossen zwecks Isolierung des wasserunlöslichen Abbauproduktes,
oder sie haben erhitzt und dann in Wasser gegossen, oder sie haben endlich bis zum
völligen Trockenwerden der Masse erhitzt.
-
Die erste dieser Methoden ist technisch unbrauchbar, weil sie nur
zu einer oberflächlichen Umsetzung und zur Preisgabe der übrigen Salpetersäure zugleich
mit den wasserlöslich gewordenen Abbauprodukten führt.
-
Die zweite Methode ist im großen unausführbar, da sie schon im kleinen
eine außerordentlich stürmische Reaktion und eine derartige Schaumbildung gibt,
daß meist ein Überschäumen eintritt. Bei Anwendung konzentrierter Säure ist die
Entzündungsgefahr groß. Beim Eingießen in Wasser geht die überschüssige Salpetersäure
und wasserlöslich gewordene Substanz verloren.
-
Die dritte Methode gibt zwar die wasserlöslich gewordenen Produkte
nicht preis, ist aber fabrikatorisch ebenso wertlos, da zu den Gefahren der stürmischen
Reaktion die Schwierigkeit kommt, die beim Konzentrieren äußerst zäh werdende, nicht
mehr rührbare
und infolge der noch andauernden Reaktion blasig hochgehende
:lasse zur Trockne zu bringen.
-
Das Verfahren der britischen Patentschrift ist für die Technik ebenfalls
unbrauchbar, da es mit einer viel zti geringen Salpetersäuremenge und einer unwirtschaftlich
großen Wassermenge arbeitet und an den erstrebten wasserlöslichen Produkten Atisl:euten
von io Prozent gibt gegenüber (in his 70 Prozent bei optimaler Salpetersiitirein.^nge.
-
Ein technisch glatt anwendbares, für alle Materialien zulässiges Verfahren
müßte, wie sich ini Verlauf unserer Arbeiten gezeigt hat, folgenden Bedingungen
genügen: Vollständige Umsetzung des Materials (lurch voll-Z, s t. ändi- ,I e Ausnützung
einer mittelmäßig konzentrierten Salpetersäure, ni"ciglichst gleichmäßige Gasentwicklung
ohne Cberschäumen und Feuergefahr, ziemlich gleichmäßige Temperatur im Interesse
des aus Stein oder Steingut bestehenden, leicht springenden Gefäßes. dauernde Rührbarkeit
der Masse, solange sie noch Salpetersäure enthält, geringer Wärme-Z, unter Ausnützung
der Reaktionswärine, Regenerierbarkeit der nitrosen Abgase.
-
Wir hallen nun gefunden, (iaß trotz. der vielgestalteten Schwierigkeiten,
deren befriedigende Beseitigung nicht möglich zu sein schien, besonders auch wegen
des Widerspruchs in der Richtung, in welcher die Mittel zu ihrer Beseitigung zu
liegen schienen, die Durchführung der Salpetersäurehehandlung technisch einwandfrei
in folgender `'`eise gelingt: Zur Erzielung einer befriedigenden Ausbeute an Umsetzungsprodukten
muß mindestens gleichviel absolute Salpetersäure wie Trockensubstanz des zu oxydierenden
Materials angewendet werden, und zwar in Form einer 30 bis ;0prozentigen
Säure. Bei geringerer Konzentration ist die Wirkung der Salpetersäure zti ungenügend,
bei höherer zu rapid, so daß Entziindungsgefahr eintritt und zuviel Salpetersäure
als solche nutzlos vergast. Ain zweckmäßigsten verwendet man ein Ausgangsinaterial
von 6o bis 9o Prozent Trockengehalt, wie es die Natur meist bietet. Unter diesen
Voraussetzungen gestaltet sich dann der Arbeitsgang folgendermaßen: Ein ausgeinauertes
heizbares Gefäß mit Rührwerk und Absaugevorrichtung für die entwickelten Dämpfe
wird dauernd auf etwa 8o° gehalten, -,wodurch ein Rissigwerden der Mauerung verhindert
wird. Bei Beginn einer Operation wird ein kleiner Bruchteil der anzuwendenden Salpetersäuremenge
einlaufen gelassen. Nachdem dieser die Gefäßtemperatur angenommen hat, wird die
Beheizung abgestellt und ein Bruchteil des zu oxydierenden . Materials eingetragen.
Die alsbald einsetzende Reaktion hält sich in mäßigen Grenzen, gibt große, leicht
platzende Blasen und hält das Reaktionsgut von selber auf 8o-. Sobald die Reaktion
nachläßt, wird erneut ein Bruchteil Oxydationsmaterial und Salpetersäure zugegeben
und so fort. Statt perio(iiscli kann ebensogut beides kontinuierlich und entsprechend
langsam zugeführt werden. Die Beheizung wird erst dann wieder aufgenoinnien, wenn
nach vollendetem Eintragen die Reaktionswärme nachläßt. Die Flüssigkeit wird noch
so lange bei 8o° ini Kessel belassen, bis keine Gasblasen mehr ennveichen. Nun wird
die dauernd rührbar gebliebene Masse abgesaugt und direkt verwendet oder, gegebenenfalls
nach Verdünnung finit Wasser, zur Filtration gebracht. Der Kessel wird möglichst
noch warm sofort für einen neuen Ansatz verwendet, andernfalls warmgehalten. Die
nach dieser Arbeitsweise gewinnbaren Produkte lassen sich sehr vielseitig verwenden,
wie (las näher aus den Beispielen liervorgelit. Beispiel i.
-
Angewandt werden i 56o Teile Braunkohlenrückstände mit einem Trockengehalt
von 64 Prozent in erbsengroßen Stücken und 3000 Teile 47prozentige Salpetersäure.
Beide -Materialien werden hei 8o- nach und nach gleichmäßig eingetragen, derart,
daß das Einbringen der Braunkohle d. Stunden, das der Salpetersäure 6 Stunden beansprucht,
wobei die Reaktionswärme die Masse auf 8o' hält. Sobald die Reaktionstemperatur
nach beendetem Eintragen sinkt, wird unter allmählicher Zugabe von 50o Teilen Wasser
durch künstliche Erwärmung so lange auf 8o° gehalten, bis keine Gasblasen mehr entweichen.
Die ntmmehr salpetersäurefreie Masse wird abgelassen und filtriert. Der Filtrierrückstand
wird mit wenig heißem Wasser bis zur Erschöpfung ausgelaugt. Die vereinigten, etwa
25prozentigen, für viele Zwecke direkt verwendbaren Filtrate enthalten wasserhsliche,
liraungefärbte Säuren in einer Ausbeute von 6o bis 70 Prozent, bezogen auf angewandte
Trockensubstanz. Der Rückstand wird getrocknet und ergibt eine Ausbeute an alkalilöslichen,
dunkelorange gefärbten Säuren von etwa 30 Prozent, bezogen auf angewandte
Trockensubstanz. Vom Ausgangsmaterial unterscheiden diese sich u. a. typisch durch
ihre Löslichkeit in N atriumacetat, was auf eine starke Vermehrung der Acidität
hindeutet. Beide Produkte oder ihre ursprüngliche Mischung können für die mannigfaltigsten
gewerblichen Zwecke Verwendung finden, insLesondere für Holz-, Papier-, Lederfärberei,
Gerberei usf.
Beispiele. iioo Teile pulverisierte Steinkohle (9oProzer)t
Trockengehalt) und 4ooo Teile 70prozentige Salpetersäure werden unter den in Beispiel
.i gewählten Bedingungen bei 8o° verarbeitet. Nach beendetem Eintragen wird bis
zur Beendigung der Gasentwicklung auf 8o° gehalten, dann mit iooo Teilen Wasser
verdünnt, abgelassen und filtriert. Der getrocknete Rückstand beträgt 130 Prozent
von der angewandten Kohle und stellt ein schwarzbraunes Pulver dar, das sich in
Alkalien, Soda und Ammoniak spielend und völlig löst und sich dadurch von der praktisch
unlöslichen Steinkohle charakteristisch unterscheidet. Das Filtrat ist nahezu reines
Wasser. Das Produkt oder seine Salze lassen sich sehr' mannigfaltig verwenden, insbesondere
für färl;erische Zwecke, Putzmittel, Beizen, I# ixierrnittel usw. Beispiel
3.
-
ioo Teile Torf von 68 Prozent Trockengehalt und 30o Teile 30prozentige
Salpetersäure werden verarbeitet wie in Beispiel i 1 eschrieben. Die Ausbeute an
wasserlöslichen, 1:raun gefärbten Säuren beträgt 4o Teile, die an wasserunlöslichen
braunen Säuren 15 Teile; letztere lösen sich leicht mit tiefbrauner Farbe
in Alkalien und selbst in Natriumacetat, während der angewandte Torf in Natriumacetat
unlöslich -%var. Die Produkte lassen sich wie die von Beispiel i und 2 sehr vielseitig
verwenden, insbesondere auch zur Herstellung pharmazeutischer Artikel, colloidaler
Metallösungen, organischer Salze und Säuren durch Reinisolierung oder weitere chemische
Behandlung.