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Photographisches Objektiv. In den Kreisen der modernen Porträtphotographen
wird vielfach bemängelt, daß das photographische Objektiv nicht in der Lage ist,
ein natürliches, lebenswahres Abbild zu vermitteln.
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Diese Unzufriedenheit wird verständlich, wenn man den Vorgang des
Schauens vom Standpunkt des Sehens mit bewegtem Auge betrachtet. Das Anschauen einer
Person und im besonderen des Kopfes vollzieht sich in einer anderen Weise als die
Art des sonstigen Sehens, bei der es meist. auf das Erkennen ankommt. Will z, B.
jmand lesen, eine Hausnummer erkennen oder die Einzelheiten einer Zeichnung, dann
sielt sich der Sehakt derart ab, daß während einer gewissen Zeitspanne die Achse
des Auges auf den zu erkennenden Gegenstand -oder dessen Einzelheiten gerichtet
ist. Anders beim Schauen.
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Selten hat jemand beim Anblick einer Person das Bedürfnis, feinere
Einzelheiten im Gesicht oder in der Kleidung des Betreffenden zu erkennen; sein
Blick wandert vielmehr ständig von einem Teil der Person zu .dem andern, und zwar
in so kurzen Zeitspannen, daß vom Entstehen scharfer Einzelbilder kaum die Rede
sein kann. Der Beschauer will vielmehr nur einer! Gesamteindruck von seinem Gegenüber
haben, der sich aus den flüchtigen und deshalb unbestimmten Einzelbetrachtungen
zusammensetzt.
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Die Photographie hat nun die Aufgabe, dein Auge nach Möglichkeit den
gleichen Eindruck zu vermitteln. Das ist indessen im allgemeinen nicht möglich,
weil ein photographisches Objektiv der gewöhnlichen Art
gewissermaßen
nur eine Schnittebene durch das räumliche Objekt scharf wiedergibt. während die
vor- und zurückgelegenen Teile unscharf, häufig sogar sehr unscharf erscheinen;
letzteres ist besonders bei der Bildnisphotographie der Fall, da bei ihr -vor allem
bei Innenaufnahmen - Objektive mit sehr großer Öffnung verwendet werden müssen.
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Wenn das Auge ein solches photographisches Abbild in der gleichen
Weise betrachten will wie den belebten Gegenstand, dann wird es den Gegensatz zwischen
der Schärfe der Einstellebene und der wolligen Unbestimmtheit der außerhalb derselben
gelegenen Teile störend wahrnehmen. Diese fehlende Tiefe, die das Auge beim Beschauen
von Gegenständen nicht empfindet oder nötigenfalls durch Akkomodation ausgleicht,
ist also eine Hauptforderung des Porträtphotographen, ,der die bislang so betonte
Haarschärfe des Bildes völlig untergeordnet werden kann.
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Diese Betrachtung zeigt einen Weg an, wie man die beiden wesentlichen
und an sich widerstrebenden Wünsche des Porträtphotographen, nämlich große Lichtstärke
und Tiefe, miteinander in Einklang bringen kann. Der Verzicht auf gestochene Schärfe
wird um so eher ertragen, als diese für den vorliegenden Zweck sogar schädlich sein
kann, weil beim Porträt etwaige kleine Unreinheiten der Gesichtsfarbe nicht nur
nicht gewünscht, sondern im Gegenteil nachträglich durch Retusche meist beseitigt
werden.
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Drei Wege sind bislang von den Porträtphotographen beschritten worden,
um einer Abbildung irn oben gedachten Sinne näher zu kommen. Einmal die Benutzung
eines Objektivs, welches sich während der Aufnahme in der Richtung der Achse verschiebt
und dadurch nacheinander verschiedene Schnitte durch das Objekt zur Abbildung bringt,
die natürlich von den unscharfer. Abbildungen der ül:rigen Teile überlagert werden.
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Der zweite Weg besteht darin, den Abstand der Teile eines Doppelobjektivs
während der Belichtung zu verändern, wie dies in den amerikanischen Patentschriften
756881 und 772471 vorgeschlagen wurde. Svminetrisch können diese Objektive
nicht sein, weil eine Änderung des Abstandes der beiden Hälften keinen merklichen
Einfluß auf die Korrektion der sphärischen und chromatischen Fehler ausübt. Aber
auch bei einem !?orträtobjektive nach P e t z v a 1 treten selbst bei sehr erheblichen
Änderungen des Abstandes der beiden Objektivhälften keine .derartigen Abweichungen
von der sphärischen und chromatischen Korrektion auf, daß auch nur entfernt die
Wirkung erreicht wird, die von Porträtphotographen erstrebt wird. Auch ein Teleobjektiv
kann nicht in Frage kommen, weil sich mit dem Luftabstande seiner Teile die Brennweite
ändert.
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Was den letzten Weg anlangt, so sind die Versuche mit Monokellinsen
und Periskopen bekannt; der diesen Linsen anhaftende Mangel beruht auf der zu geringen
Lichtstärke. Die letztere zu erhöhen, ist nicht (;llne weiteres angängig; denn wenn
man die Öffnung solcher unkorrigierten Linsen vergrößert, nimmt die sphärische Abweichung
in einem -Maße zu, daß das Bild völlig verschleiert wird, ohne die obenerwähnte
Wirkung herbeizuführen.
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Das erstgenannte -"erfahren, nämlich das Objektiv während der Aufnahme
zu verschieben, bietet, wie leicht verständlich, eine Reihe technischer Schwierigkeiten.
Die Erfindung knüpft deshalb an die Versuche mit urikorrigierten Linsen an und hat
sich zum Ziel gesetzt, Porträtobjektive zu schaffen, die genügend lichtstark sind,
bei denen indessen die übrigbleibenden sphärischen und chromatischen Fehler mäßig
ttnd so verteilt sind, (laß die gewünschte Tiefe erreicht wird, ohne die Grenzen
der zulässigen Unschärfe zu überschreiten.
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Wenn man nun zur Verwirklichung des eben geschilderten Zieles nach
einem .-aß für die zulässige Unschärfe sucht, so bietet offenbar der Korrektionszustand
der IMonokellinsen und Periskope mit geringer Lichtstärke hierfür einen ge"vissen
Anhalt; über die sphärische und chromatische Aberration solcher Objektive kann man
sich dadurch einen Überblick verschaffen, daß man das achsenparallele Strahlenbündel
auf seinem Wege durch das Objektiv verfolgt und dann ein Bild der Strahlenvereinigung
zeichnet.
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Man erkennt aus Abb. 1, daß als Ort der Einstellebene (Mattscheibe,
Platte) die engste Einschnürung des dargestellten Strahlenbüschels anzusehen ist
und daß die Schn,ittiigur des letzteren mit der Einstellebene, das sogenannte Zerstreuungsscheibchen,
als Maß für die der Linse eigentümliche Unschärfe Genen kann.
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Die Versuche haben dabei ergeben, daß das Zerstreuungsscheibchen einen
Durchmesser von 0,25 l)is 0,50 Prozent der Brennweite haben muß, wenn die
gewünschte Wirkung eintreten soll. Einen solchen Durchmesser wies nämlich das Zerstreuungsscheibchen
bei den für unsere Versuche verwendeten Periskopen auf, die ein Öffnungsverhältnis
von etwa F ; 1 o besaßen. Wollte man nun derartige Objektive mit erheblich größerer
Blende benutzen, dann würde das Maß der Unschärfe den oben angegebenen Betrag ganz
wesentlich überschreiten.
Wenn man nun Porträtobjektive dieser Art
für größere Lichtstärke,- etwa F : 5,o, konstruieren will, dann muß man darauf achten,
daß auch bei dieser Öffnung der Durchmesser des Zerstreuungsscheibchens. zwischen
0,2,5 und 0,50 Prozent der Brennweite liegt.
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Nun ist es aber durchaus nicht gleichgültig, auf welche Weise das
Zerstreuungsscheibchen bei der Strahlenvereinigung zustande kommt. Nach der Erfindung
ist es für die erwähnte Tiefe wesentlich, daß die Begrenzung des Zerstreuungsscheibchens
von den optisch und chemisch wirksamsten Strahlen (D- und G'-Linie des Spektrums)
gebildet wird, wie dies in der Abb. 2 schematisch angedeutet wird, und das im Zusammenhang
damit zwischen noch näher anzugebenden Werten der sphärischen und chromatischen
Aberration ein bestimmtes Verhältnis besteht.
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Zu diesem Zweck greift man aus dem einfallenden Strahlenbüschel den
äußersten Randstrahl und den "Zentralstrahl heraus und außerdem denjenigen Strahl,
der in einem Abstand von der optischen Achse einfällt, wenn
/a die halbe Öffnung des Objektivs bezeichnet: diesen Strahl bezeichnen wir kurz
als Mittelzonenstrahl.
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Man bildet nun erstens die Schnitt-%veitendiferenz des Mittelzonenstrahles
für D und des Randstrahles für D und zweitens die Differenz der Schnittweite für
den Zentralstrahl für D und derjenigen des Zentralstrahles für G'. Das Verhältnis
ist für die Erfindung charakteristisch. Nach den Versuchen' muß diese Verhältniszahl
etwa zwischen den Werten 2 und 4 liegen, wenn die gewünschte Tiefenzeichnung des
Objektivs vorhanden sein soll. Dieses Verhältnis ist zwar bei einem. gut korrigierten
Objektiv gewöhnlicher Art und bei .einer Lichtstärke von F : 5 ebenfalls vorhanden.
Bei einem solchen Objektiv liegt aber die Größe des Durchmessers des Zerstreuungsscheibchens
weit unterhalb der oben angegebenen Grenze von o,25 Prozent der Brennweite. Anderseits
nimmt diese Verhältniszahl bei einer unkorrigierten Linse gleicher Öffnung einen
Betrag an, der dreihis viermal so groß ist.
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Die bisherigen Betrachtungen bezogen sich lediglich auf die Bildzeichnung
der achsenparallelen Strahlen; von einem brauchbaren Porträtobjektiv muß jedoch
gefordert werden, daß die Auszeichnung der Randpartien eine ähnliche ist wie diejenige
in der Mitte. Wenn es sich nur um .die Bildmitte handeln würde, dann läßt sich auch
bei größerer Obj ektivöffnung ein ähnlicher Korrektionszustand, wie ihn die Erfindung
vorschreibt, bei periskopischen Doppelobjektiven erreichen, wenn man die Durchbiegung
der Linsen genügend flach wählt.
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Dabei ergibt sich jedoch eine völlig ungenügende Auszeichnung der
Randpartien im Bild; denn um hier eine befriedigende Bildzeichnung zu erlangen,
muß man eben, wie bekannt, die Linsen des Periskopes stärker durchbiegen, wodurch
aber anderseits wieder die sphärische Abweichung in einer unzulässigen Weise verschlechtert
wird. Mittels einfacher Linsen ist es daher bei größerer Objektivöffnung nicht möglich,
die angestrebte Bildzeichnung in der Mitte und am Rande des Bildes in gleicher Weise
zu erzielen. Deshalb ist es notwendig, in das Objektiv mindestens eine Zerstreuungslinse
als Korrekirionselement einzuführen. Da überdies auch die Verzeichnung im Bilde
beseitigt sein muß, bietet sich als einfachster Objektivtyp für die vorliegenden
Zwecke ein Objektiv mit Mittelblende dar, bei dem mindestens in einer seiner Systemhälften
eine Zerstreuungslinse enthalten ist zu dem Zweck, neben dem oben gekennzeichneten
Ko.rrektionszustand für die sphärische und chromatische Abweichung auch noch die
Möglichkeit zu haben, die Bildfehler in zur Achse geneigten Büscheln entsprechend
korrigieren zu können.