Verfahren zur Herstellung eines haltbaren, durch bloßes Vermischen
mit Wasser gebrauchsfähig zu machenden Bindemittels aus Casein. Es ist seit langem
hekannt, daß sich aus dem Käsestoff der tierischen Milch, aus Casein, Bindemittel
und Leim von großer Klebekraft herstellen lassen, indem man das Casein in Wechselwirkung
mit Oxyden bzw. Hydroxyden der Erdalkalien bei Gegenwart von Wasser treten läßt.
Das Verfahren wurde ursprünglich in der Weise ausgeführt, daß man frisch ausgefälltes,
noch wasserhaltiges Casein in dem feuchten Zustand, in welchem es als Quark bezeichnet
wird,- mit den. Hydroxyden der Erdalkalien, meistens Kalkhydrat, innig vermengt
und diese Masse als Bindemittel oder Leim verwendet, welche nach einiger Zeit zu
einer sehr harten Substanz von großer Widerstandsfähigkeit gegen physikalische und
chemische Beanspruchung abbindet. Die Umständlichkeit der Beschaffung von frischem,'
feuchtem Casein gab Veranlassung zur Herstellung von Dauerpräparaten, welche gestatten
sollten, in jedem Augenblicke, urabhängig von der für die Gewinnung von frisch gefälltem
Caqein notwendigen Milchmenge, einen gebrauchsfähigen Caseinleim herzustellen. Man
bediente sich zu .diesem Zwecke mit Vorteil des getrockneten und deshalb haltbaren
Caseins, welches in fein gevulvertem Zustande mit den Oxyden oder Hydroxyden der
Erdalkalien gemischt wurde. Derartige Mischungen ergeben durch Vermischen bzw: Anrühren
mit Wasser ein gebrauchsfähiges, in einiger Zeit abbindendes Bindemittel, welches
sowohl zum Verleimen von Holz wie zur Leimung von Papier und zur Fixierung von Körperfarben
dient. Bei dieser einfachen Mischung der Trockensubstanz ergeben sich nun gegenüber
der Verwendung von feuchtem, frischem Casein Nachteile, welche dadurch veranlaßt
werden, daß die Quellung des getrockneten Caseins nicht rasch genug beim Anrühren
mit Wasser vor sich geht, so daB die erwünschte und der Caseinmenge entsprechende
Klebefähigkeit nur teilweise erreicht wird. Um diesem Übelstande abzuhelfen, versah
man die Casein-Erdalkalihydroxyd-Mischung nochmit Zusätzen, welche die Quellung
des Caseins erleichtern und beschleunigen sollten. Als solche Zusätze kommen die
Oxyde bzw. Hydroxyde der Alkalien in Betracht, welche infolge ihrer gegenüber den
Erdalkaliverbindungen stärkeren Dissozierung die Konzentration an Iiydroxydionen
im Gemenge vermehren, wodurch die Quellung des Caseins erleichtert wird. Da bei
den Mischungen ein Überschuß von Erdalkalihydroxyden.stets ohnehin vorhanden ist,
genügt zum Erreichen der Gegenwert von Alkalihydroxyden .die Beimengung solcher
Alkalisalze, welche mit Erdalkalihydroxyden unter Freiwerden von Alkalihydroxyd
in Reaktion treten. Solche Alkalisalze sind die Sulfate, Phosphate, Bicarbonate,
Fluoride und andere. Es entstand so das Urbild der sogenannten Kaltleimpulver, das
beispielsweise aus einer Mischung von Casein, Natriumsulfat und Kalkhydrat besteht.
Rührt man diese Mischung mit Wasser an, so wirkt zunächst das Kalkhydrat auf das
Sulfat unter Bindung von in der Masse fein verteiltem Gips ,und von freiem Ätznatron
ein. Durch das Ätznatron wird dann eine rasche Quellung des Caseins bewirkt, welches
mit dem Kalkhydrat in die gewünschte Verbindung eintritt.
Derartige
Mischungen haben nun wieder einen Nachteil, der sich aus der Eigenheit der Bestandteile
ergibt. Bei Zufritt geringer Feuchtigkeitsmengen beginnt das Kalkhydrat mit dem
Sulfat in Reaktion zu treten, und das entstehende hygroskopische Ätznatron beschleunigt
durch Wasseragziehung die vor der gewünschten Zeit beginnende Zersetzung und Abbindung.
Um daher die Feuchtigkeit der Luft auszuschließen, wendet man außer der Aufbewahrung
der Leimpulver in gut verschlossenen Gefäßen noch besandere Mittel, wie die Beimengung
geringer Mengen von nicht wässerigen Flüssigkeiten, wie Petroleum, an, welche die
einzelnen Staubkörnchen des Leimpulvers mit einer hauchartigen Schutzschicht überziehen.
Durch derartige Beimengungen wird zwar die Empfindlichkeit des Kaltleimpulvers gegen
feuchte -Luft herabgedrückt, aber gleichzeitig wird ein .die Abbindung nur beeinträchtigender
Fremdkörper zugezogen.
Auf Grund eingehender Versuche wurde nun gefunden, daß die beten und
widerstandsfähigsten Caseinbiudemittel erhalten werden, wenn nur Casein mit Erdalkalihydroxyden
ohne sonstige Beimengungen bei Gegenwart von Wasser in Reaktion tritt, wie dies
bei der eingangs erwähnten Herstellung von Leim au%, frisch gewonnenem Käsequark
beschrieben wurde. Casein kann zweierlei Verbindungen mit Erdalkalihydroxyden eingehen.
Mit wenig Hydroxyd entsteht eine salzartige, in Wasser lösliche Verbindung, und
mit größerem Anteil an Hydroxyd entsteht eine abbindende, vollkommen unlösliche
Verbindung, welche man mit einem basischen Salze vergleichen kann. So gibt frisch
gefälltes Casein mit 2 bis 3 Prozent seiner Trockensubstanz an Calciumhydroxyd eine
wasserlösliche Verbindung, während es mit der Hälfte bis zu gleichen Teilen Kalkhydrat
zu dem bekannten festen Leim abbindet. Es hat sich nun gezeigt, daß man der Beimengung
von Ouellung .des Caseins befördernden Substanzen zu einem Kaltleimpulver nicht
bedarf, wenn man Sorge trägt, daß das Casein zunächst vollkommen in der löslichen
Verbindung mit Erdalkalihydroxyd auftritt und dann mit einem Überschuß an diesem
letzteren in Reaktion treten kann. Diesen Erfolg kann man aber erreichen, wenn man
zuerst die wasserlösliche Casein-Erdalkalihydroxyd-Verbindung getrennt herstellt,
sie. in ein trockenes Pulver verwandelt und dieses dann in vollkommen trockenem
Zustande mit dem zur Bindung der unlöslichen basischen Verbindung und damit zur
Abbindung notwendigen Überschüsse von Erdalkalhydroxyd innig vermischt. Rührt man
ein derartiges Pulvergemenge mit Wasser an, so erfolgt die Auflösung oder wenigstens
Quellung der Casein-Erdalkali-Verbindung rascher als die Bildung des basischen Salzes.
Die gebildete Caseinlösung bzw. Pseudolösung hat dann Gelegenheit, mit allen Teilen
des Überschusses an Erdalkalihydroxyden in Reaktion zu treten und so zu einem vollkommen
gleichmäßigen Abbindungsprodukte sich zu vereinigen. Dabei kann zur Bildung der
löslichen Erdalkaliverbindung sowohl frisch gefälltes wie bereits getrocknetes Casein
verwendet werden. Es muß lediglich die Anwendung eines Überschusses dcs Erdalkalihydroxydcs
vermieden werden, und es muß die Eintrocknung der gelösten Caseinverbindung zur
Trockne 'bei Temperaturen unter ioo ° stattfinden, da durch höhere Temperatur eine
Beeinträchtigung der Quellungsfähigkcit eintritt.