-
Auf den verschiedensten Gebieten der Chirurgie werden bei Gewebe-
und Knochenverletzungen usw. zum Ersatz fehlender Teile bereits seit langem Formstücke
aus Metallen und Kunststoffen eingesetzt. Die für solche Zwecke verwendeten Stoffe
müssen mehreren Anforderungen entsprechen. So müssen sie z. B. gewebefreundlich
und sterilisierbar sein und dürfen im Organismus nicht korrodieren. Diese Vorbedingungen
werden im allgemeinen von den Kunststoffen erfüllt.
-
Mit der Weiterenwicklung der Chirurgie wurden jedoch an die zu implantierenden
Formstücke weitere und neue Anforderungen gestellt. So wurden zahlreiche Operationsverfahren
entwickelt, die eine zeitlich begrenzte Anwesenheit der implantierten Prothesen
- während der Dauer des Regenerationsprozesses - erwünscht machten. Wird die Regeneration
z. B. bei Defekten der Gallenwege oder der Harnröhre mit Hilfe implantierter Formstücke
gelenkt, so bildet der Organismus diese Organteile aus eigenen Geweben neu. Ähnliche
Regenerationsvorgänge können auch bei den Knochen beobachtet werden. Vernagelt oder
verschraubt man z. B. die Bruchstücke, so kommt es alsbald zu einer knochigen Verwachsung,
so daß nach Beendigung des Regenerationsprozesses das implantierte Formstück überflüssig
wird, oft sogar seine Anwesenheit sich nachteilig auswirkt, weshalb es in der Mehrzahl
der Fälle mit einem neuerlichen chirurgischen Eingriff entfernt wird.
-
Nach dem Verfahren der deutschen Patentschrift 849 165 ist es bereits
bekannt, für chirurgische Zwecke zu benutzende Fäden, Filme und Schäume aus Fibrin
herzustellen, wonach Blutplasma vor dem Gerinnen mit Glycerin versetzt, die erhaltene
Mischung bei normalem Druck und Raumtemperatur weiter zu Filmen, Fäden und Schäumen
zu verarbeiten, und anschließend einer Hitzebehandlung zwecks Sterilisierung und
Denaturierung des Eiweißes unterworfen werden, wobei bei den Fäden noch eine Behandlung
mit Gerbstoffen, wie Formalin, hinzukommt. Nach der USA.-Patentschrift 2385803 ist
es bereits bekannt, zur Herstellung von Produkten, die vom Organismus resorbiert
werden können, als Proteinmaterial Proteine des menschlichen Blutplasmas zu verwenden.
-
Diese Entwicklung ließ den Wunsch nach einem Material aufkommen,
das den Heilungsprozeß günstig beeinflußt, nach Beendigung der Regeneration jedoch
resorbiert wird und damit einen neuerlichen operativen Eingriff überflüssig macht.
-
Schon zu Beginn der in dieser Richtung unternommenen Versuchsarbeiten
zeigte sich, daß aus Blut isoliertes Fibrin zur Herstellung resorbierbarer arthroplastischer
Endoprothesen verwendet werden kann.
-
Dieses Verfahren ist in der ungarischen Patentschrift 145435 beschrieben
und betrifft die Herstellung von resorbierbaren arthroplastischen Endoprothesen
für chirurgische Zwecke, wonach aus Blut isoliertes Fibrin in Pulverform nach Behandlung
mit einem nichttoxischen Weichmacher im Temperaturbereich von 80 bis 2000 C und
im Druckbereich von 150 bis 250 kg/cm- verformt wird.
-
Es zeigte sich jedoch in der Praxis, daß die nach dem erwähnten Verfahren
hergestellten Präparate sich für eine ausgedehnte Anwendung nicht eignen.
-
Einesteils kann das Fibrin aus dem Blut nur in so geringen Mengene
(1 bis 201ovo) gewonnen werden,
daß eine laufende Versorgung mit größeren Mengen
nicht gewährleistet werden kann; andernteils zeigten die mit den Formstücken durchgeführten
Versuche am Tier und in der Klinik, daß die Resorptionszeit des Materials einen
der wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche Anwendung darstellt und die nach
diesem Verfahren hergestellen Formstücke im allgemeinen eine zu kurze Resorptionszeit
hatten, um allen Anforderungen zu genügen.
-
Mit dem Verfahren der Erfindung zur Herstellung resorbierbarer Formstücke
für chirurgische Zwecke, wonach das pulverförmige Ausgangsmaterial nach Behandlung
mit einem nichttoxischen Weichmacher im Temperaturbereich zwischen etwa 80 und 2000
C und im Druckbereich zwischen etwa 150 und 300 kg/cm2 verformt wird und die erhaltenen
Formstücke einer härtenden Nachbehandlung unterworfen werden, ist es nicht nur gelungen,
die außerordentlich schmale Basis an Ausgangsmaterial des Verfahrens der ungarischen
Patentschrift zu verbreitern, sondern außerdem die erhaltenen resorbierbaren Formstücke
sowohl in ihren mechanischen Eigenschaften, wie Festigkeit und Elastizität, als
auch in ihren biologischen Eigenschaften, wie Resorbierbarkeit, zu variieren und
damit auch ihren Anwendungsbereich zu vergrößern. Dies wird erfindungsgemäß dadurch
erzielt, daß als pulverförmiges Ausgangsmaterial außer dem für diesen Zweck bereits
verwendeten Fibrin noch weitere schnell resorbierbare menschliche und/oder tierische
Proteine verwendet werden und die erhaltenen Formstücke einer härtenden Nachbehandlung
mit einer wäßrigen Lösung, die 2 bis 200/0 Formaldehyd, 30 bis 70 O/o eines einwertigen
Alkohols und 10 bis 40°/o eines mehrwertigen Alkohols enthält, unterworfen werden.
-
Als Ausgangsmaterial zur Herstellung der resorbierbaren Formstücke
lassen sich - wie Untersuchungen ergaben - außer dem Fibrin auch andere menschliche
Plasmaproteine und Gerüstproteine, wie Plasma-Albumin, Myosin, Actin, Kollagen und/oder
Elastin verwenden. Da das Plasma etwa zehnmal mehr Albumin als Fibrinogen enthält,
und auch die übfigen Proteine in größerer Menge zugänglich sind (der Gehalt an Myosin
beträgt 80/0, an Actin 3 0/o), war damit eine der Grundvoraussetzungen für ein im
größeren Maßstab anwendbares Verfahren geschaffen.
-
Die Untersuchungen haben weiterhin ergeben, daß sich als Ausgangsmaterial
gewisse tierische Proteine, wie Fibrin von Pferden, Schweinen, Schafen und Rindern,
für die Herstellung derartig resorbierbarer Formstücke verwenden lassen, ohne daß
die daraus hergestellten Formstücke nach der Implantierung im menschlichen Organismus
irgendwelche Oberempfindlichkeitsreaktionen hervorrufen.
-
Zur Isolierung der gemäß der Erfindung verwendeten menschlichen und
tierischen Proteine können an sich bekannte Methoden benutzt werden, z. B. für die
Plasmaproteine das Aussalzen oder das Fraktionierungsverfahren nach Co h n mit kaltem
Ather und für die Gerüstproteine das Verfahren nach Weber-Edsall od. dgl.
-
Die dabei erhaltenen Niederschläge von Rohproteinen werden zunächst
mit Wasser mindestens teilweise mischbaren, flüchtigen, organischen Lösungsmitteln,
z. B. mit Aceton, Alkohol, Ather, Methanol, behandelt, sodann getrocknet und zu
einem feinen Pulver vermahlen.
-
Da sich die einzelnen Proteine in ihren Resorptionszeiten voneinander
unterscheiden (Albumin wird z. B. langsamer als Fibrin resorbiert, durch Myosin
die Resorbierbarkeit begünstigt und durch Verwendung von Elastin die Elastizität
erhöht), lassen sich durch die Wahl geeigneter Proteine oder geeigneter Proteingemische
die Resorptionszeit sowie die mechanischen Eigenschaften der Formstücke regeln.
Die günstigste Zusammensetzung kann durch einfache Vorversuche ermittelt werden.
-
Bei der praktischen Durchführung des Verfahrens der Erfindung werden
die pulverförmigen Proteine oder Proteingemische mit nichttoxischen Weichmachern
vermischt, die im Organismus keine schädliche Wirkung hervorrufen, und einige Stunden
-z. B. 3 Stunden - ruhen gelassen. Die optimale Zeitdauer hierfür hängt von den
Eigenschaften der verwendeten Proteine bzw. der verwendeten Proteingemische ab.
Sie ist erreicht, wenn das Proteinpulver sich ölig-feucht anfühlt.
-
Einige Beispiele für geeignete Weichmacher sind zwei- und dreiwertige
Alkohole, wie Äthylenglykol, Propylenglykol und Paraffinöl. Die Weichmacher werden
in einer Menge von etwa 30 bis 100 Gewichtsprozent, auf das Protein bezogen, angewandt.
Die Weichmacher erleichtern beim nachfolgenden Preßvorgang das Verkleben der einzelnen
Teilchen miteinander und verleihen dem Formkörper plastischelastische Eigenschaften.
Durch geeignete Wahl des Mengenverhältnisses zwischen dem Weichmacher und dem Proteinpulver
lassen sich die plastisch-elastischen Eigenschaften des Formstückes dem jeweiligen
Zweck entsprechend modifizieren.
-
Der Preßvorgang im Temperaturbereich zwischen etwa 80 und 2000 C
und im Druckbereich zwischen etwa 150 und 300 kg/cm2 wird manuell oder maschinell
durchgeführt.
-
Bei der härtenden Nachbehandlung wird der Formaldehyd in Form von
Methylenbrücken zwischen die endständigen Gruppen der Aminosäuren eingebaut.
-
Je größer die Anzahl der auf diese Weise gebildeten Methylenbrücken
ist, desto größer ist auch die Härte, die Reißfestigkeit und auch die Resorptionszeit
des fertigen Formstücks. Die Anzahl der gebildeten Methylenbrücken hängt von den
Behandlungsbedingungen, wie pH-Wert, Temperatur, Formaldehydkonzentration und Behandlungsdauer
ab, auf die ihrerseits die Dicke des Formstücks einen Einfluß hat. Der Formaldehyd
wird in diesen Bädern vorzugsweise in geringer Konzentration angewandt. Der untere
Grenzwert beträgt 2°/o, der obere 200/0. Der pH-Wert wird vorteilhaft im neutralen
Bereich gehalten und die Temperatur zwischen etwa 20 und 600 C. Erhöhung der Temperatur
gibt ein härteres Produkt. Eine ähnliche Wirkung ruft die Verlängerung der Behandlungsdauer
hervor. Die Behandlungsdauer liegt zwischen etwa 6 und 36 Stunden. Bei einer Behandlungsdauer
von 24 Stunden werden Formkörper erhalten, die innerhalb von 6 bis 8 Monaten resorbiert
werden.
-
Da die Formkörper in den wäßrigen Formaldehydbädern bisweilen stark
quellen und rissig werden, hat es sich als notwendig erwiesen, den Nachbehandlungsbädern
einen einwertigen Alkohol, vorzugsweise Äthanol, zweckmäßig in solchen Mengen, daß
der Äthanolgehalt 30 bis 70°/o beträgt und 10 bis 40°lo Äthylenglykol oder einen
anderen mehrwertigen Alkohol zuzusetzen.
-
Die auf diese Weise hergestellten Formstücke können in ihrer Resorptionszeit
den jeweiligen Erfordernissen angepaßt werden, quellen beim Sterilisieren nicht,
erleiden keine Deformation, verhalten sich nach der Implantation im Organismus wie
körpereigene Stoffe und beeinflussen die Regeneration günstig. Die neuen zellularen
Gewebebildungen setzen zunächst längs der Oberfläche des implantierten Formstücks
ein. Ihre wichtigste Eigenschaft besteht darin, daß sie durch die Einwirkung der
proteolytischen Enzyme der Gewebezellen abgebaut und vollständig resorbiert werden.
-
Die nach dem Verfahren hergestellten Formstücke, im Hinblick auf
ihre Ausgangsmaterialien und ihre Eigenschaften Bioplaste genannt, können für die
verschiedensten chirurgischen Zwecke verwendet werden. Es lassen sich aus ihnen
Stifte, Nägel, Schrauben, Stopfen, Röhren, Hülsen, Kappen, Knöpfe, Ringe, Leisten
usw. herstellen, die - wie dies durch ausgedehnte Versuche am Tier und in der Klinik
bestätigt wurde - bei den Operationen als resorbierbare chirurgische Formstücke
erfolgreich verwendet werden können.
-
Das Verfahren der Erfindung soll durch folgende Beispiele näher veranschaulicht
werden.
-
Beispiel Herstellung von röhrenförmigen Formstücken Aus menschlichem
Blut wird Albumin und aus tierischem Blut Fibrin nach an sich bekannten Methoden
isoliert. Die rohen Niederschläge werden mit Aceton und Alkohol behandelt, getrocknet,
vermahlen und gesiebt und in pulveriger Form für eine Preßmasse der folgenden Zusammensetzung
verwendet: 1,6 g Albuminpulver, 6,4 g Fibrinpulver, 6,0 ccm Propylenglykol, 2,0
ccm destilliertes Wasser.
-
Die Komponenten werden innig miteinander vermischt und in einem bedeckten
Gefäß 1 bis 2 Stunden ruhen gelassen. Danach füllt man die Mischung in eine auf
1400 C vorerwärmte Preßform, führt unter einem Druck von etwa 150 kg/cm2 die Verformung
durch, hebt nach dem Abkühlen das Formstück heraus und führt die härtend wirkende
chemische Nachbehandlung durch.
-
Zusammensetzung des Behandlungsbades: 65 ccm 96°/oigerÄthylalkohol,
10 ccm 400/obiger Formaldehyd, 25 ccm 900/obiges Glycerin.
-
Die Dauer der chemischen Behandlung beträgt bei Raumtemperatur zweckmäßig
16 Stunden. Nach Herausnahme der Röhre aus dem Bade wird sie mit einer Perforation
versehen, für die Einführung der Befestigungsnähte. Vor der operativen Implantation
wEd die~Röhre im Autoklav bei 1200 C und bei einem Druck von 1,2 atü 30 Minuten
lang sterilisiert.
-
Das röhrenförmige Formstück, das sich zur Verwendung als Tracheaprothese
eignet, hat eine Resorptionszeit von 12 bis 14 Wochen.