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Gegenstand der Hauptanmeldung P 16 67 588.041 ist ein Verfahren zur
Gewinnung von Chlor aus Nitrosylchlorid, das gegebenenfalls noch Chlor, Stickstoffdioxyd
und Wasserdampf enthält, durch drucklose Oxydation mittels Sauerstoff, welches dadurch
gekennzeichnet ist, daß in einer ersten Stufe bei 300 bis 400°C und einer Verweilzeit
von mindestens 5 Sekunden das Nitrosylchlorid oxydativ gespalten, das hierbei gebildete
Stickstoffmonoxyd nach Abkühlung des Reaktionsgemisches in einer zweiten Stufe bei
100 bis 200°C und einer Verweilzeit von mindestens 20 Sekunden zu Stickstoffdioxyd
weiteroxydiert und aus dem weitgehend stickoxydfreien Gemisch aus Chlor, Stickstoffdioxyd
und nicht umgesetztem Nitrosylehlorid das Chlor nach der Kondensation in bekannter
Weise abgetrennt wird. Für die Durchführung dieses Verfahrens ist es Voraussetzung,
daß das Nitrosylchlorid und der Sauerstoff bzw. die diese Stoffe enthaltenden Gase
auf die - Reaktionstemperatur vorgewärmt werden, was entweder vor oder nach der
Mischung der Bestandteile geschehen kann. Die günstigste Methode zur Erreichung
so hoher Temperaturen, nämlich ein Wärmetausch mit den heißen, den Reaktionsraum
der ersten Stufe verlassenden Gasen, die ja auf 180 bis 200°C abgekühlt werden müssen,
ist dabei für das Nitrosylchlorid praktisch nicht durchführbar, da übliche Wärmetauscher
wegen der Korrosivität der Gase nicht verwendet werden können, Wärmetauscher aus
Sondermaterialien wie beispielsweise Titan oder Tantal, wegen der Größe der nötigen
Wärmeaustauschflächen jedoch zu teuer sind.
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Mit anderen Mitteln, wie Dampf oder Rauchgasen, ist es zwar verhältnismäßig
leicht, eine Vorwärmung auf maximal 200°C zu erzielen, die Erreichung von Temperaturen
über 300°C ist aber nur unter großem Aufwand z. B. durch elektrische Beheizung oder
in Wärmetauschem aus Spezialmaterial möglich, was das Verfahren wirtschaftlich stark
belastet.
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Es konnte nun gefunden werden, daß sich das Nitrosylchlorid-Sauerstoff-Gemisch
bzw. das zur Hauptsache aus Nitrosylchlorid bestehende Gasgemisch, das den zur Oxydation
nötigen -Sauerstoff noch nicht enthält, auf einfache und wirtschaftliche Weise auf
die erforderliche Reaktionstemperatur von 300 bis 400°C vorwärmen läßt, wenn man
dieses zunächst auf übliche Weise auf eine Temperatur von 150 bis 220°C, vorzugsweise
180 bis 220°C, erwärmt und das heiße Gas unter Beibehaltung dieser Temperatur einige
Sekunden lang mit einem Katalysator in Berührung bringt, der unter den herrschenden
Bedingungen gegen Salpetersäure beständig ist. Die erforderliche Menge an Sauerstoff
kann dabei entweder als solche oder in Form von sauerstoffreicher Luft oder Luft
eingesetzt werden, die an beliebiger Stelle vor oder während, jedoch spätestens
nach Verlassen der Katalysatorschicht zugefügt wird. Es tritt hierauf innerhalb
weniger Sekunden unter Selbsterwärmung die gewünschte Reaktionstemperatur auf.
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Der Katalysator bewirkt, daß die an sich endotherme, erst bei Temperaturen
zwischen 300 bis 400°C ablaufende Spaltreaktion 2 NOCl =#t2 2 NO + Cl, (I)
bereits bei Temperaturen zwischen 150 bis 220°C einsetzt, worauf dann durch die
frei werdende Reaktionswärme aus der nicht katalysierbaren zweiten Reaktionsstufe
2 NO -I- 02 zz#:= 2 N02 (II) das gasförmige Reaktionsgemisch auf 300 bis 400°C erwärmt
und Reaktion I nunmehr nichtkatalytisch außerhalb des Katalysatorbettes zu Ende
läuft. Zwar läuft Reaktion II bei den Temperaturen der »Nitrosylchloridspaltungu
(I) nicht vollständig (und auch langsamer), die frei werdende Wärmemenge reicht
aber aus, um die erfindungsgemäß vorgewärmten Reaktionsgase auf die genannten höheren
Temperaturen zu bringen.
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Gegenstand der vorliegenden Erfindung ist demnach die Weiterbildung
des Verfahrens zur Gewinnung von Chlor aus Nitrosylchlorid, das gegebenenfalls noch
Chlor, Stickstoffdioxyd und Wasserdampf enthält, durch drucklose Oxydation mittels
Sauerstoff gemäß Hauptanmeldung P 16 67 588.041, das dadurch gekennzeichnet ist,
daß das Ausgangsgas zur Einleitung der ersten Verfahrensstufe auf Temperaturen von
150 bis 220°C, insbesondere 180 bis 220`C, aufgeheizt und anschließend 2 bis 5 Sekunden
lang unter Beibehaltung dieser Temperatur mit einem gegen Salpetersäure beständigen
Katalysator in Kontakt gebracht wird, wobei die für die zweite Verfahrensstufe nötige
Menge an reinem Sauerstoff, sauerstoffangereicherter Luft oder Luft an beliebiger
Stelle vor oder während, jedoch spätestens nach Verlassen der Katalysatorschicht
zugeführt wird. Die Beständigkeit des Katalysators unter den herrschenden Bedingungen
ist deshalb ein Erfordernis, weil sich aus dem feuchten NO,-haltigen NOCI Salpetersäure
bildet, die andernfalls die Katalysatoroberfläche zerstören könnte.
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Es kommen als solche Katalysatoren in erster Linie inerte Stoffe mit
großer innerer Oberfläche in Frage. Es können beispielsweise aktives Aluminiumoxyd,
Aluminiumsilikate, Natrium-Aluminiumsilikate, wie z. B. die üblichen Molekularsiebe,
sowie Silikagel genannt werden. Bereits nach 1 Sekunde Verweilzeit hat sich so viel
NO aus dem Nitrosylchlorid gebildet, daß der erfindungsgemäße :Zweck, nämlich die
Aufwärmung des Gases auf 300 bis 400°C, erreicht wird. In der Regel werden Verweilzeiten
von 2 bis 5 Sekunden gewählt. Eine größere Verlängerung der Kontaktzeit bringt keine
Vorteile mit sich. Sie ist im Gegenteil sogar nachteilig, da der NO-Partialdruck
ja sinkt, je mehr Chlor und N02 sich gebildet haben bzw. je mehr NOCI zersetzt wurde.
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Zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens wird zunächst das
Nitrosylchlorid, das gegebenenfalls schon mit dem Sauerstoff gemischt ist, mit Mitteldampfdruck
auf vorzugsweise 180 bis 220°C vorgewärmt und mit dem Katalysator in einem geeigneten
Apparat, beispielsweise einem Röhrenofen, in Berührung gebracht, wobei das Temperaturniveau
durch zusätzliche Heizung gehalten werden muß. Gemäß einer besonders bevorzugten
Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens kann Vorwärmung und Kontakt mit
dem Katalysator gleichzeitig erfolgen, indem das Nitrosylchlorid-Sauerstoff-Gemisch
bzw. das nur ersteres enthaltende Gasgemisch in einen von außen mit Dampf beheizten
Röhrenofen geleitet wird, der mit dem Katalysator befüllt ist. In diesem Fall kann
Nitrosylchlorid, wie es beispielsweise bei der Umsetzung von Kaliumchlorid mit Distickstofftetroxyd
gasförmig entweicht, gegebenenfalls nach Zumischung des sauerstoffhaltigen Gases
direkt in diesen Röhrenofen eingespeist werden. Wenn das Nitrosylchlorid bzw. das
Nitrosylehlorid enthaltende Gasgemisch allein bei diesen Temperaturen über den Katalysator
geleitet und der vorzugsweise auf diese
oder eine höhere Temperatur
vorgewärmte Sauerstoff erst danach zugemischt wird, ist der NO-Partialdruck -am
höchsten, und die auftretende Erwärmung des Gases wird rascher vor sich gehen, als
wenn der Sauerstoff und das Nitrosylchlorid gemeinsam durch den .Katalysator gehen.
Die Variante des gemeinsamen Passieren des Nitrosylchlorids und des Sauerstoffes
ist jedoch zweckmäßig dann anzuwenden, wenn bei der zur Herstellung des NOCI nötigen
Umsetzung von KC1 mit N204 in HN03 der Teil des NOCI, der in der Salpetersäure gelöst
bleibt, mit Sauerstoff ausgeblasen wurde. Dieses Gasgemisch kann dann direkt, gegebenenfalls
nach allenfalls erwünschter Ergänzung des Sauerstoffgehaltes auf das erforderliche
Niveau, zum erfindungsgemäßen Verfahren eingesetzt werden.
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Das den Röhrenofen verlassende, gewisse Mengen NO enthaltende Gas
erreicht dann nach 5 bis 30 Sekunden die erforderliche Temperatur von 300 bis 400°C.
Das auf diese Reaktionstemperatur gebrachte Nitrosylchlorid-Sauerstoff-Gemisch wird
dann gemäß dem Verfahren der Hauptanmeldung zu Stickstoffdioxyd und Chlor umgesetzt
und das Gemisch dann durch Destillation aufgetrennt, wobei als Endprodukte reines
Chlor und flüssiges Distickstofftetroxyd anfallen.
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Es ist früher schon vorgeschlagen worden, die Nitrosylchloridspaltung
bei Temperaturen unterhalb 190°C in Gegenwart von Katalysatoren durchzuführen, um
die Reaktion zu beschleunigen. Als solche Katalysatoren wurden z. B. Bimsstein,
Silikagel, Aluminiumoxyd, Mangandioxyd, Eisenoxyde und Chromoxyde genannt. Dieses
Verfahren hat den Nachteil, daß geschwindigkeitsbestimmend für die Reaktion nicht
die NOCl-Spaltung in NO und Chlor, sondern die Weiterreaktion von NO zu N02 ist.
Da sich diese Reaktion katalytisch nicht beschleunigen läßt und der jeweilige NO-Gehalt
nicht über den Gehalt entsprechend dem Gleichgewichtszustand ansteigen kann, sind
hohe Reaktionszeiten am Katalysator erforderlich, die wiederum große Apparate, z.
B. Röhrenofen, die wegen der Korrosivität aus Materialien, wie Titan oder Tantal,
gefertigt sein müssen, und außerdem große Katalysatormengen bedingen. Beim erfindungsgemäßen
Verfahren wird lediglich das der herrschenden Temperatur entsprechende Gleichgewicht
zwischen Nitrosylchlorid, Stickstoffmonoxyd und Chlor eingestellt, was durch Einwirkung
eines Katalysators beschleunigt wird. Dabei wird eine zu Erzeugungszwecken praktisch
verwertbare Spaltung gar nicht angestrebt, sondern lediglich so viel NO erzeugt,
daß es möglich ist, durch die exotherme Reaktion von NO mit Sauerstoff nach dem
Katalysator die für das Verfahren des Stammpatentes nötige Reaktionstemperatur einzustellen.
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Die nachfolgenden Beispiele sollen den Erfindungsgegenstand näher
erläutern. Beispiel 1 7,66 Nm3/h eines Gasgemisches, bestehend aus 58,6 °/, NOCI,
0,2 °/, C12, 11,9 °/, N02 und 29,3 °/, 02, das durch Umsetzung von 16 kg Kaliumchlorid
mit 19,5 kg flüssigem Distickstofftetroxyd je Stunde in 601)/,iger Salpetersäure
als Reaktionsmediumbei +10 ° C und Ausblasen des Nitrosylchlorids mit Sauerstoff
erhalten wurde, wird 3 Sekunden lang in einem mit einem Dampf von 22 atü beheizten
Röhrenofen aus Titan, der 71 aktives Aluminiumoxyd enthält, auf 180°C erwärmt und
gleichzeitig mit dem Katalysator in Berührung gebracht. Das den Ofen verlassende
Gas, das sich auf einer Temperatur von 180°C befindet, besitzt die Zusammensetzung
4,90/,NO, 9,20/00., 24,70/,NO" 39,6 °/, NOCl und 21,60/,0,. Dieses Gemisch
wird in eine gut isolierte Verweilkammer geleitet, wo es innerhalb von 35 Sekunden
die Reaktionstemperatur von 350°C erreicht hat. Das die Verweil-.kammer verlassende
Gas wird in einem Wärmetauscher aus Titan mit Dampf auf eine Temperatur von 180°C
gekühlt und in einer zweiten Verweilkammer 60 Sekunden ausreagieren gelassen. Das
schließlich anfallende Gasgemisch wird bei -40°C kondensiert, wobei ein Kondensat
der Zusammensetzung 15,1 °/, NOCl, 24,40/,C1, und 60,5 °/,N02 erhalten wird.
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Der Umsatz beträgt 76 °/, der Theorie. Aus diesem Gemisch wird das
Chlor durch Destillation gewönnen, während das Gemisch, das im Sumpf der Kolonne
anfällt und aus Distickstofftetroxyd und Nitrosylchlorid besteht, wieder zum Umsatz
mit Kaliumchlorid verwendet wird. Beispiel 2 6 Nm3/h eines Gasgemisches, bestehend
aus 99,4"/, NOCl, 0,2 °/, Cl, und 0,4 °/, N02, das durch Umsatz von 20 kg Kaliumcblorid
mit 25 kg flüssigem Distickstofftetroxyd je Stunde bei +10°C in 20160°/o HNO3 als
Reaktionsmedium erhalten wurde, wird in einen mit 71 Natrium-Aluminiumsilikat befüllten,
mit 22 atü Dampf beheizten Titan-Röhrenwärmetauscher auf 2C0' C erwärmt und
2 Sekunden lang mit dem Katalysator in Berührung gehalten. Das den Ofen verlassende,
auf 2C0°C erwärmte Gas hat die Zusammensetzung 72,2°/o NO Cl, 18,1°/o NO, 9,3°/ö
Cl. und 0,4°/o N02. Es wird pro Stunde mit 2,8 Nm3 Sauerstoff, der auf 2C0°C vorgewärmt
wurde, gemischt und die Mischung in eine gut isolierte Verweilkammer geleitet. Innerhalb
von 20 Sekunden steigt die Temperatur auf 360°C. Das die Reaktionskammer verlassende
Gas wird auf 150°C abgekühlt und in einer zweiten Verweilkammer 30 Sekunden bei
dieser Temperatur ausreagieren gelassen. Das die zweite Reaktionskammer verlassende
Gas wird durch Abkühlen auf -40°C kondensiert. Das Kondensat besitzt die Zusammensetzung
19,111/0 NOCl, 26,8 °/, Cl, und 54,1 °/, N02 entsprechend einem Umsatz von 73,8
°/,: Durch Destillation wird aus diesem Gemisch das Chlor gewonnen, während das
im Sumpf der Destillationskolonne anfallende Gemisch aus Distickstofftetroxyd und
Nitrosylchlorid wieder zur Reaktion mit Kaliumchlorid eingesetzt wird.