-
Betonbauteil, insbesondere Brückenträger Die Erfindung betrifft einen
Betonbauteil, insbesondere einen Brückenträger, bei dem außer schlaffen Längsbewehrungen
Vorspannglieder angeordnet sind.
-
Betonbauteile mit Stahleinlagen werden im allgemeinen entweder nach
den jeweils geltenden Bestirnmungen für »Bauwerke aus Stahlbeton« oder nach den
Bestimmungen für »Spannbeton« bemessen und hergestellt. Dabei erfolgt die Bemessung
für »Bauwerke aus Stahlbeton« unter der Voraussetzung, daß der Stahl alle Zugspannungen
in dem Querschnitt eines auf Biegung oder auf Biegung mit Längskraft beanspruchten
Stahlbetonkörpers aufnimmt, wobei von einer Mitwirkung des Betons auf Zug abgesehen
wird. Bei Spannbetonbauwerken oder -bauteilen wird der Beton durch Einleiten besonderer
Kräfte mittels Spannglieder aus hochzugfestem Stahl vorgespannt. lEerbei wird
je nach dem Grad der Vorspannung zwischen voller und beschränkter Vorspannung
unterschieden. Bei voller Vorspannung sind im Beton unter der Gebrauchslast mit
Ausnahme einzelner Fälle keinerlei Zugspannungen zulässig. Bei beschränkter Vorspannung
sind dagegen unter der Gebrauchslast Zugspannungen im Beton bis zu gewissen Grenzen
zulässig. Bauteile, bei denen diese Grenzen überschritten werden, sind keine Spannbeton-Bauten
im Sinne der Bestimmungen über »Spannbeton«, sondern »Stahlbetonbauwerke«.
-
Für die Rißsicherung und aus konstruktiven Gründen sind sowohl bei
voller Vorspannung als auch bei beschränkter Vorspannung sogenannte »schlaffe« Bewehrtingen
und Bügel erforderlich. Solche schlaffen Bewehrungen bei Vorspannbeton sind aber
in den meisten Fällen statisch nicht voll ausgenutzt und daher unwirtschaftlich.
-
Es sind Versuche bekanntgeworden, die sich mit dem Zusammenwirken
von schlaffer und vorgespannter Bewehrung bzw. der Frage der Verwendung von vorgespannten
Zulagen befassen. Diese Versuche gehen aber über die übliche Anwendung der beiden
Bewehrungsarten bei Betonbauwerken mit beschränkter Vorspannung nicht hinaus.
-
Es ist ferner ein Bauwerksteil aus vorgespanntem Beton mit Zugbewehrungsgliedem
aus hochwertigem Stahl bekannt, bei dem ein Teil der in jeder Zugzone vorgesehenen
Bewehrungsglieder schlaff und die übrigen Bewehrungsglieder mit einer mechanischen
Anfangsspannung vorgespannt sind, die größer als die Elastizitätsgrenze des gewöhnlichen
Baustahles ist. Weiterhin ist ein Bauwerksteil dieser Art bekannt, bei dem die in
den Zugzonen angeordneten Bewehrungs- bzw. Vorspannglieder gleich oder verschieden
stark in dem Maße vorgespannt sind, daß ihre mittlere Anfangsspannung größer als
die Elastizitätsgrenze des gewöhnlichen Baustahles ist, die wirksam bleibende Gesamtvorspannkraft
jedoch so gering ist, daß sich unter Nutzlast in dem am stärksten beanspruchten
Querschnitt in einem geradlinigen Spannungsschaubild eines homogenen Materials eine
Biegungs-Zugspannung ergibt, die größer ist als die Betonzugfestigkeit. Bei diesen
bekannten Bauwerksteilen, die in ihrer Bemessung grundsätzlich den bekannten Bestimmungen
für beschränkte Vorspannung folgen, wird jedoch der Nachweis der Stahl- und Betonspannungen
nach den Bestimmungen für beschränkte Vorspannung in der Form erbracht, daß der
Beton-Zugkeil durch die schlaffe Bewehrung auf-genommen wird. Außerdem treten
im Belastungsfall Eigenlast und Vorspannung in der Zugzone Druckspannungen auf.
Das bedeutet, daß in den Vorspanngliedern ein Spannungsabfall infolge Kriechens
eintritt. Im übrigen sollen bei diesen bekannten Bauwerksteilen die schlaffe Bewehrung
und die Vorspannbewehrung aus demselben Stahl bestehen. Dies bedeutet aber, daß
bei Gebrauchslast die zulässigen Spannungen der schlaffen Bewehrungsglieder nicht
ausgenutzt werden können, wenn keine größeren Rißbreiten als beim gewöhnlichen Stahlbeton
zugelassen werden.
-
Demgegenüber besteht die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe darin,
bei einem Betonbauteil mit schlaffen Längsbewehrungen und Vorspanngliedern zu ermöglichen,
daß sowohl die schlaffen Bewehrungen als auch die Vorspannglieder voll ausgenutzt
sind, daß aber trotzdem die durch den Vorspannbeton gegenüber dem Stahlbeton bestehenden
Vorteile, insbesondere die verringerten Querschnittsabmessungen, weitgehend erhalten
sind.
-
Demgemäß besteht die Erfindung bei einem Beton bauteil, bei dem außer
schlaffen Längsbewehrungen Vorspannglieder angeordnet sind, darin, daß für den
endgültigen
Belastungszustand der Abstand der Nulllinie vom Druckrand des Querschnittes kleiner
als der Abstand der Wirkungslinie der Vorspannglieder vom Druckrand oder gleich
diesem Abstand ist und das Verhältnis zwischen dem Querschnitt der Vorspannglieder
und dem Querschnitt der schlaffen Längsbewehrungen von dem Verhältnis zwischen dem
Eigengewicht und der Verkehrslast in der Weise abhängig ist, daß die schlaffen Bewehrungen
bei noch nicht gespannten Spanngliedern mindestens die Eigenlast des Bauwerkes unter
Beanspruchung bis zur Streckgrenze aufnehmen können.
-
Vorzugsweise ist hierbei die Ausbildung derart, daß für den endgültigen
Belastungszustand die vorhandenen Spannungen in den Spanngliedem den zulässigen
Werten für Spannbeton und die vorhandenen Betondruckspannungen sowie die Zugspannungen
der schlaffen Bewehrungen den zulässigen Werten für Stahlbeton entsprechen.
-
Bei einem auf diese Weise ausgebildeten Betonbauteil wird zunächst
der Vorteil erreicht, daß bei den im allgemeinen als schlaffe Bewehrung verwendeten
Betonstählen sowie bei dem üblichen Vorspannstahl bei der partiellen Vorspannung
im Gebrauchszustand sowohl der Vorspannstahl als auch der schlaffe Stahl mit den
zulässigen Spannungen ausgenutzt werden. Die Größe der Vorspannung ist hierbei so
bemessen, daß unter Eigenlast und Vorspannung in der Zugzone keine Druckspannung
eintritt und im äußersten Falle die Betonspannung in der Wirkungslinie der Vorspannglieder
gleich Null wird. Hierdurch wird der weitere Vorteil erreicht, daß kein Spannungsverhist
der Vorspannglieder infolge Kriechens eintritt. Die Aufnahme der Schub-und Betonhauptzugspannungen
erfolgt wie beim Stahlbetonbau durch Bügel und abgebogene Bewehrungsstäbe. Der Bruchsicherheitsnachweis
erfolgt nach den Bestimmungen für Spannbeton. Das Verhältnis von Vorspannstahl und
schlaffem Stahl ist in erster Linie von dem Verhältnis der Eigenlast zur Nutzlast
abhängig. Der maximale Bedarf an Spannstahl wird für den Grenzfall, daß in der Wirkungslinie
der Spannglieder die Betonspannung gleich Null wird, erreicht. Der Gesamtstahlbedarf
wird sodann entweder durch den Nachweis der Bruchsicherheit oder dadurch bestimmt,
daß im Gebrauchszustand die zulässigen Spannungen für den verwendeten schlaffen
Stahl nicht überschritten werden. Der Anteil der Spannbewehrung beträgt dabei
25 bis 35 1/o der Gesamtbewehrung.
-
Ein weiterer Vorteil besteht darin, daß ein gemäß der Erfindung ausgebildeter
Bauteil, wenn er auf einem Gerüst betoniert wird, im Vergleich zu bekannten, auf
einem Gerüst betonierten Spannbetonteilen, bei denen infolge Gerüstverformungen
oft Risse auftreten, bevor die Vorspannung erfolgt, gegen solche Verformungen wegen
seiner kräftigen schlaffen Bewehrungen weniger empfindlich ist. Auch ist es bei
einem Betonbauteil nach der Erfindung bei einem gewissen Verhältnis zwischen Eigenlast
und Nutzlast möglich, am ausgerüsteten Bauwerk vorzuspannen und somit die bei den
normalen auf dem Gerüst vorgespannten Bauwerken auftretenden ungünstigen Stützkräfte
des Gerüstes zu vermeiden.
-
In allen Fällen bietet die Erfindung den Vorteil, daß der Aufwand
an schlaffer Bewehrung und an Vorspannbewehrung gegenüber den nach den Bestimmungen
über beschränkte Vorspannung ausgebildeten Betonbauteilen erheblich verringert ist
und im allgemeinen nur 85 bis 90 % beträgt.
-
Bei einem gemäß der Erfindung ausgebildeten Bauteil handelt es sich,
da die nach den Bestimmungen für »Spannbeton« zulässigen Zugspannungen im Beton
bewußt überschritten werden, nicht um einen Spannbetonbauteil im Sinne dieser Bestimmungen,
sondern um einen Stahlbetonbauteil, bei dem die Ermittlungen der Spannungen bzw.
der Spannungsnachweis nach den Bestimmungen für Stahlbeton (gerissene Zugzone) erfolgt,
wobei unter Berücksichtigung aller ungünstigen Belastungsfälle für die Betondruckspannung
und die schlaffen Bewehrungen die nach diesen Bestimmungen zulässigen Spannungswerte
und für die Spannglieder die zulässigen Werte für »Spannbeton« nicht überschritten,
aber voll ausgenutzt sind. Diese Abwandlung des normalen Stahlbetons unter Aufrechterhaltung
des Charakters eines Bauteiles als Stahlbetonbauteil bietet einerseits den Vorteil,
daß Eigengewichte und Querschnitte des Bauteiles genau wie bei Bauteilen aus Spannbeton
ermittelt und festgelegt werden können. Die Eigengewichte und Querschnitte der Bauteile
sind daher wesentlich kleiner als bei normalen Stahlbetonbauteilen. Andererseits
ist ein Stahlbetonbauteil nach der Erfindung wesentlich wirtschaftlicher als ein
Bauteil mit voller oder beschränkter Vorspannung, da infolge der Möglichkeit, wesentlich
höhere Zugspannungen im Beton zuzulassen, die beim Spannbeton durch die Forderung,
keine oder nur geringe Betonzugspannungen zu erhalten, bedingte Unwirtschaftlichkeit
entfällt. Außerdem sind sowohl die schlaffen Bewehrungen als auch die Spannglieder
statisch wirksam und daher technisch und wirtschaftlich ausgenutzt. Ebenso werden
alle Schub- und Hauptzugspannungen wie beim gewöhnlichen Stahlbeton durch voll ausgenutzte
schlaffe Einlagen aufgenommen. Von besonderem Vorteil ist ferner, daß der
Einfluß von Schwinden und Kriechen auf die Spannungen des Bauteiles sowohl für die
Gebrauchslast als auch für die Bruchlast wesentlich kleiner ist als bei üblichen
Spannbetonbauteilen.
-
Weiterhin ist der Umstand, daß bei Bauteilen gemäß der Erfindung die
schlaffen Bewehrungen einen großen Teil der auftretenden Zugkräfte aufnehmen, insofern
von großer Bedeutung, als bei mit Verbund hergestellten Bauteilen auch beim etwaigen
Versagen - des Verbundes eine gewisse Sicherheit gegen Bruch gegeben ist.
Bei ohne Verbund hergestellten Bauteilen gemäß der Erfindung wird die gesamte Zugkraft
aus dem Bruchzustand durch die schlaffen Bewehrungen und die Spannglieder mit den
für Spannbeton zulässigen Spannungen aufgenommen, so daß die Bruchsicherheit voll
gewährleistet ist.
-
Nachstehend ist die Erfindung an Hand des in der Zeichnung dargestellten
Ausführungsbeispiels für eine Brücke von 40 m Spannweite, 6 m Fahrbahnbreite
und je 1 m breiten Fußwegen, Brückenklasse 60, mit zwei Längsträgem,
beschrieben.
-
F i g. 1 zeigt den Längsschnitt durch die Hälfte eines gemäß
der Erfindung ausgebildeten Längsträgers der Brücke; F i g. 2 zeigt den zugehörigen
Halbquerschnitt in Brückenmitte.
-
Der Ausbildung des dargestellten Brückenlängsträgers 1 als
»Stahlbeton«-Träger gemäß der Erfindung wurde der aus F i g. 2 ersichtliche
Betonquerschnitt zugrunde gelegt, der für das Bauwerk auf der
Grundlage
der Spannbetonberechnung ermittelt wurde. Die Querschnittsbreite des Längsträgersl
beträgt dabei 60 cm und die Höhe des Trägers 2 m.
-
Für diese Querschnittsabmessungen des Längsträgers 1 ergibt
sich gemäß der Erfindung eine schlaffe Bewehrung 2 in Brückenmitte von dreißig Rundstählen
0 26, wobei außerdem zwölf Spannglieder 3 angeordnet sind. Zur Aufnahme
der Schubspannungen und der Hauptzugspannungen sind die Stäbe 2 der schlaffen Bewehrung
in der aus F i g. 1
ersichtlichen Weise wie bei normalen Stahlbetonträgern
abgebogen und, wie aus der F i g. 2 ersichtlich, Bügel 4 angeordnet.
Ferner ist der Ausbildung des Trägers 1 nachträglicher Verbund zwischen den
Spanngliedern 3 und dem Beton des Trägers zugrunde gelegt. Die Berechnung
des Trägers 1 ist derart durchgeführt, daß gemäß der Erfindung zur Aufnahme
der Gesamtmomente (Eigenlast, Vorspannung und Verkehrslast) alle Stahleinlagen,
also sowohl die nachträglich mit dem Beton durch Injektion von Zementmörtel verbundenen
Spannglieder 3
als auch die schlaffe Bewehrung 2, herangezogen werden. Dabei
ist berücksichtigt, daß die Beanspruchung der Spannglieder 3 durch die Vorspannung
um den Betrag, der sich für den Stahl durch seine Beanspruchung als schlaffe Bewehrung
ergibt, kleiner gehalten werden muß. Die Spannungsermittlung ist entsprechend den
Bestimmungen für Stahlbetonbauwerke bzw. für massive Brücken (Zustand
11, gerissene Zugzone) durchgeführt.
-
Die Spannglieder 3 können entweder vor dem Ausrüsten oder nach
dem Ausrüsten gespannt werden, ohne daß sich an der Berechnung bzw. Bemessung des
Trägers etwas ändert. Wenn die Spannglieder 3
erst nach dem Ausrüsten gespannt
werden, so kann eine Behinderung der Formänderung des Trägers 1
durch ein
Lehrgerüst od. dgl. nicht eintreten. Der Nachweis der Bruchsicherheit erfolgt nach
den Bestimmungen für Spannbeton. Bei Ermittlung der Bruchsicherheit können die Beanspruchungen
der schlaffen Bewehrung einen Wert erreichen, der zwischen der Bruch- und Streckgrenze
liegt, während die Spannungen der Spannglieder im vollelastischen Bereich der Spannungsdehnungslinie
verbleiben.
-
Der Ausbildung des Trägers 1 nach der Erfindung kann auch zugrunde
gelegt werden, daß kein Verbund zwischen den Spanngliedern 3 und dem Beton
hergestellt wird. In diesem Fall werden die Spannglieder 3 für die Gebrauchslast
nicht als schlaffe Bewehrung herangezogen, sondern unter Berücksichtigung von Schwinden
und Kriechen nur zur Vorspannung. Für die Ermittlung der Bruchsicherheit werden
die Spannglieder mit den für »Spannbeton« zugelassenen Spannungen eingesetzt, während
die Beanspruchung der schlaffen Bewehrung die Streckgrenze erreichen kann.
-
Die erfindungsgemäße Ausbildung ist bei nachträglichem Verbund oder
ohne Verbund und beim Spannen der Spannglieder nach dem Ausrüsten in erster Linie
für die Herstellung von Brücken im Freivorbau sowie für Stahlbetonbauten mit gegenüber
der Eigenlast hohen Nutzlasten besonders geeignet. Die Ausbildung mit nachträglichem
Verbund oder ohne Verbund, aber mit Spannen der Spannglieder vor dem Ausrüsten,
ist mit Vorteil bei der Herstellung von Brücken auf Lehrgerüsten sowie von Stahlbetoribauwerken
mit gegenüber der Eigenlast kleinen Nutzlasten und von Fertigteilen aus Stahlbeton
anwendbar.