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Verfahren zur Gewinnung von nichtvirulenten, lebenden Schweinecholeraviren
Impfstoffe gegen Schweinecholera wurden bisher aus geschwächten Stämmen des Schweinecholeravirus
hergestellt, daß virulente Schweinecholeraviren so modifiziert werden, daß sie die
Krankheit nicht mehr zu verursachen in der Lage sind. Da die Viren noch lebensfähig
sind und noch einen Antigenfaktor enthalten, erzeugen sie bei nichtimmunen Schweinen
eine aktive Immunität gegen Schweinecholera.
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Geschwächte Schweinecholeraviren, wie sie heute für Impfstoffe gegen
Schweinecholera verwendet werden, können jedoch nicht immer als gänzlich nichtvirulent
bezeichnet werden, da viele dieser Stämme in einen Zustand merklicher Virulenz zurückkehren
können, wenn sie einem nichtimmunen Schwein eingeimpft werden.
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Die deutsche Patentschrift 940 315 beschreibt ein Verfahren zur Herstellung
einer Lymphe zum Immunisieren gegen Schweinepest (Schweinecholera), bei dem virulente
Schweinecholeraviren durch eine Reihe von Passagen durch Kleintiere, insbesondere
Kaninchen, abgeschwächt werden, worauf die abgeschwächten Viren durch Injektion
in einem Schwein konzentriert und nach Temperaturerhöhung aus den Gewebeteilen des
Schweins in konzentrierter Form gewonnen werden. Gegenüber Viren, die allein durch
Reihenpassagen durch Kaninchen erhalten wurden, besitzen diese durch eine zusätzliche
Schweinepassage erhaltenen Viren den Vorteil, daß sie beim Impfen von Schweinen
keine durch die Verwendung von artfremdem Eiweiß bedingten unerwünschten Reaktionen
auslösen und insbesondere gleichzeitig mit Antischweinepestserum anwendbar sind.
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In dieser Patentschrift ist nicht angegeben, in welchem Alter die
Schweine mit den abgeschwächten Viren geimpft werden. Weiterhin werden die Viren
im allgemeinen am zweiten oder dritten Tag nach Beginn des Fiebers dem Blut, den
Eingeweiden oder den Gewebeteilen der getöteten Tiere bzw. den operativ entfernten
Hoden männlicher Tiere entnommen.
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Es wurde jedoch gefunden, daß auf diese Weise entnommene Viren entweder
vollständig abgetötet sind, wenn sie mehr als drei Monate alten Schweinen entnommen
werden, oder wieder virulent werden können, wenn sie 5 bis 10 Wochen alten Schweinen
entnommen werden. In einem Versuch mit fünfundzwanzig 6 Wochen alten Schweinen verendeten
z.B.
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18 Schweine 6 bis 17 Wochen nach der Impfung mit abgeschwächten Schweinecholeraviren,
die aus Kaninchenpassagen gewonnen wurden. Hätte man diese Schweine nach dem Verfahren
der deutschen Patentschrift 940 315 am zweiten oder dritten Tag nach Beginn des
Fiebers getötet, so wären die erhaltenen
Viren virulent und damit als Impfstoff ungeeignet
gewesen.
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Die Erfindung beruht auf der Erkenntnis, daß sowohl das Alter der
mit dem geschwächten Schweinecholeravirus geimpften Schweine als auch deren Verhalten
nach dem Impfen und die Entnahmezeit der Viren für die Gewinnung von nichtvirulenten,
lebenden Schweinecholeraviren von ausschlaggebender Bedeutung ist. Nur wenn diese
Gesichtspunkte beachtet werden, wird ein einwandfreier Impfstoff erhalten, der einerseits
eine hohe Wirksamkeit aufweist und bei dem andererseits die Viren nicht mehr virulent
werden.
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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Gewinnung von nichtvirulenten,
lebenden Schweinecholeraviren aus in Reihenpassagen gewonnenen abgeschwächten Schweinecholeraviren
und deren Entwicklung in nichtimmunen, lebenden Schweinen, das dadurch gekennzeichnet
ist, daß die abgeschwächten Viren auf 5 bis 10 Wochen alte Ferkel überimpft, die
geimpften Ferkel normal gefüttert und die nichtvirulenten, lebenden Schweinecholeraviren
in der 4. bis 5. Woche nach dem Impfen denjenigen Ferkeln entnommen werden, deren
Gewichtszunahme während dieser Zeit etwa 1,8 bis 2,3 kgje Woche beträgt und deren
Körpertemperatur noch während der dritten Woche nach dem Impfen 0,55 bis 1,1"C über
der Normaltemperatur liegt.
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Als Ausgangsmaterial werden geschwächte Schweine choleraviren, die
nach an sich bekannten Verfahren gewonnen werden, verwendet. Zum Beispiel können
geeignete abgeschwächte Schweinecholeraviren dadurch erhalten werden, daß man einen
an Kaninchen adaptierten Stamm mehreren (d.h. etwa 13 bis 15)
Reihenpassagen
durch Kaninchen unterwirft, wie es in Proc. Exptl. Biol. Med., 63 (1946), S. 183
bis 187, beschrieben ist. Virulente Schweinecholeraviren können an Kaninchen adaptiert
werden, indem man als Wirt abwechselnd Kaninchen und Schweine verwendet (vgl. USA.-Patentschrift
2 518 978). Manche Stämme brauchen jedoch nicht adaptiert zu werden.
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Die Adaptation und die Schwächung der Schweinecholeraviren sind nicht
Gegenstand der Erfindung.
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Bei den zur Entwicklung der nichtvirulenten Viren verwendeten Schweinen
handelt es sich um nichtimmune Schweine in einem Alter von 5 bis 10 Wochen, d.h.
um die Nachkommenschaft einer nichtimmunen Sau. Es ist bekannt, daß das Colostrum
oder die Erstmilch einer immunen Sau einen sehr hohen y-Globulingehalt besitzt und
Antikörper gegen Schweinecholera enthält und daher eine teilweise oder vollständige
Immunisierung der Ferkel hervorruft. Deshalb sind die Ferkel zur Zeit der Entwöhnung
physiologisch nicht in der Lage, in derselben Weise wie ausgewachsene Schweine Antikörper
zu erzeugen. In dieser Zeit, d. h. im Alter von 5 bis 10 Wochen bzw. im Alter von
weniger als 3 Monaten, sind sie in der Lage, eine anhaltende Infektion mit Schweinecholeravirus
aufrechtzuerhalten, wenn sie mit geschwächten Schweinecholeraviren geimpft werden.
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Die geschwächten Viren werden vorzugsweise intramuskulär injiziert,
obgleich im allgemeinen auch eine parenterale Injektion geeignet ist.
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Erfindungsgemäß wird das nichtimmune Schwein nach dem Impfen mit
geschwächtem Virus mit einer für das normale Wachstum ausreichenden Menge Futter,
z. B. einem handelsüblichen Standardschweinefutter, d. h. hauptsächlich mit Milchersatzstoffen,
gegefüttert. Dem Futter wird vorteilhaft eine kleine Menge Oxytetracyclin (Antibiotikum)
beigemischt. Diese Fütterung ist gewöhnlich bei entwöhnten Schweinen bequemer, obwohl
das Verfahren auch auf nichtentwöhnte Ferkel angewendet werden kann. Schweine werden
gewöhnlich entwöhnt, wenn sie 5 bis 6 Wochen altsind.
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Nach der Impfung soll die Temperatur des Schweins periodisch gemessen
werden, um das Ausmaß des Anstiegs über den Normalwert festzustellen, da dies ein
Kriterium für das Stadium der Virusinfektion ist.
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Wie bekannt, kann man ungefähr 3 bis 5 Tage oder länger nach der Impfung
eine merkliche Fieberreaktion beobachten, wobei die Temperatur des Tieres gewöhnlich
von einem Normalwert von ungefähr 38,9"C auf einen Maximalwert von ungefähr 41"C
ansteigt. Die Temperatur des Tieres bleibt 3 bis 5 Tage oder länger auf diesem hohen
Wert und geht dann auf den Normalwert zurück, wenn das geimpfte Schwein keine anhaltende
Virusinfektion ausbildet, z.B. ein Schwein, das älter als 3 Monate ist. Dagegen
geht die Temperatur bei einem Schwein, das für die Ausführung des Verfahrens der
Erfindung geeignet ist, am Ende der Periode der hohen Temperatur nicht sofort auf
den Normalwert zurück, sondern fällt auf einen Zwischenwert. Auf diesem Wert bleibt
sie mehrere Tage.
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Während dieser Periode hat das Schwein eine anhaltende Virusinfektion,
die von einer akuten Virusinfektion zu unterscheiden ist.
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Obwohl die Reaktion von Tier zu Tier etwas verschieden sein kann,
tritt der Temperaturabfall auf den Zwischenwert gewöhnlich innerhalb von ungefähr
8 bis 10 Tagen nach dem Beginn des Fiebers ein, d. h. etwa 11 bis 15 Tage nach der
Impfung, und kann in
manchen Fällen bis zu 6 Wochen anhalten. Die genaue Dauer der
intermediären Fieberreaktion kann natürlich leicht durch Messung der Temperatur
des Tieres bestimmt werden. Gewöhnlich wird während dieser Zeit eine 0,55 bis 1,1"C
über dem Normalwert liegende Temperatur, d. h. eine Temperatur von ungefähr 39,4
bis 40"C, beobachtet. Die überraschende Tatsache ist, daß die Virusinfektion längere
Zeit erhalten bleiben kann, ohne das Tier zu töten. Bisher wurde allgemein angenommen,
daß das Tier eingeht, wenn es die Infektion nicht innerhalb von 3 Wochen vollständig
überwindet.
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Auf der nächsten Stufe des Verfahrens werden die nichtvirulenten,
lebenden Schweinecholeraviren während der Periode der anhaltenden Virusinfektion,
d. h., wenn die Temperatur des Schweins auf den Zwischenwert gefallen ist, entnommen,
vorzugsweise, ohne das Tier zu töten. Dies kann durch Entnahme einer unschädlichen
Blutmenge geschehen. Gewöhnlich werden die besten Blutproben in der 4. und 5. Woche
nach dem Impfen gewonnen, obwohl man die Proben auch in der 3. und 6. Woche entnehmen
kann. Die Tiere können aber auch geschlachtet werden, wobei die Viren dann aus dem
gesamten Blut oder aus anderen Gewebeteilen, z. B. aus der Milz, gewonnen werden.
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Die Gewichtszunahme der geimpften Schweine wird durch periodisches
Wiegen festgestellt und mit der Gewichtszunahme von gleichaltrigen Schweinen aus
der gleichen Zucht verglichen. Gewöhnlich nehmen 5 bis 10 Wochen alte Schweine um
etwa 1,8 bis 2,25 kg je Woche zu, wenn man sie mit ausreichendem Futter für normales
Wachstum versorgt. Wenn das Gewicht des Schweins, besonders während der Periode
der anhaltenden Virusinfektion, nicht normal zunimmt, so ist dies ein Zeichen dafür,
daß der zum Impfen des Schweins verwendete Virusstamm wieder stärker virulent geworden
ist und deshalb zur Herstellung eines Impfstoffes gegen die Schweinecholera nicht
verwendet werden kann. Dagegen ist eine normale Gewichtszunahme ein direktes Anzeichen
dafür, daß der in dem Tier immer noch vorhandene Virusstamm nichtvirulent ist.
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Der Virulenzgrad der erfindungsgemäß erhaltenen Schweinecholeraviren
kann weiterhin dadurch getestet werden, daß man sie einem nichtimmunen ausgewachsenen
Schwein injiziert und die relative Schwere der resultierenden Symptome von Schweinecholera
beobachtet. Diese Methode zeigt klar, daß das Verfahren gemäß der Erfindung zur
Feststellung der Stabilität und Nichtvirulenz eines geschwächten Stamms des Schweinecholeravirus
gut geeignet ist.
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Die erfindungsgemäß erhaltenen Schweinecholeraviren können direkt
zur Herstellung von Impfstoffen verwendet werden; sie können aber auch in an sich
bekannter Weise weitergezüchtet werden, insbesondere durch Vermehrung in Kaninchen
oder Schweinen (vgl. USA.-Patentschrift 2 594 180).
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Das Verfahren gemäß der Erfindung wird durch das nachstehende Beispiel
erläutert.
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Beispiel Ein abgeschwächter Schweinecholeravirus wurde durch 15 Kaninchenreiheripassagen
hergestellt, wie es in Proc. Soc. Exptl. Biol. Med., 63 (1946), S. 183 bis 187,
beschrieben ist. Nach 15 Reihenpassagen wurde die Milz der Kaninchen gewogen und
in eine 10prozentige Suspension übergeführt; jedes Versuchsschwein wurde mit einem
Kubikzentimeter dieser
Suspension intramuskulär in den rechten Oberschenkel
geimpft. Danach wurden täglich die Temperaturen gemessen und die Gewichte wöchentlich
bestimmt. Vor und nach der Impfung wurden in wöchentlichen Abständen 5 ccm Blut
aus der vorderen Vena Cava jedes Schweines entnommen und in einem Erlenmeyerkolben
mittels Glaskugeln defibriert. Von jeder defibrierten Probe wurde 1 ccm in mehrere
Glasröhrchen aufgeteilt, und diese wurden dann auf Trockeneis aufbewahrt.
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Bei den verwendeten Schweinen handelte es sich durchweg um entwöhnte,
nichtimmune Ferkel aus der Nachkommenschaft nichtimmuner Säue; die Ferkel waren
zur Zeit der Impfung 6 bis 8 Wochen alt. Sie wurden mit einem für normales Wachstum
ausreichendem Futter, das auch eine kleine Menge Terramycin enthielt, gefüttert.
Die Temperatur- und Gewichtsmessungen zeigten, daß die Schweine innerhalb von 4
Wochen nach der Impfung eine annähernd nonnale Gewichtszunahme von wöchentlich 1,8
bis 2,3 kg hatten, eine anhaltende Virusinfektion bekommen hatten, die sich durch
einen Temperaturwert zwischen der Maximaltemperatur und der Normaltemperatur äußerte.
Diese Temperaturwerte schwankten etwas von Tier zu Tier. Ein Schwein erreichte 9
Tage nach der Impfung eine Maximaltemperatur von 40,4° C.
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Nach 14, 21 und 28 Tagen wurden diesem Schwein Blutproben entnommen;
dazu wurden jeweils Temperaturen von 38,9, 39,6 und 39,9°C gemessen. Ein anderes
Schwein zeigte am 8. Tag nach der Impfung eine Maximaltemperatur von 41,7°C, die
am 14. Tag auf 40,7°C, am 21. Tag auf 40,1°C und am 28. Tag auf 40,0°C abfiel.
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Die Tatsache, daß viele Tiere trotz anhaltender Virusinfektion eine
normale Gewichtszunahme hatten, deutet stark darauf hin, daß das Virus nicht nur
geschwächt, sondern auch stabilisiert ist und nicht mehr virulent wird. Dieser Schluß
läßt sich durch einen weiteren Test stützen, bei dem Blutproben wie folgt verglichen
werden: Es wurde eine Blutprobe eines Schweins aufgetaut, in eine 10prozentige Suspension
übergeführt und 1 ccm davon intravenös in ein Kaninchen eingeimpft.
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Nach 5 Tagen wurde das Kaninchen getötet, seine Milz entfernt, gewogen
und in eine 10prozentige Suspension übergeführt. Mit dieser Suspension wurde ein
für Schweinecholera empfängliches Schwein geimpft. Zusätzlich wurden Kaninchen geimpft,
um die Möglichkeit der Erhaltung des Virus in Kaninchen zu bestimmen. Die Stabilität
des Virus als Impfstoff wurde durch die Temperaturreaktion in dem geimpften Schwein
und durch die nachfolgende Ausbildung einer Immunität bei Einimpfung von virulentem
Virus, das Kontrollschweine tötete, bestimmt.
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Mit Hilfe dieser Methode können die am stärksten geschwächten, am
wenigsten virulenten und stabilsten Stämme des Schweinecholeravirus ausgewählt werden.
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Die ausgewählten Stämme werden dann zur Herstellung eines Impfstoffes
nach dem nachstehenden Verfahren verwendet.
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Zur Herstellung des Impfstoffes wurden Kaninchen mit nichtvirulenten
Viren geimpft. 5 Tage nach dem Impfen wurden die Kaninchen getötet; die Leber, die
Milz, die Nieren, Lungen und das Blut wurden entfernt, miteinander vereinigt und
in einem Waring-Mischer mit einer Rohrzucker-Glutamat-Albumin-Pufferlösung mit der
nachstehenden Zusammensetzung zu einer 10prozentigen Lösung verarbeitet.
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Zusammensetzung der Rohrzucker-Glutamat-Albumin-P uffer-Lösung Rohrzucker,
C. F. ............ 74,621 g Monokaliumphosphat ......... 0,517 g Dikaliumphosphat
.......... 1,254 g Monokalium-1-glutamatmonohydrat ................ 0,956 g Rinderalbumin
............... 10,0 g Destilliertes Wasser q. s 1000 ccm Die Lösung wurde durch
ein Seitzfilter filtriert und auf 4 bis 6"C abgekühlt.
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Die Suspension wurde in Mengen von 2 ccm in Gläschen verteilt, eingefroren
und in gefrorenem Zustand getrocknet. Das getrocknete Material stellt den Impfstoff
dar und wird zur Anwendung bei Schweinen mit 2 ccm destilliertem Wasser versetzt
und intramuskulär eingespritzt.