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Verfahren zur Herstellung von Kernreaktor-Regelstäben Die Erfindung
bezieht sich auf ein Verfahren zur Herstellung von Regelstäben von hoher Festigkeit
für Kernreaktoren.
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In Kernreaktoren wird ein durch Neutronen spaltbares Isotop, z. B.
U233, U235 oder PU239 oder Gemische derselben, einer Spaltung durch Absorption
von Neutronen zugeflührt und eine sich selbst erhaltende Reaktion durch bei der
Spaltung freigesetzte Neutronen herbeigeführt. Kernreaktoren weisen im allgemeinen
Körper aus Massen auf, die ein solches spaltbares Material enthalten, z. B. natürliches
Uran, das mit einem neutronenabbremsenden, d. h. moderierenden Material eng
verbunden ist, welches die Neutronen auf thermische Energie verlangsamt. Ein solches
Bremsmittel wird als Moderator bezeichnet. Leichtes und schweres Wasser, Kohlenstoff
und Beryllium sind Beispiele von geeigneten Moderatorwerkstoffen.
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Ein wirksames Verfahren zur Regelung oder Steuerung von Kernreaktoren
besteht darin, Regelstäbe aus einem Material mit einem hohen Neutronenabsorptionsvermögen
in den Reaktorkern hinein-bzw. aus diesem herauszubewegen. Ferner besteht ein bekanntes
Verfahren zur Beendigung der Kernreaktion in Notfällen darin, einen oder mehrere
neutronenabsorbierende Sicherheits- oder Notabschaltstäbe schnell in den Reaktor
hineinzubewegen. Zur Korrektur kleiner Veränderungen in der Reaktivität des Kernreaktors
wird ein Regelstab langsam in den Reaktorkern hinein- bzw. aus diesem herausbewegt.
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Bei der Auswahl der zur Herstellung von Regelstäben für Kernreaktoren
geeigneten Metallen und Legierungen muß mehreren metallurgischen, mechanischen und
physikalischen Erfordernissen hinsichtlich der Konstruktion sorgfältig Rechnung
getragen werden. Die Haupterfordernisse können im wesentlichen wie folgt zusammengefaßt
werden: 1 . ein hoher Gesamtneutronenabsorptionsquerschnitt und ein geringstmöglicher
Verlust an Absorptionsvermögen bei längerer Bestrahlung; 2. Stabilität der Gitterstruktur
unter Neutronenbestrahlung, so daß ein einwandfreier Reaktorbetrieb gewährleistet
ist; 3. hohe Korrosionsfestigkeit bei Verwendung in Druckwasser von hoher
Temperatur; 4. praktisch keine Wärmeverformung bei ungleichmäßiger Temperaturverteilung
während des Reaktorbetriebs; 5. ausreichende mechanische Festigkeit und Dehnbarkeit,
so daß sie bei Notabschaltungen während des Betriebs beständig bleiben;
6. eine ausreichende Dauerstandfestigkeit, um eine Verwindung durch den Kühlmitteldruck
bei einer Abweichung vom Mittelwert zu verhindern, wenn die Stäbe im Stabkanal nicht
genau ausgefluchtet sind.
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Gegenstand des älteren Patents 1062 839 ist ein Neutronen absorbierendes,
aus einer Silberlegierung bestehendes Kontroll- oder Regelglied für einen Kernreaktor.
Die gemäß diesem Patent zu verwendende Legierung kann eine binäre Legierung aus
Silber und Indium, eine ternäre Legierung aus Silber, Indium und Cadmium oder aus
Silber, Indium und Zinn oder eine quaternäre Legierung aus Silber, Indium, Cadmium
und Zinn sein und besteht aus 65 bis 85 Gewichtsprozent Silber, 2
bis 20 Gewichtsprozent Indium, 0 bis 10 Gewichtsprozent Cadmium,
0 bis 5 Gewichtsprozent Zinn und 0 bis 1,5 Gewichtsprozent
Aluminium, wobei sich der Mengenanteil jeder Komponente bei der Herstellung der
Legierung bestimmt nach der Gleichung X+ 2Y+ 3Z+ 3W+ 4V= 1,4 und weniger,
worin X, Y, Z, W und V die Atomanteile (atomare Mengenanteile) der
Elemente Silber, Cadmium, Indium, Aluminium bzw. Zinn bedeuten. Die binären Legierungen
aus Silber und Indium enthalten etwa 80 bis 85-Gewichtsprozent Silber und
15 bis 20 Gewichtsprozent Indium. In der obigen Gleichung soll der Wert der
rechten Seite vorzugsweise
1,4 betragen. Jedoch ist dieser Wert
infolge der verschiedenen metallurgischen und anderen Probleme, die bei der Herstellung
von Legierungen der erwähnten Art auftreten, manchmal etwa 1,3. Auch derartige
Legierungen liefern zufriedenstellende Ergebnisse.
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Wenn Aluminium zugesetzt wird, so tritt es an Stelle von Indium mit
gleichen Atomteilen, oder es ersetzt das Cadmium auf der Grundlage von
1,5 Atomen Cadmium je Atom Aluminium, oder es ersetzt Silber auf der
Grundlage von 3 Atomen Silber je Atom Aluminium.
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Regelstäbe-aus Legierungen gemäß Patent 1062 839
haben eine
Streckfestigkeit (bei 0,2010 Verlängerung) von etwa 7,73 bis etwa
8,86 kg/mm2 und sind für in der Industrie verwendete Leistungsreaktoren,
z. B. für Druckwasserreaktoren, zufriedenstellend.
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Bei Leistungsreaktoren für militärische Zwecke und für die Marine
bestehen jedoch zusätzliche und strengere Anforderungen hinsichtlich der Festigkeit
der in den Leistungsreaktoren verwendeten Regelstäbe. So müssen z. B. Regelstäbe
für Neutronenreaktoren, die flür den Antrieb von Unterseebooten bestimmt sind, in
der Lage sein, hohen Stoßbelastungen Widerstand zu leisten, die beispielsweise infolge
einer in der Nähe stattfindenden Explosion von Unterwasserbomben auftreten können.
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Für den sicheren Betrieb unter den vorgenannten Bedingungen müssen
-die Regelstäbe eine Streckfestigkeit haben, die höher ist als 7,03 kg/MM2
und vorzugsweise mehr als 10,55 kg/mM2 bei Temperaturen zwischen etwa
288 und 316' C beträgt. Hieraus ergibt sich, daß die Streckfestigkeit
der Regelstäbe gemäß Patent 1062 839 für Reaktoren, die für militärische
Zwecke bestimmt sind, nicht ausreicht.
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Es müssen daher Regelstäbe zur Verfügung stehen, deren Streckfestigkeit
über etwa 10,55 kg(MM2 bei Temperaturen zwischen etwa 288 und
316' C beträgt und die gleichzeitig den vorstehend aufgezählten metallurgischen,
mechanischen und physikalischen Anforderungen hinsichtlich derKonstruktion genügen.
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Es wurde nun gefunden, daß die mechanische Festigkeit der Legierungen
gemäß Patent 1062 839
dadurch wesentlich verbessert werden kann, daß der Legierung
eine sehr feine und gleichmäßig verteilte Metalloxyddispersion einverleibt wird.
Dabei wird die erhöhte mechanische Festigkeit erreicht, ohne daß die anderen erwünschten
Eigenschaften der Legierungen nachteilig beeinflußt werden, die sie als Werkstoffe
zur Herstellung von Regelstäben besonders geeignet machen.
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Das erfindungsgemäße Verfahren zur Herstellung von Kernreaktor-Regelstäben
hoher Festigkeit, die aus einer Metallegierung der Zusammensetzung 65 bis
85 Gewichtsprozent Silber, 2 bis 20 Gewichtsprozent Indium, 0 bis
10 Gewichtsprozent Cadmium, 0 bis 5 Gewichtsprozent Zinn und
0 bis 1,5 Gewichtsprozent Aluminium bestehen, in der die Komponenten
in solchen Mengenverhältnissen vorliegen, daß die Atombruchteile X für Silber, Y
für Cadmium, Z für Indium, W für Aluminium und V für Zinn der Gleichung
X+ 2Y4 3Z+ 3W+ 4V= 1,4 oder weniger genügen, besteht darin, daß die
Teilchen der in Pulverform dargestellten Legierung auf der Oberfläche einen dünnen
Metalloxydüberzug erhalten und darauf zusammengesintert werden. Zweckmäßig wird
zuerst ein Block aus der gewünschten Legierung hergestellt. Aus dem Block werden
oben und unten Proben entnommen und untersucht, ob die Legierung homogen ist. Durch
diese Vorsichtsmaßnahme wird die Homogenität der nachfolgend hergestellten feinverteilten
Teilchen sichergestellt.
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Zur Herstellung der Legierung werden in einem Graphitschmelztiegel
die gewünschten Anteile der Legierungsbestandteile mit Hilfe eines Induktionsofens
geschmolzen, wobei, um eine Oxydation der Legierungsbestandteile während des Schmelzvorgangs
zu verhindern, vorzugsweise eine Schutzschicht aus kalzinierten Koksteilchen auf
die Oberfläche der schmelzflüssigen Masse aufgebracht wird. Die Blöcke der Legierung
werden durch unmittelbares Vergießen aus dem Boden des Schmelztiegels in eine Form
hergestellt.
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Hierauf wird aus dem Block feinteiliges Pulver hergestellt, das einer
Oxydation unterzogen wird, so daß sich auf den einzelnen Metallteilchen ein dünner,
stark haftender Oxydfilm bildet, Zur weiteren Erläuterung der Erfindung wird auf
die Zeichnung Bezug genommen, die eine schematische Darstellung einer Zerstäubungsvorrichtung
ist.
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Ein vorher hergestellter Block aus der gewünschten Legierung wird
in einem Induktionsofen geschmolzen und in einen Gießofen 10 übergeführt,
welcher mit einer Induktionsbeheizung versehen ist, um die Legierungsmasse 12 in
schmelzflüssigem Zustand zu halten. Die schmelzflüssige Legierungsmasse 12 tritt
aus dem Gießofen 10 durch eine Düse 14 aus, deren Innendurchmesser
6,35 mm beträgt. Es kann gegebenenfalls mehr als eine Düse verwendet werden.
Die schmelzflüssige Legierungsmasse 12 wird bei ihrem Austritt aus der Düse 14 durch
einen Wassersprühstrahl 16 zerkleinert oder zerstäubt, der auf den feinen
Strahl der schmelzflüssigen Legierungsmasse bei ihrem Austritt aus der Düse 14 gerichtet
wird. Der schmelzflüssige Strahl wird dabei durch den Wasserstrahl in feinverteilte
Teilchen oder pulverförmig zerstäubt. Beim Abkühlen des feinverteilten Metallpulvers
bildet sich ein dünner, stark haftender Oxydfilm auf der Oberfläche der feinverteilten
Metallegierungsteilchen.
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Der Wassersprühstrahl 16 wird dadurch erzeugt, daß Wasser einer
sich drehenden Scheibe 18 durch eine hohle Spindel 20 zugeführt wird. Die
Scheibe 18
wird mit einer Geschwindigkeit von etwa 6000 U/min in Drehung
versetzt, wobei das Wasser durch eine Düse 22 austritt, so daß ein Wasserstrahl
von ausreichender Kraft für das Aufbrechen oder Zerstäuben der schmelzflüssigen
Legierungsmasse in feinverteilte Teilchen erzeugt wird. Das Wasser aus dem Wasserstrahl
und das feinverteilte Metallpulver werden aus der Vorrichtung mit Hilfe einer Leitung
24 entfernt und zu einer Entwässerungseinrichtung geleitet.
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Die mit Wasser benetzten Metallteilchen werden in Tuchsäcken gesammelt
und getrocknet, wobei eine beträchtliche Menge Wasser abgeführt wird. Das erhaltene
feuchte Metallpulver wird dann aus den Säcken entnommen und auf einem beheizten
Rüttelförderer weitergetrocknet.
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Durch das vorangehend beschriebene Verfahren wird die schmelzflüssige
Legierungsmasse nicht nur zu feinverteilten Teilchen oder Pulver zerkleinert, sondern
es wird auch, wie erwähnt, auf den Oberflächen
der einzelnen Teilchen
beim Abkühlen ein dünner, stark haftender Metalloxydfilin gebildet. Der auf diese
Weise gebildete Oxydfilrn verhindert eine weitere Oxydation der Metallegierung bei
der Weiterbehandlung. Der auf den einzelnen Teilchen gebildete dünne Metalloxydfilm
ist ausreichend. Jede weitere Oxydation der Teilchen ist nicht erforderlich. Wenn
jedoch eine weitere Oxydation gewünscht wird, so kann dies zweckmäßig dadurch erreicht
werden, daß das Pulver in einer oxydierend wirkenden Atmosphäre bei Temperaturen
von etwa 300 bis 600' C erhitzt wird, wobei das Pulver vorzugsweise
durch Umrühren in ständiger Bewegung gehalten wird, damit eine gleichmäßige Oxydation
der einzelnen Teilchen erfolgt.
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Die in dem oxydierten Pulver vorhandene Sauerstoffmenge beträgt etwa
0,2 Gewichtsprozent, und zwar in Form von Oxyden der Metallegierung. Es ist vorteilhaft,
daß der Sauerstoffgehalt in Form von Oxyden mit einer Menge von etwa 0,1
bis 0,3 Gewichtsprozent vorhanden ist.
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Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens können auch andere dem Fachmann
bekannte Verfahren zur Herstellung eines oxydierten Metallpulvers angewendet werden.
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Die getrockneten Metallteilchen, die einen dünnen, stark haftenden
Oxydfilm auf ihrer Oberfläche tragen, werden durch Sieben klassiert, wobei alle
diejenigen Teilchen, die durch ein Sieb von 0,149 mm Maschenweite hindurchgehen,
zur Herstellung der Regelstäbe verwendet werden. Gröbere Teilchen, beispielsweise
solche, die durch Sieb mit 0,25 mm Maschenweite hindurchgehen, können gegebenenfalls
auch verwendet werden. Es ist jedoch vorzuziehen, ein Pulver von einer Korngröße
von 0, 149 mm und darunter zu verwenden.
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Das Metallpulver wird in ein massives Graphitgesenk von der gewünschten
Größe und Form gebracht und zu einem gesinterten Knüppel warmgepreßt. Das zylindrische
massive Graphitgesenk wird durch ein Metallgehäuse gelagert, wobei zur Herstellung
zylindrischer gesinterter Knüppel obere und untere Endstempel verwendet werden.
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Das Graphitgesenk wird auf eine Temperatur von etwa 593 bis
649' C erhitzt und auf dieser Temperatur während des Warmpreßvorgangs gehalten.
Während des Warmpreßvorgangs kommen Drücke von etwa 19 bis 31,5 kg/MM2
zur Anwendung. Es können gegebenenfalls auch höhere oder niedrigere Drücke verwendet
werden. Für die Zwecke der Erfindung haben sich Drücke von etwa 23,5 kg/MM2
als zufriedenstellend erwiesen. Bei diesen Drücken wurden gesinterte Knüppel mit
einer Dichte von etwa 960/0 (theoretisch) erhalten. Nach dem Warmpressen wird der
gesinterte Knüppel aus dem Gesenk herausgenommen und auf Raumtemperatur abgekühlt.
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Die zur Verwendung in Kernreaktoren bestimmten Regelstäbe werden sodann
aus den gesinterten Knüppeln hergestellt. Falls erforderlich, können die Oberflächen
der gesinterten Knüppel auf die erforderliche Form und Größe bearbeitet werden.
Die gesinterten Knüppel werden auf hohe Temperaturen erhitzt und zu Regelstäben
von der gewünschten Größe und Gestalt mechanisch verarbeitet.
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Warmstrangpressen ist das bevorzugte Verfahren zur Herstellung der
Regelstäbe. Die gesinterten Knüppel werden auf Temperaturen von etwa 649 bis
705' C während einer Dauer von mindestens 2 Stunden erhitzt und dann in Regelstäbe
von der gewünschten Form stranggepreßt. Um den fertigen Regelstab auf die gewünschte
Maßgenauigkeit zu bringen, ist nur eine sehr geringe Bearbeitung erforderlich. Durch
das bevorzugte Verfahren werden Regelstäbe von hoher Dichte und Festigkeit erhalten,
die rissefrei sind und eine sehr hohe Oberflächengüte aufweisen.
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Der Fachmann wird ohne weiteres in der Lage sein, andere Verfahren
zur Herstellung der gesinterten Knüppel auszuarbeiten. Beispielsweise kann der Knüppel
durch Kaltpressen des Metallegierungspulvers und darauffolgendes Sintern des Kaltpreßlings
hergestellt werden, oder es kann das Metalllegierungspulver erhitzt und im Strangpreßbehälter
vor dem Strangpreßvorgang verdichtet werden. Aus den nach den beschriebenen Verfahren
erhaltenen gesinterten Knüppeln können zufriedenstellende stranggepreßte Regelstäbe
hergestellt werden.
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Die Knüppel werden mit einem Strangpreßverhältnis von mindestens
10 : 1 und vorzugsweise 20 : 1 und höher stranggepreßt. Zufriedenstellende
Strangpreßvorgänge wurden unter Anwendung eines Strangpreßverhältnisses von
13: 1 und höher durchgeführt. Gleichmäßig zufriedenstellende Ergebnisse wurden
bei Anwendung eines Strangpreßverhältnisses von 25: 1 erzielt. Unter Strangpreßverhältnis
ist hier das Verhältnis der ursprünglichen Querschnittsfläche des Knüppels zur endgültigen
Querschnittsfläche des Strangpreßlings zu verstehen. Beim Warrnpressen und Strangpressen
brechen die Oxydfilme in feine, längliche Oxydteilchen auf, welche um die Korngrenzen
herum gleichmäßig dispergiert sind.
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Der Strangpreßling kann als solcher verwendet werden. Es ist jedoch
vorzuziehen, diesen einer Homogenisier- oder Glühbehandlung während eines Zeitraums
von etwa 1 bis 4 Stunden bei Temperaturen von etwa 498,9 bis 701,7' C
zu unterziehen. Durch die. Glühbehandlung wird ein rekristallisiertes Material von
feiner und gleichmäßiger Korngröße erhalten.