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Enthaaren und bzw. oder Beizen von tierischen Häuten Die Erfindung
betrifft das Enthaaren und bzw. oder Beizen von tierischen, zur Lederherstellung
bestimmten Häuten.
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In der Gerberei werden zum Beizen von Häuten derzeit bestimmte Enzympräparate
verwendet. Beim Beizen werden bekanntlich die unerwünschten Proteine sowie Keratinreste,
die aus Haarwurzeln, verschiedenen Drüsen usw. stammen, gelöst.
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Die hierfür verwendeten proteolytischen Enzyme, besonders die Pankreasenzyme,
machen vor der eigentlichen Beize eine Enthaarung der Häute notwendig. Diese Enthaarung
wird im allgemeinen durchgeführt, indem dieHäute einerBehandlung mitKalk und Alkalisulfiden
unterworfen werden. Die Enthaarung selbst ist eine ziemlich lang dauernde Operation,
die oft von einer Fäulnis und einer Schädigung des Kollagens durch die normalerweise
auf den Häuten vorhandene Mikroflora begleitet wird und somit schließlich zu einer
Lederschädigung führt.
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Die Erfindung bezieht sich auf die Verwendung eines thermolabilen
Komplexes von wahrscheinlich enzymatischer Natur, der von bestimmten Arten Stroptomyces
abgeschieden wird, zum Enthaaren und bzw. oder Beizen von tierischen Häuten.
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Es ist bekannt, daß die Streptomyces in ihren Kulturmedien Substanzen
abscheiden, deren abbauende Wirkung sich dadurch äußert, daß Suspensionen lebender,
grampositiver Bakterien, wie Mikrococcus pyogenes aureus, der eine staphylolytische
Wirkung besitzt, Streptococcus pyogenes, der eine streptolytische Wirkung besitzt,
und Streptococcus pneumoniae, der eine pneumolytische Wirkung besitzt, geklärt werden.
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Es wurde nun gefunden, daß über diese actinomycetinartigen antibiotischen
Wirkstoffe, die besonders im Filtrat aktiver Kulturen des Streptomyces albus G auftreten,
hinaus neben einem weiteren schon bekannten caseinolytischen Wirkstoff zwei andere,
deutlich abbauende Wirkstoffe existieren, welche eine Hydrolyse von Keratin bzw.
eine starke Abschuppung der Epidermis bewirken. Die drei letztgenannten Wirkstoffe
sind der Grund der caseinolytischen, keratinolytischen und enthaarenden Wirkungen.
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Diese verschiedenen Wirkstoffe können regelmäßig und auf reproduzierbare
Weise aus Kulturen verschiedener Streptomyces bei 28° C unter Tauchbedingungen und
unter Rühren erhalten werden; z. B. in 1-1-Flaschen, die 250 oder 500 ccm eines
wässerigen Mediums enthalten, die 1% Pepton, 0,2% Natriumnitrat, 0,05 %Kaliumchlorid,
0,1 a/o Dikaliumphosphat, 0,08% Magnesiumsulfat-heptahydrat und 0,003 °% Kobaltnitrat-hexahydrat
enthält, wobei 60 bis 70 Stunden bei 100 bis 120 Umdrehungen des Gefäßes pro Minute
gerührt wird und die Kulturen, die dann eine maximale Wirkung . zeigen, anschließend
filtriert werden.
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Auf Grund dieser Versuche wurde festgestellt, daß sich die Streptomycesstämme
verschiedener Herkunft untereinander unterscheiden, und zwar ebenso durch die bakteriolytische
Wirksamkeit als auch durch die durch sie abgeschiedenen caseinolytischen, keratinolytischen
und enthaarend wirkenden Wirkstoffe.
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Man hat sich daher bemüht, Häufigkeit und Menge, mit der diese verschiedenen
wirksamen Stoffe im Filtrat der Kulturen vorkommen, vorher zu bestimmen.
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Es wurde so eine Reihe von achtundachtzig Streptomycesstämmen, die
aus verschiedenen natürlichen Substraten isoliert wurden, untersucht und gefunden,
daß wenigstens dreiundsechzig Stämme von ihnen eine der drei bakteriolytischen Wirkungen
zeigen und unter den fünfundzwanzig Stämmen ohne bakteriolytische Wirkung sechs
Actinomycin bildeten. Bezüglich der drei abbauenden Wirkstoffe, die am- Enthaaren
und bzw. oder Beizen der Häute teilnehmen können, wurden unter den gleichen achtundachtzig
Stämmen neunundfünfzig gefunden, die den caseinolytischen Stoff, fünfundsiebzig,
die den keratinolytischen Stoff, und fünfundsechzig, die den enthaarend wirkenden
Stoff abschieden. Drei Stämme schieden keinen der drei letztgenannten Wirkstoffe
aus.
Unter den beschriebenen Bedingungen entwickelten elf Stämme
nur einen und vierunddreißig Stämme zwei der drei Wirkstoffe; vierzig Stämme entwickelten
alle drei Stoffe gleichzeitig. Wie aus der unten stehenden Tabelle entnommen werden
kann, scheidet der größte Teil der achtundachtzig geprüften Stämme wenigstens einen
und sogar zwei oder drei der Wirkstoffe ab, die zum Enthaaren und bzw. oder Beizen
der Häute geeignet sind.
Wirkstoff |
zwei alle drei |
(Casein -h |
einer allein Keratin -I- Casein -I- Casein -f- Keratin -f-
Summe keinen |
enthaarend enthaarend Keratin enthaarend) |
Aktivität |
caseinolytisch 2 - |
' 5 12 40 59 |
keratinolytisch 6 17 - 12 40 75 |
enthaarend 3 17 5 - 40 65 |
11 i 34 40 I 3 |
- 88 |
Wenn es auch im allgemeinen möglich ist, die meisten Streptomycesstämme zur Behandlung
der Häute vor der Gerbung zu .verwenden, so sollen doch diejenigen ausgewählt werden,
welche gleichzeitig ein Maximum an caseinolytischer, keratinolytischer und enthaarender
Wirkung aufweisen; diese kann man z: B. durch die nachfolgenden Verfahren ermitteln.
-Zur Feststellung der caseinolytischen Wirksamkeit erwärmt man 0,75 ccm des Filtrates
der Streptomyceskultur auf
37' C und fügt 0,5 ccm einer ebenfalls auf
37' C erwärmten 0,2molaren K2 H P 04 Lösung und 1,25 ccm einer 0,60/eigen
wässerigen Caseinlösung einer Temperatur von
37' C zu. Die Caseinlösung wird
dazu durch Lösen in alkalischem Medium und anschließende Neutralisation gewonnen.
Nach einer Inkubationszeit von 5 Minuten bei
37' C werden 0,5 ccm der Mischung
abgezogen und zu 4,5 ccm einer 1o/oigen Lösung von Trichlöressigsäure zugegeben;
anschließend wird 30 Minuten bei Raumtemperatur stehengelassen. Durch Bestimmung
der Trübung, die der nicht hydrolisierten Menge an Casein proportional ist, erhält
man so ein direktes Maß der caseinolytischen Wirksamkeit.
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Um die keratinolytische-Wirksamkeit festzustellen, werden zu 1 ccm
des auf 37' C erwärmten Filtrates der Streptomyceskultur 4 ccm einer ebenfalls
auf 37' C erwärmten wässerigen Suspension von Keratin zugegeben, wobei deren
Konzentration so bemessen ist, daß die entstehende Trübung etwa einer absoluten
Trübung von 0,142 entspricht. Man bestimmt nun die nach 90 Minuten Inkubationszeit-bei
37' C erfolgte prozentuale Abnahme der Trübung.
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Das für diesenVersuch verwendeteKeratin stammte aus Hühnerfedern und
wurde gemäß des in J. of. Phys. a. Coll. Chem., 1948, 52, S. 180, beschriebenen
Verfahrens hergestellt. -Die caseinolytische und keratinolytische Wirksamkeit der
Stämme kann wie folgt klassifiziert werden: Keine Wirksamkeit: = " Abnahme der Trübung
weniger als 5 0/0. Mittlere Wirksamkeit: Abnahme der Trübung 5 bis 20 %. Starke
Wirksamkeit: Abnahme der Trübung 21 bis 40 %. Sehr starke Wirksamkeit: Abnahme der
Trübung mehr als 40 %.
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Zur Bestimmung der enthaarenden Wirkung wird -bei Zimmertemperatur
1 ccm des Filtrates der Streptomyceskultur in ein Reagenzrohr-aus dickem Glas, das
einen Durchmesser von etwa 12 mm und eine Höhe von 180 mm besitzt, gegeben. Dieses
Glasrohr wird mittels eines frischen, aus einer Kalbshaut von 5 bis 6 kg Gewicht
ausgeschnittenen Hautstückes verschlossen. Dabei wird die Fleischseite gegen das
Innere des Rohres gelegt, die Haut über die Öffnung des Glases gespannt und dann
beispielsweise mittels eines Metallringes befestigt. Das Glasrohr wird nun umgedreht
und in einem auf 371 C gehaltenen Raum eingehängt. Nach 15 Stunden wird das
Ausmaß der Zone abgeschätzt, bei der die Epidermis durch einen einfachen auf die
Haare ausgeübten Zug von der Lederhaut abgezogen und hierdurch die Lederhaut ohne
Beschädigung bloßgelegt werden kann.
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Die enthaarende Wirksamkeit der Stämme kann in folgender Weise klassifiziert
werden:
Enthaarung der Hautoberfläche, |
Aktivität die mit dem Filtrat der Kultur |
in Kontakt steht |
Keine ........: keine |
Mäßig ......... teilweise |
Stark ........ total |
Sehr stark ..... total, sich auch noch unter den |
Metallring erstreckend |
Diejenigen Streptomycesstämme, die sich nach den genannten Verfahren auf Grund der
Anzahl und der Stärke ihrer zur Behandlung von Häuten brauchbaren Wirkungen als
am geeignetsten erwiesen haben, können in technischem Maßstabe durch Züchtung dieser
Streptomyces in einem geeigneten Kulturmedium erhalten werden, z. B. entsprechend
dem oben angegebenen Verfahren in Behältern von beispielsweise 100 oder 5001 bei
geeigneter Belüftung. Diese kann z. B. bewirkt werden, indem bei einem konstanten
Überdruck von etwa 0,5 kg/cm2 ein etwa ein Fünftel des Volumens der Kultur entsprechendes
Volumen an Luft pro Minute durchgeleitet wird.
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Erfindungsgemäß werden die durch diese Behandlung erhaltenen Filtrate,
die den gewünschten Grad an Wirksamkeit erreicht haben und gegebenenfalls durch
Einengen unter vermindertem Druck konzentriert sein können, zum gleichzeitigen Enthaaren
und Beizen verwendet. Diese bei einem neutralen oder leicht alkalischen pH-Wert
durchgeführte Behandlung dauert nur einige Stunden, was nicht nur -einen beträchtlichen
Zeitgewinn darstellt, sondern auch-die Gefahr
an Kollagenverlusten
durch Fäulnis vermindert und die Wiedergewinnung der durch das neue Enthaarungsverfahren
erhaltenen Haare in einem industriell verwertbaren Zustand ermöglicht.
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Die enthaarende und bzw. oder beizende Wirkung der entsprechenden
Filtrate zeigt sich bei allen Sorten von Häuten frischgeschlachteter Tiere sehr
deutlich. Es wurden Proben, die von Hals-, Rücken- bzw. Bauch- und Seitenstücken
von Häuten von Ziegen, Schafen, Kälbern, Kühen, Bullen oder Pferden stammten, bei
37° mit gegebenenfalls konzentrierten Filtraten von Kulturen des Streptomyces albus
G behandelt, z. B. in einem Phosphatpuffer einer Molarität von 1/3o und einem p$
Wert von 8,0 entsprechend den verschiedenen folgenden Verfahrensweisen: 1. Aufstreichen
oder Zerstäuben einer aktiven Lösung auf die Fleischseite der Häute; 2. völliges
Eintauchen der Häute in eine aktive Lösung; 3. Walken der Häute in einem Bad, das
gleiche Gewichtsmengen aktiver Lösung zu Gewichtsmengen zu enthaarender Häute enthält.
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Es wurde so festgestellt, daß für eine gegebene Menge aktiven Materials
durch das Walkverfahren eine wesentlich schnellere Enthaarung erzielt wird als durch
die beiden anderen Maßnahmen. Auf 5 g aktives Produkt pro kg Haut erhält man z.
B. bei einer Schafshaut durch einfaches Aufstreichen eine Enthaarung in 39 Stunden
und durch Walken in 15 Stunden; weiterhin erfolgt eine Enthaarung einer Färsenhaut
durch vollständiges Eintauchen in 29 Stunden und durch Wallten in 9 Stunden. Bei
diesen Versuchen war die Enthaarung aller untersuchten Häute vollständig.
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Die Geschwindigkeit der Enthaarung ist einerseits von der Natur der
behandelten Häute, d. h. der Art und dem Alter der Tiere sowie dem betreffenden
Teil der Haut und andererseits von dem angewandten Verfahren, der Menge an verwendeten
aktiven Produkten, den Badtemperaturen usw. abhängig und kann entsprechend mehr
oder weniger variieren.
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Als Häute, bei denen die Enthaarung besonders schnell vonstatten geht,
sind Ziegen-, Kälber- oder Färsenhäute zu nennen.
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Versuche, bei denen die Häute auf der Fleischseite mit Filtraten von
Kulturen von Streptomyces albus G bestrichen wurden, die durch Einengen unter vermindertem
Druck auf eine Konzentration von einem Zehntel des ursprünglichen Volumens gebracht
worden waren, ergaben, daß durch 5001 etwa 4 t Färsenhäute bei einer Inkubationszeit
von 15 Stunden gleichzeitig enthaart und gebeizt wurden. Diese Zahl stellt hierbei
nicht das beste Ergebnis dar, das bei anderen Arbeitsbedingungen erhalten werden
könnte. Das oben beschriebene gleichzeitige Enthaaren und Beizen im technischen
Maßstabe wurde nämlich mit Stämmen des Streptomyces albus G durchgeführt, die speziell
im Hinblick auf die Verwendung der bakteriolytischen Wirksamkeit des so erhaltenen
Aktinomycetins kultiviert wurden.
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Unter den vierzig Stämmen, welche in den oben beschriebenen Versuchen
die drei nicht bakteriolytischen Wirkstoffe abschieden, bildeten siebzehn Stämme,
die eine ganz besonders starke Wirkung der genannten Wirkstoffe zeigten, kein Aktinomycin.
Nur vierzehn dieser siebzehn Stämme schieden ganz oder teilweise den bakteriolytischen
Komplex des Actinomycetins ab, während drei weitere Stämme davon sogar völlig frei
waren.
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Weiterhin schieden unter den sechs Actinomycin bildenden Stämmen fünf
einen enthaarend wirkenden Stoff, vier einen keratinolytischen Stoff, drei einen
caseinolytischen Stoff ab; nur zwei dieser Stämme schieden die drei aktiven Stoffe
gleichzeitig ab. Dieses Fehlen eines Zusammenhanges zwischen den verschiedenen Aktivitäten
der Streptomyces zeigt, daß diese auf verschiedenen Wirkstoffen beruhen. Diese konnten
übrigens durch Zusammenwirken der bekannten Verfahren zur fraktionierten _4bsorption,
Desorption, fraktionierten Extraktion, Dialyse usw. getrennt werden. Gewisse andere
als Streptomyces-albus-G-Stämme und sogar von allen antibiotischen Wirkungen freie
Stämme können sich daher vom industriellen Standpunkt aus für die Behandlung von
Häuten als noch wertvoller erweisen. Mittels der oben beschriebenen Bestimmung der
verschiedenartigen Wirksamkeit besitzt der Fachmann die Möglichkeit, innerhalb der
zahllosen Streptomycesstämme diejenigen zu suchen und auszuwählen, die sich für
die Enthaarung und bzw. oder Beize von Häuten am besten eignen.
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Es sind z. B. schon Penicilliumarten zur Behandlung von Leder vorgeschlagen
worden; diese Präparate besitzen gegenüber den erfindungsgemäß zu verwendenden Präparaten
erhebliche Nachteile. Die mit den bekannten Produkten erhaltenen Ergebnisse sind
einerseits nicht gleichmäßig und regelmäßig, da sich die Aktivität dieser Produkte
nur sehr schwer im voraus bestimmen läßt. Es besteht somit die Gefahr, daß die zu
behandelnden Häute durch eine falsche Konzentrationseinstellung geschädigt werden
können. Weiterhin enthalten diese Präparate eine Mischung von Enzymen, die das Kollagen
der Haut angreifen können, während die erfindungsgemäß zu verwendenden Produkte
von diesen frei sind und sich ihreAktivität leicht kontrollieren bzw. einstellen
läßt. Ein weiterer Vorteil der erfindungsgemäßen Präparate besteht darin, daß die
notwendige Behandlungszeit der Häute so kurz ist, daß sich die normalerweise in
der zu behandelnden Haut befindlichen Mikroorganismen gar nicht entwickeln oder
vermehren können. Das erfindungsgemäße Präparat ist auch so arm an Nährstoffen,
daß es eine Entwicklung einer Flora von Mikroorganismen gar nicht erlaubt. Es ist
daher nicht notwendig, bei der Verwendung der neuen Präparate während der Behandlung
der Häute ein Desinfektionsmittel mit zu verwenden.