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Verfahren zur Verbesserung der Löslichkeit von Vinylchlorid-1,1-Dichloräthen-Mischpolymerisaten
Die Polymerisate des Vinylehlorids und die des 1,1-Dichloräthens sind indengebräuchlichenLösungsmitteln
unlöslich bzw. schwer löslich. Es ist bekannt, daß durch Mischpolymerisation von
Vinylchlorid und 1,1-Dichloräthen die Löslichkeitseigenschaften der einzelnen Komponenten
verbessert werden können, wobei als Lösungsmittel hauptsächlich Lösungsmittelgemische
in Frage kommen. Als Lackrohstoffe sind diese Mischpolymerisate aber doch nicht
brauchbar, da die Lösungen nach Verdunsten der Lösungsmittelgemische meist trübe
Filme ergeben; außerdem ist ihre Verträglichkeit mit den in der Lacktechnik gebräuchlichen
Zusätzen wie Leinöl, Holzöl und Alkydharzen nicht ausreichend, abgesehen davon,
daß die Lösungen wegen ihres starken Fadenziehens bei Herstellung der Anstriche
Schwierigkeiten bereiten.
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Es ist bereits bekannt, Polyvinylehlorid und Mischpolymerisate, wie
z. B. solche aus Vinylchlorid und Vinylestern, auch mit Vinylidenchlorid zum Zwecke
der Stabilisierung mit Carbonsäuren, Silanolaten usw, zu behandeln. Mit dieser Maßnahme
wird aber keine Erhöhung der Löslichkeit dieser Produkte und der Verträglichkeit
derselben mit den in der Lacktechnik üblichen Zusätzen erzielt.
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Es wurde gefunden, daß man zu gut löslichen und gut verträglichen
Vinylehlorid-1,1-Dichloräthen-Mischpolymerisaten gelangt, wenn man diese Mischpolymerisate
mit stärkeren Säuren und/oder solchen Substanzen, die als Friedel-Crafts-Katalysatoren
Anwendung finden, behandelt. Als Säuren kommen in Frage: Schwefelsäure, Essigsäure,
Perchlorsäure, Fluorwasserstoff, sowie die sogenannten »Ansolvosäuren«, wie Borfluoridessigsäure,
und als Friedel-Crafts-Katalysatoren, z. B. Zinntetrachlorid, Zinkchlorid, Aluminiumchlorid,
Aluminiumchlorid in S 02 und Fe C13. Diese Nachbehandlung kann in festem, trockenem
Zustand oder in Lösungsmitteln erfolgen, wobei während der Behandlung das Polymerisat
in Lösung geht. Ferner wurde gefunden, daß man ebenfalls zu gut löslichen Mischpolymerisaten
gelangt, wenn man die durch Emulsionspolymerisation von Vinylchlorid und 1,1-Dichloräthen
erhaltenen Latices in Gegenwart von wasserlöslichen, weitgehend dissoziierten Säuren
erhitzt, und zwar insbesondere auf Temperaturen über 50° C.
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Die Mischpolymerisation von Vinylchlorid und 1,1-Dich.loräthen kann
nach den üblichen Verfahren, die Emulsionspolymerisation insbesondere unter Zusatz
von Emulgatoren ausgeführt werden. Besonders geeignet sind solche Latices, die durch
Anwendung von säurebeständigen Emulgatoren erhalten werden. Dies gilt vor allem
für die Paraffinsulfonate. Die Polymerisation wird zweckmäßig in einem neutralen
Milieu ausgeführt. Als Katalysatoren kommen sauerstoffabgebende Mittel sowie Kombinationen
von Oxydations- und Reduktionsmitteln in Frage.
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Das Verhältnis der Polymerisationskomponenten soll so eingestellt
sein, daß mindestens 1514 Vinylchlorid bzw. mindestens 15°/o 1,1-Dichloräthen im
Mischpolymerisat enthalten sind. Besonders geeignet sind die Mischpolymerisate,
bei denen gleiche Volumenverhältnisse von Vinyichlorid und 1,1-Dichloräthen Verwendung
finden. Selbstverständlich können auch noch weitere polymerisierbare Vinylverbindungen
zugesetzt werden, jedoch soll die Menge der anderen Vinylkomponenten nicht so hoch
sein, daß der eigentliche Charakter des Mischpolymerisats Vinylchlorid-1,1-Dichloräthen
verlorengeht. Als weitere Polymerisationskomponenten seinen beispielsweise gnannt:
Styrol, Acry lsäure und Methacrv lsäureester.
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Zur Erzielung geeigneter Viskositäten für Lackzwecke empfiehlt es
sich, die Polymerisation in Gegenwart von sogenannten Reglern auszuführen, wie die
bekannten Schwefelverbindungen vom Typ der Dialkylxanthogendisulfide; ebenso erwiesen
sich die chlorierten aliphatischen Chlorkohlenwasserstoffe, wie Chloroform, als
brauchbare Regler.
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Die den Latices zuzusetzenden Säuren sollen wasserlöslich und in Wasser
weitgehend dissoziiert sein. So seien genannt: Salzsäure, Schwefelsäure, Essigsäure
usw. Die zuzusetzende Menge soll mindestens 1% betragen nach Neutralisierung des
Latex, berechnet auf das Mischpolymerisat. Vorzugsweise kommen Mengen von 5 bis
20% in Frage. Die Umwandlung
des Mischpolymerisates durch den Zusatz
von Säure tritt in technisch brauchbaren Zeiten beim Erhitzen über 50° C ein. In
den meisten Fällen ist es angebracht, den Latex auf 90° C zu erwärmen und die ,Säurenachbehandlung
über mehrere Stunden fortzusetzen. Das Ende der Reaktion ist leicht dadurch festzustellen,
daß man Latexproben entnimmt und das isolierte und getrocknete Polymerisat auf seine
Löslichkeit prüft. Bei eingetretener Reaktion zeigen die Mischpolymerisate einwandfreie
Löslichkeit in aromatischen Kohlenwasserstoffen wie Benzol, Toluol usw. Die Reaktion
kann durch Einstrahlung von chemisch wirksamem Licht beschleunigt werden.
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Nach beendeter Polymerisation empfiehlt es sich, den Latex wieder
neutral einzustellen und das Polvmerisat durch Zusatz von Elektrolyten oder Alkoholen
usw. auszufällen. Der Zusatz von Stabilisatoren, wie sie für chlorhaltige Polyäthenverbindungen
bekannt sind, kann bereits im Latex erfolgen. An und für sich zeigen die Produkte
aber ausgezeichnete Stabilitätseigenschaften und bedürfen nur in besonderen Fällen
des Zusatzes eines Stabilisierungsmittels. Die isolierten Polymerisate werden nach
bekanntem Verfahren ausgewaschen und getrocknet.
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Bei Anwendung von höheren Konzentrationen an Säuren oder längeren
Erhitzungszeiten tritt eine gewisse Gelbfärbung der Produkte ein. Durch eine kurze
Nachchlorierung des Latex oder der isolierten Produkte kann diese Verfärbung völlig
aufgehoben werden.
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Die erhaltenen Mischpolymerisate zeigen nach dieser neuen Nachbehandlungsmethode
ausgezeichnete Löslichkeitseigenschaften. Sie ergeben in Aromaten, Ketonen, Estern
usw. einwandfrei klare Lösungen. Die Anwendung von Lösungsmittelkombinationen ist
nicht erforderlich. Die Lösungen zeigen keine fadenziehenden Eigenschaften und ergeben
nach Abdunsten der Lösungsmittel klare Filme von hoher Elastizität und hoher Härte.
Weiterhin ist überraschend, daß nach dieser Behandlungsmethode die Polymerisate
höhere Erweichungspunkte aufweisen. Die Polymerisate sind verträglich mit Leinöl,
Leinölfirnis, Holzöl. Alkydharzen verschiedenster Art, Kolophonium-Maleinsäure-Harzen,
Xylol-Formaldehyd-Harzen, chlorierten Diphenylenharzen usw. Sie sind kombinierbar
mit den Chlorierungsprodukten des Naturkautschuks. Ihre lacktechnischen Eigenschaften
zeigen überhaupt weitgehende Ähnlichkeit mit den in der Lackindustrie bekannten
Chlorierungsprodukten des Naturkautschuks, jedoch sind die erhaltenen Filme elastischer
und weisen eine größere Härte auf.
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Die Polymerisate sind nicht nur in Form ihrer Lösungen als Lackrohstoffe
brauchbar, sondern die Latices als solche können nach Zusatz von Weichmachern, Farbstoffen
usw. als Emulsionslacke Verwendung finden. Beispiel 1 475 Gewichtsteile (=475 Volumteile)
Vinylchlorid, 580 Gewichtsteile (=475 Volumteile) 1,1-Dichloräthen und 50 Gewichtsteile
Styrol werden in einer Lösung von 60 Gewichtsteilen des Natriumsalzes der Sulfosäuren
von langkettigen Paraffinen in 1500 Gewichtsteilen Wasser unter Zugabe von 2 Gewichtsteilen
Natriumpyrophosphat emulgiert. Bei einer Temperatur von 45°C werden zur Aktivierung
der Polymerisation 10 Gewichtsteile Kaliumpersulfat zugegeben. Nach 70 Stunden ist
die Polymerisation zu Ende. Aus dem so erhaltenen Latex werden die letzten Reste
an Monomeren abdestilliert. Der gesamte Latex wird dann mit dem gleichen Volumen
Wasser verdünnt und unter Rühren auf 80 bis 90° C erwärmt. Innerhalb 6 Stunden werden
200 Gewichtsteile einer 50°/oigen Schwefelsäure zugegeben. Zur Stabilisierung des
Latex können vor der Säure 30 Gewichtsteile Benzyl-p-oxy-diphenyl-polyglykoläther
zugegeben werden. Nach 40stündigem Erhitzen ist die Reaktion zu Ende. Der Latex
wird nach Abkühlen mit verdünnter Natronlauge neutral gestellt. Nach Zusatz von
10 Gewichtsteilen Phenoxypropenoxyd als Stabilisator wird das Polymerisat mit Kochsalzlösung
ausgefällt, elektrolytfrei gewaschen und bei 50° C im Vakuum getrocknet. Erhalten
werden etwa 1000 Gewichtsteile eines feinkörnigen NIischpolymerisats mit einem K-Wert
von 44. Der Chlorgehalt des Produktes liegt bei 62,51/o,. Das Produkt ist klar löslich
in Aromaten, Ketonen und Estern.
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Führt man die Polymerisation unter Zusatz voll 3 Gewichtsteilen Diisopropylxanthogen-disulfid
durch. das man zweckmäßigerweise während der Polymerisation in kleinen Anteilen
zugibt, dann erhält man bei der obigen Nachbehandlungsmethode ein Mischpolymerisat
von einem K-Wert von 36. Beispiel 2 600 Gewichtsteile Vinylchlorid, 350 Gewichtsteile
1,1-Dichloräthen und 50 Gewichtsteile Styrol werden mit den gleichen Zusätzen und
unter gleichen Bedingungen, wie im Beispiel l beschrieben, polymerisiert. Der erhaltene
Latex wird nach Zugabe von 30 Gewichtsteilen Benzyl-p-oxy-diphenyl-polyglykoläther
und 500 Gewichtsteilen einer 2001/eigen Salzsäure 30 Stunden auf 90° C erwärmt.
Der Latex wird, wie im Beispiel 1 angegeben, neutralisiert, stabilisiert und aufgearbeitet.
Erhalten werden etwa 900 g eines Mischpolymerisates mit einem Chlorgehalt von 59%.
das sich klar in Aromaten, Ketonen und Estern löst.
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Bei einem Polymerisationsansatz mit 350 Gewichtsteilen Vinylchlorid,
600 Gewichtsteilen 1,1-Dichloräthen und 50 Gewichtsteilen Styrol wird nach obigem
Ansatz und obiger Nachbehandlungsmethode ein Polymerisationsprodukt mit einem Chlorgehalt
von 61,2% erhalten. Beispiel 3 In einem nach Beispiel 1 hergestellten und unter
den dort angegebenen Bedingungen mit Schwefelsäure nachbehandelten Latex wurde ein
langsamer Chlorstrom geleitet, bis eine deutliche Aufhellung des Latex festzustellen
war. Benötigt wurden hierzu etwa 100 Gewichtsteile Chlor. Der abgekühlte Latex wurde
mit verdünnter Natronlauge neutral gestellt und mit einer Kochsalzlösung unter gleichzeitigem
Zusatz von Alkohol ausgefällt. Das hierbei in gröberer Form anfallende Koagulat
wurde weitgehend ausgewaschen und im Vakuum bei 60° C getrocknet. Das Produkt besitzt
ausgezeichnete Löslichkeitseigenschaften und ergibt klare, helle Überzüge.
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Der neutralisierte Latex kann als solcher vorzugsweise nach Zusatz
von Schutzkolloiden, Füllstoffen, Weichmachern usw. direkt für Anstrichzwecke auf
Stein, Beton, Holz usw. eingesetzt werden.
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Beispiel 4 135 Gewichtsteile Vinylchlorid, 150 Gewichtsteile Dichloräthen
und 30 Gewichtsteile Acrylsäuremethylester werden in einer Lösung von 18 Gewichtsteilen
Paraffinsulfonat in 450 Gewichtsteilen Wasser in
einem geschlossenen
Autoklav unter Stickstoff emulgiert. Nach Zusatz von 1 Gewichtsteil Natriumpyrophosphat
und 3 Gewichtsteilen Kaliumpersulfat setzt bei 45° C die Polymerisation ein. Nach
beendeter Polymerisation wird der entgaste Latex mit 300 Gewichtsteilen Wasser verdünnt
und unter Rühren zum Sieden erhitzt. Im Verlauf von mehreren Stunden werden 150
Gewichtsteile einer 20%igen Schwefelsäure zugegeben. Das in einer Menge von 240
Gewichtsteilen isolierte und getrocknete Polymerisat zeigt einen Chlorgehalt von
59% und besitzt ausgezeichnete Löslichkeitseigenschaften.
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Das gleiche Ergebnis wird erzielt, wenn an Stelle der Schwefelsäure
eine äquivalente Menge Essigsäure zugegeben wird. Beispiel Ein gemäß Beispiel 4
hergestelltes Mischpolymerisat, das an Stelle von 30 Gewichtsteilen Acrylsäuremethylester
25 Gewichtsteile Methacrylsäuremethylester enthält, ergibt nach einer Nachbehandlung
mit Schwefelsäure ein Produkt, dessen Filme oder Überzüge eine hohe Härte aufweisen.
Beispiel 6 Eiii '.L%Iischpolynierisat aus 400GewichtsteilenVinylchlorid, 400 Gewichtsteilen
1,1-Dichloräthen und 200 Gewichtsteilen Styrol wird zu 5000 Gewichtsteilen eines
Benzol-Toluol-Gemisches gegeben. Unter Rühren werden 50 Gewichtsteile Zinkchlorid
wasserfrei zugefügt.
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Nach etwa 24stündigem Erhitzen am Rückflußkühler geht der größte Teil
des an und für sich unlöslichen Polymerisates in Lösung. Nach Abhebern der Lösung
oder Abfiltrieren des Rückstandes erhält man eine viskose Lösung, die als solche
direkt verwendet werden kann. Bei Zugabe von Methanol erhält man das Polymerisat
in fester Form. Beispiel 7 Das Mischpolymerisationsprodukt aus 45 Gewichtsteilen
Vinylchlorid, 56 Gewichtsteilen Dichloräthen und 10 Gewichtsteilen Styrol wird in
500 Gewichtsteilen Tetrachloräthan nach Zusatz von 36 Gewichtsteilen Borfluoridessigsäure
auf 90° C erwärmt. Nach etwa 4 Stunden wird das Lösungsmittel mit Wasserdampf abgetrieben,
wobei sich das Reaktionsprodukt abscheidet. Nach dem Trocknen zeigt das erhaltene
Produkt verbesserte Löslichkeitseigenschaften in aromatischen Kohlenwasserstoffen
gegenüber den eingesetzten Mischpolymerisaten.