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Die
Erfindung betrifft ein Textiles Intraperitoneal-Mesh. Insbesondere
betrifft die Erfindung ein Intraperitoneal-Mesh zur Plazierung mit
minimalinvasiven Operationstechniken, auch IPOM-Mesh genannt.
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Bei
der chirurgischen Versorgung von Bauchwandhernien besteht neben
der konventionellen Operationstechnik der retromuskulären Mesh-Plazierung
grundsätzlich
ebenfalls die Möglichkeit,
ein Mesh unter Einsatz der minimalinvasiven Operationstechnik intraperitoneal
einzusetzen. Hauptvorteil dieser Plazierungstechnik ist, wie bei
jeder minimalinvasiven Operation, dass nur eine kleinere Wundöffnung erzeugt
wird, dass ein erheblich geringeres präparatorisches Trauma für die Bauchwand
mit vermindertem Blutungs- und Infektionsrisiko erzeugt wird, außerdem die
entsprechend verkürzten
Rekonvaleszenszeiten und nicht zuletzt die kürzeren Operationszeiten.
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Hauptnachteile
sind höhere
Operationskosten durch den erhöhten
technischen Aufwand beziehungsweise die größeren technischen Anforderungen
an die Erfahrung von Operateur und OP-Mitarbeitern.
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Gegenwärtig besteht
das Haupthindernis für eine
weitere Verbreitung der laparoskopischen Versorgung von Narbenhernien
in den bislang fehlenden hierzu geeigneten Implantaten.
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An
ein für
die beschriebene Operationstechnik geeignetes Mesh werden zwei wichtige
Anforderungen gestellt: die dem Darm zugewandte Seite muss das Anhaften
und Anwachsen des Darmes wirksam verhindern; die dem Peritoneum – also der Bauchwand – zugewandte
Seite muss ein schnelles Einwachsen insbesondere der Mesothelzellen
fördern.
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In
ersten Versuchen wurden Polypropylenmeshes auf ihre Eignung untersucht.
Nachteilhaft bei Polypropylen ist jedoch dessen Tendenz, benachbartes
Gewebe anhaften zu lassen. Daher wurden verschiedene Porengrößen untersucht.
Bei Porengrößen größer als
6 mm wurde zwar nur wenige darmseitige Adhäsion beobachtet, das Implantat
war jedoch mit den hierzu bekannten Operationsinstrumenten nicht
minimalinvasiv einzubringen. Bei relativ kleinen Poren in der Größenordnung
von 200 bis 500 μm
wurde eine starke Verklebung am Darm festgestellt. Bei besonders
kleinen Poren – kleiner
als 100 μm – war die
darmseitige Adhäsion
nicht mehr zu beobachten, es kam jedoch zu Verwachsungen und somit
zu unerwünschten
Narbenplatten. Diese sind vergleichbar hart wie Knorpel.
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In
Weiterentwicklung dieser ursprünglichen Versuche
werden zur Zeit im Wesentlichen zwei unterschiedliche Lösungsstrategien
verfolgt:
Bei einem ersten Lösungsansatz der Firma Goretex wird
eine weitgehend unflexible Struktur auf Basis des Polymers ePTFE
eingesetzt. Dabei handelt es sich nicht um eine textile, das heißt auf einem
Faden basierende, Struktur, sondern um eine geschlossene Membrane.
Aufgrund der bekannten Eigenschaften von Polytetrafluoräthylen wird
zwar ein Anhaften des Darms an das Mesh zuverlässig verhindert. Ein erwünschtes
Durchwachsen der Mesothelzellen kann jedoch aufgrund der geschlossenen
Membranstruktur nicht erzielt werden.
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Stattdessen
rauht man die darmabgewandte Seite auf und versucht, durch Einbringung
von Mikroporen ein Anwachsen des Gewebes der Bauchwand zu verbessern.
Eine vollständige
Integration in die Bauchwand unter Berücksichtigung der physiologischen
Dehnungseigenschaften der Bauchwand ist damit allerdings nicht möglich.
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In
einem zweiten Lösungsansatz
der Firma Sofradim wird eine dreidimensionale Textilstruktur auf
Basis multifiler Polyesterfilamente vorgeschlagen. Dabei sollen
die aufgrund der dreidimensionalen Struktur ausgeprägten Hohlräume das
Einwachsen des Peritoneums unterstützen. Die Poren weisen hierzu
Durchmesser von bis über
1 mm auf. Um darmseitig ein Anwachsen zu verhindern, wird eine geschlossene
Kollagenschicht aufgebracht. Diese ist in Form einer eigenständigen,
undurchlässigen
Folie fest mit der Mesh-Struktur
verbunden.
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Es
ist beabsichtigt, dass das Kollagen in der Anfangsphase nach der
Operation zuverlässig
das Anwachsen des Darmes verhindert. In der zweiten Heilungsphase
soll dann die Resorption des Kollagens einsetzen, während gleichzeitig
die Textilstruktur von körpereigenem
Material eingeschlossen werden soll. Bei perfektem Heilungsverlauf
bliebe somit nur das Polyester-Mesh
als unterstützende
Struktur zurück.
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Dieser
Lösungsansatz
wird jedoch unter anderem wegen der Einbringung von großen Mengen an
Kollagen aufgrund besonderer Risiken, insbesondere angesichts von
noch relativ unbekannten Krankheiten wie BSE unter Fachleuten sehr
kontrovers diskutiert. Die Resorptionszeit des Kollagens muss außerdem optimal
auf das Einwachsverhalten abgestimmt sein. Aus vielen Arbeiten ist
zudem bekannt, dass der Einsatz von Multifilamenten aufgrund der dramatisch
vergrößerten Oberfläche im Vergleich
zu Monofilamenten grundsätzlich
problematisch ist. Darüber
hinaus weist gerade Polyester einige polymerspezifische Nachteile
auf.
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Der
Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, ein textiles Intraperitoneal-Mesh zur Verfügung zu stellen,
welches die geschilderten Nachteile nicht oder nur im geringerem
Maße hat.
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Diese
Aufgabe löst
ein textiles Intraperitoneal-Mesh mit einer ersten Seite und einer
der ersten Seite gegenüberliegenden
zweiten Seite, welches sich dadurch auszeichnet, dass die erste
Seite hydrophobe PVDF-Filamente aufweist und die zweite Seite hydrophile
PVDF-Filamente aufweist.
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Das
Fadenmaterial auf Basis des Polymers PVDF ist ausgesprochen inert.
Mit Hilfe insbesondere einer dreidimensionalen Wirktechnik bzw.
mit mehrlagigen Textilkonstruktionen kann ein besonders vorteilhaftes
Mesh zur intraperitonealen Plazierung mit minimalinvasiven Operationstechniken
zur Verfügung
gestellt werden.
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Durch
ein besonderes Beschichtungsverfahren ist es möglich, das hydrophobe PVDF
derart zu modifizieren, dass ein hydrophiler Werkstoff entsteht. Insofern
wird im Rahmen der vorliegenden Anmeldung unter einem hydrophilen
PVDF-Filament auch ein an sich hydrophobes Filament verstanden,
welches durch Bearbeitung – insbesondere
durch Aktivierung und Ergänzung
um einen Hilfsstoff und/oder eine Beschichtung – nach außen hin hydrophile Eigenschaften
aufweist. Insbesondere kann das hydrophobe PVDF-Filament an seiner
Oberfläche
dergestalt modifiziert sein, dass eine hydrophile Matrix, insbesondere
eine Hydrogelmatrix, an das PVDF gebunden ist.
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Dadurch,
dass die neuartige mehrdimensionale bzw. mehrlagige Textilkonstruktion
derart ausgerüstet
ist, dass die zur Orientierung zum Darm bestimmte erste Seite zumindest
mehrheitlich hydrophob und die dem Peritoneum zuzuwendende zweite Seite
zumindest überwiegend
hydrophil ausgerüstet ist,
ist es möglich,
eine Mesh-Struktur zu erreichen, die die Vorteile aller bekannten
Lösungsansätze in sich
vereinigt. Insbesondere findet ein extrem inertes und demzufolge
besonders biokompatibles Grundmaterial Verwendung.
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Außerdem liegt
eine echte Textilstruktur vor, das heißt eine flexible Struktur mit
einstellbaren Porengrößen, die
ein optimales Durchwachsen erlaubt. Darüber hinaus kann auf Kollagen
und andere risikobehaftete Komponenten verzichtet werden. Auch wird
eine vollständige
Gewebeintegration sicherge stellt, weil vollständig auf die Verwendung von
folienartigem Material verzichtet wird.
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In
einer vorteilhaften Alternative kann die der Bauchwand zuzuwendende
zweite Seite aus Fadenmaterial auf Basis von Polymeren ausgeführt sein, welche
leicht anhaften und somit ein Einwachsen erleichtern. Insbesondere
sei hier an Polypropylen (PP) und Polyester gedacht.
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Aus
umfangreichen Untersuchungen hat sich ergeben, dass die zweite Seite
auch vorteilhaft aus einzelnen oder gemeinsam verwendeten PVC-Fasern,
Polyvinylalkoholfasern, Polyamidfasern (beispielsweise PA 6, PA
6.6, PA 11 etc.), Polyimidfasern, Polyethylenfasern, Polyvinylidenchloridfasern,
Polyurethanfasern, Polyacrylfasern, Polyacrylnitrilfasern, Modacrylfasern,
Polyvinylacetatfasern, Polyethylen, Aramiden, cellulosischen Fasern,
Acetatfasern, Polyglykol, Polylactiden, Alginatfasern, Kasein, Elasthanen,
Carbonfasern, Polyetheretherketon, Polyphenylensulfid, Polybutylenterephthalat, Glasfasern,
Elastomeren, Cuprofasern, Proteinfasern und/oder Polycarbonatfasern
bestehen kann oder diese zumindest aufweisen kann. Als nicht geeignet
haben sich zahlreiche Fluorverbindungen herausgestellt, beispielsweise
PTFE und hydrophobes PVDF.
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Unabhängig vom
Vorgenannten löst
die Aufgabe mit verblüffender
Simplizität,
aber mit demselben erfinderischen Grundgedanken, auch ein textiles Intraperitoneal-Mesh
mit einer ersten Seite und einer der ersten Seite gegenüberliegenden
zweiten Seite, bei welchem die erste Seite glattflächig ausgeführt ist,
vorzugsweise mit einem Reibbeiwert von weniger als 0,7, bevor zugt
von weniger als 0,5, besonders bevorzugt von weniger als 0,3. In
quantitativ ausgewerteten Versuchen hat sich gezeigt, dass bei einer
dermaßen
glatten Oberfläche
ein Anhaften des Darms – auch
unabhängig
von der Materialwahl – bei
einem textilen Mesh zuverlässig
verhindert wird. In Kombination mit den Materialvorschlägen werden
besonders gute Ergebnisse erzielt.
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Es
sei darauf hingewiesen, dass unter einem Mesh mit einer ersten und
einer zweiten Seite nicht notwendigerweise eine Beschränkung auf
eine Haupttextilstruktur verstanden werden soll. Vielmehr erstreckt
sich die Erfindung auch auf Meshes, welche aus zwei oder mehreren
einzelnen textilen Strukturen zusammengesetzt sind, sofern diese
beliebig verbunden sind.
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Alternativ
und kumulativ hierzu ist es von Vorteil, wenn die der Bauchwand
zuzuwendende zweite Seite bewusst dreidimensional ausgeführt ist, insbesondere
können
Schlingen oder Schlaufen vorgesehen sein, ähnlich wie sie von Frotteeware
beim Weben bekannt sind. Die Fadenschlingen beziehungsweise -schlaufen
können
beispielsweise als Fadenhenkel oder Fadenflottierung ausgeführt sein. Durch
die rauhe Oberfläche
und die großen
Poren wird das Einwachsen bereits unabhängig von den Oberflächeneigenschaften
des Textils gefördert.
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Unter
einer Schlinge soll im Rahmen dieser Anmeldung insbesondere ein
Fadenverlauf verstanden werden, bei welchem der Faden die Haupterstreckungsebene
des Textils verlässt,
sich über
dessen überwiegende
Oberfläche erhebt
und erst nach gekrümmtem
Verlauf wieder in die Oberfläche
und die Haupterstreckungsebene des Textils eintaucht.
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Es
ist bevorzugt, wenn das Mesh im Bereich der dreidimensionalen Oberflächentopographie
eine Topographiedicke von mindestens 100 μm, bevorzugt von mindestens
500 μm,
besonders bevorzugt von über
1000 μm,
annimmt. Unabhängig
von diesen absoluten Werten ist es von Vorteil, wenn die Topographiedicke
mindestens einen, bevorzugt mindestens 1,5 Fadendurchmesser beträgt. Unter
Topographiedicke sei der größte planmäßig angenommene Abstand
von der Fadenoberfläche
zur Mittelebene im Textil verstanden. Die Mittelebene kennzeichnet
sich dadurch, dass sie in der zweidimensionalen textilen Hauptstruktur
des Meshes parallel zu deren erster und zweiter Seite mit gleichem
Abstand zu beiden zwischen diesen verläuft.
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In
einer Variante des erfindungsgemäßen Meshes
bringt die Verwendung von Monofilamenten eine vorteilhafte Reduzierung
der Oberfläche.
Eine monofile Ausführung
unterstützt
die inerten Verhaltenseigenschaften des Meshes gegenüber dem
Gewebe des Patienten.
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Bei
aufwendigen Versuchen hat sich herausgestellt, dass ein Mesh mit
PVDF-Monofilamenten die gestellte Aufgabe besonders gut erfüllt, wenn
die Monofilamente Durchmesser von weniger als 400 μm, bevorzugt
von weniger als 200 μm,
haben.
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Nach
den Untersuchungsergebnissen kann sich das Mesh mit PVDF-Monofilamenten auch
vorteilhaft dadurch auszeichnen, dass es Porengrößen von weniger als 2000 μm, bevorzugt
von weniger als 1000 μm,
aufweist. Bei diesen Werten konnte ebenfalls eine besonders hohe
Funktionalität
festgestellt werden.
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Die
Versuche haben gezeigt, dass mit einem zweidimensionalen, nativen
PVDF-Mesh das Anhaften des Darms überraschend gut verhindert
wird. Durch das inerte PVDF beziehungsweise auch durch die glatte
erste Seite wird es möglich,
auch darmseitig sehr kleine Poren zu verwenden. Auf der dahinter liegenden,
zur Bauchwand auszurichtenden Seite kann das Mesh dann sehr frei
gestaltet werden.
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Aufwendige
molekularbiologische Untersuchungen unterstreichen außerdem die
außerordentliche
Bedeutung einer insuffizienten Narbenbildung für die Entstehung von Bauchwandhernien
und insbesondere von Rezidivhernien im Bereich der Narbe. Dabei
weist insbesondere ein erhöhter
relativer Anteil an Kollagen Typ III im Verhältnis zu Kollagen Typ I im
Wundbereich beziehungsweise eine entsprechende Synthese von stimulierten
Fibroblasten auf eine relevante Störung des Kollagen-Stoffwechsels hin.
Durch lokale Applikation von die Kollagen-Synthese beeinflussenden
Substanzen ist es möglich, die
Narbe qualitativ zu verbessern, insbesondere das Kollagen Typ I/Typ
III Verhältnis
zu erhöhen
und somit die narbige Integration von Mesh-Materialien zu optimieren.
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Unter
Verwendung der vorgeschlagenen Mesh-Strukturen aus PVDF und einer
Beschichtung mit Acrylsäure
ist eine kontrollierte Beladung der Meshes mit pharmakologisch aktiven
Substanzen und gleichfalls eine kontrollierte lokale Freisetzung
der Substanzen möglich.
Hiermit steht erstmals eine Vorrichtung zur Therapie von Bauchwandhernien
zur Verfügung,
welche neben einer mechanischen Verstärkung auch die zugrundeliegende
krankhafte Störung des
Kollagenstoffwechsels lokal therapiert und somit vorteilhaft das
Entstehen von Rezidivhernien aufgrund unzureichender narbiger Integration
signifikant senken kann.
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Alternativ
und kumulativ zu Kollagen Typ I kann das erfindungsgemäße Mesh
auch vorteilhaft ein Antibiotikum, z. B. Gentamycin, Hyaloronsäure, Zink,
Ascorbinsäure,
Proteine und/oder Peptide aufweisen.
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Mit
dem selben grundlegenden Erfindungsgedanken löst die Aufgabe auch ein textiles
Intraperitoneal-Mesh mit einer ersten Seite und einer der ersten
Seite gegenüberliegenden
zweiten Seite, bei welchem die erste Seite hydrophobe PVDF-Filamente
aufweist und die zweite Seite Polymer-Filamente aufweist, insbesondere
Polypropylen und/oder Polyester. Die Wirkungsweise der hydrophoben
ersten Seite wurde vorstehend bereits erläutert; bei zahlreichen Versuchen
hat sich zudem ergeben, dass Polymer-Filamente, insbesondere PP
und/oder Polyester, eine ähnlich
gute Wirkung auch auf der zweiten Seite des Meshes bewirken.
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Vorteilhaft
kann das Mesh zumindest teilweise, bevorzugt vollständig, als
Vlies, Gewebe, Gestrick, Gewirk oder Gelege ebenso wie teilweise
oder vollständig
als Kombination dieser Verarbeitungstechniken ausgeführt sein.
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Es
sei darauf hingewiesen, dass die vorteilhaften Ausgestaltungsvarianten
zum vorgeschlagenen Mesh mit hydrophoben PVDF-Filamenten auf der
ersten und hydrophilen PVDF-Filamenten auf der zweiten Seite auch
ohne Einschränkung
auf das vorgeschlagene Mesh mit Polymer-Filamenten auf der zweiten
Seite sowie auf Meshes mit einer glattflächigen ersten Seite vorteilhaft
angewendet werden können.
Zudem sei darauf hingewiesen, dass bei einem textilen Intraperitoneal-Mesh
eine stark dreidimensionale Oberflächentypographie auf der zweiten
Seite, die Verwendung von PVDF-Monofilamenten
sowie die Verwendung von PVDF-Multifilamenten auch für sich genommen
vorteilhaft und erfinderisch sind.