-
Die vorliegende Erfindung betrifft eine martensitische nichtrostende Stahllegierung (MNS), die im Vergleich zu kommerziellen MNS (1.4034, 14021, 1.4116) eine vergleichbare Härte aufweisen, aber hinsichtlich der Korrosionsbeständigkeit optimiert sind, sowie Verfahren zu deren Herstellung.
-
Es ist bekannt, dass bei nichtrostenden Stählen das Gefüge und die Eigenschaften maßgeblich durch die chemische Zusammensetzung, d.h. Zusatz von weiteren Elementen zu dem Basismaterial Eisen, und der Wärmebehandlung beeinflusst werden. Beides bestimmt die Verteilung der Legierungselemente im Gefüge und die daraus resultierenden werkstofftechnischen Eigenschaften.
-
Prinzipiell ist der Zusatz von Chrom (Cr) für die Korrosionsbeständigkeit sehr wichtig. So hat sich gezeigt, dass Eisenlegierungen mit mindestens 11 bis 13 Gew.-% Cr einen hohen Korrosionswiderstand aufweisen, da sich ab diesen Gehalten unter atmosphärischen Bedingungen eine chromhaltige Oxid- bzw. Hydroxidschicht (Passivschicht) ausbildet. Die Korrosionsbeständigkeit des Werkstoffs ist vom Chromgehalt abhängig und dann optimal, wenn das vorhandenen Chrom homogen im Mischkristall verteilt ist.
-
Gleichzeitig müssen zur Herstellung von MNS hohe Kohlenstoffgehalte (0,4 bis 0,5 Gew.-%) legiert werden, um eine optimale Härte von 650 bis 700 HV10 zu erreichen. Jedoch erhöht sich mit steigendem Kohlenstoffgehalt die Tendenz zur Chromkarbidbildung bei suboptimaler Wärmebehandlung, welche mit Chromverarmung im umgebenden Gefüge und reduzierter Korrosionsbeständigkeit verbunden ist. Dadurch erreichen kohlenstoffreiche MNS unter realen Herstellungs- und Wärmebehandlungsbedingungen keine optimale Korrosionsbeständigkeit.
-
Die insbesondere bei zu langsamer Abkühlung gebildeten Chromkarbide besitzen im Vergleich zur umgebenden Matrix einen höheren Chromanteil (55 bis 65 Gew.-%), weshalb sich bei der Bildung und dem Wachstum bei der Wärmebehandlung der Gehalt an gelöstem freien Cr in den angrenzenden Bereichen des Gefüges (Matrix) erniedrigen. Unterschreitet der Gehalt an gelöstem freien Chrom lokal eine anwendungsabhängige Resistenzgrenze (z.B. 11 Gew.-% Chrom), so kommt es in den chromverarmten Bereichen zu einem Verlust der Passivschichtstabilität, lokaler Metallauflösung und folglich dem Verlust der Korrosionsbeständigkeit.
-
Gleichzeitig ist bei dem für die Ausbildung der Passivschicht erforderlichen Mindestgehalt von 11-13 Gew.-% Chrom die maximale Aufhärtbarkeit bereits bei ca. 0,4 bis 0,43 Gew. % Kohlenstoff (C) erreicht. Bei höheren Kohlenstoffgehalt steigt die Neigung zu Karbidbildung und Chromverarmung, was der Gewährleistung von hoher Korrosionsbeständigkeit entgegenwirkt. Gleichzeitig würde bei Kohlenstoffgehalten von > 0,45 Gew.-% nach dem Abschrecken auf Raumtemperatur nicht umgewandelter Restaustenit (RA) in der martensitischen Matrix verbleiben und die realisierbare Härte reduzieren.
-
Neben der chemischen Zusammensetzung der Legierung wird die Ausbildung bzw. Auflösung von Karbiden und insbesondere chromreichen Karbiden maßgeblich durch die Bedingungen der Wärmebehandlung beeinflusst, die zur Umwandlung in den gewünschten martensitischen Gefügezustand notwendig ist.
-
Die Wärmebehandlung erfolgt im Wesentlichen in 3 Stufen:
- 1) Weichglühen (gefolgt von der Formgebung und Zerspanung)
- 2) Härten mit Austenitisieren und anschließendem Abschrecken
- 3) Anlassen
-
Beim Weichglühen wird das Ausgangsmaterial mit der gewünschten Legierungszusammensetzung einschließlich Cr in ein karbidhaltiges Halbzeug überführt, das sich gut umformen und zerspanen lässt und beim anschließenden Härten (Austenitisieren und Abschrecken) ein martensitisches Gefüge ausbildet. Durch das Anlassen werden Verspannungen im gehärteten Material abgebaut und ggf. die mechanischen Eigenschaften gezielt eingestellt.
-
Beim Austenitisieren (erster Teilschritt des Härtens) wird das Halbzeug auf eine Temperatur zwischen 1000 °C und 1100 °C erwärmt, sodass sich Austenit (kubisch flächenzentriertes Eisen) ausbildet. Dabei sollen die vorhandenen chromreichen Karbide aufgelöst und die Legierungselemente homogen im Austenit verteilt werden. Es wird eine möglichst vollständige Auflösung der Karbide angestrebt, um alle Legierungselemente (Chrom und Kohlenstoff) zur Erreichung maximaler Härte und Korrosionsbeständigkeit nutzbar zu machen. Dabei steigt die Austenitisierungstemperatur, die zur Auflösung aller Karbide erforderlich ist, mit dem Kohlenstoffgehalt im Stahl an.
-
Durch schnelles Abkühlen (zweiter Teilschritt des Härtens) wandelt der Austenit diffusionslos in den kubisch raumzentrierten, tetragonal verzerrten Martensit um. Die Abkühlung muss dabei auch ausreichend schnell erfolgen, um eine Karbidneubildung und die damit einhergehende Chromverarmung zu verhindern. Je höher der zwangsgelöste Kohlenstoffgehalt im Mischkristall nach dem Austenitisieren, umso schneller muss die anschließende Abkühlung erfolgen. Es hat sich gezeigt, dass bei Kohlenstoffgehalten von 0,4 Gew.-% Abkühlraten von mehr als 100 K/s notwendig sind, um Karbidausscheidung und Chromverarmungen vollständig zu vermeiden und den Zustand der maximalen Korrosionsbeständigkeit zu erhalten. Derartig hohe Abkühlgeschwindigkeiten sind im Labor zwar realisierbar, jedoch für industrielle Anwendungen nicht technisch umsetzbar, da sehr starke Eigenspannungen, Härteverzug und Härterisse die Folge sein können, weshalb für die industrielle Wärmebehandlung geringere Abkühlgeschwindigkeiten angestrebt werden.
-
Für die kommerziell erhältlichen MNS mit geringeren Kohlenstoffgehalten als ca. 0,40 Gew.-%, wie z.B. dem X20Cr13 (1.4021), können Abkühlgeschwindigkeiten von lediglich 10 - 20 K/s angewendet werden, ohne das es zu Karbidbildung und Chromverarmung kommt. Erst ab Abkühlgeschwindigkeiten von weniger als 10 K/s würden Karbidbildung und Chromverarmung auftreten. Allerdings ist die Härte von X20Cr13 mit 550 bis 600 HV10 für viele Anwendungen unzureichend. Bei der Verwendung von Kohlenstoffgehalten von 0,3 % bis 0,5 % Kohlenstoff muss die Abkühlgeschwindigkeit deutlich schneller als mit 20 K/s erfolgen um Karbidbildung und Chromverarmung zu vermeiden.
-
Eine weitere Herausforderungen bei MNS mit einem Kohlenstoffgehalt von mehr als 0,4 Gew.-% ist, dass Austenit bei der Abkühlung auf Raumtemperatur nur unvollständig in Martensit umwandelt, was ebenfalls die Härte reduziert. Zur vollständigen Umwandlung und Verbesserung der Härte müssen diese Stähle zusätzlich einer Tieftemperaturbehandlung bei weniger als -20 °C zur vollständigen Umwandlung in Martensit unterzogen werden.
-
Es erfolgt beim kohlenstoffreichen X50CrMoN15-1 (ca. 0.5 Gew.-% C) erst bei mehr als 1100 °C eine vollständige Auflösung aller Karbide, wie sie für die Erreichung einer maximalen Korrosionsbeständigkeit notwendig ist. Bei dieser hohen Austenitisierungstemperatur verbleibt jedoch nach der Abkühlung auf Raumtemperatur Restaustenit im Gefüge, der zwar keinen Einfluss auf die Korrosionsbeständigkeit hat, aber die Härte deutlich reduziert. Auch durch Tiefkühlen kann der Restaustenit nicht vollständig in Martensit umgewandelt werden.
-
Es war daher Aufgabe der vorliegenden Erfindung martensitische nichtrostende Stahllegierungen bereitzustellen, die im Vergleich zu kommerziellen MNS eine deutlich verbesserte Korrosionsbeständigkeit und hohe Härte von ≥ 650 HV10 aufweisen. Gleichzeitig sollen diese Legierungen ein größeres Prozessfenster bei der Wärmebehandlung besitzen, sodass eine technisch einfach realisierbare Temperaturführung beim Härten angewendet werden kann.
-
Die Legierungen sollten bei der erforderlichen Wärmebehandlung in dem industriell relevanten Temperaturbereich von 1000 °C bis 1050 °C ein homogenes einphasiges Gefüge aufweisen. Weiter sollten sie eine reduzierte Tendenz zur Ausbildung von Chromkarbiden bei der Wärmebehandlung (Sensibilisierung) besitzen, sodass niedrige Abkühlgeschwindigkeiten angewendet werden können, ohne dass unerwünschte Karbidausscheidung und Chromverarmung auftreten, welche zu einer Beeinträchtigung der Korrosionsbeständigkeit führen würden.
-
Die vorliegende Erfindung betrifft eine eisenbasierte martensitische nichtrostende Stahllegierung mit ≥ 0,0 bis ≤ 0,5 Gew. % Kohlenstoff, vorzugsweise ≥ 0,0 bis ≤ 0,45 Gew. % Kohlenstoff, ≥ 11,5 bis < 15,0 Gew. % Chrom, ≥ 0,05 bis ≤ 0,5 Gew. % Stickstoff, vorzugsweise ≥ 0,05 bis ≤ 0,45 Gew. % Stickstoff, wobei die Summe aus Kohlenstoff und Stickstoff 0,3 bis 0,5 Gew. % beträgt.
-
Vorzugsweise beträgt die Summe aus Kohlenstoff und Stickstoff 0,35 bis 0,45 Gew. %.
-
Gemäß einer Ausgestaltung betrifft die vorliegende Erfindung eine eisenbasierte, martensitische, nichtrostende Stahllegierung mit ≥ 0,1 bis ≤ 0,3 Gew. % Kohlenstoff, ≥ 11,5 bis < 15,0 Gew. % Chrom und ≥ 0,1 bis ≤ 0,3 Gew. % Stickstoff, wobei die Summe aus Kohlenstoff und Stickstoff auf 0,35 bis 0,45 Gew. % festgelegt ist. Diese Zusammensetzung repräsentiert einen erfindungsgemäßen Legierungstyp, bei dem sowohl Kohlenstoff und Stickstoff vorliegen.
-
Eine weitere Ausgestaltung umfasst einen erfindungsgemäßen Legierungstyp, bei dem der Stickstoffanteil überwiegt mit ≥ 0,0 bis ≤ 0,1 Gew. % Kohlenstoff, ≥ 11,5 bis < 15,0 Gew. % Chrom, ≥ 0,25 bis ≤ 0,45 Gew. % Stickstoff, vorzugsweise ≥ 0,35 bis ≤ 0,45 Gew. % Stickstoff, wobei die Summe aus Kohlenstoff und Stickstoff bei 0,35 bis 0,45 Gew. % festgelegt ist.
-
Gemäß einer weiteren bevorzugten Ausgestaltung können die erfindungsgemäßen Legierungen Molybdän in einem Gehalt von ≥ 0,1 bis ≤ 2,5 Gew. %, vorzugsweise ≥ 0,8 bis ≤ 2,5 Gew. % und insbesondere von ≥ 0,8 bis ≤ 1,5 Gew. % sowie > 1,5 bis ≤ 2,5 Gew. % aufweisen.
Insbesondere bevorzugt ist ein Gehaltsbereich von ≥ 1,0 bis ≤ 2,0 Gew. % Molybdän.
Im Fall von molybdänhaltigen Legierungen kann der Stickstoffgehalt auf Null reduziert werden.
-
Beispielsweise kann eine im Wesentlichen stickstofffreie erfindungsgemäße Stahllegierung ≥ 0,38 bis ≤ 0,48 Gew. % Kohlenstoff, ≥ 11,5 bis < 15,0 Gew. % Chrom sowie ≥ 0,1 bis ≤ 2,5 Gew. % Molybdän enthalten.
-
Durch das Zulegieren von Molybdän zu den erfindungsgemäßen Legierungen kann die Sensibilisierungsneigung reduziert und damit die Korrosionsbeständigkeit der zugrundeliegenden Legierungen weiter verbessert werden.
-
Zusätzlich zu den vorstehend genannten Elementen können in der erfindungsgemäßen Legierung Si und/oder Mn mit jeweils bis zu 1,5 Gew. % vorliegen. Weitere Elemente, die in den erfindungsgemäßen Stahllegierungen vorliegen, sind für diese Art Stahl übliche Verunreinigungen.
-
Die vorliegenden Erfinder haben festgestellt, dass ausgehend von einer Basislegierung X40Cr13 durch - teilweise - Substitution von Kohlenstoff durch Stickstoff eine signifikante Reduktion (Hemmung) der Ausscheidung chromreicher Sekundärphasen und der damit einhergehenden Sensibilisierung während der Abkühlung im Rahmen der Wärmebehandlung erzielt werden kann. Aufgrund der Hemmung der Karbidausscheidung konnten deutlich geringere Abkühlgeschwindigkeiten für die Wärmebehandlung genutzt werden als bei der Basislegierung X40Cr13, die zwar eine Härte von > 650 HV10 aufweist, aber zur Vermeidung von Karbidausscheidung eine Abkühlgeschwindigkeit von mehr als 100 K/s erfordert.
-
Zusätzlich zu dem großen Vorteil der deutlich verringerten Neigung zur Karbidbildung während der Abkühlung im Rahmen der Wärmebehandlung, zeigen die erfindungsgemäßen Legierungen noch einen weiteren, für die industrielle Stahlherstellung wesentlichen Vorteil, da sie bereits bei einer Austenitisierungstemperatur von 1050 °C oder weniger einphasig mit homogener Verteilung aller Legierungselemente vorliegen.
-
Die erfindungsgemäßen martensitischen nichtrostenden Stahllegierungen einschließlich Halbzeuge für die Ausbildung der erfindungsgemäßen Stähle können mit Verfahren hergestellt werden, wie sie allgemein für die Herstellung martensitischer nichtrostender Stähle bekannt und üblich sind.
-
Beispiele für Verfahren zur Herstellung der erfindungsgemäßen Legierung sind nachstehend aufgeführt.
-
Schmelzmetallurgisches Erschmelzen unter atmosphärischen Bedingungen, einschließlich Stickstoffeintrag mittels Lanzeneingasung oder durch Druck-Elektroschlacke-Umschmelzverfahren (DESU) in Stickstoffüberdruckatmosphäre. Die Legierung kann anschließend auf klassische und übliche Verfahrensweise (1. Diffusionsglühen z. B. bei 1000 bis 1200 °C, 2. Warmwalzen bei 1000 bis 1200 °C, 3. Weichglühen z. B. bei 750 +/-100 °C, 4. gezielte plastische Verformung, z. B. Walzen und anschließenden 5. Rekristallisationsglühen z. B. bei 600 bis 800 °C) zu Halbzeugen weiterverarbeitet werden.
-
Pulvermetallurgische Legierungsherstellung (mechanisches Legieren, Rapidsolidification) und Verarbeitung zu Halbzeugen/Endprodukten (je nach Temperaturführung und Geometrie) durch Sintern, heiß-isostatisches Pressen (HIP) sowie generative Fertigungsverfahren wie „Selektives Laserschmelzen“ (SLM) und, Elektronenstrahlschmelzen“ (SEM). Das erhaltene Halbzeug sollte ein seigerungsfreies Gefüge mit kugelförmigen Karbiden und Nitriden aufweisen.
-
Für die Wärmebehandlung und für die martensitischen Umwandlung werden die Halbzeuge bis zur vollständigen Auflösung der Sekundärphasen (Nitride, Karbide) erhitzt, um ein einphasiges austenitisches Gefüge zu erhalten, in dem alle Legierungselemente homogen verteilt vorliegen. Anschließend wird auf Raumtemperatur abgekühlt bzw. abgeschreckt.
-
Die abgekühlten Legierungen werden anschließend angelassen, um das martensitische Gefüge zu entspannen, Härterisse zu vermeiden und die mechanischen Eigenschaften gezielt einzustellen.
-
In Abhängigkeit der Zusammensetzung kann die Austenitisierung bei einer Temperatur zwischen 980 bis 1120 °C und einer Haltedauer zwischen 10 und 30 Minuten erfolgen. Die Abkühlung erfolgt mit einer legierungsabhängigen Abkühlgeschwindigkeit, wie in Tabelle 1 aufgeführt, welche Karbid- und Nitrid-Ausscheidungen und damit einhergehende Sensibilisierung durch Chromverarmung vermeiden.
-
Insbesondere bei den erfindungsgemäßen stickstoffhaltigen Legierungszusammensetzungen wurde eine Karbidausscheidung durch die Substitution des Kohlenstoffes erst ab Abkühlgeschwindigkeiten von weniger als 10 K/s bzw. 5 K/s beobachtet, sodass vergleichsweise geringe Abkühlgeschwindigkeiten im technologischen Wärmebehandlungsprozess angewendet werden können.
-
Für das Abschrecken/Abkühlen können übliche Mittel eingesetzt werden, welche die geforderten Abkühlgeschwindigkeiten an den jeweils vorliegenden Bauteilgeometrien realisieren. Es kann in Wasser, im Ölbad, mittels Metallbacken oder im Gasstrom abgekühlt werden, solange die notwendigen Abkühlgeschwindigkeiten erreicht werden.
-
Nachfolgend wird die vorliegende Erfindung anhand von Ausführungsbeispielen näher erläutert.
-
Die chemische Zusammensetzung der beispielhaften erfindungsgemäßen Legierungen und der als Vergleichsbeispiel dienenden Legierung X40Cr13 sind in Tabelle 1 angegeben. Tabelle1: Beispiel Legierungszusammensetzung in Gew. %
| | C | Cr | N | Mo |
V1 | X40Cr13 | 0,38 - 0,45 | 11,5 < 15,0 | - | - |
B1 | X40CrMo13-1 | 0,4 - 0,45 | 11,5 - < 15,0 | - | 0,8 - 1,5 |
B2 | X40CrMo13-2 | 0,4 - 0,45 | 11,5 - < 15,0 | - | > 1,5 2,5 |
B3 | X40CrMoB13-2 | 0,4 - 0,45 | 11,5 - < 15,0 | - | 1,5 - 2,5 |
B4 | X20Cr13N20 | 0,15 - 0,25 | 11,5 - < 15,0 | 0,15 - 0,3 | - |
B5 | X20CrMo13-1-N20 | 0,15 - 0,25 | 11,5 - < 15,0 | 0,15 - 0,3 | 0,8 - 1,5 |
B6 | X20CrMo13-2-N20 | 0,15 - 0,25 | 11,5 - < 15,5 | 0,15 - 0,3 | < 1,5 2,5 |
B7 | X5Cr13N40 | 0 - 0,05 | 11,5 - < 15,0 | 0,30 - 0,5 | - |
B8 | X5CrMo13-1-N40 | 0 - 0,05 | 11,5 - < 15,0 | 0,30 - 0,5 | 0,8 - 1,5 |
B9 | X5CrMo13-2-N40 | 0 - 0,05 | 11,5 - < 15,0 | 0,30 - 0,5 | < 1,5 2,5 |
-
1. Herstellung der Legierungen
- a) Die Ausgangslegierungen für das Vergleichsbeispiel V1 und für die erfindungsgemäßen Zusammensetzungen B1 bis B9 wurden auf bekannte Weise schmelzmetallurgisch erzeugt, wobei V1, B1, B2 und B3 in einem Vakuum-Induktionsofen und die stickstoffhaltigen Legierungen B4, B5, B6, B7, B8 und B9 durch Anwendung des DESU Verfahrens unter 4 bis 8 bar Stickstoffüberdruck in einem Induktionsofen erschmolzen wurden. Der Stickstoffüberdruck ist erforderlich, um die begrenzte Stickstofflöslichkeit der Schmelze bei Normaldruck soweit zu erhöhen, dass die erfindungsgemäßen Stickstoffgehalte realisiert werden können.
- b) Die nach a) erhaltenen Ausgangslegierungen wurden bei 1100 °C bis 1200 °C Lösungsgeglüht um die Legierungselemente gleichmäßig im Gefüge zu verteilen und Seigerungen abzubauen. Anschließend wurden die Legierungen weichgeglüht, um ein Gefüge zu erhalten, dass aus einer verformbaren ferritischen Matrix mit kugelförmig eingeformten Karbiden sowie Nitriden vorliegt. Aus den erhaltenen Halbzeugen wurde mittels konventioneller Verarbeitungstechnik Bleche mit ca. 3 mm Dicke hergestellt.
- c) Anschließend wurden die Bleche einer Austentisierung und anschließender Abkühlung auf Raumtemperatur (20 °C) mittels Wasserabschreckung unterzogen.
- d) Die erhaltenen martensitischen Legierungen wurden angelassen, um den Martensit zu entspannen und so Härterisse zu vermeiden.
-
Die Prozessparameter für die Austenitisierung, Abkühlung und das Anlassen sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Die angegebenen kritischen Abkühlgeschwindigkeiten beziehen sich auf die Geschwindigkeit, ab der Karbidausscheidung mit damit einhergehender Chromverarmung (Sensibilisierung) erstmals eintrat. Tabelle 2: Wärmebehandlungsparameter für die Legierungen gemäß Tabelle 1
| Wärmebehandlung |
| Austenitisierung | Abkühlung (20 °C) | Anlassen |
| Temp [°C] | Haltedauer | Geschw. [K/s] | Temp [°C] | Haltedauer |
V1 | 1000 - 1120 | 20 min | ≥ 100 | 150-250 | 1-2 h |
B1/B2/B3 | 1000 - 1120 | 25 min | ≥ 75 | 150-250 | 1-2 h |
B4 | 980 - 1050 | 15 min | ≥ 7,5 | 150-250 | 1-2 h |
B5 / B6 | 980 - 1050 | 20 min | ≥ 5 | 150-250 | 1-2 h |
B7 | 1000 - 1070 | 20 min | ≥ 10 | 150-250 | 1-2 h |
B8 / B9 | 1000 - 1070 | 25 min | ≥ 10 | 150-250 | 1-2 h |
-
Alle erfindungsgemäßen Legierungsbeispiele B1 bis B9 zeigen bei Abkühlung auf Raumtemperatur eine primär martensitische Matrix mit maximal sehr geringen Anteil von Restaustenit. Dadurch ist ein nachgeschaltetes Tiefkühlen zur Umwandlung des Restaustenits in der Regel nicht erforderlich.
-
Bemerkenswert ist, dass die Abkühlung mit Abkühlgeschwindigkeiten deutlich unter 100 K/s durchgeführt werden kann, ohne Karbidbildung, Chromverarmung und den damit verbundenen Verlust der Korrosionsbeständigkeit in Kauf nehmen zu müssen. So zeigen insbesondere die stickstoffhaltigen Legierungen eine außerordentlich geringe Sensibilisierungsneigung, wobei die Sekundärphasenbildung erst bei Abkühlgeschwindigkeiten < 10 K/s (B7, B8, B9) bzw. 5 K/s (B5, B6) einsetzt.
-
Eine grundlegende Einstufung der daraus resultierenden Eigenschaften der Legierungen hinsichtlich Härte, Korrosionsbeständigkeit und Sensibilisierungsneigung ist in Tabelle 3 zusammengestellt, wobei eine aufsteigende Skala für die Bewertung von: --, -, o, + und ++, +++ angewendet wurde. Tabelle 3: Einordnung der Eigenschaften der Legierungen
| Korrosionsbeständigkeit | Härte [HV10] | Sensibilisierungsneigung |
V1 | - - | 600 - 700 | - - |
B1 | o | 600 - 700 | - |
B2 / B3 | + | 600 - 700 | - |
B4 | o | 600 - 700 | + |
B5 | + | 600 - 700 | ++ |
B6 | ++ | 600 - 700 | +++ |
B7 | + | 600 - 700 | o |
B8 | ++ | 600 - 700 | + |
B9 | +++ | 600 - 700 | + |
-
Alle Legierungen, bei denen Kohlenstoff durch Stickstoff substituiert wurde (B4, B5, B6, B7, B8, B9) zeigten eine Reduzierung der Sensibilisierungsneigung im Vergleich zu den kohlenstoffreicheren Legierungen ohne Stickstoff.
-
Der Zusatz von Mo zu den Legierungen B1, B2, B3, B5, B6, B8 und B9 führt zu einer weiteren Verbesserung der Korrosionsbeständigkeit und Verringerung der Sensibilisierungsneigung im Vergleich zu den molybdänfreien Legierungen (B4 und B7).
-
Die maximale Korrosionsbeständigkeit der Legierung wurde an nach Tabelle 2 wärmebehandelten Proben der Legierung bestimmt. Dabei wurden alle Proben nach der Austenitisierung bzw. dem Anlassen in Wasser (Abkühlgeschw. >400 K/s) abgeschreckt, um ungewollte Sensibilisierung zu vermeiden. Anschließend wurde die Probenoberfläche durch SiC-Nassschliff (180er Körnung) und Passivierung (24 h bei 95 % rel. Luftfeuchtigkeit) vorbereitet.
-
Die Korrosionsbeständigkeit der einzelnen Legierungen wurde im Folgenden durch die Ermittlung kritischer Lochkorrosionspotentiale unter Anwendung einer dynamischen anodischen Polarisation charakterisiert. Die Messungen erfolgten mit den in Tabelle 4 dargestellten Parametern.
Dauer Ruhepotentialaufnahme | 30 min |
Start-Potential | Ruhepotential nach 30 min |
Polarisationsgeschwindigkeit | 2 mV/s |
Abbruchskriterium Stromdichte | 1 mA/cm2 |
Abbruchskriterium Potential | 1500 MVAg/AgCl |
Temperatur | 20 °C |
Elektrolyt | Boratpufferlösung (pH 7,4; 0,1 M NaCl) |
-
Die kritischen Lochkorrosionspotentiale wurde bei dem Potential ermittelt, bei dem die gemessene Stromdichte die Grenze von 0,1 mA/cm2 dauerhaft überschreitet.
-
Die Sensibilisierungsneigungen der verschiedenen Legierungen wurden dabei sowohl simulativ als auch experimentell nachgewiesen. So wurde mit kinetischen Simulation mit der Software DICTRA, verwendete Datenbanken TCFE10 als auch MobFe5, die Gefügeentwicklung während des Abkühlung betrachtet und die daraus resultierende Stärke der Chromverarmungen bewertet.
-
Experimentell wurden Proben mit verschiedenen Abkühlgeschwindigkeiten (400 K/s bis 2 K/s) unter Anwendung des Stirnabschreckversuches hergestellt. Diese Proben wurden dann metallographisch präpariert und im Rasterelektrodenmikroskop dahingehend untersucht, ob Ausscheidungen im Gefüge sowie insbesondere entlang der Korngrenzen zu erkennen sind. Zur Beurteilung der Auswirkungen auf die Korrosionsbeständigkeit wurden die Proben mit 180er Körnung SiC-Papier nass angeschliffen und mit dem etablierten Verfahren der elektrochemischen potentiodynamischen Reaktivierung (EPR) charakterisiert. Ein Zustand galt als sensibilisiert, wenn die Reaktivierungsstromdichte > 0 mA/cm
2 war. Die für die Untersuchung verwendeten Parameter sind in Tabelle 4 zusammengefasst. Tabelle 4: Prüfparameter für die EPR
| Legierungen ohne Mo | Legierungen mit Mo |
Start- /End-Potential | -500 mVAg/AgCl |
Wende-Potential | 100 mVAg/AgCl |
Polarisationsgeschw. | 2 mV/s |
Elektrolyt | 0,1 M H2SO4 | 1 M H2SO4 |
-
Zusätzlich wurde die Veränderung der Lochkorrosionsbeständigkeit durch die Veränderung der kritischen Lochkorrosionspotentiale in Abhängigkeit von der Abkühlgeschwindigkeit mit den vorherdargestellten Parametern ermittelt.