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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Kalibrierung einer Vorrichtung zur Durchführung einer thermischen Analyse bei Temperaturen > 1000°C durch Ausführung eines vorgegebenen Temperaturprogramms in einem Hochtemperaturofen, in dem ein Probenbehälter und ein Referenzbehälter auf einem Probenhalter angeordnet ist, durch den Temperatursensoren von dem ihnen zugeordneten Probenbehälter oder Referenzbehälter getrennt sind.
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Zur Untersuchung thermophysikalischer Eigenschaften werden Messverfahren eingesetzt, mit denen oberhalb 1000°C thermophysikalische Stoffparameter, wie etwa die elektrische und thermische Leitfähigkeit, die latente Schmelzwärme und spezifische Wärme, bestimmt werden. Die Klasse der zur Untersuchung derartiger Materialparameter geeigneten Messverfahren bezeichnet man als thermische Analyse. In der thermischen Analyse wird ein Probenmaterial im Bezug auf eine physikalische oder chemische Materialeigenschaft oder den Wärmefluss durch die Probe untersucht, während diese ein kontrolliertes Temperaturprogramm durchläuft. Die dabei untersuchten Verfahren sind die differenzielle thermische Analyse (DTA) und die dynamische Differenzkalorimetrie (dynamical scanning calorimetry – DSC). Für diese Verfahren werden in einem Hochtemperaturofen ein Probenbehälter für eine zu untersuchende Materialprobe und ein Referenzbehälter verwendet, der leer sein kann oder mit einem in dem Temperaturbereich des Temperaturprogramms keine Phasenumwandlung aufweisenden Referenzmaterial gefüllt ist. Gemessen wird die Temperaturdifferenz ΔT zwischen der Probe und der Vergleichsprobe als Funktion der Temperatur. Bei idealer thermischer Symmetrie der Messanordnung (das bedeutet gleich Wärmekapazität von Probe und Vergleichsprobe und jeweils gleiche Wärmeübergänge zur Umgebung) sind die Wärmeströme vom Ofen zur Probe und zur Vergleichsprobe gleichgroß. Beide Proben werden dann gleichschnell erwärmt, sodass ΔT = 0 ist.
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Wenn jedoch durch eine Umwandlung oder Reaktion in der Probe Wärme freigesetzt oder verbraucht wird oder sich etwa die Wärmekapazität der Probe ändert, so wird der stationäre Zustand gestört und die Temperaturdifferenz ist von 0 verschieden.
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Bei der Messanordnung wird die Temperaturänderung, die sich bei einer konstanten Heizrate des Ofens an Probe und Referenz einstellt, mit einer zeitlichen Verzögerung gemessen. Findet in der Probe eine Phasenumwandlung statt, ändert sich für eine gewisse Zeit die Temperatur der Probe nicht, während sich das Referenzmaterial weiter aufheizt. Für die Kurve der Differenztemperatur entsteht somit ein Peak, der die Phase des veränderten Wärmestroms in die Probe darstellt.
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Bei der DTA dient die Temperaturdifferenz zur qualitativen Anzeige der Wärmeströmänderung, während sie in der Kalorimetrie (DSC) zur Messung der Wärmestromdifferenz herangezogen wird. Aus der Peak-Fläche lässt sich dann die Schmelzenthalpie oder Schmelzwärme bestimmen. Bei grundsätzlich identischem Aufbau der Messapparaturen ist die DSC gegenüber der DTA durch eine Kalibrierbarkeit für Wärmemessungen und eine bessere Wiederholbarkeit bei verschiedenartigen Probesubstanzen gekennzeichnet.
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Unterschiedliche Heizraten verändern die Form des DTA/DSC-Peaks, wobei idealerweise die Fläche unter dem Peak gleich bleibt. Als für den Peak charakteristische Temperatur definiert der Schnittpunkt aus Basislinie und extrapolierter Anstiegsflanke des Peaks die so genannte Onset-Temperatur.
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Die erreichbare Messgenauigkeit ist dabei entscheidend von der Empfindlichkeit und Genauigkeit der Temperaturmessung für das jeweilige Messverfahren abhängig. Dabei hat neben dem eigentlichen Temperatursensor der apparative Messaufbau und die Genauigkeit, mit der das Messgerät kalibriert wurde, eine entscheidenden Einfluss. Da sich Temperatursensor und Probe bei der dynamischen Differenzkalorimetrie (DSC) nicht in direktem Kontakt miteinander befinden, sondern durch Probenhalter und Probenbehälter (Tiegelgefäß) voneinander getrennt sind, ist der Bereich zwischen Temperatursensor und Probe durch eine Temperaturverteilung und einen thermischen Widerstand (eine thermische Verzögerung) beim Durchlaufen des Temperaturprogramms gekennzeichnet. Beide Eigenschaften sind dabei abhängig von der Heizrate und dem Temperaturbereich und charakteristisch für die spezielle Messapparatur.
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Für die Kalibrierung der bei dem Messverfahren eingesetzten Temperatursensoren, die generell driftanfällig sind und daher eine regelmäßige Rekalibrierung erfordere findet eine Überprüfung der Temperaturmessung gemäß den Methoden der internationalen Temperaturskala von 1990 (ITS-90) statt. Dabei werden die Temperatursensoren in spezielle Kalibriereinrichtungen eingesetzt und mit primären Temperaturfixpunkten oder sekundären Fixpunktmaterialien kalibriert.
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Im Temperaturbereich oberhalb 1000°C stehen als primäre Temperaturfixpunkte der ITS-90 Gold (~1064°C) und Kupfer (~1086°C) zur Verfügung. Als sekundäre Fixpunktmaterialien sind anerkannt:
Pd | Erstarrungstemperatur | 1554,8°C |
Pt | Erstarrungstemperatur | 1768,2°C |
Rh | Erstarrungstemperatur | 1963°C |
Ir | Erstarrungstemperatur | 2446°C |
Mo | Schmelztemperatur | 2626°C |
W | Schmelztemperatur | 3414°C |
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Durch
EP 1 008 839 A2 ist darüber hinaus bekannt, eutektische Metall-Kohlenstoff-Legierungen als Fixpunktmaterialien einzusetzen. Hierfür wird die Metall-Kohlenstoff-Legierung in einen zylindrischen Behälter eingeschlossen, dessen Mittenachse über einen großen Teil der Länge des Behälters durch eine Innenwandung offen zugänglich ist, sodass sich ein axialer Kanal ausbildet, in den ein Temperatursensor einschiebbar ist oder der als schwarzer Strahler für ein Strahlungsthermometer fungiert. Als metallische Bestandteile der Metall-Kohlenstoff-Legierung kommen danach Eisen, Kobalt, Nickel, Palladium, Rhodium, Platin, Ruthenium, Iridium, Rhenium und Osmium infrage. Die Fixpunkttemperatur für eine eutektische Nickel-Kohlenstoff-Legierung ist mit 1326,5°C angegeben. Der spezielle Tiegel ermöglicht somit die Kalibrierung eines Tempertursensors, der in die axiale Ausnehmung des Tiegels eingeschoben wird.
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Aus der Dissertation des Diplom-Physikers Klaus Anhalt „Radiometric measurement of thermodynamic temperatures during the Phase transformation of metal-carbon eutectic alloys for a new high-temperature scale above 1000°C”, vorgelegt der Fakultät II der Technischen Universität Berlin, ist bekannt, dass es bei den Fixpunkten eutektischer Metall-Kohlenstofflegierungen zu Verschiebungen der Fixpunkttemperatur aufgrund von thermischen Ausheilungen kommen kann.
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Der Review-Article von Woolliams et al., Metrologia 43 (2006), R11–R25, gibt einen Überblick über die Forschung auf dem Gebiet der eutektischen Metall-Kohlenstoff-Legierungen über die Jahre 1999 bis 2006.
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Della Gatta et al. in Pure Appl. Chem. Vol. 78, No. 7 (2006), S. 1455–1476, beschreiben Kalibrierungsstandards für die dynamische Differenzkalometrie (DSC). Dazu werden beispielsweise für die Temperatur und Enthalpiekalibrierung Metalle mit einem bekannten Fixpunkt verwendet, von denen jeweils zwei Proben, deren Gewicht sich durch einen Faktor von wenigstens 3 unterscheidet, jeweils wenigstens 2 Messungen mit jeweils wenigstens 3 Aufheizraten unterzogen werden. Die verschiedenen Heizraten unterscheiden sich dabei wenigstens um einen Faktor 10.
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Nieto de Castro et al. in Thermochimica Acta, Vol. 347 (2000), S. 85–91, beschreiben eine Möglichkeit, eine Kalibrierungskonstante K über einen weiten Temperaturbereich für eine dynamische Differenzkalometrie (DSC) zu bestimmen.
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Der vorliegenden Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, die Kalibrierung einer Vorrichtung zur Durchführung einer thermischen Analyse mit einem Verfahren der eingangs erwähnten Art zu verbessern und in ihrer Genauigkeit zu erhöhen.
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Zur Lösung dieser Aufgabe ist erfindungsgemäß ein Verfahren der eingangs erwähnten Art dadurch gekennzeichnet, dass in der Vorrichtung zur Durchführung der thermischen Analyse eine eutektische Metall-Kohlenstoff-Legierung verwendet wird, die in dem von dem Temperaturprogramm erfassten Temperaturbereich einen Phasenübergang aufweist und dass die Temperatur der eutektischen Metall-Kohlenstoff-Legierung mit einem Temperaturprogramm, das dem für die Messung verwendeten Temperaturprogramm entspricht, in einem Kalibrierbehälter, der dem für die Messung verwendeten Probenbehälter entspricht, verändert wird.
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Die erfindungsgemäße Kalibrierung findet somit in der Vorrichtung zur Durchführung der thermischen Analyse selbst statt und nicht in einer eigenen Kalibriervorrichtung. Hierfür wird ein Kalibrierbehälter verwendet, der mit einer Referenzprobe aus einer eutektischen Metall-Kohlenstoff-Legierung gefüllt ist, und zwar in einer Menge, die der für die thermische Analyse verwendeten Probenmenge entspricht. Der Kalibrierbehälter ist so aufgebaut wie der Probenbehälter. Demgemäß wird mit dem eingesetzten Kalibrierbehälter eine Messung durchgeführt, wie sie für die thermische Analyse bei einer zu untersuchenden Probe mit einem Probenbehälter erfolgt. Da die Temperatur, bei der die Phasenumwandlung der eutektischen Metall-Kohlenstoff-Legierung erfolgt, bekannt ist, kann auf diese Weise das Ergebnis der Messvorrichtung kalibriert werden. Durch die Verwendung der Messanordnung selbst für die Kalibrierung wird der entscheidende Vorteil erreicht, dass alle für den Wärmeübergang entscheidenden Einflussgrößen nicht mehr – wie bisher – durch Korrekturfaktoren usw. berücksichtigt werden müssen, sondern in die Kalibrierung mit einbezogen werden. Dies gilt insbesondere für den Wärmeübergang von der Probe über den Probenbehälter/Kalibrierbehälter und den Probenhalter zum Temperatursensor. Der Temperatursensor muss daher nicht aus der Messvorrichtung ausgebaut werden, sondern kann für die Kalibrierung an Ort und Stelle verbleiben.
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Durch die Einbeziehung der den Wärmeübergang bestimmenden Einflussgrößen der Messvorrichtung in die Kalibrierung ist es möglich, für Hochtemperaturanwendungen > 1000°C eine Messunsicherheit von < 500 mK zu erzielen. Hilfreich ist dabei ferner, dass in dem wirtschaftlichen interessanten Temperaturbereich zwischen 1000°C und 1500°C eine dichte Verteilung von Temperaturfixpunkten durch eutektische Metall-Kohlenstoff-Legierungen zur Verfügung steht.
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Die Erhöhung der Genauigkeit ergibt sich auch daraus, dass die eutektischen Metall-Kohlenstoff-Legierungen gegenüber Verunreinigungen, die durch die üblicherweise verwendeten Graphittiegel oder Aluminiumoxid-Keramiktiegel verursacht werden, um Größenordnungen weniger empfindlich sind als die bisher aus Reinmetallen gebildeten Fixpunktmaterialien. Für Graphittiegel ergibt sich dies unmittelbar daraus, dass das Graphit als reiner Kohlenstoff Bestandteil der Metall-Kohlenstoff-Legierung ist und von dem Graphittiegel abgelöste Kohlenstoffpartikel den Anteil an Kohlenstoff in der eutektischen Legierung nicht merklich verändern können und nicht als Verunreinigungen auftreten.
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Es hat sich jedoch gezeigt, dass auch für die Verwendung von Aluminiumoxid-Keramiktiegel keine im Rahmen des Messverfahrens und Kalibrierverfahrens merkbare Beeinträchtigung durch abgelöste Aluminiumoxidpartikel erfolgt, wenn als Fixpunktmaterialien eutektische Metall-Kohlenstoff-Legierungen verwendet werden.
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Die Metall-Kohlenstoff-Legierungen können in Pulverform als Mischung von Metall- und Kohlenstoffpulver in der eutektischen Zusammensetzung oder in Form von vorgefertigten metallischen Kügelchen in den Probentiegel bzw. Kalibriertiegel eingeführt und anschließend eingeschmolzen werden. In der kalorimetrischen Messapparatur zeigt dann eine für die Phasenumwandlung typische Signalform bei der Schmelztemperatur den reproduzierbaren Phasenübergang des Materials an.
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Erfindungsgemäß einsetzbare eutektische Metall-Kohlenstoff-Legierungen sind in der nachstehenden Tabelle aufgeführt, die jeweils auch die eindeutigen Schmelztemperaturen dieser eutektischen Legierungen umfasst.
| | t [°C] | Anteil C in Gewichtsprozent/% |
Schmelztemperatur | Fe-C | 1153°C | 4,2 |
Schmelztemperatur | Co-C | 1324°C | 2,6 |
Schmelztemperatur | Ni-C | 1329°C | 3,0 |
Schmelztemperatur | Pd-C | 1492°C | 2,7 |
Schmelztemperatur | Pt-C | 1738°C | 1,2 |
Schmelztemperatur | Ru-C | 1954°C | 2,5 |
Schmelztemperatur | Ir-C | 2291°C | 1,6 |
Schmelztemperatur | Re-C | 2474°C | 2,0 |
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In der beigefügten 1 ist der schematische Aufbau einer DTA/DSC-Messapparatur dargestellt. In einem Hochtemperaturofen 1 befindet sich ein schematisch dargestellter Probenbehälter 2 und ein gleich aufgebauter Referenzbehälter 3. In dem Probenbehälter 2 befindet sich eine definierte Menge (typischerweise zwischen 10 mg und 100 mg) eines zu untersuchenden Probenmaterials 4, während sich in dem Referenzbehälter 3 ein in dem für die Untersuchung verwendeten Temperaturbereich keinen Phasenübergang aufweisendes Referenzmaterials 5 in gleicher Menge befindet. Der Probenbehälter 2 und der Referenzbehälter 3 sind in einem Probenhalter 6 angeordnet unterhalb dessen sich ein erster Temperaturfühler 7 für den Probenbehälter 2 und ein zweiter Temperaturfühler 8 für den Referenzbehälter 3 angeordnet sind.
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In der Zeichnung ist dargestellt, dass die beiden Temperatursensoren 7, 8 als ein Differenz-Temperatursensor ausgeführt sind, an dessen Anschlüssen 9 ein der Differenztemperatur ΔT proportionales Ausgangssignal abnehmbar ist.
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Für die Durchführung der Kalibrierung wird der Probenbehälter 2 durch einen entsprechend aufgebauten Kalibrierbehälter ersetzt, der anstelle des Probematerials 4 eine etwa gleiche Menge der eutektischen Metall-Kohlenstoff-Legierung beinhaltet, um so möglichst gleiche Wärmeübergangsverhältnisse von der Metall-Kohlenstoff-Legierung zu dem zugehörigen Temperatursensor 7 unter Einschluss des Probenhalters 6 zu erhalten, wie sie sich für den Wärmeübergang von der zu untersuchenden Probe 4 zu dem Temperatursensor 7 einstellen.
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2 verdeutlicht, dass gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung die eutektische Metall-Kohlenstofflegierung 10 in den als Kalibrierbehälter dienenden Tiegelgefäß 11 auf eine in das Tiegelgefäß eingelegte Graphitscheibe 12 abgelegt wird.
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Hierdurch werden Kontaktreaktionen der eutektischen Legierung 10 mit dem Material des Tiegelgefäßes 11 verhindert, unabhängig davon ob der Tiegel aus keramischen, metallischen oder Kohlenstoffwerkstoffen hergestellt wird.
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Messungen haben ergeben, dass durch die Erfindung die absolute Messgenauigkeit in den Bereich von deutlich unter 1 K und die relative Messunsicherheit in den Bereich von 100 mK abgesenkt werden kann.