Stuhl
Die Erfindung betrifft einen Stuhl, insbesondere Schulstuhl, dessen Sitz und Lehne einstückig aus Pressstoff bestehen, der ferner eine Sitzfläche mit einem Mittelkamm aufweist und dessen unterer Lehnenteil eine Taille bildet und in seinem oberen Abschnitt geneigt bis zu einem Kamm ansteigt, der - von oben gesehen bogenförmig ist und den unteren Teil gegen den rückwärts geneigten oberen Lehnenteil abschliesst.
Es sind bereits verschiedene Formen von Stuhlsitzen sowie Vorschläge hierfür bekannt, deren Gestaltung zum Ziel hat, dem Sitzenden Halt zu geben, d. h., die Wirbelsäule und das Becken, welches sich in labilem Gleichgewicht befindet, zu fixieren und in der Sitzhaltung zu stützen. Die richtige Unterstützung des Körpers eines Sitzenden hängt jedoch jeweils davon ab, ob der Sitzende vorübergebeugt, aufrecht oder stark nach hinten geneigt auf dem Stuhl sitzt.
Bei Stuhlsitzen ist es bekannt, in der Sitzfläche einen vorderen Mittelkamm sowie einen bogenförmigen Absatz vorzusehen, der eine nach hinten verlaufende Vertiefung von den Randbereichen der Sitzfläche abschliesst.
Eine Lösung des bei einstückig aus Sitzfläche und Rükkenlehne bestehenden Stuhlsitzes auftretenden Problems der Stützung von Becken und Rücken des Sitzenden in den unterschiedlichen Sitzhaltungen wird durch diese Massnahme nicht gegeben.
Eine bekannte Sitzwanne ist einstückig aus Pressstoff oder Kunststoff hergestellt und besteht aus einer Sitzfläche sowie einer Rückenlehne. Der zwischen Sitzfläche und Rückenlehne befindliche Teil der Rückenlehne ist stark konkav gewölbt und taillenartig eingeschnürt. Der Übergang von dem oberen zu dem unteren Lehnenteil wird bei der bekannten Sitzwanne demgemäss von einem - von oben gesehen bogenförmigen Knick oder Kamm gebildet. Der Verlauf und die Lage dieses Kamms zu der Wirbelsäule des Sitzenden sind jedoch nicht festgelegt. Ausserdem ist die Aussenwölbung des unteren Teils der Rückenlehne der bekannten Sitzwanne nicht in der Lage, das Becken des Sitzenden bei vorgebeugter Sitzhaltung aufzunehmen und den orthopädischen Forderungen entsprechend abzustützen, sondern dient der Erzielung einer Federwirkung.
Es sind auch Sessel bekannt, die zwei im Winkel von 900 zueinander stehende Abstützflächen aufweisen, von denen die eine im hinteren Teil der stark vertieften Sitzfläche angeordnet und den Sitzbeinknorren zugeordnet ist, während die andere in der Rückenlehne angeordnet ist und das Kreuzbein abstützt. Die Rückenlehne weist lediglich in den Randbereichen einen Knick oder Kamm auf, der in Höhe der Abstützfläche für das Kreuzbein beginnend kreisbogenförmig von den Seiten der Rückenlehne nach oben ansteigt und zur Mitte der Rückenlehne hin abnimmt. Die Sitzbaltung solcher Sessel ist zwar als optimale Haltung gewählt, sie ist jedoch eine erzwungene Sitzhaltung, und zwar nur eine bestimmte Sitzhaltung.
Derartige Sessel sind also ein Sitzkorsett und nicht ein Stuhl, der seine stützenden und entlastenden Eigenschaften beibehält, wenn der Sitzende die verschiedensten Sitzbaltungen einnimmt.
Schliesslich ist eine dreidimensional gewölbte Rükkenstütze für Holzstühle bekannt, deren Auswölbung aus zwei zueinander geneigten Anlehnflächen zusammengesetzt ist, die über einen V-förmigen Kurvenzug ineinander übergehen. Dabei besteht die Stützfläche der vom Sitz getrennten Rückenstütze aus einer zweidimensional gewölbten oberen Fläche und einer unteren ebenen, gegebenenfalls zweidimensional gewölbten Fläche, so dass sich der V-förmige Kurvenzug als Durchdrin gungskurve der beiden Flächen ergibt. Die untere Fläche setzt sich aus zwei durch den Scheitelpunkt des V-förmigen Kurvenzuges getrennten und seitlich oberhalb davon liegenden Flächenteilen zusammen, die der Stuhlbeinneigung angepasst gegenüber der Senkrechten etwas geneigt sind.
Die mit dieser Formgebung der Rückenstütze angestrebte Wirkung, dass der Rücken des auf dem Stuhl Sitzenden auch in der gebückten Sitzstellung an der Rückenstütze eine Anlehnfläche vorfindet, wird jedoch nur sehr unvollkommen erreicht. Hierfür ist der Umstand massgebend, dass die bekannte Rückenstütze unterhalb des Scheitelpunktes des V-förmigen Kurvenzugs endet und dass der Scheitelpunkt in seiner Lage zum Kreuzbein des Sitzenden nicht festgelegt ist.
Je nach Anordnung der Höhe des Scheitelpunktes kommt das Kreuzbein entweder oberhalb des Scheitelpunktes zu liegen, so dass keine wirksame Abstützung gegeben ist, oder in dem freien Raum unterhalb des Scheitelpunktes, so dass mangels einer Fixierung des Beckens der muskuläre Halteapparat der gesamten Wirbelsäule beansprucht wird und das Gesäss des Sitzenden ausserdem dem unangenehm empfundenen Druck der ausgeprägten Unterkante der Rückenstütze ausgesetzt ist. Zu diesen Nachteilen kommt noch hinzu, dass die Rücken stütze nicht einstückig federnd mit der Sitzfläche verbunden, sondern starr in den in die Stuhlbeine übergehenden Holmen befestigt ist.
Obwohl also grundsätzlich als Aufgabenstellung bekannt ist, die Rückenlehne eines Stuhles derart zu formen, dass sowohl in vornübergebeugter als auch in aufrechter Sitzhaltung eine Abstützung vorhanden ist, sind die dafür bisher angegebenen Lösungsmittel nach Erkenntnis der Erfindung ungeeignet und unzureichend.
Demgegenüber präzisiert die Erfindung die Aufgabenstellung dahingehend, dass bei einem Stuhl nicht nur in den beiden Endstellungen der vorgebeugten Sitzhaltung (Schreibhaltung) und der aufrechten bis schräg nach hinten geneigten aufrechten Sitzhaltung (Aufmerkhaltung), sondern auch in den Übergangsstellungen eine optimale Unterstützung des Sitzenden und Entlastung seiner Muskulaeur erreicht wird.
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Dabei geht die Erfindung von der neuen Erkenntnis aus, dass einerseits der Sitzende in jeder Stellung an mehreren nicht gegeneinander verschieblichen Punkten des Beckens und des untersten Teils der Wirbelsäule, nämlich dem Kreuzbein, unterstützt sein muss, und zwar statisch bestimmt, und dass anderseits Sitz und Lehne derart geformt sein müssen, dass sie in allen Stellungen Unterstützung bieten, ohne Weichteile oder Haltemuskulatur abzuldemmen oder zu drücken. Dabei soll die muskuläre Haltearbeit so gering wie möglich sein.
Nach der Erfindung ist ein Stuhl der eingangs erwähnten Gattung dadurch gekennzeichnet, dass die Sitzfläche hinten einen bogenförmig geführten, nach hinten ansteigenden Absatz aufweist, dass der Kamm - von vorn gesehen, V-förmig gestaltet ist und seinen tiefsten Punkt an einer Stelle über der Sitzfläche hat, die knapp rückwärts oberhalb der hintersten Stelle des bogenförmigen Absatzes liegt und dass der untere Lehnenteil in seinem oberen Abschnitt in einer Richtung verläuft, die weniger als 900 zur durchschnittlichen Sitzflächenebene nach vorn geneigt ist, und in seinem unteren Abschnitt ausgeprägt nach aussen gewölbt ist.
Das Becken wird in der Aufmerkhaltung nach vorn gebracht und kippt auf seinen Sitzkufen nach hinten.
Dabei wird ein Teil der Lendenwirbefrückbiegung ausgeglichen. Um dem Rückwärtsfallen vorzubeugen, müsste in dieser Haltung die Muskulatur eine grosse Arbeit verrichten, wenn ihr nicht am günstigsten Punkt, und zwar im Bereich der Lendenwirbelsäule und des unteren Abschnittes der Brustwirbelsäule, eine Unterstützung gegeben würde. Diese Unterstützung wird durch eine günstige Festlegung des tiefsten Punktes des V-förmigen Kammes im Verhältnis zur Lage des Kreuzbeins erreicht.
Die wesentlichen Vorteile der erfindungsgemässen Ausbildung des Stuhles gegenüber den bekannten Stühlen ergeben sich für die Schreibhaltung. In dieser vor gebeugter Sitzhaltung wird das Becken bekanntlich nach hinten geschoben. Dabei kippt es auf seinen Sitzkufen aus einer rückwärts geneigten Position heraus in eine Mittelposition. Die gesamte Wirbelsäule wird nach vorn gebracht unter gleichzeitiger Aufrichtung der Lenden= wirbelsäule.
Um auch in dieser Lage eine grösstmögliche Stützung für den Halteapparat zu erreichen, verläuft bei dem erfindungsgemässen Stuhl der untere Lehnenteil in seinem oberen Abschnitt bis zu dem Kamm in einer Richtung, die der ungefähren Lage des Kreuzbeins sowie der Beckenkämme in dieser vorgebeugten Sitzhaltung entspricht. Auf Grund dieser Ausbildung kann sich das Kreuzbein entsprechend der jeweiligen Neigung des Oberkörpers des Sitzenden auf dem oberen Abschnitt des unteren Lehnenteils von dem tiefsten erreichbaren Punkt bis zu dem Scheitelpunkt des V-förmigen Kamms abwälzen, und zwar unterstützt von der Federung der Lehne. Durch die Anpassung an die unterschiedichen Sitzhaltungen in vorgebeugter Stellung behält das Kreuzbein des Sitzenden ständigen Kontakt mit der Rückenlehne, ohne dem Druck einer scharfen Kante ausgesetzt zu sein.
Ein weiterer wesentlicher Vorteil des erfindungsgemässen Stuhles ergibt sich daraus, dass die Schenkel des V-förmigen Kamms von ihrem nach der Lage des Kreuzbeins des Sitzenden in der Höhe festzulegendem Scheitelpunkt nach beiden Seiten ansteigen und hierbei die Beckenkämme abstützen. Die hierdurch bewirkte Fixierung des Beckens trägt dazu bei, dass der muskuläre Halteapparat weitgehend entlastet wird.
Insgesamt ermöglicht der erfindungsgemässe Stuhl im Gegensatz zu der bekannten Rückenstütze mit V-förmigem Kamm einen ständigen Kontakt zwischen dem Rücken des Sitzenden und der Rückenlehne, und zwar stufenlos für alle Sitzsteliungen.
Die Fixierung des Beckens wird durch die Anordnung des bogenförmigen Absatzes in der Sitzfläche noch verbessert, da das Becken auf diesem Absatz in den verschiedenen Stellungen bei vorgebeugter Haltung des Sitzenden eindeutig gehalten wird.
Um eine noch bessere Anpassung an das Kreuzbein des Sitzenden zu erreichen, und zwar insbesondere bei höherer Körpergrösse, ist nach einer vorteilhaften Weiterbildung des erfindungsgemässen Stuhles der Kamm im Bereich seines tiefsten Punktes aus der Lehnenfläche vorgewölbt.
Die Erfindung wird nachstehend anhand eines Ausführungsbeispieles mit Bezug auf die Zeichnungen näher erläutert. Es zeigen:
Fig. 1 eine Vorderansicht des Stuhles,
Fig. 2 eine Seitenansicht dieses Stuhles,
Fig. 3 eine zeichnerische Darstellung einer Draufsicht eines Stuhlsitzes von Fig. 1,
Fig. 4 eine schematische Darstellung in Seitenansicht zur Verdeutlichung der Stützwirkung des erfindungsge mässen Stuhl in der Schreibhaltung,
Fig. 5 eine schematische Darstellung nach Art von Fig. 4 mit Bezug auf die Aufmerkhtaltung.
Der gezeigte Stuhl hat einen Sitz 1 und eine Lehne 4, die einstückig aus Pressstoff bestehen. Der Sitz 1 hat einen Mittelkamm 2. Hinten hat dieser Sitz bzw. die sitzfläche einen bogenförmig geführten, nach hinten an .teigenden Absatz 23, dessen hinterste, in der Mitte gelegene Stelle mit 23a bezeichnet ist.
Die Lehne 4 hat einen rückwärts geneigten Ober eil 6, dessen oberer Rand mit 14 bezeichnet ist, und inen Unterteil 7, der - wie am besten aus Fig. 1 hervorgeht - bei 8 eine Taille 8 bildet und in seinem oberen abschnitt 7a geneigt bis zu einem Kamm 5 ansteigt. Die er Kamm 5 ist, von oben gesehen - Fig. 3 - bogenför nig und, von vorn gesehen - wie insbesondere aus ig. 1 ersichtlich ist - V-förmig gestaltet. Der tiefste Punkt dieses Kammes 5 liegt in Kreuzbeinhöhe des Sitzenden, nämlich an einer Stelle 22 über der Sit2 läche, die wenig rückwärts oberhalb der hintersten stelle 23a des bogenförmigen Absatzes 23 liegt. Die schenkel 20 des Kammes 5 steigen nach beiden Seiten 1n und stützen hierbei die Beckenkämme ab.
In Ergä eung hierzu lässt die Linie 21 in Fig. 3 in Draufsicht erkennen, dass der Kamm am Scheitelpunkt - Stelle 22 vorgewölbt ist.
Der untere Lehnenteil 7 verläuft in seinem oberen Abschnitt 7a (Fig. 4) in einer Richtung, die weniger als zur zur durchschnittlichen Sitzflächenebene nach vorn geneigt ist; der untere Abschnitt 7b ist ausgeprägt nach ussen gewölbt. Dieser Abschnitt ist in Fig. 2 mit 3 bezeichnet.
Gemäss Fig. 2 ist die Sitzfläche 1, deren vorderer Rand mit 15 bezeichnet ist, vergleichsweise lang ausgebildet, um dem Sitzenden auch in der Aufmerkhaltung mit nach vorn gebrachten Becken eine ausreichende Unterstützungsfläche für Gesäss und Oberschenkel zu geben. In dieser Haltung gibt der geringfügig vorstehende Mittelkamm 2 am vorderen Sitzende einen gewissen Halt, um zu verhindern, dass beim Uberwechseln von der Schreib- in die Aufmerkhaltung der Sitzende zu weit nach vorn rutscht. Der bogenförmige Absatz 23 sorgt, vor allem in der Schreibhaltung, für eine zusätzliche Fixierung des Beckens unter Berücksichtigung der anatomischen Form desselben, der Sitzbeinkufen und des labilen Gleichgewichtes.
Wie aus Fig. 2 und 3 ersichtlich ist, ist der obere Lehnenteil 6 schräg nach hinten geneigt und an den Seiten 10 im Bogen weit herumgezogen, um auch eine seitliche Abstützung zu geben und um die Lendenwirbel säule und die unteren Brustwirbel des Sitzenden in der Aufmerkhaltung abzustützen.
In Fig. 5 veranschaulicht die Linie 13 die Konturen eines Sitzenden in der Aufmerkhaltung auf dem erfindungsgemässen Stuhl. Damit kein Kantendruck entsteht, ist sowohl der obere Rand 14 der Lehne 4 als auch der Rand 15 der Sitzfläche 1 abgebogen.
In Fig. 4 veranschaulicht die Linie 16 die Konturen eines Sitzenden in der Schreibhaltung. Man erkennt, dass im Vergleich zur Aufmerkhaltung das Becken in die starke Aussenwölbung 3 des unteren Lehnenteils 7 geschoben ist. Dadurch wird ermöglicht, dass das Kreuzbein an seinen Unterstützungsbereich im oberen Abschnitt des unteren Lehnenteils 7 herangebracht wird.
Der Unterstützungsbereich für die Beckenkämme wird durch die V-förmigen Schenkel des Kammes 5 gebildet (Fig. 1).
Durch die beschriebene Ausbildung des Stuhles ist gewährleistet, dass insbesondere ein Schüler in den beiden Haltungen, die er im Unterricht vorwiegend einnimmt, nämlich in der Schreib- und in der Aufmerkhaltung, eine wirksame Abstützung seines Körpers von der Sitzfläche und der Lehne des Stuhles her erfährt.
Hierdurch wird eine Entlastung des menschlichen Halteapparates herbeigeführt. Die Aufmerksamkeit des sitzenden Schülers bleibt dadurch erhalten und Haltungsschäden werden vermieden.
Der Stuhlsitz wird auf einem leichten Stuhlgestell befestigt, dessen Höhe ebenfalls auf die Körpermasse des Schülers abgestimmt ist wie der Stuhlsitz.
Die Sitzfläche sowie die Lehnenfläche sind bei Verwendung von sehr glatten Pressstoffen aufgerauht, um dem Sitzenden mehr Halt zu geben. Von der Behandlung zum Aufrauhen kann ein ringsum laufender Randstreifen ausgenommen sein.