Verfahren zur Gewinnung von Methanol und Essigsäure aus Verseifungsgemischen von Methylacetat
Die Verseifung von Carbonsäureestern mit wässrigen Alkalien verläuft zwar vollständig und erlaubt die unmittelbare Gewinnung eines esterfreien Alkohols. Die Carbonsäure fällt jedoch dabei als Alkalisalz an, aus dem sie durch eine anorganische Säure in Freiheit gesetzt werden muss. Der grosse Verbrauch an Alkali und Mineralsäure verteuert das Verfahren beträchtlich.
Die Verseifung von Carbonsäureestern in Anwesenheit von Wasser und sauren Katalysatoren, wie Kationenaustauschern oder wässrigen Mineralsäuren, verläuft nicht vollständig. Es stellt sich bekanntlich ein Gleichgewicht ein, das im wesentlichen von dem Molverhältnis Ester: Wasser, in kleinerem Masse auch von der Temperatur der Verseifungsflüssigkeit abhängig ist.
Für die Verseifung von Methylacetat durch wässrige Mineralsäure gelten für den Gleichgewichtszustand und für eine Temperatur von etwa 40O folgende Zahlen: Molverhältnis V rs fu ob Essigsäure %
Wasser: Ester e el ng o bezogen auf Wasser
2 40,0 47,0
4 53,0 33,0
6 61,5 27,0
8 66,0 22,5
10 70,0 20,0
Die Temperaturabhängigkeit des Gleichgewichts wirkt sich in der Weise aus, dass bei sonst gleichen Bedingungen die Verseifung des Methylacetats bei 600 um etwa 10% und bei 980 (unter Druck) um 15% höher ist als bei 17".
Eine vollständige Verseifung von Methylacetat muss, wie obige Tabelle erkennen lässt, mit einer Entwertung der Essigsäure durch die Verdünnung mit Wasser erkauft werden. Mit Rücksicht darauf, dass die Essigsäure wieder in konzentrierter Form erhalten werden soll, und dass die Aufkonzentrierung mit fortschreitender Verdünnung kostspieliger wird, begrenzt man die Wassermenge meist so, dass eine etwa 25 %ige Essigsäure erhalten wird.
Es ist jedoch nicht möglich, die im Reaktionsgemisch der Verseifung enthaltenen Mengen Methanol und Essigsäure durch normales Abfraktionieren völlig zu gewinnen. Während sich beim Erwärmen des Verseifungsgemisches das Gleichgewicht in Richtung der Verseifung verschiebt, tritt vom Beginn des Abdestillierens an eine Wiederveresterung von Methanol und Essigsäure ein, da unveränderter Ester aus dem Gleichgewichtsgemisch entfernt wird. Erfolgt das Abdestillieren in Gegenwart des Verseifungskatalysators, so erhält man im Falle des Methylacetats im Destillat um etwa 90% l mehr Ester, als vorher im Gleichge- wichtsgemisch vorhanden war. Macht man den Katalysator unwirksam, z. B. durch Neutralisation der verwendeten Mineralsäure, so beträgt die Neubildung von Methylacetat nur noch 20%. Die Verseifung des Methylacetats geht also im ersten Falle z.
B. von 61,5 auf 32,3%, im zweiten Falle auf 51,1% zurück.
Die Gewinnung des Methanols aus dem Versei fungsgemisch wird ferner dadurch erschwert, dass der Alkohol mit dem zugehörigen Ester ein bei 54O konstantsiedendes binäres Gemisch bildet von der Zusammensetzung:
Methanol 19,5%, Methylacetat 81,5%.
Die Abtrennung des Alkohols durch Fraktionierung des Verseifungsgemisches wird also dadurch verschlechtert, dass 100 Teile nicht verseifter Ester, 23,9 Teile Methanol in das azeotrope Destillat mitnehmen.
Es kann demnach durch Destillation des Verseifungsgemisches nur der überschüssige Alkohol gewonnen werden. Bei der sauren Verseifung des Methylacetats werden z. B. bei einem Verseifungsgrad von 61,5% aus 100 Teilen Ester 26,6 Teile Methanol gebildet. Die 3es,5 Teile unverseiften Esters nehmen 9,2 Teile Methanol in das binäre Gemisch mit, so dass bei der Fraktionierung nur 17,4 Teile Methanol = 65,4% direkt gewinnbar sind.
Die Ausbeute an esterfreiem Alkohol geht, wie oben ausgeführt, bei der einsatzweisen Fraktionierung des Verseifungsgemisches, insbesondere in Anwesenheit des Verseifungskatalysators, weiter stark zurück.
Es steigt beim Methylacetat infolge der Wiederveresterung die Estermenge so stark an, dass das Methanol völlig im binären Gemisch abdestilliert und infolgedessen keine Methanolfraktion erhalten wird.
Es wurde ein Verfahren gefunden, welches die Gewinnung von Methanol und Essigsäure aus Verseifungsgemischen von Methylacetat, die bei dessen Verseifung in Gegenwart von Wasser und sauren Katalysatoren entstehen, auf einfache und wirtschaftliche Weise ermöglicht und dadurch gekennzeichnet ist, dass das Verseifungsgemisch nach Erreichung eines dem Gleichgewichtszustand der Verseifung nahezu entsprechenden Verseifungsgrades mit einer nahe an dessen Siedepunkt liegenden Temperatur fortlaufend dem Verteilerboden einer Durchflusskolonne zugeführt wird, der auf einer unter dem Siedepunkt des Wassers liegenden Temperatur gehalten wird, sodann über das azeotrope Verhältnis von Methanol zu unverseiftem Methylacetat hinaus vorhandener Alkohol abgenommen,
und aus dem als Kopfdestillat erhaltenen binären Gemisch der Methylalkohol mittels einer hochkonzentrierten wässrigen Salzlösung extrahiert und die Hauptmenge des Alkohols aus der Salzlösung abdestilliert wird, das Methylacetat wieder in das Verseifungsgemisch zurückgeführt und die Essigsäure aus der in der Blase der Durchflusskolonne anfallenden wässrigen Lösung gewonnen wird. Dies kann z. B. durch Extraktion erfolgen.
Man kann nur eine Destillationskolonne verwenden, wobei das Methanol oberhalb des Verteilerbodens aus derselben abgeführt wird, oder man kann zunächst das gesamte Methanol zusammen mit dem unveränderten Methylacetat übertreiben und dann erst in einer zweiten Kolonne in binäres Gemisch und Methanol durch Destillation trennen.
Die Temperatur des Verteilerbodens wird unter 1000 gehalten, um das Abdestillieren von wasserhaltiger Säure hintanzuhalten. Unter diesen Bedingungen findet eine so rasche Trennung des Alkohols von der Carbonsäure statt, dass eine Verschiebung des Gleichgewichtszustandes im Sinne einer Wiederveresterung, wie sie sonst insbesondere bei der einsatzweisen Fraktionierung beobachtet wird, selbst bei Anwesenheit des Katalysators praktisch nicht eintritt.
Die Zerlegung des binären Gemisches in Methanol und Methylacetat durch Extraktion erfolgt mittels hochkonzentrierter wässriger Lösungen von organischen und anorganischen Salzen, insbesondere solchen, die sich bei der Extraktion nicht ausscheiden und in welchen der Ester wenig, der Alkohol aber gut löslich ist, z. B. Kaliumformiat, Kaliumacetat, Kaliumpropionat, Kaliumlactat, Kaliumphenolat und die entsprechenden Natriumsalze, ferner Magnesiumacetat, Calciumchlorid oder Mischungen solcher Salze. Aus der alkoholhaltigen Salzlösung wird durch Abfraktionieren neben einer geringen Menge Alkohol-Ester Gemisch die Hauptmenge des Methanols frei von Methylacetat gewonnen. Die Salzlösung selbst kehrt in die Extraktion zurück. Das bei der Extraktion des Methanols als spezifisch leichtere Phase anfallende Methylacetat enthält z.
B. bei Anwendung einer 72%igen Kaliumacetatlösung nach kurzer Zeit der Klärung noch je etwa 0,5% Methanol und Wasser und Spuren der Salzlösung. Es wird mit bestmöglichem Wirkungsgrad erneut dem Reaktionsgemisch der Verseifung zugeführt, wobei dieses durch den geringen Methanolgehalt praktisch nicht beeinträchtigt wird.
Die Extraktion mit der Salzlösung wird gewöhnlich beim flüssigen azeotropen Gemisch vorgenommen, doch ist die Extraktion des Dampfes nicht ausgeschlossen. Im ersteren Falle erfolgt sie zweckmässig in einem Gegenstromextraktor, im letzteren vorteilhaft in einer Destillationskolonne.
Die Kombination der kontinuierlichen Destillation des Verseifungsgemisches mit der Extraktion des konstant siedenden binären Gemisches durch eine hochkonzentrierte wässrige Salzlösung ermöglicht die wirtschaftliche Zerlegung des Methylacetats in Essigsäure und Methanol und deren Gewinnung in reiner Form.
Die Ausbeute an Methanol und Essigsäure ist praktisch quantitativ, die Hilfsstoffe, wie z. B. Mineralsäure, saure Ionenaustauscher und Salze, können ohne nennenswerten Verlust wieder verwendet werden.
Beispiel
100 kg Methylacetat werden gemäss dem auf beiliegender Zeichnung abgebildeten Schema im Behälter 1 mit 150 kg einer eigen Schwefelsäure auf 60700 erwärmt. Die Mischung wird in kurzer Zeit homogen, und nach etwa 11/2 Stunden befinden sich darin 38,5 kg Methylacetat, 26,6 kg Methanol und 49,4 kg Essigsäure. Diese dem Verseifungsgleichgewicht entsprechende Zusammensetzung verändert sich bei weiterem Erwärmen nicht. Sie entspricht einer 61,5 %igen Verseifung des Methylacetats. Die 65700 warme Mischung wird kontinuierlich dem Verteilerboden 2 der Durchflusskolonne 3 zugeleitet, der durch entsprechende Erwärmung des Inhalts der Blase 4 auf einer Temperatur von etwa 95o gehalten wird.
Aus der Blase 4 wird eine Lösung von 49,4 kg Essigsäure in 150 kg einer 3 %igen Schwefelsäure erhalten. Sie wird zur Gewinnung der Essigsäure nach bekannten Verfahren, beispielsweise mit Tributylphosphat, extrahiert. Die übrigbleibende 3 %ige Schwefelsäure kehrt zur Verseifung zurück. Von einem Boden 5 der Durchflusskolonne 3 werden bei 640 18,1 kg Methanol abgezogen. Aus dem Kopf 6 der Kolonne 3 destilliert ein bei 54o siedendes azeotropes Gemisch von 38,5 kg Methylacetat und 8,5 kg Methanol.
Dieses Gemisch wird bei etwa 30 einem mit Füllkörpern versehenen Extraktionsturm 7 von unten zugeführt. Von oben lässt man im Gegenstrom 75 Liter einer 72:obigen Kaliumacetatlösung zulaufen. Am obern Teil des Extraktionsturmes gewinnt man 34,2 kg 99 .'iges Methylacetat, welche über ein dazwi- schengeschaltetes Lagergefäss 8a in das Verseifungsgefäss 1 geleitet werden. Aus der Kaliumacetatlösung erhält man in der Durchflusskolonne 8 als Destillat 4,6 kg Methylacetat und 1 kg Methanol als binäres Gemisch, welches in die Extraktion zurückkehrt. An einem Boden 9 dieser Kolonne werden bei 640 7,5 kg Methanol abgenommen. Als Blasenablauf wird 72 %ige Kaliumacetatlösung erhalten, die in die Extraktion zurückkehrt.
Von den bei der Verseifung entstandenen 26,6 kg Methanol werden in einem Durchgang 25,6 kg erhalten.
Verwendet man zur Extraktion des binären Gemisches eine 72 /Oige gegen Phenolphthalein neutrale Kaliumformiatlösung, so kann die Gegenstromextraktion im Volumverhältnis 1 (bin. Gemisch) : 2 (Kaliumformiatlösung) bei 200 durchgeführt werden. Die so erhaltene Esterschicht enthält nach der Klärung 98 > ' Methylacetat, die Extraktschicht 5% Methanol und 0,5 < ' Methylacetat.
Eine andere Salzlösung besteht aus der Mischung von 80 Gewichtsteilen 74%iger Kaliumacetat- und 20 Gewichtsteilen einer 74%igen Kaliumformiatlösung. Die Extraktion wird im Volumverhältnis 1 : 1 bei 200 im Gegenstrom durchgeführt. Sie liefert etwa dasselbe Ergebnis wie die Extraktion mit der 72 / igen Kaliumacetatlösung, doch hat die Anwendung der Salzmischung den Vorteil, dass die Lösung einen tiefer liegenden Erstarrungspunkt aufweist.
Bei Verwendung von Calciumchlorid führt man die Extraktion vorteilhaft mit einer 38,61/oigen Salzlösung im Volumverhältnis 1:1 bei etwa 200 durch.
Die vorliegende Esterphase enthält 99% Methylacetat, 1"', Wasser und nur eine sehr kleine Menge Ca12.
Das Methanol befindet sich praktisch vollständig in der Salzlösung.
Extrahiert man 1 Volumteil des binären Gemisches bei 200 mit 1,5 Volumteilen einer 72% eigen Lösung von Kaliumacetat, so erhält man eine Esterschicht mit etwa 98% Methylacetat, 1,5% Wasser und 0,5 Methanol. Verwendet man anderseits eine 65''., ige Kaliumpropionatlösung und extrahiert bei 15 im Volumverhältnis 1:1, so enthält die Esterschicht etwa 99% Methylacetat, 0,9% Wasser und 0,1% Methanol.
Statt Kaliumsalzen können auch Natriumsalze verwendet werden.