"Elektrochemisch erzeugte Schichten zum Korrosionsschutz oder als Haftgrund"
Die Erfindung liegt auf dem Gebiet der Beschichtung von Oberflächen, um diese gegen Korrosion zu schützen und/oder um sie mit einem Haftgrund für eine nachfolgende organische Beschichtung zu versehen. Hierzu müssen die Oberflächen elektrisch leitend sein, also beispielsweise Oberflächen von Metallen oder durch eine entsprechende Behandlung leitfähig gemachte Oberflächen von Glas oder Kunststoffen darstellen.
Eine weit verbreitete technische Aufgabe besteht darin, metallische oder nicht metallische Untergründe mit einer ersten Beschichtung zu versehen, die korrosionshemmend wirkt und/oder die einen Haftgrund für eine darüber aufzubringende Beschichtung mit organischen Polymeren darstellt. Beispielsweise werden Metalle vor einer Lackierung vorbehandelt. Hierfür stehen in der Technik unterschiedliche Verfahren zur Verfügung. Beispielsweise genannt seien eine schichtbildende oder nicht schichtbildende Phosphatierung, eine Chromatierung oder eine chromfreie Konversionsbehandlung, beispielsweise mit komplexen Fluoriden von Titan, Zirkon, Bor oder Silicium. Technisch einfacher durchführbar, aber weniger wirkungsvoll ist ein einfacher Auftrag einer Grundierungsschicht auf ein Metall vor dessen Lackierung. Ein Beispiel hierfür ist das Auftragen von Menninge. Eine Alternative zu den „nassen" Verfahren stellen „trockene" Verfahren dar, bei denen eine Korrosionsschutz- oder Haftschicht aus einer Gasphase abgeschieden wird. Solche Verfahren sind beispielsweise als PVD- oder CVD-Verfahren bekannt. Sie können elektrisch, beispielsweise durch eine Plasmaentladung, unterstützt sein.
Eine derart erzeugte oder aufgebrachte Schicht kann zum einen als korrosionsschützender Haftgrund für eine nachfolgende Lackierung dienen. Die Schicht kann aber auch einen Haftgrund für eine nachfolgende Verklebung darstellen. Insbesondere metallische Untergründe, aber auch Untergründe aus
Kunststoff oder Glas werden vor einer Verklebung häufig chemisch oder mechanisch vorbehandelt, um die Haftung des Klebstoffs auf dem Substrat zu verbessern. Beispielsweise werden im Fahrzeug- oder Gerätebau Metall- oder Kunststoffteile jeweils untereinander, jedoch auch miteinander verklebt. Front- und Heckscheiben von Fahrzeugen werden heute in der Regel direkt in die Karosserie eingeklebt. Weitere Beispiele für die Verwendung von Haftschichten findet man bei der Herstellung von Gummi-Metall-Verbunden. Auch hierbei wird der Metalluntergrund in der Regel mechanisch oder chemisch vorbehandelt, bevor eine Haftschicht zur Verklebung mit Gummi aufgebracht wird.
Die herkömmlichen nassen oder trockenen Beschichtungsverfahren bringen jeweils spezielle Nachteile mit sich. Beispielsweise sind Chromatierverfahren durch die toxischen Eigenschaften des Chroms und der Entstehung hochgiftiger Schlämme aus ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten nachteilig. Aber auch chromfreie nasse Verfahren wie beispielsweise eine Phosphatierung sind in der Regel mit der Entstehung schwermetallhaltiger Schlämme verbunden, die aufwendig entsorgt werden müssen. Ein weiterer Nachteil herkömmlicher nasser Beschichtungsverfahren besteht darin, daß der eigentliche Beschichtungsschritt häufig vor- oder nachbereitende weitere Schritte benötigt. Hierdurch erhöht sich der Platzbedarf für die Behandlungslinie, und der Verbrauch an Chemikalien steigt. Beispielsweise ist die im Automobilbau nahezu ausschließlich eingesetzte Phosphatierung mit mehreren Reinigungsschritten, einem Aktivierungsschritt und in der Regel einem Nachpassivierungsschritt verbunden. In all diesen Schritten werden Chemikalien verbraucht und zu entsorgende Abfälle gebildet.
Trockene Beschichtungsverfahren bringen zwar weniger Abfallprobleme mit sich, haben aber den Nachteil einer technisch aufwendigen Verfahrensführung (beispielsweise durch das Erfordernis von Vakuum) oder sind energetisch aufwendig. Hohe Betriebskosten sind also vor allem durch Anlagenkosten und Energieverbrauch bedingt.
Daher besteht ein Bedarf nach neuen Beschichtungsverfahren zum Herstellen von Korrosionsschutz- oder Haftgrundschichten, die apparativ weniger aufwendig sind
als trockene Verfahren und die im Vergleich zu nassen Verfahren mit einem geringeren Chemikalienverbrauch und einem geringeren Abfallvolumen auskommen.
Daß dünne Schichten von Metallverbindungen, beispielsweise Oxidschichten, elektrochemisch auf einem elektrisch leitenden Untergrund erzeugt werden können, ist im Stand der Technik bekannt. Beispielsweise beschreibt der Artikel Y. Zhou, J.A. Switzer: „Electrochemical Deposition and Microstructure of Copper (I) Oxide Films", Scripta Materialia Vol. 38, No. 11, Seiten 1731-1738 (1998) die elektrochemische Abscheidung und MikroStruktur von Kupfer(l)oxidfilmen auf Edelstahl. Dabei wurde vor allem der Einfluß der Abscheidungsbedingungen auf die Morphologie der Oxidschichten untersucht. Eine praktische Anwendung der Schichten geht aus dieser Arbeit nicht hervor.
Der Artikel M. Yoshimura, W. Suchanek, K-S. Han: „Recent developments in soft, solution processing one step fabrication of functional double oxide films by hydrothermal-electrochemical methods", J. Mater. Chem. Vol. 9, Seiten 77-82 (1999) untersucht die Herstellung von dünnen Filmen von Doppeloxiden durch eine Kombination von hydrothermalen mit elektrochemischen Methoden. Eine Anwendung wird in der Herstellung keramischer Materialien gesehen. Der Artikel enthält keine Hinweise auf die Verwendbarkeit solcher Schichten als Korrosionsschutz und als Haftgrund.
Eine elektrochemische Bildung einer Oxidschicht findet auch bei den als Anodisieren bekannten Prozessen statt. Hiervon unterscheidet sich die vorliegende Erfindung darin, daß auf einem Substrat Schichten von Metallverbindungen abgeschieden werden, wobei das Metall der Metallverbindung im wesentlichen ein anderes Metall darstellt als dasjenige, das den möglicherweise metallischen Untergrund ausmacht.
Ebenfalls ist es bekannt, die Bildung kristalliner Zinkphosphatschichten elektrochemisch zu unterstützen. Die Nachteile einer Phosphatierung (mehrere Teilschritte wie Aktivierung, Phosphatierung, Nachpassivierung; Anfall von
Phosphatierschlamm) werden hierdurch jedoch nicht überwunden. Die elektrochemische Unterstützung der Ausbildung von Zinkphosphatschichten gehört nicht zum Umfang der vorliegenden Erfindung.
Die Erfindung betrifft in einem ersten Aspekt die Verwendung einer Schicht auf einer elektrisch leitenden Oberfläche, die dadurch erhältlich ist, daß auf dieser Oberfläche in einem Schritt a) eine Schicht aus mindestens einer anorganischen Verbindung mindestens eines Metalls A mit einer flächenbezogenenen Masse von 0,01 bis 10 g/m2 aus einer Lösung, die das Metall A in gelöster Form enthält, elektrochemisch abgeschieden wird, wobei das Metall A ein anderes Metall darstellt als die Hauptkomponente der elektrisch leitenden Oberfläche und wobei die anorganische Verbindung weniger als 20 Gew.-% Phosphationen enthält, als Korrossionsschutzschicht und/oder als Haftgrund für eine organische Beschichtung.
Die Lösung, die das Metall A in gelöster Form enthält, wird nachstehend auch als „Elektrolyt" bezeichnet. Stellt diese Wasser dar, in der Salz des Metalls A gelöst ist, ist die Leitfähigkeit dieser Lösung für den erfindungsgemäßen Zweck in der Regel ausreichend. Sollte ein nicht wäßriges Lösungsmittel verwendet werden oder die Leitfähigkeit einer wäßrigen Lösung nicht ausreichen, kann ein Leitsalz wie beispielsweise ein Tetraalkylammoniumhalogenid zugesetzt werden. Die Ionen des Leitsalzes werden nicht oder nur in untergeordnetem Maße in die Schicht eingebaut, erhöhen aber die elektrische Leitfähigkeit des Elektrolyten.
Dabei kann es sich bei der elektrisch leitenden Oberfläche um eine intrinsisch leitende Oberfläche wie beispielsweise eine metallische Oberfläche handeln. Die Schicht kann jedoch auch auf einer Oberfläche eines elektrisch wenig oder nicht leitenden Materials abgeschieden werden, wenn durch geeignete Maßnahmen die Oberfläche elektrisch leitfähig gemacht wird. Bei Kunststoffen kann dies beispielsweise dadurch erfolgen, daß man zunächst auf chemischem Wege eine elektrisch leitende Metallschicht abscheidet, die dann die Basis für die elektrochemische Abscheidung einer Verbindung des Metalls A darstellt. Eine Glasoberfläche kann beispielsweise dadurch elektrisch leitend gemacht werden, daß man sie mit einem
Pulver einer elektrisch leitfähigen Substanz bestäubt oder eine leitfähige Schicht über die Gasphase aufbringt, beispielsweise als chemische Gasphasenabscheidung (CVD). Für die erfindungsgemäße Verwendung ist es jedoch bevorzugt, daß die elektrisch leitende Oberfläche eine Metalloberfläche darstellt.
Die Abscheidung der anorganischen Verbindung des Metalls A geschieht aus einer Lösung, die das Metall A in gelöster Form enthält. Dabei kann es sich um eine ein- oder mehrkomponentige wäßrige oder eine nicht wäßrige Lösung handeln. Beispiele nicht wäßriger Lösungsmittel mit einem guten Lösungsvermögen für geeignete Metallverbindungen sind flüssiges Ammoniak, Dimethylsulfoxid oder organische Phosphanderivate. Beispiele einer mehrkomponentigen wäßrigen Lösung sind Wasser-Alkohol-Gemische.
Die elektrochemische Abscheidung kann kathodisch oder anodisch erfolgen, wobei eine kathodische Abscheidung universeller einsetzbar und daher bevorzugt ist. Die Abscheidung der anorganischen Verbindung mindestens eines Metalls A aus einer entsprechenden Lösung kann nach 2 unterschiedlichen Mechanismen erfolgen. Zum einen kann die Abscheidung gekoppelt sein mit einer Änderung der Oxidationsstufe des Metalls A, wobei auf der elektrisch leitenden Oberfläche eine Schicht einer schwerlöslichen Verbindung des Metalls A in der gegenüber der Lösung geänderten Oxidationsstufe aufwächst. Beispielsweise läßt sich kathodisch aus einer wäßrigen Lösung, die Kupfer(ll)-lonen enthält, Kupfer(l)-Oxid abscheiden. Ein anderer Abscheidungsmechanismus beruht darauf, daß sich durch elektrochemische Prozesse an der elektrisch leitenden Oberfläche der pH- Wert in Oberflächennähe verschiebt. Als Folge hiervon kann auf der elektrisch leitenden Oberfläche eine anorganische Verbindung mindestens eines Metalls A aufwachsen, die unter den lokalen pH-Bedingungen an der Oberfläche schwer löslich ist. Hierbei ist es nicht erforderlich, daß sich die Oxidationsstufe des Metalls A während des Abscheidungsprozesses ändert. Eine Verschiebung des pH-Werts an der elektrisch leitenden Oberfläche kann beispielsweise dadurch erfolgen, daß Wasserstoffionen entladen werden und hierdurch der pH-Wert lokal ansteigt.
Wenn hierbei von einer anorganischen Verbindung mindestens eines Metalls A die Rede ist, so bedeutet dies, daß diese Verbindung auf jeden Fall das Metall A enthalten muß. Daneben kann sie jedoch weitere Metalle B, C, ... enthalten. Diese weiteren Metalle können zusätzlich zu dem Metall A in der Lösung vorhanden sein und mit diesem zusammen abgeschieden werden. Diese anderen Metalle können jedoch auch Komponenten der elektrisch leitenden Oberfläche sein und bei der Bildung der Schicht einer anorganischen Verbindung mindestens eines Metalls A direkt in diese Verbindung mit eingebaut werden. Beispiele anorganischer Verbindungen, die neben dem Metall A ein weiteres Metall enthalten, sind Mischoxide, die beispielsweise dem Strukturtyp der Spinelle oder der Perovskite angehören können. Beispielsweise genannt seien Titanate und Niobate.
Wegen der einfachen Durchführbarkeit und der Möglichkeit, Wasser als Lösungsmittel zu verwenden, ist es bevorzugt, daß die im Schritt a) abgeschiedene Verbindung ein Oxid darstellt. Dieses kann auch ein Mischoxid unterschiedlicher Metalle sein. Die erfϊndungsgemäße Verwendung ist jedoch nicht auf Oxide beschränkt. Sie umfaßt weiterhin nichtoxidische anorganische Verbindungen wie beispielsweise Selenide, Sulfide oder Nitride, die aus geeigneten, ggf. wasserfreien, Lösungsmitteln abgeschieden werden können.
Dabei ist es im Sinne der Erfindung nicht zwingend, daß die anorganische Verbindung mindestens eines Metalls A eine lediglich binäre oder ternäre Verbindung darstellt. Vielmehr kann diese Verbindung auch komplexer aufgebaut sein, indem beispielsweise Ionen oder Moleküle aus der Lösung in die Verbindung mit eingebaut werden. Ein Beispiel hierfür sind Oxidhydrate oder -sulfate.
Die erfindungsgemäße Verwendung umfaßt nicht eine reine Galvanisierung, da eine Galvanisierschicht keine „anorganische Verbindung" im Sinne dieser Erfindung darstellt. An die Schicht aus mindestens einer anorganischen Verbindung mindestens eines Metalls A wird vielmehr die Bedingung gestellt, daß zumindest ein Teil des Metalls A in einer Oxidationsstufe > 0 vorliegt.
Prinzipiell kann für die erfindungsgemäße Verwendung jede Schicht aus mindestens einer anorganischen Verbindung mindestens eines Metalls A eingesetzt werden, die sich elektrochemisch abscheiden läßt und die hinreichend chemisch stabil ist, um als Korrosionsschutzschicht zu wirken. Dies heißt, daß die
Schicht mit oder ohne aufgebrachtem Lack einen besseren Korrosionsschutz liefert als die unbeschichtete Metalloberfläche. Aus Gründen von Preis und
Verfügbarkeit ist es bevorzugt, daß das Metall A ausgewählt ist aus Mg, Ca, Sr,
Ba, AI, Si, Sn, Pb, Sb, Bi, Ti, Zr, V, Nb, Ta, Mo, W, Mn, Fe, Co, Ni, Zn, Cu. Die für praktische Zwecke wichtigsten Metall hieraus sind AI, Si, Ti, Zr, Mo, W, Mn, Fe,
Co, Ni, Zn und Cu.
Die elektrochemische Abscheidung kann potentiostatisch oder galvanostatisch erfolgen. Dabei ist die galvanostatische Abscheidung technisch einfacher durchzuführen und daher bevorzugt. Die Schichtbildung erfolgt vorzugsweise dadurch, daß die anorganische Verbindung auf der elektrisch leitenden Oberfläche bei einem Potential gegenüber einer Standard-Wasserstoff-Elektrode zwischen +0,1 und ±300 V oder einer Stromdichte im Bereich von ±0,1 bis ±10000 mA pro cm2 elektrisch leitende Oberfläche abgeschieden wird. Vorzugsweise arbeitet man bei Potentialen zwischen ±0,1 und ±100 V oder bei einer Stromdichte im Bereich von ±0,5 bis ±100 mA pro cm2. Die Vorzeichen vor Spannung und Stromdichte drücken aus, daß die Abscheidung kathodisch oder anodisch erfolgen kann. Eine kathodische Abscheidung, d. h. ein negatives Potential gegenüber der Standard- Wasserstoff-Elektrode, ist bevorzugt.
Aus den einleitend zitierten Literaturstellen ist es bekannt, daß die Morphologie, die chemische Zusammensetzung und die Kristallstruktur der abgeschiedenen Schicht von den Abscheidungsbedingungen abhängen und somit durch Wahl der Bedingungen beeinflußt werden können. Beispielsweise hängen die genannten Schichtparameter ab von der Konzentration der Metallionen A und ggf. weiterer Bestandteile in der Lösung, der Strömungsgeschwindigkeit der Lösung relativ zur elektrisch leitenden Oberfläche, dem eingestellten Potential und/oder der eingestellten Stromdichte. Die Schichteigenschaften lassen sich also durch Wahl dieser Parameter gezielt verändern. Dabei betreibt man die Abscheidung
vorzugsweise unter solchen Bedingungen, daß sich die anorganische Verbindung in röntgenkristalliner Form abscheidet. Dabei bedeutet röntgenkristallin, daß die anorganische Verbindung bei einem Röntgenbeugungsexperiment scharfe Röntgenreflexe liefert. Die hierbei entstehende stark strukturierte Oberfläche ist besonders günstig als Haftgrund für eine organische Beschichtung.
Eine Durchmischung des Elektrolyten und/oder eine Relativbewegung des Elektrolyten relativ zur metallisch leitenden Oberfläche kann die Schichtausbildung beschleunigen und die Morphologie der Schicht beeinflussen. Beispielsweise kann dies dadurch erfolgen, daß man den Elektrolyten rührt oder ihn im Elektrolysegefäß umpumpt. Weiterhin kann der Elektrolyt durch Einblasen eines Gases, insbesondere Luft, durchmischt und bewegt werden.
Vorstehend war von einer Abscheidung bei einem bestimmten Potential gegenüber einer Standard-Wasserstoff-Elektrode die Rede. Eine solche Potentialangabe setzt die Verwendung einer Bezugselektrode voraus, die sich möglichst nahe bei der elektrisch leitenden Substratoberfläche befindet. Beim praktischen Betrieb ist es jedoch einfacher, galvanostatisch zu arbeiten und die gewünschte Stromdichte durch Variation der Klemmenspannung von elektrisch leitender Oberfläche als Arbeitselektrode und einer beliebigen Gegenelektrode einzustellen. Beispielsweise sind Gegenelektroden geeignet, die unter den gewählten Elektrolysebedingungen hinreichend lange stabil sind. Beispiele sind Edelstahl, Gold, Silber, Platin, Graphit oder glasartiger Kohlenstoff
In einem weiteren Aspekt betrifft die Erfindung ein Verfahren zur Herstellung einer mindestens zweilagigen Beschichtung auf einer elektrisch leitenden Oberfläche, dadurch gekennzeichnet, daß in einem Schritt a) auf der elektrisch leitenden Oberfläche eine Schicht aus mindestens einer anorganischen Verbindung mindestens eines Metalls A mit einer flächenbezogenenen Masse von 0,01 bis 10 g/m2 aus einer Lösung, die das Metall A in gelöster Form enthält, elektrochemisch abgeschieden wird, wobei das Metall A ein anderes Metall darstellt als die Hauptkomponente der elektrisch leitenden Oberfläche und wobei die anorganische Verbindung weniger als 20 Gew.-%
Phosphationen enthält, und in einem nachfolgenden Schritt b) auf die im Schritt a) abgeschiedene Schicht mindestens eine Schicht eines organischen Polymers aufgebracht wird.
Dabei bedeutet „eine mindestens zweilagige Beschichtung", daß auf die elektrisch leitende Oberfläche wie vorstehend beschrieben eine Schicht aus mindestens einer anorganischen Verbindung mindestens eines Metalls A und auf diese wiederum mindestens eine Schicht eines organischen Polymers aufgebracht wird. Selbstverständlich können auf die Schicht einer anorganischen Verbindung auch mehrere unterschiedliche Schichten von organischen Polymeren aufgebracht werden. Beispielsweise ist dies aus dem Automobilbau bekannt, wo gemäß bisherigem Stand der Technik auf die als anorganische Korrosionsschutz- und Haftschicht dienende Phosphatschicht in der Regel mindestens 3 unterschiedliche Schichten von organischen Polymeren aufgebracht werden. Beispielsweise können dies Schichten eines Elektrotauchlacks, eines Füllers und eines Decklacks sein.
Dabei kann als Schicht aus mindestens einer anorganischen Verbindung mindestens eines Metalles A eine Schicht gewählt werden, deren Bildung, Eigenschaften und Zusammensetzung vorstehend beschrieben wurde.
Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren zur Herstellung einer mindestens zweilagigen Beschichtung kann in einer Ausführungsform im Teilschritt b) ein kathodisch oder anodisch abscheidbarer Elektrotauchlack aufgebracht werden. Dies setzt allerdings voraus, daß die elektrische Leitfähigkeit der Schicht groß genug ist, einen Elektrotauchlack abzuscheiden. Bei einer Schicht aus Kupfer(l)- Oxid mit einer flächenbezogenen Masse unterhalb von 10 g/m2 ist dies beispielsweise der Fall.
In dieser Ausführungsform wird zwischen dem Abscheiden der Schicht der anorganischen Verbindung und dem Aufbringen des Elektrotauchlacks vorzugsweise mit Wasser gespült. Dies kann durch Eintauchen oder Absprühen erfolgen. Dabei kann es vorteilhaft sein, zumindest im letzten Spülschritt mit
salzarmem oder vollentsalztem Wasser zu spülen. Eine chemische Nachpassivierung der anorganischen Schicht vor der elektrischen Tauchlackierung, wie sie beispielsweise bei einer Phosphatierung in der Regel erfolgt, ist in dem erfindungsgemäßen Verfahren nicht notwendig.
In einer weiteren Ausführungsform führt man das erfindungsgemäße Verfahren als Bandverfahren durch. Dabei wird im Teilschritt b) eine organische Polymerschicht durch Eintauchen oder Aufsprühen oder durch Auftragswalzen aufgebracht. Ein Bandverfahren setzt implizit ein nicht starres Substrat voraus, so daß diese Verfahrensvariante bevorzugt auf Bändern von Metallen durchgeführt wird. Dabei wird das Verfahren vorzugsweise kontinuierlich ausgeführt. Die elektrochemische Schichtbildung im Teilschritt a) und das Aufbringen der organischen Polymerschicht im Teilschritt b) erfolgen also bei laufendem Band.
Das Aufbringen einer organischen Polymerschicht auf ein laufendes Band ist im Stand der Technik als „Coil-Coating-Verfahren" bekannt. Die hierfür eingesetzten Beschichtungsanlagen sind auch für das erfindungsgemäße Verfahren geeignet. Dabei kann die organische Polymerschicht unterschiedliche Dicken und unterschiedliche Funktionen aufweisen. Beispielsweise kann sie nur wenige μm dick sein und als Umformhilfe und/oder als Primer für eine nachfolgende Lackierung dienen. Dabei stellt man Zusammensetzung und Schichtdicke des Primers vorzugsweise so ein, daß ein elektrisches Widerstandsschweißen noch möglich ist. Weiterhin soll es vorzugsweise möglich sein, auf den Primer einen elektrisch abscheidbaren Tauchlack aufzubringen. Solche organischen Primer- Schichten auf einer chemisch erzeugten anorganischen Schicht auf einer Metalloberfläche sind je nach Funktion und Zusammensetzung in der Technik unter verschiedenen Handelsnamen bekannt. Beispielsweise genannt seien DurasteelR und GranocoatR.
Während bei den vorstehend beschriebenen Primer-Schichten die Schichtdicke im Bereich von unterhalb 10 μm liegt und beispielsweise 6 bis 9 μm beträgt, kann im Coil-Coating-Verfahren auch direkt eine dickere organische Lackschicht
aufgebracht werden, die später nicht weiter überlackiert wird. Die Schichtdicken liegen dann im Bereich von 50 bis 200 μm.
Weiterhin kann als organisches Polymer im Teilschritt b) ein Pulverlack aufgebracht werden. Hierfür muß die anorganische Schicht auf der elektrisch leitenden Oberfläche nicht mehr in dem Maße elektrisch leitend sein, wie dies für eine nachfolgende Elektrotauchlackierung erforderlich ist. Ein Pulverlack wird bevorzugt auf ausgeformte Gegenstände aufgebracht, die keiner starken korrosiven Belastung ausgesetzt sind. Beispiele hierfür sind Gegenstände wie Haushaltsgeräte oder elektronische Geräte, die in geschlossenen Räumen aufbewahrt werden.
Die im Teilschritt b) aufgebrachte organische Schicht kann auch eine Klebstoffschicht darstellen. Die anorganische Schicht mindestens eines Metalls A dient dann als Haftschicht zwischen Klebstoff und metallisch leitender Unterlage. Besonders für diese Ausführungsform des Verfahrens kommt als metallisch leitende Unterlage nicht nur ein Metall selbst, sondern elektrisch leitfähig gemachte Oberflächen von Kunststoffen oder von Glas in Betracht. Daher kann die anorganische Schicht als Haftschicht zwischen einem der Substrate Metall, Kunststoff oder Glas und einem Klebstoff wirken, wobei durch den Klebstoff gleiche oder unterschiedliche Substrate miteinander verbunden werden können. Beispiele finden sich im Bau von Fahrzeugen, Flugzeugen oder Haushaltsgeräten, wo Metalle untereinander oder mit Kunststoff oder Glas verklebt werden. Auch Verklebungen von Kunststoff mit Kunststoff kommen in Betracht. Insbesondere können auf diese Weise Glasscheiben in Fahrzeugkarosserien eingeklebt werden.
Eine besondere Ausführungsform besteht darin, daß man im Teilschritt b) einen Klebstoff aufbringt, mit dem ein vulkanisiertes oder nicht vulkanisiertes Gummiteil mit einem Metallteil verbunden wird. Das so entstehende Bauteil wird allgemein als „Gummi-Metall-Verbund" bezeichnet. Dabei geht man in der Regel so vor, daß man ein nicht vulkanisiertes Gummiteil mit einem Klebstoff über die als Haftschicht dienende anorganische Schicht mit dem metallischen Substrat verbindet und anschließend durch Temperaturerhöhung, häufig unter gleichzeitigem Ausüben
von Druck, vulkanisiert. In der Technik sind diese Verfahrensschritte geläufig, wobei das metallische Substrat jedoch nicht elektrochemisch mit einer Schicht einer anorganischen Verbindung überzogen wird, sondern entweder nur mechanisch oder auch naßchemisch vorbehandelt wird.
Schließlich betrifft die Erfindung in einem weiteren Aspekt ein Metallbauteil, dessen Oberfläche eine mindestens zweilagige Beschichtung trägt, die auf eine der vorstehend beschriebenen Weisen erhältlich ist. Hierbei kann es sich beispielsweise um Fahrzeuge oder Fahrzeugteile, Haushaltsgeräte, Gehäuse für elektronische Geräte, Möbel oder Architekturteile handeln. Bevorzugte Materialien für die Metallbauteile sind Eisen, Zink, Aluminium, Magnesium sowie Legierungen, die zu mehr als 50 Atom% aus einem dieser Elemente bestehen. Dabei können Metalle und Legierungen gewählt werden, die derzeit für die genannten Metallbauteile üblich sind.
In einer bevorzugten Ausführungsform trägt das vorstehend beschriebene Metallbauteil die anorganische Verbindung mindestens eines Metalls A in röntgenkristalliner Form. Dabei bedeutet röntgenkristallin, daß die anorganische Verbindung bei einem Röntgenbeugungsexperiment scharfe Röntgenreflexe liefert.
Die Vorteile der erfindungsgemäßen Verwendung sowie des erfindungsgemäßen Verfahrens liegen insbesondere darin, daß Dicke, Zusammensetzung sowie innere und äußere Struktur der anorganischen Schicht durch die Wahl der Abscheidungsparameter leichter steuerbar sind als bei rein chemischer Verfahrensführung. Für das Aufbringen der Schicht werden weniger Verfahrensstufen benötigt als bei einer Phosphatierung und es fallen generell weniger Schlämme an als bei einer rein chemischen Schichtbildung. Im Vergleich zu Abscheidungsverfahren aus der Gasphase ist die elektrochemische Abscheidung schneller und mit einem geringeren apparativen Aufwand und Energieverbrauch verbunden. Weiterhin ist es nicht erforderlich, wie der Gasphasen-Abscheidung flüchtige Ausgangsverbindungen bereit zu stellen.
Ein weiterer Vorteil einer elektrochemischen Schichtbildung liegt darin, daß das Schichtwachstum über den elektrischen Widerstand an der metallisch leitenden Oberfläche steuerbar ist. Sofern die aufwachsende Schicht einen höheren elektrischen Widerstand hat als die elektrisch leitende Oberfläche - was in der Regel der Fall ist - so verlangsamt sich das Schichtwachstum, wenn der elektrische Widerstand aufgrund der Schichtbildung zu hoch wird. Solange es noch unbelegte Stellen der metallisch leitenden Oberfläche gibt oder die Schicht noch so dünn ist, daß bei der eingestellten Spannung noch ein Strom fließt, erfolgt das Schichtwachstum an diesen Stellen. Ist die metallisch leitende Oberfläche nahezu vollständig mit einer Schicht einer derartigen Dicke bedeckt, daß der elektrische Widerstand deutlich ansteigt, kann der Prozeß der Schichtausbildung beendet werden. Bei galvanostatisch kontrolliertem Schichtwachstum zeigt sich die nahezu vollständige Schichtausbildung dadurch, daß die Klemmenspannung stark ansteigt. Der Prozeß kann dann automatisch bei einem vorgewählten Wert der Klemmenspannung abgebrochen werden.
Ausführungsbeispiel
Kathodische Abscheidung von Kupfer(l)-Oxid auf Stahl aus wäßriger Lösung
Auf kaltgewalztem Stahl wurde ein Pilotprozeß zum Korrosionsschutz mittels kathodischer Abscheidung von Cu2O ohne Aktivierungsschritt (Verkürzung der Prozeßkette) durchgführt. Folgende Prozeßparameter wurden eingestellt :
Reinigung : schwach alkalisch (RidolineR 1559, 2.5 %, 75°C, 5-10 min.) Spülung : Leitungswasser, entionisiertes Wasser Aktivierung : KEINE
Konversion :
Elekrolyt: 0.4 M CuSO4 + 3 M Milchsäure, pH 10, 60°C, mit 400 Umdrehungen pro
Minute Rühren
Abscheidung sowohl potentiostatisch (0.2 V vs. Standard-Wasserstoff-Elektrode) als auch galvanostatisch (-0.8 bis -2.6 mAcm"2) Behandlungszeit : 10-300 Sekunden
Nachspülung : entionisiertes Wasser
Trocknung : Druckluft
Charakterisierung : Rasterelektronenmikroskopie, Röntgen-Photoelektronen-
Spektroskopie, Korrosionstest (Wechselklimatest)
Lackierung : kathodischer Tauchlack ED 5000
Die gebildeten Schichten sind ab einer Behandlungszeit von ca. 50 s geschlossen und bestehen aus feinen (< 1 μm) Kristalliten von Cu2O :
Die Schichteigenschaften sind aufgrund der elektrochemischen Natur des Prozesses auch ohne Eingriffe in die Elektrolytzusammensetzung sehr einfach zu kontrollieren. So ist z.B. die Schichtdicke bei konstantem Gesamtstrom präzise durch die geflossene Gesamtladung kontrollierbar, z.B für i= -800 mA :
In Korrosionstests (10 Zyklen VDA-Wechselklimatest, kathodische Tauchlackierung) zeigt sich eine deutliche Verbesserung des Korrosionsschutzes durch die Beschichtung in Abhängigkeit von der applizierten Schichtdicke :
halbe Ritzbreite