Verfahren und Vorrichtung zur Erkennung einer Kurvenfahrt, insbesondere einer übersteuerten Kurvenfahrt und zur Stabilisierung eines Fahrzeugs bei einer übersteuerten Kurvenfahrt
Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Erkennung einer Kurvenfahrt, insbesondere einer übersteuerten Kurvenfahrt und zur Stabilisierung eines Fahrzeugs bei einer übersteuerten Kurvenfahrt gemäß den Oberbegriffen der unabhängigen Ansprüche.
Eine Kurvenfahrt kann durch verschiedene Sensoren erkannt werden. Denkbar sind beispielsweise Lenkwinkelsensoren, Querbeschleunigungssensoren. Mit zusätzlichem Aufwand für die Sensorik steigen aber auch der Verkabelungsaufwand, die Kosten und die Ausfallwahrschemlichkeit . Somit gibt es Anwendungen, in denen es wünschenswert ist, die Kurvenfahrt ohne zusätzliche Sensorik zu erkennen. Im übrigen ist es oft schwierig, eine übersteuerte Kurvenfahrt zu erkennen. Unter "übersteuerter Kurvenfahrt" wird dabei eine Kurvenfahrt verstanden, bei der sich ein Fahrzeug starker um seine Hochachse in die Kurve hmemdreht, als dies aufgrund der tatsächlich gefahrenen Bahn erforderlich wäre, oder allgemeiner bei der ein Fahrzeug mit dem Heck nach kurven- außen driftet. Im Extremfall handelt es sich dabei um ein im weitesten Sinne schleuderndes Fahrzeug. Insbesondere werden erfmdungsgemaß aber auch diejenigen Grenzfalle betrachtet, bei denen die Übersteuerung nur vergleichsweise gering vorhanden ist. Dies ist zu Beginn des Ausbrechens eines Fahrzeugs der Fall. Es ist schwierig, gerade in diesen Grenzfallen eine übersteuernde Kurvenfahrt zu erkennen,
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so daß dann das übersteuerte Verhalten allmählich zunimmt, bis schließlich ein vollständig instabiler Fahrzustand vorliegt. Herkömmliche Verfahren zur Erkennung einer übersteu¬ erten Kurvenfahrt greifen häufig aufgrund der geringen Querdynamik im Grenzbereich nicht, so daß die Ansprechschwellen für stabilisierende Eingriffe unterlaufen werden und ein prinzipiell möglicher stabilisierender Bremsem- griff aufgrund der fehlenden bzw. verspäteten Erkennung der übersteuerten Kurvenfahrt unterbleibt.
Aufgabe der Erfindung ist es, Verfahren und Vorrichtungen zur Erkennung einer Kurvenfahrt, insbesondere einer übersteuerten Kurvenfahrt, sowie zur Stabilisierung eines Fahrzeugs wahrend der instabilen Kurvenfahrt anzugeben, die empfindlich, zuverlässig und ggf. ohne zusätzlichen Aufwand in der Sensorik auskommen.
Diese Aufgabe wird mit den Merkmalen der unabhängigen Ansprüche gelost. Abhangige Ansprüche sind auf bevorzugte Ausfuhrungsformen der Erfindung gerichtet.
Bevor nachfolgend einzelne Ausfuhrungsformen der Erfindung beschrieben werden, werden bezugnehmend auf die Fig. 1 und 2 grundsätzliche Zusammenhange bzw. ein Fahrzeug, in dem die Erfindung angewendet werden kann, erläutert. Fig. 1 zeigt schematisch ein Fahrzeug. 101 bis 104 sind die Rader des Fahrzeugs, wobei 101 das Rad vorne links, 102 das Rad vorne rechts, 103 das Rad hinten rechts und 104 hinten links ist. 105 ist die Vorderachse, 106 die Hinterachse. 111 bis 114 sind Radsensoren, die die Radgeschwindigkeiten der einzelnen Rader, insbesondere deren Drehgeschwmdigkei- ten, ermitteln. Durch 121 bis 124 sind die Radbremsen symbolisiert. Die Ausgangssignale der Radsensoren 111 bis 114
werden einer Steuerung bzw. Regelung 130 zugeführt. Die Steuerung bzw. Regelung (nachfolgend nur noch als Regelung angesprochen) kann außerdem Signale weiterer Sensoren 115 bis 117 empfangen. Außerdem erzeugt die Regelung 130 Aus- gangssignale 131, mit denen die Langsdynamik und/oder die Querdynamik des Fahrzeugs beeinflußt werden kann. Somit werden insbesondere Signale für die Radbremsen 121 bis 124 zur Einstellung des Bremsdrucks in ihnen erzeugt. Darüber hinaus können auch Signale zur Beeinflussung des Antriebsmoments und ggf. auch des Automatikgetriebes erzeugt werden.
Wenn em Fahrzeug eine Kurve fahrt, müssen (bezüglich der Langsachse des Fahrzeugs) Querkrafte erzeugt werden, die einerseits der aufgrund der Kurvenfahrt entstehenden Zentrifugalkraft und andererseits dem Trägheitsmoment des Fahrzeugs selbst beim Einlenken entgegenwirken. Diese Kräfte werden über die Reifen auf das Fahrzeug übertragen. Im stabilen Fall sind die entstehenden Querkrafte so, daß sie aufgrund der Haftreibung zwischen Fahrbahn und Reifen übertragen werden können. Im instabilen und insbesondere übersteuerten Fall dagegen sind die tatsächlich erforderlichen Querkrafte größter als diejenigen, die aufgrund von Haftreibung zwischen Fahrbahn und Radern übertragen werden können .
Fig. 2 zeigt den Fall, wie er beispielsweise bei einer übersteuerten Kurve nach links auftreten kann. Gezeigt ist das linke Vorderrad. Gleiche Bezugszeichen wie in Fig. 1 entsprechen gleichen Komponenten. 111 ist der Radsensor, lila beispielsweise eine Markierungsscheibe, die mit dem Rad 101 mitlauft und mit deren Hilfe die Drehgeschwindigkeit des Rades 101 ermittelt werden kann. Die Geschwindig-
keit des Rades über die Fahrbahn ist durch Vf bezeichnet. Sie ist nicht parallel zur Radebene (senkrecht zur Radachse) gerichtet, sondern verlauft unter einem Winkel α zur Radebene. In Fig. 2 ist der Fall des ungebremsten Rades gezeigt. Dann kann angenommen werden, daß die Geschwindigkeit des Rads in der Radebene (senkrecht zur Radachse) der ent¬ sprechenden Geschwindigkeitskomponente des Rades über die Fahrbahn entspricht (weil das Rad frei abrollen kann) . Die Fahrzeuggeschwindigkeit Vf ergibt sich dann durch vektori- elle Addition der Langskomponente VI und der Querkomponente Vq . Andersherum kann also gesagt werden, daß dann, wenn zwischen der Fahrzeuggeschwindigkeit Vf und der (durch die Radsensoren ermittelten) Langskomponente VI em Unterschied auftritt, dieser auf eine Querkomponente Vq zurückzuführen ist. Dies gilt bei vektorieller wie bei betragsweiser Betrachtung .
Im übrigen wurde festgestellt, daß bei jeder Kurvenfahrt (also letztendlich auch bei einer als stabil angesehenen Kurvenfahrt), eine - wenn auch kleine - Querkomponente vorhanden ist, so daß bei jeder Kurvenfahrt, gleich ob stabil oder übersteuert, eine Querkomponente und damit eine Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Fahrzeuggeschwindigkeit Vf und Langskomponente VI (Schlupf) entsteht. Dieser Schlupf (Unterschied zwischen Fahrzeuggeschwindigkeit Vf und Langskomponente VI bzw. Unterschied zwischen deren Betragen) kann je nach Fahrsituation an unterschiedlichen Radern auftreten.
Erfindungsgemaß wird eine Kurvenfahrt bezugnehmend auf mehrere Schlupfwerte an mehreren Fahrzeugradern erkannt. Auch eine übersteuerte Kurvenfahrt kann bezugnehmend auf mehrere Schlupfwerte an mehreren Fahrzeugradern erkannt werden. Ei-
ne übersteuerte Kurvenfahrt kann erfmdungsgemaß auch bezugnehmend auf die Querbeschleunigungen der Fahrzeugachsen erkannt werden. Weiter erfmdungsgemaß ergibt sich eine besonders sichere Erkennung der übersteuerten Kurvenfahrt, wenn die Erkennung anhand der Radschlupfe und die Erkennung anhand der Querbeschleunigungen der Achsen miteinander kombiniert werden. Wenn eine übersteuerte Kurvenfahrt erkannt ist, können erfmdungsgemaß eine oder mehrere stabilitats- fordernde Maßnahmen ergriffen werden.
Nachfolgend werden bezugnehmend auf die Zeichnungen einzelne Ausfuhrungsformen der Erfindung beschrieben. Es zeigen:
Fig. 1 schematisch em Fahrzeug, in dem die Erfindung angewendet werden kann,
Fig. 2 eine Darstellung zur Erläuterung physikalischer zusammenhange,
Fig. 3 eine Ausfuhrungsform einer Vorrichtung zur Erkennung einer Kurvenfahrt,
Fig. 4 eine Vorrichtung zur Erkennung einer übersteuerten Kurvenfahrt,
Fig. 5 eine weitere Vorrichtung zur Erkennung einer übersteuerten Kurvenfahrt,
Fig. 6 eine weitere Vorrichtung zur Erkennung einer übersteuerten Kurvenfahrt, und
Fig. 7 qualitativ den Verlauf verschiedener Werte.
Fig. 3 zeigt eine Vorrichtung zur Erkennung einer Kurven¬ fahrt. Gleiche Bezugsziffern wie in Fig. 1 bezeichnen gleiche Komponenten. 111 bis 114 sind die Radsensoren, die hier zwar blockweise gezeichnet, tatsächlich jedoch radmdividu- ell vorgesehen sind. Sie werden auch als erste Ermittlungseinrichtung angesprochen.
302a bis d ist eine zweite Ermittlungseinrichtung, mit der für mehrere, vorzugsweise für alle Rader des Fahrzeugs jeweils der Schlupf ermittelt wird. Vorzugsweise empfangt die zweite Ermittlungseinrichtung em die Fahrzeuggeschwmdig- keit Vf bezeichnendes Signal. Das die Fahrzeuggeschwmdig- keit Vf darstellende Signal wird vorzugsweise von einer dritten Ermittlungsemrichtung 303 ermittelt und bereitgestellt. Es kann sich bei ihr um anderweitige Sensorik handeln oder auch um eine komplexere Auswerteeinrichtung, die beispielsweise aus den Signalen der Radsensoren 111 bis 114 durch geeignete Strategien em entsprechendes Signal ermittelt.
In der zweiten Ermittlungsemrichtung 302a bis d kann ra- dmdividuell die Differenz zwischen Fahrzeuggeschwindigkeit und Radgeschwindigkeit gebildet werden, so daß radmdividu- elle Schlupfwerte ausgegeben werden.
Es können außerdem geeignete Signalvor - und - nachberei- tungen 301 vorgesehen sein. Die Radsensoren 111 bis 114 liefern im allgemeinen eine mehr oder minder hochfrequente Impulsfolge. Diese kann so aufbereitet werden, daß em die Radgeschwindigkeit direkt charakterisierendes (vorzugsweise digitales) Signal erzeugt wird. Darüber hinaus können Fil- terfunktionen implementiert werden, um Störungen und Fluktuationen nach Möglichkeit herauszuflltern. So kann bei-
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spielsweise eine Mittelwertbildung bzw. Integration über einen bestimmten Zeitraum vorgesehen sein. Bei der Mittel- wertbildung bzw. Integration haben sich Beobachtungszeit- raume zwischen 250 und 500 ms, vorzugsweise zwischen 280 und 350 ms, als gunstig erwiesen. Die Signalbearbeitungen 301 können an geeigneten Stellen im Signalfluß vorgesehen sein. So können beispielsweise die von den Radsensoren 111 bis 114 einlaufenden Signale bearbeitet bzw. gefiltert werden. Stattdessen oder zusätzlich können auch die Ausgangs¬ signale der zweiten Ermittlungseinrichtung so aufbereitet werden, was durch das gestrichelte Kastchen unter 302a an¬ gedeutet ist.
300 ist eine erste Erkennungseinrichtung, die bezugnehmend auf mehrere, vorzugsweise alle der ermittelten Schlupfwerte die Kurvenfahrt erkennt. Auf eine Erkennung hm kann sie Signale 304 ausgeben, die von anderen Komponenten/Brems- funktionen 305 empfangen und geeignet weiterverarbeitet werden. Vorzugsweise sind die Signale 304 so gestaltet, daß die drei Falle Kurve links, Kurve rechts, keine Kurve unterschieden werden können. Sowohl die erste Erkennungseinrichtung 300 als auch die weiteren Komponenten/Bremsfunktionen 305 können weitere gezeigte und nicht gezeigte Signale empfangen, die sie für die von ihnen vorzunehmenden Signalverarbeitungen benotigen. Gezeigt ist der Empfang der externen Sensorsignale 115 bis 117. Darüber hinaus können auch hier die Radgeschwindigkeitssignale und andere interne Signale empfangen werden.
Die erste Erkennungsvorrichtung 300 erkennt eine linke Kurve, wenn eine oder mehrere der folgenden Bedingungen erfüllt sind:
Shl - SO > Shr - SO, Svl - SO > 0, Svr - SO = 0,
und erkennt eine rechte Kurve, wenn eine oder mehrere der folgenden Bedingungen gleichzeitig erfüllt sind:
Shr - SO > Shl - SO, Svr - SO > 0, Svl - SO = 0,
wobei Shl der Schlupf am Rad hinten links ist, Shr der Schlupf am Rad hinten rechts, Svl der Schlupf am Rad vorne links, Svr der Schlupf am Rad vorne rechts und SO em Schlupfkorrekturwert .
Vorzugsweise wird für die linke bzw. rechte Kurve die jeweils erstgenannte Bedingung mit einer der beiden danach genannten Bedingungen für die Erkennung einer Kurvenfahrt m einer Richtung verwendet. Weiter vorzugsweise werden alle drei Bedingungen für die Erkennung einer Kurvenfahrt in je eine Richtung verwendet.
Wie schon erwähnt, können die obigen Abfragen anhand aufin- tegrierter/zeitlich gemittelter Schlupfwerte überprüft werden. Insbesondere wünschenswert ist es, daß für die Erkennung einer linken Kurve der Integrationszeitraum für den Schlupf am Rad hinten links großer als der obengenannte Integrationszeitraum ist. Das gleiche gilt für die Erkennung einer rechten Kurve für den Schlupf des Rades hinten rechts .
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Der Schlupfkorrekturwert SO ist em Korrekturwert, mit dem kleine Fehler unterdruckt werden. Er kann beispielsweise als Bruchteil der Fahrzeuggeschwindigkeit Vf und/oder nach Maßgabe der Querbeschleunigung Aq bestimmt werden. Vorzugsweise liegt SO im Bereich zwischen 0,1 % und 1 % der Fahr- zeuggeschwmdigkeit , weiter vorzugsweise zwischen 0,4 % und 0,6 % der Fahrzeuggeschwindigkeit. Der Korrekturwert SO kann auch von der Querbeschleunigung Aq abhangen, etwa wie in Fig. 7 qualitativ gezeigt (SO fallt mit steigender Aq) . Im übrigen wird darauf hingewiesen, daß SO nicht für alle Rader bzw. alle Abfragen der gleiche, identische Wert sein muß. Vielmehr können für verschiedene Werte bzw. verschiedene Abfragen unterschiedliche Korrekturwerte SO verwendet werden. Lediglich zur Vereinfachung der Darstellung wurde eine einzelne Variable hier verwendet.
Wenn gemittelte/aufintegrierte Werte zur Überprüfung der obengenannten Bedingungen verwendet werden, ist der Schlupfkorrekturwert SO geeignet anzupassen bzw. m die Mittelwertbildung/Integration mit emzubeziehen. Dann wurde beispielsweise das jeweils betrachtete Integral nicht über den betrachteten Schlupfwert alieine, sondern über die Differenz aus Schlupfwert und Schlupfkorrekturwert ausgeführt werden .
Die erste Erkennungseinrichtung 300 kann eine linke Kurve als beendet erkennen, wenn eine oder beide der folgenden Bedingungen erfüllt sind:
Shl - SO < Shr - SO, Shl - SO = 0,
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und eine rechte Kurve als beendet erkennen, wenn zumindest eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:
Shr - SO < Shl - SO, Shr - SO = 0.
Die betrachteten Werte sind wie obengenannt definiert.
Die Verwendung eines Schlupfkorrekturwerts fuhrt dazu, daß nur größere Werte zu einer Erkennung fuhren können. Der bei der Kurvenerkennung herangezogene Vergleich der Rader einer Achse, vorzugsweise der nicht angetriebenen Achse, basiert auf der Erkenntnis, daß jeweils das kurveninnere Rad größere Schlupfwerte zeigt als das kurvenaußere Rad. Die jeweils anderen Abfragen dienen dem Ausschluß von störenden Bedingungen .
Vorzugsweise wird die oben beschriebene Kurvenerkennung nur dann ausgeführt, wenn das Fahrzeug ungebremst ist. Dann ist sichergestellt, daß die ermittelten Schlupfwerte diejenigen eines frei abrollenden Rades sind und nicht durch Schlupf aufgrund von Bremseingriffen verfälscht werden. Bei achsweisen Vergleichen von Schlupfwerten werden ganz allgemein vorzugsweise die Schlupfwerte der Rader an der nicht angetriebenen Achse verwendet, da dann auch keine Verfälschungen aufgrund des Schlupfs durch den Fahrzeugantrieb auftreten können.
Mit dem oben beschriebenen Verfahren und der zur Durchfuhrung des Verfahrens geeigneten Vorrichtung ist es möglich, eine Kurve ohne Lenkwinkelsensor, Gierratensensor oder Querbeschleunigungssensor zuverlässig zu ermitteln. Das über die Signalleitungen 304 ausgegebene Erkennungsergebnis
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der ersten Erkennungsemrichtung 300 wird weiteren Kompo- nenten/Bremsfunktionen 305 zugeführt. Hierbei kann es sich um Bremsfunktionen im weitesten Sinne handeln, beispielsweise ABS, Bremsassistenzfunktionen und ahnliches.
Bezugnehmend auf Fig. 4 wird nachfolgend em Verfahren zur Erkennung einer übersteuerten Kurvenfahrt beschrieben bzw. eine Vorrichtung zur Durchfuhrung des Verfahrens. Gleiche Bezugszeichen wie in Fig. 3 bezeichnen gleiche Komponenten mit gleicher Funktion. Sie werden hier zur Vermeidung von Wiederholungen nicht nochmals beschrieben.
Fig. 4 zeigt eine zweite Erkennungseinrichtung 400, die be¬ zugnehmend auf mehrere der ermittelten Schlupfwerte eine übersteuerte Kurvenfahrt erkennt. Sie kann Signale 304 ausgeben, die wie diejenigen der Fig. 3 gestaltet sind. In den weiteren Komponenten/Bremsfunktionen 305 der Regelung 130 können diese Signale 304 m geeigneter Weise berücksichtigt werden .
Die zweite Erkennungseinrichtung 400 kann eine übersteuerte Kurvenfahrt erkennen, wenn die Bedingung
Sh - Sv > a
erfüllt ist, wobei Sh em das Schlupfverhalten an der Hinterachse beschreibender Wert ist, Sv em das Schlupfverhalten an der Vorderachse beschreibender Wert, und a em Sicherheitswert .
Sh kann bezugnehmend auf zumindest einen Schlupfwert, vorzugsweise bezugnehmend auf die Schlupfwerte beider Rader an
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der Hinterachse ermittelt werden, beispielsweise als der Mittelwert. Sinngemäß das gleiche gilt für den Wert Sv.
Eine übersteuerte Kurvenfahrt kann als beendet erkannt wer¬ den, wenn zumindest die erste, vorzugsweise mehrere oder alle der folgenden Bedingungen erfüllt sind:
Sh - Sv < s, Sh - Sv > -s, Sha < Sva.
Sh und Sv sind wie oben definiert, Sha und Sva sind die Schlupfe der Rader an der Außenseite jeweils hinten bzw. vorne .
Die zur Erkennung der übersteuerten Kurvenfahrt verwendete Bedingung basiert auf der Erkenntnis, daß bei einer übersteuerten Kurvenfahrt aufgrund verschiedener Einflüsse das Schlupfverhalten der Hinterachse, beispielsweise reflektiert durch den mittleren Schlupf der Rader an dieser Achse, großer ist als das der Vorderachse.
Um Fehlerkennungen auszuschließen, wird der Sicherheitswert a eingeführt. Dann wird nur auf eine übersteuerte Kurvenfahrt erkannt, wenn eine größere Abweichung zwischen den Schlupfverhalten an den beiden Achsen vorliegt. Der Sicherheitswert a kann eine Konstante sein oder nach Maßgabe der Fahrzeuggeschwindigkeit und/oder nach Maßgabe der berechneten bzw. gemessenen Querbeschleunigung Aq bestimmt werden. Fig. 7b und 7c zeigen qualitative Abhängigkeiten für a. Ausgehend von einem niedrigsten Grenzwert bei Querbeschleunigung 0 kann a mit der Querbeschleunigung Aq steigen. Dar-
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über hinaus kann a mit steigender Fahrzeuggeschwmdigkeit Vf fallen, gegebenenfalls wieder gegen einen Grenzwert.
Die Bedingungen zur Erkennung der Beendigung der übersteuerten Kurvenfahrt sind so gewählt, daß Schlupfdifferenzen zwischen Vorder- und Hinterachse innerhalb eines bestimm¬ ten, durch s definierten Bandes toleriert werden bzw. nicht mehr als übersteuerte Kurvenfahrt angesehen werden. Der Schwellenwert s kann nach Maßgabe der Fahrzeuggeschwmdigkeit Vf bestimmt werden und betragt beispielsweise 0,5 % bis 1 % der Fahrzeuggeschwmdigkeit Vf. Der Sicherheitswert a und der Schwellenwert s sind in bezug aufeinander vorzugsweise so gewählt, daß sich hinsichtlich der Erkennung der übersteuerten Kurvenfahrt em hystereseartiges Verhal¬ ten ergibt.
Die Richtung der Kurven, in die gefahren wird, kann durch andere Abfragen erkannt werden, sie kann beispielsweise mit der anhand von Fig. 3 beschriebenen Vorrichtung bestimmt werden oder durch einen geeigneten Sensor.
In Fig. 4 sind 401 und 402 Einrichtungen zur Mittelwertbil- dung, mit denen der Mittelwert der Schlupfe jeweils an der Vorderachse bzw. an der Hinterachse bestimmt wird. In Einrichtung 403 wird die Differenz gebildet. In Einrichtung 405 wird die Differenz mit dem Sicherheitswert a bzw. dem Schwellenwert s verglichen, wobei der Sicherheitswert a und der Schwellenwert s in der Einrichtung 404 nach Maßgabe weiterer Betriebszustande bestimmt werden.
Das anhand von Fig. 4 beschriebene Verfahren kann abgebrochen werden, wenn em Bremseingriff erfolgt. Es ist auch möglich, bei Bremseingriffen die genannten Abfragen zur Er-
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kennung der übersteuerten Kurvenfahrt bezugnehmend auf die Schlupfe der kurvenaußeren Rader vorne und hinten durchzufuhren. Als der das Schlupfverhalten einer Achse beschreibende Wert wird dann anstelle eines Mittelwerts em lediglich auf dem Schlupfverhalten des jeweils kurvenaußeren Rades basierender Wert genommen. Dieses Vorgehen beruht auf der Erkenntnis, daß aufgrund des Rollmoments des Fahrzeugs in der Kurve um seine Langsachse die kurvenaußeren Rader starker belastet sind, somit aufgrund der Bremsung geringere Schlupfeinlaufe zeigen und deshalb kaum gestörte Signale für die erf dungsgemaße Erkennung der übersteuerten Kurvenfahrt aufweisen. In einer besonderen Ausfuhrungsform können in Fig. 4 auch die Radgeschwindigkeiten direkt verwendet werden, da sich die Subtraktion der Fahrzeugrefe- renzgeschwmdigkeit von den Radgeschwindigkeiten in der Differenzbildung 403 sowieso wieder heraushebt. Die Bildung der Radschlupfwerte ist insofern nur soweit notig, soweit andere Komponenten und Funktionen diesen benotigen und kann ansonsten entfallen.
Die eben beschriebene Ermittlung der übersteuerten Kurvenfahrt beruht auf der Erkenntnis, daß mit Zunahme des Schraglaufwmkels des Rades (α in Fig. 2) auch die nicht erfaßte axiale Geschwindigkeitskomponente Vq gemäß Vq = Vf • sin α zunimmt, wahrend die in der Radebene erfaßte Langskomponente VI gemäß VI = Vf ■ cos α abnimmt. Demnach ist der Schlupf, also der sich ergebende Unterschied (in den Betragen) zwischen Fahrzeuggeschwmdigkeit Vf und Langskomponente VI em Maß für den Schraglaufwmkel und kann deshalb zur Beurteilung des übersteuernden Verhaltens herangezogen werden.
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Bisher wurde die Erkennung der übersteuerten Kurvenfahrt bezugnehmend auf die Schlupfwerte der Rader des Fahrzeugs beschrieben. Anstelle der Schlupfwerte können aber auch die Radgeschwindigkeitswerte zur Überprüfung herangezogen werden .
Bezugnehmend auf Fig. 5 wird eine weitere Ausfuhrungsform zur Bestimmung der übersteuerten Kurvenfahrt erläutert. Gleiche Bezugszeichen wie in Fig. 3 bezeichnen gleiche Kom¬ ponenten, die hier zur Vermeidung von Wiederholungen nicht nochmals beschrieben werden.
Die übersteuerte Kurvenfahrt eines Fahrzeugs kann auch aus den Querbeschleunigungen der Achsen eines Fahrzeugs ermittelt werden. Die Querbeschleunigung ist dabei die Beschleunigung etwa in Richtung des Radius der gefahrenen Kurve, also auch in etwa in Richtung der Achse. Die Querbeschleunigung Aq kann in Näherung durch Gleichsetzen der Formel für die Zentrifugalkraft (F = m • v2 / r) mit der allgemeinen Formel für die Kraft an einer zu beschleunigenden Masse (F = m • a) ermittelt werden. Es ergibt sich dann Aq = ' / r. Durch genauere Betrachtungen der geometrischen Verhaltnisse in einer Kurve laßt sich die Querbeschleunigung an einer Achse ausdrucken durch
Aq = ( (Vr + VI) (Vr - VI)) / (2d),
wobei Vr die Radgeschwindigkeit des rechten Rades an der Achse ist, VI die Radgeschwindigkeit des linken Rades an dieser Achse und d die Spurweite an dieser Achse. Somit kann also bezugnehmend auf die Radgeschwindigkeiten an der Achse die Querbeschleunigung an dieser Achse ermittelt werden. Dabei ist die Mitte der Achse der mathematisch exakte
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Ort der ermittelten Querbeschleunigung, was für die Zwecke des zu beschreibenden Erkennungsverfahrens eine brauchbare Hypothese ist.
Man macht sich weiter die Erkenntnis zunutze, daß bei über¬ steuertem Fahrverhalten allgemein die Querbeschleunigung an der Hinterachse großer ist als die Querbeschleunigung an der Vorderachse.
Somit kann das übersteuerte Fahrverhalten durch Vergleich der Querbeschleunigung der Hinterachse mit der Querbe¬ schleunigung der Vorderachse erkannt werden. Eine übersteu¬ erte Kurvenfahrt kann beispielsweise erkannt werden, wenn die Bedingung
Aqha - Aqva > b
erfüllt ist, wobei Aqha die Querbeschleunigung an der Hinterachse ist, Aqva die Querbeschleunigung an der Vorderachse und b em Sicherheitswert.
Der Sicherheitswert wird in die Abfrage eingeführt, um zufallige, sich aus Erfassungsungenauigkeiten ergebende kleinere Abweichungen ausscheiden zu können, denn diese sollen nicht zur Erkennung einer übersteuerten Kurvenfahrt fuhren. Der Wert von b kann im Bereich zwischen 5 % und 10 % der ermittelten Querbeschleunigungen Aq liegen, jedoch mindestens zwischen 0,1 g und 0,2 g. Fig. 7d zeigt qualitativ einen möglichen Verlauf von b.
Fig. 5 zeigt eine vierte Ermittlungseinrichtung 501, 502, mit der die Querbeschleunigungen für die Vorderachse und für die Hinterachse ermittelt werden können. Diese Werte
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werden der dritten Erkennungseinrichtung 500 zugeführt, die den Vergleich beispielsweise anhand der obenerwähnten Be¬ dingung durchfuhrt. Als Ergebnis der Erkennung können die Signale 304 wie oben beschrieben ausgegeben werden. Vorzugsweise werden die ermittelten Querbeschleunigungen ihrem Betrag nach miteinander verglichen. Die Ermittlung der Kur- venrichtung kann durch geeignete weitere Abfragen oder beispielsweise durch das Verfahren bzw. die Vorrichtung nach Fig. 3 erfolgen. Auch em Sensor kann verwendet werden.
Wie schon oben mehrfach erwähnt, können auch zur erfin- dungsgemaßen Erkennung der übersteuerten Kurvenfahrt anhand der Querbeschleunigung geeignete Signalaufbereitungen anfänglich und/oder bei Zwischenergebnissen, beispielsweise den ermittelten Querbeschleunigungen, vorgenommen werden. In Fig. 5 ist dies abermals durch Bezugszeichen 301 angedeutet, wobei die gezeigten Einrichtungen einzeln oder m Kombination miteinander vorgesehen sein können.
Die Erkennung der übersteuerten Kurvenfahrt anhand der Querbeschleunigung eignet sich insbesondere für Kurvenfahrten mit hoher Querdynamik, also mit hoher Querbeschleunigung. Hier können zum einen die Querbeschleunigungen mit zufriedenstellender Genauigkeit berechnet werden. Andererseits können sich bei der Erkennung der übersteuerten Kurvenfahrt anhand der Radschlupfe Probleme einstellen.
Fig. 6 zeigt eine erfmdungsgemaße Ausfuhrungsform, bei der die Erkennungen gemäß Fig. 4 und gemäß Fig. 5 miteinander kombiniert sind. Zu sehen ist die zweite Erkennungseinrichtung 400 aus Fig. 4, die die übersteuerte Kurvenfahrt bezugnehmend auf die Radschlupfe erkennt, und die dritte Erkennungseinrichtung 500 aus Fig. 5, die die Erkennung der
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übersteuerten Kurvenfahrt bezugnehmend auf die Querbe¬ schleunigungen der Fahrzeugachsen vornimmt. Oberhalb der zweiten Erkennungsemrichtung 400 befinden sich die glei¬ chen Komponenten wie sie an entsprechender Stelle in Fig. 4 gezeigt sind, das gleiche gilt sinngemäß für die Komponen¬ ten oberhalb der dritten Erkennungseinrichtung 500. Gemeinsam genötigte Ressourcen, beispielsweise Signalaufbereitun- gen, müssen naturlich nicht doppelt vorgesehen sein, son¬ dern können gemeinsam genutzt werden.
Ganz allgemein kann das Erkennungsergebnis einer der beiden Erkennungseinrichtungen bevorzugt bzw. ausgewählt werden. Hierzu ist eine Auswahleinrichtung 600 vorgesehen, die entweder das Erkennungsergebnis der zweiten Erkennungseinrichtung 400 oder das Erkennungsergebnis der dritten Erkennungseinrichtung 500 auswählt und dann weiterleitet. Die Auswahl kann nach Maßgabe weiterer Betriebszustande des Fahrzeugs erfolgen. Insbesondere kann bei vergleichsweise niedriger Querbeschleunigung oder auch bei vergleichsweise niedrigen Radschlupfwerten die Erkennung der übersteuerten Kurvenfahrt bezugnehmend auf die Radschlupfwerte bevorzugt bzw. ausgewählt werden, wahrend bei höheren Querbeschleunigungen oder bei höheren Radschlupfwerten die Erkennung der übersteuerten Kurvenfahrt bezugnehmend auf die Querbeschleunigungen bevorzugt werden kann.
In Fig. 6 ist eine Einrichtung 604 gezeigt, die einen Pruf- wert bildet, wobei der Prufwert nach Maßgabe der genannten Betriebszustande des Fahrzeugs, insbesondere nach Maßgabe der Querbeschleunigungen und/oder nach Maßgabe der Radschlupfe gebildet wird. In einer Vergleichseinrichtung 601 in der Auswahleinrichtung 600 kann der Prufwert mit einem Schwellenwert verglichen werden. Nach Maßgabe des Ver-
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gleichs kann beispielsweise die zweite Erkennungseinrichtung 400 oder die dritte Erkennungseinrichtung 500 ausgewählt werden. Gezeigt sind Umschalter 602, 603 die paarweise entweder die Ausgaben der einen oder der anderen Erken¬ nungseinrichtung wählen und an die weiteren Komponenten/ Bremsfunktionen 305 wie oben beschrieben weiterleiten.
Die bezugnehmend auf Fig. 6 beschriebene Ermittlung durch Kombination der Verfahren, wie sie anhand der Fig. 4 und 5 beschrieben wurden, hat den Vorteil, daß für einzelne Be- triebszustande des Fahrzeugs gut angepaßte Erkennungsver¬ fahren gewählt werden. Somit können übersteuerte Kurvenfahrten einerseits zuverlässig ermittelt, Fehlererkennungen aber andererseits zuverlässig vermieden werden.
Wenn eine übersteuerte Kurvenfahrt beispielsweise wie oben beschrieben erkannt ist, können verschiedene Maßnahmen einzeln oder in Kombination miteinander ergriffen werden.
Es kann beispielsweise ein kurvenauswarts wirkendes Moment um die Fahrzeughochachse erzeugt werden, indem an einem oder mehreren kurveninneren Radern der Bremsdruck bzw. em Sollwert hierfür abgesenkt oder weniger stark/schnell (Gradient) aufgebaut wird. Dann nimmt die Bremskraft am fahr- zeugaußeren Rad zu, so daß em kuvenauswarts drehendes Moment zunimmt (bzw. ein kurvenemwarts drehendes Moment abnimmt). Dadurch wird der (kurvenemwarts wirkenden) Uber- steuertendenz entgegengewirkt.
Einen ähnlichen Effekt hat aus dem Schleppbetrieb heraus die Erhöhung des Antriebsmoments, insbesondere an der Hinterachse. Auch dies hat einen stabilisierenden Einfluß, der der Ubersteuertendenz entgegenwirkt.
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Schließlich ist es möglich, ganz allgemein Ansprechschwellen für Assistenzfunktionen zu verandern. Je nachdem, ob diese Bremsassistenzfunktionen gegebenenfalls einen gunsti¬ gen oder ungunstigen Einfluß auf die übersteuerte Kurvenfahrt haben, können die jeweiligen Ansprechschwellen herabgesetzt bzw. heraufgesetzt werden, so daß die einzelnen Funktionen empfindlicher bzw. weniger empfindlich sind. Da¬ durch können gunstige Einflüsse aus höheren Bremsassistenzfunktionen eher herbeigeführt und ungunstige Einflüsse ver¬ mieden werden.
Die eben beschriebenen Eingriffsmoglichkeiten können nach Maßgabe der Signale 304 in den weiteren Komponenten/Brems- funktionen 305 vorgenommen werden. Sie beeinflussen dann die Ausgangssignale 131, die ihrerseits das Fahrverhalten des Fahrzeugs beeinflussen.