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Verfahren zur Herstellung von Stickstoff-Düngemitteln mit definierten
Anteilen von leicht löslichem und schwer löslichem Stickstoff Für alle Kulturpflanzen,
bei denen die Qualität von entscheidender Bedeutung ist, in Deutschland unter anderem
bei der Braugerste und beim Tabak, ferner bei guten Teesorten u. a. m. spielt die
Stickstoffdüngung, insbesondere auch wegen der Bildung wertvoller Aromastoffe in
der Pflanze, eine wesentliche Rolle. Die sich bei Anwendung althergebrachter organischer
Stickstoff-Düngemittel, wie z. B. Stallmist u. ä., ergebenden hohen Qualitäten solcher
Nutzpflanzen lassen sich aber mit den handelsüblichen Stickstoff-Düngemitteln, wie
Ammonsulfat, Ammonsalpeter, Kalkstickstoff usw., überhaupt nicht erreichen. Häufig
beeinflussen sie sogar die Qualität der Ernte in nachteiligem Sinn. Dies mag unter
anderem darauf zurückzuführen sein, daß die hohe Wasserlöslichkeit dieser handelsüblichen
Stickstoff-Düngemittel zu einem plötzlichen Überangebot an Stickstoff für die Pflanze
führt; der von dieser aufgenommene Stickstoff kann nur unvollkommen verarbeitet
werden und führt nachgewiesenermaßen zur Ablagerung von sogenanntem »schädlichem
Stickstoff« in Form des Amidstickstoffes. Der normale pflanzenphysiologische Vorgang
des Aufbaus zu Eiweiß ist dadurch unterbrochen. Der Amidstickstoff zeigt zudem unangenehme
Nebenwirkungen, die sich nicht nur in der Benachteiligung der Aromastoffe zeigen,
sondern auch bei Genuß der Pflanzen durch
Menschen und Tiere zu
bekannten Störungen der Verdauungsvorgänge führen können.
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Ein weiterer Nachteil zahlreicher, handelsüblicher Stickstoff-Düngemittel
ist darin zu erblicken, daß bei wiederholter Anwendung allmählich eine Anreicherung
des Bodens mit Anionen eintritt, wie dies vor allem bei Düngung mit Ammonsulfat
der Fall ist.
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Schließlich ist noch hervorzuheben, daß die leicht löslichen Stickstoff-Düngemittel
in Gegenden hoher Niederschläge leicht aus dem Boden ausgewaschen werden und sich
damit der Düngenutzung überhaupt entziehen.
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Einige dieser nachteiligen Eigenschaften der erwähnten Stickstoffdünger
konnten zu früheren Zeiten durch die Anwendung von Stallmist vermieden werden. Wenn
dieser »Natur-Dünger« auch keine größeren Anteile an leicht löslichem Stickstoff
enthält, wie er besonders zu Beginn jeder Wachstumsperiode von der Pflanze benötigt
wird, so hat er doch im Prozeß seiner Gärung und Zersetzung einen ständigen Vorrat
an löslichen Stickstoffanteilen, die während der gesamten Wachstumszeit der Pflanze
zur Verfügung gestellt werden.
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Der Bedarf an solchen Düngemitteln, die ihren Stickstoffgehalt den
Nutzpflanzen langsam und über einen längeren Zeitraum zur Verfügung stellen, wie
es der Stallmist tut, ist in den letzteren Jahrzehnten jedoch so stark angestiegen,
daß er durch den natürlich anfallenden Mist, der zudem durch die fortschreitende
Motorisierung ständig zurückgeht, schon lange nicht mehr gedeckt werden kann. Man
hat daher versucht, auf synthetischem Wege zu Stickstoff-Düngemitteln zu gelangen,
die die gewünschten Eigenschaften, insbesondere eine über eine längere Zeit anhaltende
mäßige Stickstoffdüngung, besitzen. In den Vereinigten Staaten von Amerika ist es
gelungen, durch umständliche chemische Verfahrensweisen, durch Kondensation von
Harnstoff mit Formaldehyd, ein Produkt herzustellen, daß einige dieser gewünschten
Eigenschaften besitzt. Diese Kondensate sind unter der Bezeichnung »Urea-Form« in
den Handel gekommen.
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In Deutschland hat man vor etwa :2o Jahren versucht, durch Laboratoriumsversuche
zu Reaktionsprodukten zwischen Harnstoff bzw. Cyanamid mit Aldehyden zu kommen,
die die oben.erwähnten Stickstoffdüngewirkungen haben sollten (vgl. H. Kappen und
P. Lichtenberg, Z. Pflanzenern. Düng. Bodenkd., 24 [194I] S.304). Diese letztgenannten
Versuche haben jedoch nicht zu definierten Produkten geführt, die sich auf technischem
Wege in reproduzierbarer Verfahrensweise gewinnen lassen. Doch zeigen sie, daß der
sehr stickstoffreiche Harnstoff, der sich aber wegen seiner außerordentlich leichten
Löslichkeit selbst nicht immer als Düngemittel eignet, sondern teilweise sogar pflanzenschädlich
sein kann, durch Reaktion mit Formaldehyd und auch mit Aceta-Idehyd in eine schwer
lösliche Form umwandeln läßt; eine Form, die sieh nach Testversuchen durchaus als
Stickstoff-Düngemittel zu eignen vermag. Die Ergebnisse waren jedoch unbefriedigend
und wurden nicht weiter verfolgt. Eine praktische Verwertung ist nicht bekanntgeworden.
Dies mag unter anderem daran liegen, daß es sich bei den Harnstoff-Acetaldehyd-Kondensaten
um uncharakteristische Reaktionsprodukte handelte, die neben freiem Harnstoff in
kleinen Mengen große Teile an unlöslichem Stickstoff enthielten, wie er bei Kondensationsreaktionen
zwischen Harnstoff und Aldehyden leicht auftreten kann. Die Kunststoffchemie hat
dafür zahlreiche Beispiele: Reaktionen zwischen Harnstoff und Aldehyden in alkalischem
Milieu führen z. B. stets zu absolut wasserunlöslichen Produkten, die sich bei der
Herstellung von Gebrauchsgegenständen bewährt haben.
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Als ideales Stickstoff-Düngemittel ist ein solches Produkt anzusehen,
das einmal einen absolut hohen Gehalt an Stickstoff besitzt, bei ständiger Anwendung
keine unerwünschten Veränderungen im Boden, z. B. durch Anionenanreicherungen, hervorruft,
einen gewissen Teil seines Stickstoffes möglichst sofort zu Beginn der Wachstumsperiode,
d. h. also kurz nach der Düngung, in den Boden abgibt, einen großen Teil seines
Stickstoffgehaltes jedoch durch langsame Löslichkeit oder allmähliche Zersetzung
des Düngemittels (z. B. durch die mikrobielle Tätigkeit im Boden) den Pflanzen über
einen möglichst langen Zeitraum zuführt.
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Es hat sich nun überraschenderweise gezeigt, daß die an sieh bekannten
wasserlöslichen Kondensationsprodukte zwischen Harnstoff und Acetaldehyd bei Einhaltung
bestimmter Reaktionsbedingungen die oben angeführten wünschenswerten Eigenschaften
eines idealen Stickstoff-Düngemittels besitzen. Diese besonderen Reaktionsbedingungen
sind gekennzeichnet durch Zugabe definierter Mengen Wasser zum Harnstoff vor Beginn
der eigentlichen Reaktion sowie Einhaltung eines bestimmten PH-Wertes während der
Reaktion. Das Kondensationsprodukt aus 1 bis a Mol Harnstoff mit r Mol reinem Acetaldehyd
führt dann zu einem Kondensat, das je nach der zugesetzten Wassermenge und dem eingestellten
p$ Wert und Molverhältnis bei einem Gesamtstickstoffgehalt von 31 bis
350/0 einen leicht löslichen und einen schwer löslichen Stickstoffanteil
besitzt, wobei dem schwer löslichen Stickstoffanteil in Abhängigkeit von dem pH-Wert
und der Reaktionstemperatur definierte Löslichkeiten zukommen.
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Die Düngeeigenschaften dieser Kondensationsprodukte sind durch folgende
Merkmale gekennzeichnet: Der leicht lösliche Stickstoffanteil geht in Menge und
Geschwindigkeit immer noch so langsam in den Boden, daß es nicht zu einem unphysiologischen
plötzlichen Stickstoffangebot für die Pflanze kommt. Der schwer lösliche Stickstoffanteil
übt eine Art Depotwirkung aus, so daß die Pflanze auch noch längere Zeit nach der
eigentlichen Düngegabe während ihres Wachstums bis zur Reife und Ernte mit dem benötigten
Stickstoff versorgt wird. Ein plötzliches Auswaschen des Düngemittels durch starke
Niederschläge findet
nicht statt. Die Kondensationsprodukte werden
im Boden vollkommen abgebaut; eine Anreicherung mit unerwünschten Stoffen tritt
nicht auf. Die beim Abbau durch Hydrolyse auftretenden kleinen Mengen an Acetaldehyd
haben eine stimulierende Wirkung auf das Wachstum der Keimlinge und Wurzeln gezeigt.
Daß sich durch Variation der Reaktionsbedingungen das Mengenverhältnis von leicht
löslichem Stickstoffanteil zu schwer löslichem Stickstoffanteil im Endprodukt definiert
einstellen läßt, ist als ein weiterer Vorteil anzusehen. Lassen sich doch dadurch
verschiedenartige Stickstoff-Düngemittel herstellen, die den jeweiligen Gegebenheiten
der Nutzpflanzen und der Böden Rechnung zu tragen vermögen.
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Zu den für die Düngepraxis wertvollen Eigenschaften gehört ferner,
daß die Reaktionsprodukte dieses erfindungsgemäßen Verfahrens nicht hygroskopisch
sind und sich sehr leicht zerkleinern und pulverisieren lassen. Die Produkte sind
daher ohne besondere Vorsichtsmaßnahmen lange Zeit lagerbeständig und eignen sich
besonders für Seetransporte, wodurch ihre gute Streufähigkeit nicht beeinträchtigt
wird.
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Es ist an sich bekannt, bei der Kondensation von Harnstoff und Acetaldehyd
dem Harnstoff Wasser zuzufügen. Unbeachtet ist aber bisher geblieben, daß durch
Zugeben verschiedener definierter Wassermengen das Mengenverhältnis von leicht löslichem
zu schwer löslichem Stickstoff im Endprodukt reproduzierbar eingestellt werden kann.
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Zum bekannten Stand der Technik gehört ferner die Einhaltung bestimmter
p11-Werte bei Kondensationsreaktionen zwischen Harnstoff und Acetaldehyd. Unbeachtet
ist aber bisher geblieben, daß durch die Änderung des pH-Wertes die Endlöslichkeit
des schwer löslichen Stickstoffanteiles in gewünschter Weise beeinflußt werden kann.
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Ausführungsbeispiel 6 kg Harnstoff (technisch) werden in 3 1 Wasser
gegeben. Der Lösung setzt man in kleinen Portionen reinen Acetaldehyd in einer Gesamtmenge
zu, die einem Molverhältnis Harnstoff zu Acetaldehyd von i : 1,2 entspricht. Durch
ständige Kühlung wird die Reaktionstemperatur unterhalb 68°C gehalten. Die Reaktion
der Lösung wird zwischen PH 4 und 4,5 gehalten. Das in ioo%.iger Ausbeute gewonnene
weiße Kondensationsprodukt hat einen Stickstoffgehalt von 32,2%. Der leicht lösliche
Anteil beträgt :230/9 des Gesamtstickstoffes; der schwer lösliche Stickstoffanteil
hat eine Löslichkeit von 26 mg/1.