-
Verfahren zur Oxydation von hochmolekularen Kohlenhydraten mittels
Salpetersäure
Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Oxydation hochmolekularer
Kohlenhydrate, wie Stärke, Glykogen oder Cellulose, mittels Salpetersäure.
-
Es ist bekannt, hochmolekulare Kohlenhydrate mittels Salpetersäure,
gegebenenfalls in gasförmigem Zustand, zu Produkten mit einem hohen Gehalt an Carboxylgruppen
zu oxydieren; dabei können jedoch in bedeutendem Maße auch unerwünschte Nebenreaktionen
auftreten.
-
Nach der USA.-Patentschrift 2 232 990 wird Cellulose mit gasförmigem
Stickstoffdioxyd ohne irgendeinen Zusatz, jedoch in Gegenwart von Luft, bei einer
Temperatur nicht höher als ungefähr 200 oxydiert, wobei wenigstens o,6 Teile N O2
auf jeden Teil Cellulose angewandt werden. In der USA.-Patentschrift 2 256 39I wird
ein Verfahren zur Oxydation von Cellulose mit einer hauptsächlich aus flüssigem
Stickstoffdioxyd und 5 bis I5 01o Salpetersäure bestehenden Mischung beschrieben.
Die USA.-Patentschrift 2 448 892 betrifft die Herstellung einer wertvollen, reinen,
oxydierten Cellulose mit nur sehr niedrigem Stickstoffgehalt, wobei die Cellulose
in eine N 02- oder
N2 0 4-hattige Lösung eines halogenierten Kohlenwasserstoffs
bei gewöhnlicher Temperatur eingebracht wird.
-
Wenn man ausschließlich Salpetersäure als Oxydationsmittel anwendet
und die Reaktion derart durchführt, daß nur ein sehr geringer bis mäßiger Abbau
des Kohlenhydrats eintritt, wird man niemals einen höheren Gehalt an Carboxylgruppen
als 15 auf je 100 Monoseeinheiten bekommen, es sei denn, daß man die Kohlenhydrate
zuvor in einer 85%igen Phosphorsäure anquillt. Andererseits ist aus J. Am.
-
Chem. Soc., 7I (I949), S. 2200, zu entnehmen, daß man bei gleichzeitiger
Anwendung von Natriumnitrit und Salpetersäure Kohlenhydrate mit einem höheren Gehalt
an Carboxylgruppen erhält als bei der Benutzung von Salpetersäure allein.
-
Nach der Erfindung werden aus hochmolekularen Kohlenhydraten dadurch
wertvolle Oxydationsprodukte gewonnen, daß die Oxydation mittels Salpetersäure in
Anwesenheit von nitritgruppenfreien Stoffen, welche Salpetersäure zu NO und/oder
N O2 bzw. N2 O4 zu reduzieren vermögen, durchgeführt wird. Vorzugsweise wird Salpetersäure
mit einer Dichte von etwa I,4 verwendet.
-
Als Reduktionsmittel sind beispielsweise anwendbar: Metabisulfite,
Bisulfite, Hydrosulfite, Thiosulfate, Sulfide, Arsentrioxyd, metallisches Zinn,
Zinn(2)salze, ferner Mono-, Di-, Tri- oder niedermolekulare Polysaccharide, wie
Saccharose, Lactose und Raffinose, und sogar gewöhnliches Leuchtgas. Im letzteren
Fall genügt es, die Reaktion zwischen der Salpetersäure und dem Kohlenhydrat in
einer Leuchtgasatmosphäre vor sich gehen zu lassen; es empfiehlt sich jedoch, das
Gas durch die Reaktionsmischung zu blasen, wodurch das Gemenge in Bewegung bleibt.
-
Die benötigte Menge an Mono-, Di-, Tri- oder niedermolekularen Polysacchariden
kann durch Hydrolyse eines Teils der zu oxydierenden, hochmolekularen Kohlenhydrate,
z. B. mittels ziemlich verdünnter Salpetersäure oder Schwefelsäure, erhalten werden.
-
Um das in J. Am. Chem. Soc., 7I, beschriebene Verfahren mit dem Verfahren
nach der Erfindung zu vergleichen, wurden die folgenden Versuche durchgeführt: 5
g Watte werden mit 14 ccm Salpetersäure (Dichte I,4) angefeuchtet, danach 4 g Natriumnitrit
zugesetzt, worauf die Masse durch Schütteln in einem Erlenmeyerkolben, welcher gleich
nach dem Hinzufügen des Nitrits geschlossen wurde, möglichst homogen gemischt wurde.
Das Molekulargewichtsverhältnis Cellulose (I62) : Salpetersäure : Natriumnitrit
betrug bei diesem Versuch 3 : 20: 5,8. Die Reaktionsmasse blieb 96 Stunden bei Raumtemperatur
stehen, wurde mit Wasser gewaschen und getrocknet. Man erhielt 5 g Oxycellulose
mit einem Gehalt von 52 Carboxylgruppen auf je 100 Monoseeinheiten.
-
Der erreichte Oxydationsgrad ist natürlich abhängig von der angewandten
Menge Salpetersäure. Zum Beispiel erhält man, ausgehend von demselben Material unter
gleichen Bedingungen, Oxycellulosen mit einem Gehalt von jeweils 38, 43, 66 und
75 Carboxylgruppen auf je 100 Monoseeinheiten, wenn I0, I2, I8 oder 20 ccm Salpetersäure
angewandt werden.
-
Benutzt man dagegen erfindungsgemäß statt Nitrit eine geringere Menge
eines nitritgruppenfreien Reduktionsmittels unter gleichen Bedingungen, so erhält
man Oxycellulosen mit hohem Gehalt an Carboxylgruppen. Dieses Ergebnis ist sehr
überraschend; denn wenn man ein Reduktionsmittel anwendet, das keine NO2-Gruppen
enthält, kann je Mol HNO3 niemals mehr NO2 gebildet werden als bei Anwendung von
Nitrit.
-
Wenn man 0,35 bis 0,53 Mol Metabisulfit je Mol Monoseeinheit z. B.
der Cellulose anwendet, können maximal nur I,4 bis 2,I Mol Stickstoffdioxyd je Mol
Monoseeinheit gebildet werden. Überraschenderweise erhält man aber eine 62 bis 65
Carboxylgruppen auf je 100 Monoseeinheiten enthaltende Oxycellulose.
-
Mit 0,26, 0,I8 und o,og Mol Metabisulfit je Mol Monoseeinheit der
Cellulose beträgt der Oxydationsgrad 0,59, 0,58 und 0,39. Sogar mit 0,I8 Mol Metabisulfit,
die maximal nicht mehr als 0,72 Mol Stickstoffdioxyd je Mol Monoseeinheit bilden
können, bekommt man noch immer einen höheren Oxydationsgrad als mit I,95 Mol Nitrit
je Mol Monoseeinheit, die 3,9 Mol NO2 je Mol Monoseeinheit bilden könnten.
-
Wenn erwünscht, kann man während der Reaktion Sauerstoff oder ein
sauerstoffhaltiges Gas, z. B. Luft, zuführen, um das bei der Reaktion gebildete
Stickstoffmonoxyd in Stickstoffdioxyd bzw. Stickstofftetroxyd überzuführen.
-
Eine Aufstellung der Ergebnisse wird in der nachstehenden Tabelle
gegeben:
Molekulargewichts- |
Oxydations- Ausbeute verhältnis |
Ausgangsstoff HNO3 Reduktionsmittel grad Monose: HNO2 : Re- |
duktionsmittel |
5 g Watte I4 ccm 4 g NaNO2 0,52 5,00 g 3 : 20: |
5 g - I4 ccm 3 g Na2S2O5 o,62 4,80 g 3: 20: I,6 |
5 I4ccm 3 g Na2S2O4 o,58 4,87 g 3 : 20 : 1,7 |
10 g - 40 ccm Leuchtgas 0,43 - 6: 57 : - |
5 g - I4ccm 6g Zinn 0,33 4,51 g 3:20:5 |
5 g - 14 ccm 7 g Oxalsäure 0,37 4,00 g 3: 4,oog |
5 g - I4 ccm 3 g Saccharose 0,46 5,00 g 3 : 20: 0,9 |
5 g - I4 ccm 1,1 g Glucose o,66 5,00 g 3 : 20: 0,7 |
Ein Versuch mit 5 g Watte nur mit Salpetersäure (14 ccm) der Dichte
I,4 ohne Hinzufügung eines Reduktionsmittels ergab 4,65 g Oxydationsprodukt mit
einem Gehalt von nur 8 Carboxylgruppen auf je IOO Monoseeinheiten.
-
Alle Versuche wurden bei Raumtemperatur ausgeführt; die Reaktionsdauer
betrug etwa IOO Stunden.
-
Nach Ablauf der Reaktion wurden die erhaltenen Proben mit destilliertem
Wasser gewaschen und nach der bekannten volumetrischen Kalziumacetat- und Natriumhydroxydmethode
analysiert.
-
Mit gemahlenem Holzschliff, d. h. mit einem rohe Cellulose enthaltenden
Material, wurden die nachstehenden Versuche ausgeführt:
Anzahl milli- |
äquivalente |
Aus- HNO3 Reduktions- Aus- Säuregruppen |
gangs- D = I,43 mittel beute je Gramm |
stoff Oxydations- |
produkt |
5 g 24 ccm 4g NaNO2 2g 4,60 |
5 6ccm 4g NaNO2 - I,88 |
5 g I4 ccm 3 g Na2S205 2,5 g 3,88 |
5 g I4 ccm 3 g Na2S2O4 2,5 g 3,I7 |
5 g I4 ccm Leuchtgas 2,5 g 3,07 |
Für die Anwendung eines durch Hydrolyse entstandenen Stoffes als Reduktionsmittel
dienen nachfolgende Beispiele: Beispiel I 5 g Flachsschäben wurden eine Viertelstunde
mit IO ccm Salpetersäure (Dichte I,4) erhitzt. Nach dem Abkühlen ließ man die Reaktionsmasse
120 Stunden bei Raumtemperatur stehen. Nach dem Waschen erhielt man I,5 g eines
gelben, faserigen Materials, das 2,1 Milliäquivalente saure, kationenaustauschende
Gruppen je Gramm Trockensubstanz enthielt.
-
Beispiel 2 0,5 g gemahlener Holzschliff wurden einige Minuten mit
I4 ccm Salpetersäure (Dichte 1,4) gekocht. Nach dem Abkühlen wurden noch 4,5 g gemahlener
Holzschliff zugesetzt, und die Mischung wurde homogenisiert, worauf man sie 72 Stunden
bei Raumtemperatur stehenließ. Nach dem Waschen erhielt man 1,9 g eines pulvrigen,
feinfaserigen Materials, das 3,85 Milliäquivalente saure, kationenaustauschende
Gruppen je Gramm Trockensubstanz enthielt.
-
Die erfindungsgemäß erhältlichen Oxydationsprodukte hochmolekularer
Kohlenhydrate eignen sich in vorteilhafter Weise für eine Reihe von technischen
Anwendungszwecken, beispielsweise als Absorptionsmittel in der Medizin.