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Verfahren zur Herstellung von Reticulin Die Erfindung betrifft ein
technisches Verfahren zur vorteilhafteren Herstellung einer neuen antibiotischen
Substanz, Reticulin genannt, durch Züchtung einer künstlichen, durch Bestrahlung
von Sporen des Reticulin erzeugenden Schimmelpilzes mit ultravioletten Strahlen
erhältlichen Mutation.
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Als Reticulin erzeugender Schimmelpilz wird gemäß der Erfindung die
künstliche Mutation von Streptomyces reticuli verwendet, die durch ultraviolette
Bestrahlung von Sporen des von H o s o y a und :Mitarbeitern gefundenen Aktinomycesstammes
H-365 (f ournal of Antibiotics, B.d. 3, Ergänzung A, S. 66 bis 71) erhalten wird.
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Da Aktinomyces H-365 gewöhnlich auf Agarnährböden Luftmycele entwickelt
und auf Eiernährböden einen löslichen braunen Farbstoff erzeugt, eine Kolonie auf
Kartoffelnährböden ferner keinen schwarzen Mittelpunkt aufweist, sondern gelb ist,
und auf Milchnährböden einen gelben Ring bildet, wurde dieser Stamm als Variante
von Streptomyces reti,culi angesprochen und das aus dieser Variante gewonnene Antibiotikum,
das andere chemische Eigenschaften aufweist als die bekannten Antibiotika, Reticulin
genannt.
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Wird Aktinomyces H-365 auf dem üblichen Nährboden aus Maiseinweichwasser
(Corn steep liquor) gezüchtet, dann wird nur eine Ausbeute von 40 bis 8o Einheiten/ml
an Reticulin (i mg freie Reticulinb-ase = iooo Einheiten) erhalten. Wird dieser
Schimmelpilz einer Schüttelzüchtung auf einem normalen Sojabohnenmehlnährboden,
bestehend aus i % Soj abohnenmehl, :2% Glykose, o, i o/o Fleischextrakt, o,.25 %
getrockneter Hefe,
0,5% Ammonsulfat, 0,4% Kaliumchlorid, o,o2% Monokaliumphosphat
und 0,4% Calciumcarbonat, unterworfen, so erhöht sich zwar die Ausbeute, beträgt
jedoch auch nur 25o bis 300 Einheiten/ml.
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Es wurde nun gefunden, daß höhere Ausbeuten an Reticulin erhalten
werden, wenn gemäß der Erfindung Sporen des Aktinomyces H-365, einer Variante von
Streptomyces reticuli, mit ultravioletten Strahlen bestrahlt werden und die so erhaltene
künstliche Mutation dieser Variante von St.reptomyces reticuli auf einem Nährboden
mit reicheren Kohlenstoff- und Stickstoffquellen gezüchtet wird.
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Nachstehend wird das Verfahren gemäß der Erfindung beispielsweise
näher erläutert.
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Zuerst werden die durch Strichkultur des Aktinomyces H-365 auf einem
Tyrosin-Agar-Nährboden erhaltenen Sporen in sterilem, destilliertem Wasser suspendiert.
i ml der so bereiteten Stammlösung soll etwa 3 i20 ooo Sporen enthalten. Zu 0,4
ml dieser Stammlösung werden 9,5 ml steriles, destilliertes Wasser gegeben und i
ml der so verdünnten Lösung weiterhin mit 9,5 ml sterilem 0,2%igem Seifenwasser
verdünnt.
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3 ml dieser seifenwäßrigen Suspension in einer kleinen Schale von
6,5 cm Durchmesser werden mit einer ultravioletten Lampe von 30 W 4 Minuten
bestrahlt. Der UV-Strahler befindet sich in einer Höhe von i m über der Schale.
Durch die Bestrahlung sterben 95,3% der Sporen ab.
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Ein Tropfen der so behandelten seifenwäßrigen Suspension wird auf
einen Kartoffel-Agar-Nährboden mit einem pH-Wert von 7,0 getropft. Der Nährboden
wird dadurch hergestellt, daß eine aus 50o g abgeschälten Kartoffeln gewonnene Eintauchflüssigkeit
mit io g Pepton, io g Fleischextrakt, 5 g Kochsalz und 15 g Agar versetzt mit Wasser
auf i 1 gestellt und dann koaguliert wird. Die Kultivierung erfolgt während einiger
Tage in einem Züchtungsraum bei 25 bis 26°.
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Eine größere Anzahl von entwickelten Kolonien wird auf einen Tyrosin-Agar-Nährboden;
bestehend aus io g Glukose, i g Tyrosin, o,5 g Ammonsulfat, 0,5 g Monokaliumphosphat,
15 g Agar und i 1 destilliertem Wasser, übergeimpft und der Strichkultur unterworfen.
Die so erhaltenen Stämme werden nach dem bekannten Schüttelkulturverfahren weitergezüchtet,
bis ein Stamm erhalten ist, der im Vergleich zu den anderen ein ausgezeichnetes
Vermögen zur Erzeugung von Reticulin aufweist. Dieser Stamm wird Q4-9 genannt.
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Mit diesem Stamm Q4-9 wird ein Nährboden mit reicheren C- und N-Quellen,
wie z. B. 2o ml des sogenannten 2-4-Nährbodens, der aus 2% Sojabohnenmehl, 4% Glukose,
o,i% Fleischextrakt, o,25 % getrockneter Hefe, o,5 % Ammonsulfat, 0,4°% Kaliumchlorid,
o,o2% Monokaliumphosphat und 0,4% Calciumcarbonat besteht und auf einen pH-Wert
von 7,2 eingestellt ist, geimpft und 4 bis 5 Tage bei 24 bis 30° unter Schütteln
(hin und her gehendes Schüttelwerk mit einer Schwingungsweite von 8 cm und einer
Schwingungszahl von i32 UmkehTungen/Min.) gezüchtet. Es wird eine Ausbeute von iooo
Einheiten/ml erzielt. Hieraus ist die Überlegenheit des Stammes Q4-9 hinsichtlieh
des Bildungsvermögens von Reticulin eindeutig ersichtlich, da die Ausbeute bei der
Züchtung des Stammes H-365 unter den gleichen Bedingungen nur 30o bis 400 Einheiten/ml
beträgt.
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Im folgenden wird das Verfahren zur Herstellung von Reticulinhydrochlorid
durch Züchtung des Stammes 04-9 an Hand eines Ausführungsbeispiels näher
erklärt.
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Wird der Stamm Q4-9 auf dem normalen Sojabohnennährboden unter den
oben angeführten Bedingungen 2 Tage unter Schütteln gezüchtet, dann wird eine Kulturlösung
erhalten, die Reticulin in einer Menge von Zoo Einheiten/ml enthält. Mit 25o ml
dieser Kulturlösung werden 5 1 des 2-4-Nährbodens geimpft und 4 Tage bei 27° in
einem Gärgefäß aus rostfreiem Stahl mit einem Inhalt von i21 unter Luftzufuhr (3
bis 5 I/Min.) und Rührung (35o Drehungen/Min.) gezüchtet, und es wird dabei eine
Ausbeute von etwa iooo Einheiten/ml bei einem p,1-Wert von 7,6 erhalten. Daraufhin
wird der p,1-Wert durch Zusatz einer wäßrigen Oxalsäurelösung auf 2 eingestellt,
um das Calcium als Calciumoxalat niederzuschlagen, das zusammen mit den Pilzkörpern
abfiltriert wird. Das Filtrat wird durch Zusatz von - Natronlauge auf einen pH-Wert
von 8 eingestellt und die dabei entstehenden geringen Niederschläge abfiltriert.
Auf diese Weise können 4,5 1 Kulturfiltrat mit iooo Einheiten/ml erhalten werden.
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Dieses Kulturfiltrat wird in Zoo ml eines ionenaustauschenden Kunstharzes
der Carbonsäurereihe vom Na-Typ (Amberite IRC-5o) eingegossen und nach erfolgter
Ladung mit Wasser gespült, darauf mit i n-Salzsäure versetzt, die ausfließende Flüssigkeit
nacheinander portionsweise abgetrennt, und die Portionen mit höherer Potenz werden
gesammelt. Es lassen sich so 40o ml eines Anteils mit io ooo Einheiten/ml .gewinnen.
Dieser Anteil wird abgestumpft, bei Unterdruck und unterhalb 5o° zu 8o ml (5o ooo-Einheiten/ml)
eingeengt und im gefrorenen Zustand getrocknet. Nach dem Ausziehen mit Methanol
wird eine 5- bis 7fache Menge Aceton zugesetzt, um Reticulinhydrochlorid auszufällen.
Die Fällungen werden abfiltriert, mit Aceton gewaschen und getrocknet. Die Ausbeute
beträgt 8 g (40o Einheiten/mg) an rohem weißem Reticulinhydrochlorid.
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Wird an Stelle der Salzsäure Schwefelsäure verwendet, dann entsteht
das entsprechende Sulfat. Ferner ist dann das ionenaustausehende Kunstharz der Carbonsäurereihe
nicht auf dien Na-Typ beschränkt, vielmehr kann es auch in Form der freien Säure
angewendet werden, auch ist es möglich, statt des Kunstharzes Kohlepulver zu verwenden,
wobei nach erfolgter Adsorption mit saurem Acetonwasser oder Methanol ausgezogen
wird.
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8 g (40o Einheiten/mg) des erhaltenen rohen Reticulinhydrochlorids
werden in 5o m1 8o%igem Methanol gelöst und durch einen mit 7o g aktiver, mit Schwefelsäure
behandelter Tonerde gefüllten
Turm filtriert. Anschließend wird
8o%iges Methanol über die Tonerde geschickt. Die ausfließenden Flüssigkeiten werden
nacheinander portionsweise gewonnen und die Portionen mit höherer Potenz gesammelt.
Auf diese Weise können 8o ml Flüssigkeit erhalten werden, welche 2 82o ooo Einheiten
enthalten, die Wiedergewinnung also 88% beträgt.
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Zu dieser Flüssigkeit werden ioo ml einer warmen wäßrigen Methylorangelösung
(2 g/i oo ml) unter Rührung zugesetzt, so daß sich Verunreinigungen niederschlagen.
Nach Abfiltrieren dieser Niederschläge wird nochmals eine warme wäßrige Methylorangelösung
(2,5 g/i25 ml) in einer auf den Reticulingehalt berechnete Menge von 125 ml zugesetzt,
wobei Reticulinhelianthat in .rotbraunen amorphen Kristallen ausfällt.
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Durch mehrmaliges Umkristallisieren aus io- bis 8o%igem Methanol werden
6,6 g (35o Einheiten/mg) kupferbraune Kristalle erhalten. Der Gesamtgehalt des Helianthates
beträgt 2 310 ooo Einheiten, das sind 82% Ausbeute, bezogen auf das rohe
Hydrochlorid.
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1,4 g (q.90 ooo Einheiten des Helianthates werden mit 25 m1 einer
Salzsäure-Methanol-Lösung (i Teil konzentrierte Salzsäure zu 5o Teilen Methanol)
gemischt und nach erfolgter Abspaltung durch eine dünne Schicht aus aktiver Kohle
filtriert. Zu dem klaren Filtrat werden _i50 ml Aceton gegossen, um das Retic.ulinhydrochlorid
auszufällen. Nach Abtrennung der klaren Oberschicht durch Dekantieren und Trocknung
der Niederschläge werden 570 mg (8q.0 Einheiten/mg) Reticulinhydrochlorid
in weißen amorphen Kristallen gewonnen. Die Ausbeute beträgt 98%, bezogen auf Helianthat.
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Die Reinigung des rohen Reticulinsalzes ist nicht auf die beschriebene
Arbeitsweise beschränkt, sondern kann auch über das bekannte Reineckesalz erfolgen.
Es ist auch möglich, das rohe Hydrochlorid in Phosphorwolframat überzuführen und
dieses wieder in das Hydrochlorid zurückzuführen, das über das Reineckesalz oder
das Helianthat weiter gereinigt werden kann. Gemäß der Erfindung können durch geeignete
Auswahl der Nachkömmlinge aus dem Stamm Q4-9 sowie der Züchtungsbedingungen Reticulinkulturlösungen
mit noch höherem Wirkstofl-gehalt erhalten werden. So wird z. B. mit einem Stamm,
der durch drei Generationen ausgelesen und auf dem Tyrosin-Agar-Nährboden 3 Wochen
einer Strichkultur unterworfen wurde, ein 15 Minuten bei 12o° sterilisierter, normaler
Sojabohnennährboden geimpft und 23 Stunden eine Vorzüchtung bei 24 bis 30° unter
Schütteln (hin und her gehendes Schüttelwerk mit einer Schwingungsweite von 8 cm
und einer Schwingungszahl von 132 Umkehrungen/Min.) durchgeführt. Mit i ml der erhaltenen
Kulturlösung werden 2o ml eines 3-6-Nährbodens geimpft, der zwar 30/a Sojabohnenmehl
und 6% Glukose enthält, sonst jedoch die gleiche Zusammensetzung aufweist wie der
normale Sajabahnen-"nährboden. Die Hauptzüchtung dauert sechs Tage unter den gleichen
Bedingungen wie bei der Vorzüchtung. An vierten Tag der Züchtung betragen der pH-Wert
6,2 und die Ausbeute 95o Einheiten/ml, am fünften Tag 7,0 und i,300 Einheiten/ml
und am sechsten Tag 7,0 und sogar 1,65o Einheiten/ml.
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Aus diesen Ergebnissen ist ersichtlich, daß die Herstellung von, Reticulin
in höheren Ausbeuten erst dann möglich ist, wenn die durch UV-Bestrahlung des Reticulin
erzeugenden Schimmelpilzstammes H-365 erhaltene künstliche Mutation Q4-9 auf oder
in-einem Nährboden mit reicheren Kohlenstoff- und Stickstoffquellen, wie z. B. dem
2-q.- oder 3-6-Nährboden, gezüchtet wird. Diese Erkenntnis ist mit Rücksicht auf
den Stand der Technik überraschend, und erst sie ermöglicht die technische Herstellung
von Reticulin.