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Binde- und Emulgiermittel von Farben für die Maltechnik sowie Grundiermittel
hierfür Es wurde gefunden, daß sich P'olyvinylalkohole verschiedener Polymerisationsgrade
und insbesondere ihre wasserlöslichen Derivate ausgezeichnet als Malmittel eignen.
Mit ähnlicher Wirksamkeit kommen auch andere wasserlösliche Polyvinylverbindungen,
wie beispielsweise polymere Acryl-und Methacrylsäuren sowie die Salze solcher polymerer
Säuren, in Betracht. Diese bisher als Malmittel nicht bekannten Stoffe erscheinen
berufen., die Grundlage einer neuen Maltechnik zu bilden, die sich der Leim-, Tempera-
und Gouachetechn.ik nicht nur ebenbürtig zur Seite stellt, sondern sich ihnen gegenüber
durch die Bequemlichkeit und Zielsicherheit ihrer Handhabung, die Tiefe und Frische
der mit ihr erreichbaren Farbwirkungen, die Widerstandsfähigkeit der so gemalten
Bilder und die Kombinationsfähigkeit mit anderen Maltechniken vorteilhaft unterscheidet.
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Rührt man beispielsweise übliche Aquarellfarben in Stückform mit einer
t o %igen wäßrigen Lösung eines bis zu einer Verseifungszahl von etwa i 2o verseiften
mittelviskosen Polyvinylacetats an, so erhält man eine Palette, -deren Handhabung
eine Mittelstellung zwischen einer mit reinem Wasser als Malmittel hergestellten
Aquarell- und einer ölfarb@enp@alette einnimmt. Die Farben setzen nicht ab und trocknen
viel langsamer ein als bei der reinen Aquarelltechnik. Deshalb lassen sie sich auf
dem Malgrund noch nach längerer Zeit ganz ausgezeichnet ineinander verarbeiten.
Besonders vorteilhaft wirkt das beispielsweise beim Malen bewölkter Himmel, bewegten
oder spiegelnden
Wassers sowie eines stark abgetönten Hintergrund,
kräfxiger Schattierungen oder duftiger Fernen. Der Auftrag sauf jedem beliebigen
Papier gestaltet sich besonders befriedigend. Es ergeben sich Farbtöne von besonderer
Leuchtkraft, Frische und Wärme. D;ie Tiefe des Farbtons nimmt leim Trocknen viel
weniger ab als bei der üblichen Aquarellmalerei, was die naturgetreue Wiedergabe
der Gegenstände sowie eine zielbewußte Farbkomposition erheblich erleichtert. Auch
das Aussparen lichter Partien gestattet die neue Technik in besonders wirkungsvoller
Weise. Andererseits lassen sich schon nach kurzem Antrocknen Lasuren viel sauberer
aufbringen als in der Aquarelltechnik, ebenso Deckfarben. Diese besondere Fügsamkeit
der Arbeitsweise kommt der Zartheit und Lebhaftigkeit der so gemalten Bilder sehr
zugute.
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Die mit wasserlöslichen Polyvinylverbindungen angemachten Farben lassen
sich nicht nur mit Haarpinseln, sondern auch mit Borstenpinseln verarbeiten, die
nicht einmal völlig ölfrei zu sein brauchen. Dadurch werden besondere malerische
Effekte ermöglicht bzw. mit wenig Kunst erreichbar.
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Der Malgrund kann aus verschiedenartigstem, auch sonst für Aquarellmalerei
wenig geeignetem Papier bestehen, aber auch aus anderem Material, wie Textilstoffen,
Holz, Leder, Kunststoff, Metall, Glas u. a. Es ist vorteilhaft, z. B. Leinwand,
Holz u. a. zunächst mit .einer mehr oder weniger verdünnten wäßrigen Lösung der
P'olyvinylverbindung zu grundieren. Gegebenenfalls können in solchen, Grundierungen
Pigmente, wie beispielsweise Titanweiß und ,Kreide, dispergiert sein. Es sind ,aber
auch andersartige Grundierungen, beispielsweise mit Leim oder Kaseinlösungen, für
die neue Technik verwendbar.
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Die neue Maltechnik ist vielseitig mit anderen kombinierbar. Das Malmittel
aus wasserlöslicher Polyvinylverbindung verträgt sich beispielsweise gut mit Temperafarben
und läßt sich auch in der Gouachetechnik vorteilhaft verwenden. Es emulgiert bis
zu einem gewissen Grade ,auch ölfarben, so daß sich mit ihm eine Mischtechnik mit
Aquarell-und ölfärben bequem durchführen läßt. Die Bindekraft und die optischen.
Eigenschaften der P'olyvinylverbindungen gestatten unter Umständen auch ein Eingehen
mit Pastellstiften in andersartige Malerei, was beispielsweise bei Architekturen
@erwünscht sein kann. Vor allem aber lassen sich durch Verwendung mehr oder weniger
stark verdünnter Lösungen von. Polyvinylverbindungen und daneben ,auch von reinem
Wasser sowohl alle Zwischenstufen zwischen der .alten und der neuen Aquarelltechnik
schaffen als auch unter Umständen sehr wirkungsvolle gegensätzliche Ausgestaltungen
verschiedener Bildpartien erreichen.
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Die nach der neuen Malweise hergestellten Bilder verlieren nach genügendem
Austrocknen ihre Wasserempfindlichkeit fast völlig. Ihre mechanische Widerstandsfähigkeit
ist ausgezeichnet, und die bei der Leimmalerei so störende Neigung zum Abblättern
fehlt hier.
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An sich sind für die neue Maltechnik die üblichen Farben ohne weiteres
brauchbar. Besonders vorteilhaft erscheint es aber, Emulsionsfarben gleich mit einer
wäßrigen Lösung von P'olyvinylverbindungen, insbesondere von bis zu einer Verseifungszahl
zwischen 8o und i 2o verseiftem P'olyvinylacetat, bei zweckentsprechend gewählter
Konzentration herzustellen. Dank der großen Verträglichkeit solcher Polyvinylderivate
können auch die üblichen sonstigen Zusätze, wie beispielsweise die Oberflächenspannung
verringernde, hinzugefügt werden. Analog kann auch bei der Herstellung von Stückfarben
dass bisher übliche Bindemittel ganz oder teilweise durch wasserlösliche Polyvinylverbindung
ersetzt werden.
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Bei all diesen Verwendungen der hier erstmals für die künstlerische
und kunstgewerbliche Malerei vorgeschlagenen Stoffe wirkt sich ihre Verarbeitbarkeit
in kaltem Zustand, ihre Herstellbarkeit mit stets genau gleichen Eigenschaften,
ihr Freisein von Alterungserscheinungen und ihre Eigenschaft, keiner Fäulnis ausgesetzt
zu sein, zusätzlich vorteilhaft aus.
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Die Verwendung von hochmolekularem Polyvinylalkohol oder seinen wasserlöslichen
Derivaten als Emulgiermittel ist an sich bekannt. Aus diesem, nur auf die Herstellung
stabiler wäßriger Emulsionen von in Gegenwart der genannten emulgierenden Mittel
hergestellten Polymerisationsprodukten gerichteten Stand der Technik war aber nicht
einmal die dispergierende Wirkung auf die in Wasserfarben verwendeten Pigmente zu
entnehmen.
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Noch weniger ließ sich daraus auf die oben dargelegten, ganz überraschenden
und außerordentlich fortschrittlichen maltechnischen Wirkungen der wasserlöslichen
Polyvinylverhindungen schließen.
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Diese besonderen und für die Technik der Kunstmalerei ausschlaggebenden
Wirkungen waren auch nicht den bekannten Vorschlägen zur Verwendung von nicht substituierten
Polyvinylalkoholen als Schutzkolloide im allgemeinen. und für Tinten, Tuschen und
Farbpasten im besonderen zu entnehmen. In solchen allgemein gehaltenen und lediglich
auf eine schutzkolloide Wirkung gerichteten Angaben liegt keine Anregung zur Entwicklung
einer ganz neuartigen und höchst wertvollen Maltechnik.