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Verfahren zur Entfernung von Cyanwasserstoff aus Kohlendestillationsgasen
oder ähnlichen Gasen Die Entfernung der im Gas enthaltenen Cyanwasserstoffsäure
ist wichtig für die Bekämpfung von Korrosionen bei der Gasverteilung. Zahlreiche
Untersuchungen haben ergeben, daß die meisten Rohrablagerungen mehr oder weniger
Cyanverbindungenevthal ten. Nach Untersuchungen von Hicks beträgt die in den.. Rohrleitungen
wegkorrodierte Eisenmenge bei normalem feuchtem Stadtgas etwa 8 g je Quadratmeter;
wogegen sie bei einem Gase mit höherem Cyanwasserstoffgehält bis zu 759 je
Quadratmeter gasbespülter Rohroberfläche im Jahr betragen kann. Cyanverbindungen
gehören daher zu den schädlichen- Bestandteilen im Gas, die die Ursache für Korrosionen
im Rohrnetz, in den Gasbehältern und Gasmessern bilden. Ferner stören die im Gas
enthaltenen Cyanverbindungen viele Gasum-@vandlungsvorgänge.
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Die -Normen für die Beschaffenheit von Stadtgas halten einen C_yanwasserstoffgehalt
bis zu o, 15 g je Kubikmeter Gas für zulässig. Diese Grenzzahl entspricht
nicht dem Idealzustand, sondern ist dem derzeitigen Stand der Technik entsprechend
festgelegt worden. Mit der zunehmenden Verwendung des Gases in der Industrie und
im Haushalt steigen die Ansprüche an den Reinheitsgrad des Gases in den letzten
Jahren immer mehr. Wird ein normgerechtes
Gas auf Fernleitungsdruck
von 5 bis 2o Atm. komprimiert, so steigt der Cyanwasserstoffgehalt im komprimierten
Gase auf den fünf- bis zwanzigfachen Wert. Zwecks Vermeidung von Korrosionen in
den Ferngasleitungen muß die Gasindustrie der Entfernung des Cyanwasserstoffes besondere
Aufmerksamkeit schenken.
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Die Cyanwasserstoffentfernung wirkt sich auch vorteilhaft auf die
Schwefelwasserstoffreinigung aus und verbessert deren Wirtschaftlichkeit. Bei der
trockenen Gasreinigung wird die Schwefel-. anreicherung in der eisenhaltigen Gasreinigungsmasse
infolge des Fortfalles der Bildung von Eisen-Cyan-Verbindungen günstiger. Es ist
berechnet worden, daß durch die Vorschaltung einer Cyanwasserstoffreinigung vor
die Trockenreinigung eine wesentliche Ersparnis an Schwefelreinigungskosten erzielt
werden kann. Auch bei den nassen Schwefelreinigungsverfahren tritt durch die Vorschaltung
einer Cyanwäsche vor die Schwefelwasserstoffwäsche eine beachtliche Unkostenverringerung
ein. Beispielsweise wird bei dem Pottasche-Entschwefelungsverfahren durch die vorherige
Entfernung von Cyanwasserstoff aus dem Gase die Bildung von Rhodankalium verhindert,
wodurch der Verbrauch an Pottasche geringer wird und sich die Schwefelausbeute erhöht.
Es bilden sich zudem in der Waschlösung keine Cyanverbindungen, wodurch Korrosionen
an den eisernen Apparaten verhindert werden.
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Jahrzehntelang hat man in Gaswerks- und Kokereibetrieben nach Mitteln
und Wegen gesucht, um den Cyanwasserstoff in einer einfachen und wirtschaftlich
tragbaren Weise aus dem Gase zu entfernen. Während man früher bei der Entfernung
des Cyanwasserstoffes besonderen Wert auf Gewinnung von Cyanverbindungen legte,
wird heute in der Gasindustrie die Cyanw asserstoffgewinnung aus Kohlendestillationsgasen
nicht als Selbstzweck, sondern mehr oder weniger als notwendiges Übel betrachtet.
Dem in Kohlendestillationsgasen in einer verhältnisxnäßig geringen Konzentration
vorliegenden Cyanwasserstoff kommt heute als Ausgangsstoff zur Gewinnung von Cyanverbindungen
nur noch eine untergeordnete Bedeutung zu, da die Cyanverbindungen hauptsächlich
auf synthetischem Wege hergestellt werden.
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Die bislang bekanntgewordenen Verfahren zur Entfernung des Cyanwasserstoffes
aus Gasen sind im allgemeinen unwirtschaftlich und nicht in einfacher. Weise im
Rahmen eines Gaserzeugungsbetriebes durchführbar. Es handelt sich einerseits um
Verfahren, die mit Eisensalzen arbeiten und den Cyanwasserstoff als Eisen-Cyan-Verbindungen
binden, andererseits um Verfahren, die mit alkalischen Polysulfidlösungen den Cyanwasserstoff
in Form von Rhodanverbindungen aus dem Gase entfernen.
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Die mit Eisensalzen arbeitenden Verfahren benutzen Lösungen, in denen
Eisensulfid und Cyanschlämme suspendiert sind. Da es leicht zu Schlammablagerungen
kommt, benutzt man hierbei Wascher mit drehbaren Einrichtungen. Diese Wascher, die
zudem noch so eingerichtet sind, daß in gewissen Zeitabschnitten eine Reinigung
leicht. durchgeführt werden kann, sind nur für geringe Gasbelastüriggen brauchbar.
Die in Großbetrieben gebräuchlichen Hordenwascher oder Hochdruckkolonnenwascher
können wegen Verstopfungsgefahr nicht benutzt werden. Die anfallenden Cyanschlämme
werden in umständlichem Arbeitsgange zu Ferro-Cyan-Verbindungen aufgearbeitet.
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Die Rhodanatverfahren haben auch nur wenig Anwendung gefunden, da
es an Absatz für Rhodansalze fehlt. Eine stöchiometrische Berechnung zeigt, d.aß
man für die Reinigung von iooo cbm Kohlengas mit einem HCN-Gehalt von
0,5 g je Kubikmeter 6oo g Schwefel für die Bindung des Cyanwasserstoffes
benötigt. Die Kosten für den Schwefel, für das Erwärmen (etwa 4o°) und für das Umpumpen
der Lösung sind hoch, so daß die Verfahren nicht wirtschaftlich sind.
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Es ist ferner bekannt, daß man durch eine Wäsche mit vorzugsweise
auf etwa io° abgekühltem Wasser den Cyanwasserstoff aus Kohlendestillationsgasen
entfernen kann, wobei ein cyanwasserstoffhaltiges Wasser anfällt, aus dem der Cyanwasserstoff
in Form von Alkalisalzen gewonnen wird. Dieses Verfahren, bei dem eine sehr verdünnte
wäßrige Cyanwasserstofflösung anfällt, läßt sich im allgemeinen jedoch nicht wirtschaftlich
durchführen. Für einen normalen Kokerei- oder Gaswerksbetrieb, der in erster Linie
nur Wert auf die Entfernung des Cyanwasserstoffes aus dem Gase legt, ist es zu umständlich,
zumal dabei große Wassermassen aufgearbeitet und stark giftige Lösungen und- Salze
verarbeitet werden müssen, wobei schädliche Abwässer anfallen. Das Verfahren hat
daher in der Gasindustrie keine Verbreitung gefunden.
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Das den Gegenstand der Erfindung bildende Verfahren ermöglicht es
der Gasindustrie in einfacher Weise, ohne besondere Aufarbeitung von Lösungen und
ohne besondere Betriebsüberwachung mit ganz geringen Unkosten sich von dem schädlichen
Cyanwasserstoffballast des Gases zu befreien. Es besteht darin, daß man das cyanwasserstoffhaltige
Gas mit Wasser behandelt und den hierbei ausgewaschenen Cyanwasserstoff durch eine
einfache und wirtschaftliche Methode vernichtet. Die Vernichtung geschieht durch
Austreiben des Cyanwasserstoffes aus dem Waschwasser im Zusammenhang mit der ohnehin
erforderlichen Kühlung oder Wasserwäsche von Generatorgasen oder anderen Unterfeuerungsgasen,
die im Betrieb zur Beheizung von Kohlendestillationsöfen od. dgl. dienen, wobei
der -Cyanwasserstoff anschließend im Gemisch mit diesen Gasen verbrannt wird. Der
in großer Verdünnung mit Wasser anfallende Cyanwasserstoff wird hierdurch- unter
Ausnutzung seiner Verbrennungswärme beseitigt. Besondere Unkosten für die Entfernung
des Cyanwasserstoffes aus dem Waschwasser entstehen hierbei nicht, auch sind hierfür
nur einfachste Apparaturen erforderlich. - Durch die Kombination der Wasserwäsche
des Kohlendestillationsgases-mit der Generatorgaskühlung und Wäsche bzw: auch mit
der Gichtgaskühlung und Wäsche wird die Cyanwasserstoffentfernung aus Kohlendestillationsgasen
im
Rahmen eines Kokerei-, Gaswerks- oder Kokereihüttenbetriebes
in zweckmäßiger und wirtschaftlicher Weise ermöglicht. Im allgemeinen wird man hier
für die Austreibung des Cyanwasserstoffes keine besonderen Apparaturen benötigen,
und sie ist mit geringsten technischen und betrieblichen Änderungen mit vorhandenen
Generatorgaskühlern oder Gichtgaswäschern od. dgl durchführbar. Gemäß der Erfindung
wird es der Gas- und Ferngasindustrie ermöglicht, in einfachster Weise sich von
dem schädlichen Cyanwasserstoffballast zu befreien, zu dessen Beseitigung die Fachwelt
seit längerer Zeit ohne durchschlagenden Erfolg nach Mitteln und Wegen gesucht hat.
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Das Verfahren wird "beispielsweise wie folgt durchgeführt: Eine Gaswerkskokerei
mit einem Kohlendurchsatz von 50o t/Tag erzeugt täglich 170 000 cbm Kohlengas.
Der Cyanwasserstoffgehalt des Kohlengases nach der Entfernung des Ammoniaks beträgt
o,4 g HCN/cbm. Die Gaserzeugung erfolgt in Horizontalkammeröfen, die mit Generatorgas
beheizt werden. Für die Ofenbeheizung werden 25o ooo cbm Generatorgas/Tag verbraucht.
Zur Kühlung und Wäsche des Generatorgases in den Generatorgaswäschern sind etwa
1200 cbm Wasser/Tag erforderlich. Die Entfernung des Cyanwasserstoffes aus demKohlendestillation
sgaserfolgt nach der Ammoniakwäsche vor der Schwefelreinigung in der Weise, daß
man das Kohlengas durch einen Cyanwascher leitet, der stündlich mit etwa 28 cbm
Wasser im Gegenstrom berieselt wird. Das Wasser nimmt dabei etwa 2,8 kg Cyanwasserstoff
auf. Das vom Cyanwascher ablaufende, Cyanwasserstoff enthaltende Wasser wird anschließend
über die Generatorgaskühler und -wäscher gepumpt. Zur weiteren Kühlung des Generatorgases
sind zus.ät'zlich noch 22 cbm Kühlwasser erforderlich. Das Generatorgas belädt sich
hierbei mit Cyanwasserstoff. Stündlich werden von 1o 50o cbm Generatorgas etwa 280o
g Cyanwasserstoff aufgenommen, d. h. der Cyanwasserstoffgehalt des Generatorgases
beträgt etwa 0,27 g HCN/cbm. Das cyanwasserstoff -haltige Generatorgas verbrennt
anschließend unter den Horizontalkammeröfen. Dabei verbrennt der Cyanw asserstoff
zu Wasserdampf, Kohlensäure und Stickstoff. Die Verbrennungsgase entweichen durch
den Kamin. Das von den Generatorgaswäschern abgelaufene, von Cyanwasserstoff befreite
Wasser kann nach Klärung und Rückkühlung erneut im Kreislauf verwendet werden, so
daß kein besonderer Wasserverbrauch für die C_vanwäsche erforderlich ist.
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Man kann die Cyanwasserstoffauswaschung in der gleichen Weise wie
vorstehend beschrieben im komprimierten Gas durchführen. Hierbei erhält man eine
höhere Cyanwasserstoffanreicherung im Wasser und benötigt weniger Waschwasser. Beispielsweise
braucht man zur Durchführung des Verfahrens bei einem Gas, das unter einem Gasdruck
von 2o Atm. steht, stündlich nur etwa 1,4 cbm Wasser unter den vorstehend aufgeführten
Verhältnissen. Die Auswaschung erfolgt hierbei zweckmäßig in einem Hochdruckkolonnenwascher.
Das Wasser reichert sich 20mal so hoch mit Cyanwasserstoff an als bei der Cvanwäsche
unter normalem Druck. Das hochangereicherte, Cyanwasserstoff enthaltende Wasser
wird dann beispielsweise zur Gichtgasstaubwäsche mitbenutzt.
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An laufenden Unkosten entstehen bei dem Verfahren nur die Kosten für
die Cyanwascherberieselungspumpen, die bei normalen Energiepreisen gering sind,
nicht ins Gewicht fallen und sich um ein Vielfaches wieder aufheben durch die Vorteile,
die die Cyanwasserstoffentfernung mit sich bringt.
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Zwecks vollständiger Vernichtung des Cyanwasserstoffes erweist es
sich unter Umständen als zweckmäßig, nach der Austreibung des Cyanwasserstoffes
mittels Unterfeuerungsgasen das Waschwasser mit solchen Stoffen zu versetzen, die
eine chemische Bindung des restlich im Wasser verbleibenden Cyanwasserstoffes bewirken.
Hierfür benutzt man thiosulfathaltige, sulfidische oder eisenhaltige Abfallaugen,
wodurch nach bekannten Reaktionen der Cyanwasserstoff in Rhodansalze, bzw. in Ferro-Cyan-Verbindungen
überführt wird. Bei dem geringen Gehalt an Cyanwasserstoff im Wasser gelingt es
ferner, durch Zusatz von schwefelwasserstoffhaltigein Gaswasser den Cy anwasserstoff
gemäß der bekannten Formel HCN+H2S+NH3+1/202 = NH4CNS . + H20 in Rhodansalz zu überführen.
Die Berührung des mit Gaswasser versetzten, geringfügig cyanwasserstoffhaltigen
Wassers in den Kläranlagen und Rückkühlern mit der Luft bzw. mit dem Luftsauerstoff
genügt, um die Reaktion im Sinne der vorstehenden Gleichung durchzuführen. Zweckmäßig
verwendet man phenolarmes Gaswasser, das bei der Wäsche von ammoniak- und schwefelwasserstoffhaltigen
Kohlendestillationsgasen anfällt. Gaswasser ist bei dem heutigen Stand der Technik
nicht gewinnbringend zu verwerten und daher wertlos. Es gelingt durch die Zugabe
von Abfallaugen oder Gaswasser, ohne Kosten die nach dem Austreiben mittels L;nterfeurungsgasen
noch im Wasser verbleibenden restlichen Cyanwasserstoffmengen zu beseitigen, so
daß das Wasser erneut im Kreislauf benutzt werden kann, bzw. schädliche Abwässer
vermieden werden.