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Galenische Präparate
Bei der Herstellung galenischer Präparate werden
pflanzliche und tierische Eiweiß stoffe, Keratin usw. in verschiedener Weise verwendet.
Von tierischen Eiweißstoffen kommt in erster Linie Gelatine in Betracht, die entweder
als Träger der Arzneimittel oder zur Umhüllung derselben in Form von Kapseln verwendet
wird. Gelatine ist bekanntlich sowohl in neutralem Wasser als auch in stark saurem
und alkalischem Medium leicht löslich. Für bestimmte Zwecke, und zwar für Präparate,
die den Magen ungelöst passieren und erst im Darmkanal zur Wirkung- kommen sollen,
muß die Gelatine so gehärtet werden, daß sie in dem sauren Magensaft bei pH I bis
2,5 völlig resistent bleibt. Dies ist noch nicht in befriedigender Weise gelungen.
Dies gilt auch für Keratinumhüllungen usw.
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Es wurde nun gefunden, daß säureamidhaltige Mischpolymerisate von
Äthylenderivaten bei bestimmtem Verhältnis des Säureamids zu den übrigen Komponenten
des Mischpolymerisats, vor allem der Säurekomponente, Kunstharzmassen bzw. Filme
liefern, die bei der Azidität des Magensafts völlig resistent sind, bei der Alkalität
des Darmkanals dagegen leicht in Lösung gehen. Es handelt sich dabei z. B. um Mischpolymerisate
mit 80 bis 95 °/0 Methacrylsäureamid und 20 bis 5 0/o Methacrylsäure.
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Es besteht aber auch die Möglichkeit, auf der gleichen Basis lediglich
durch Abwandlung des Säureamidgehalts im Mischpolymerisat Produkte herzustellen,
die sowohl bei der Azidität des Magensafts als auch der Alkalität des Darmkanals
in Lösung gehen.
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Dafür .kommen- z. B Mischpolymerisate aus Io bis
20
°-/n Methacrylsäureamid -un.4 90 bis 80 °J0 -Methacrylsäure in Betracht. In neutralem
und schwach saurem Medium, also z.- B. bei der Azidität des Speichels, sind Mischpolymerisate
aus etwa 60 01o Methacrylsäureamid und 40 ovo Methacrylsäure leicht löslich.
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Bei der Azidität des Magensafts sind solche Mischpolymerisate schwerer
löslich.
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Man kann also pflanzliche und tierische Eiweißstoffe für galenische
Präparate in allen Fällen durch derartige Polymerisate bzw. Mischpolymerisate ersetzen,
wobei man die Möglichkeit hat, diese durch entsprechenden Aufbau des Polymerisats
völlig den gestellten Anforderungen an die Löslichkeit oder - Quellbarkeit anzupassen.
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Solche Polymerisate kann man also z. B. für die Herstellung von Kapseln
zur Aufnahme von flüssigen und von festen Medikamenten verwenden, wobei man, je
nachdem, ob das Präparat im Magen oder im Darmkanal zur Wirkung kommen soll, ein
Mischpolymerisat mit niedrigerem oder höherem Säureamidgehalt einsetzt. Diese Polymerisate
können auch zur Herstellung von Lamellen dienen, wobei man die Arzneistoffe in die
Polymerisatlösung einbettet. Für Granulate, die als Laxativ verwendet werden und
im Magensaft unlöslich und unquellbar sein sollen, wird man Mischpolymerisate mit
hohem Säureamidgehalt nehmen.
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Die Polymerisate können auch in Form von Stäbchen, wie z. B. Wundstäbchen,
Verwendung finden in Kombination mit den entsprechenden Arzneistoffen. Bei Mitverwendung
von Metallsalzen, wie z. B. Silbernitrat oder Eisenchlorid, ist es dabei von Bedeutung,
Mischpolymerisate mit hohem Säureamidgehalt zu nehmen, deren Metallsalze löslich
sind. Für Kugeln, die unter anderem Tannin enthalten, wird man Mischpolymerisate
mit niedrigem Säureamidgehalt verarbeiten, da diese mit Tannin verträglich sind,
während bei hohem Säureamidgehalt Tannin ausgefällt wird.
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Die Polymerisate können aber auch z. B. bei der Herstellung von Konfektionen,
wie z. B. bei Gummipasten, an Stelle von Gummiarabikum, Eiweiß und Tragant, Verwendung
finden, ferner als Stabilisator bzw. Schutzkolloid für Aufschlämmungen von Metallen
und wasserunlöslichen Metallsalzen.
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Die Polymerisate können für sich allein als Träger-, Binde- oder
Umhüllungsmittel für Medikamente Verwendung finden oder zusammen mit anderen Bindemitteln,
wie z. B. pflanzlichen und tierischen Eiweißstoffen. Ferner können zur Einstellung
der aus den Polymerisaten herstellbaren Filme auf bestimmte Elastizitätsgrade entsprechende
Weichmacher zugesetzt werden, soweit die Elastizität nicht durch Einbau entsprechender
Komponenten in das Mischpolymerisat selbst eingestellt wird. Ferner können niedere
und höhere ein- und mehrwertige Alkohole mitverwendet werden, die teilweise als
Weichmacher, wie z. B. Glycerin, oder als Lösungsmittel für das Polymerisat wirken
können.
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In erster Linie kommen Polymethacrylsäureamid und die entsprechenden
Mischpolymerisate in Betracht, soweit diese in Wasser oder ein- und mehrwertigen
Alkoholen allein oder zusammen mit Wasser löslich sind bzw. nach Zusatz geeigneter
Basen, wie z. B. Alkali- oder Erdalkalihydroxyden, Ammoniak, Amin, Äthanolamin usw.,
darin gelöst.- werden können. An Stelle von Polymethacrylsäureamid und den entsprechenden
Mischpolymerisaten oder zusammen mit die- -sen können auch die polymeren Amide der
niederen und höheren Homologen.der Methacrylsäure und die entsprechenden Mischpolymerisate
verwendet werden.
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Als Mischpolymerisatkomponenten kommen Acrylsäure und ihre höheren
Homologen oder andere ungesättigte Säuren, wie z. B. Maleinsäure, Crotonsäure oder
Zimtsäure, in Betracht, und zwar in Säure- oder Salzform oder in Form ihrer Ester
mit niederen oder höheren Alkoholen. Auch Vinylverbindungen, wie z. B.
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Vinylacetat und Styrol, oder andere Äthylenverbin dungen sowie ungesättigte
Kohlenwasserstoffe können in das Mischpolymerisat eingebaut werden. Auch Methylolverbindungen
der angeführten Säureamide können in das Mischpolymerisat eintreten. Zur Herbeiführung
der Wasserlöslichkeit kann man auch geringe Mengen von Formaldehyd oder Formaldehyd
liefernden Verbindungen den fertigen Polymerisaten zusetzen oder aber bereits vor
der Polymerisation zugeben.
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Diese Polymerisate und Mischpolymerisate können in den verschiedensten
Viskositätsgraden verwendet werden. Der Einsatz bzw. die Verarbeitung der Polymerisate
kann in verschiedener Weise erfolgen. Man kann z. B, nach bekannten Polymerisationsverfahren.
das Polymerisat in wäßriger Lösung in Ab- oder Anwesenheit von organischen Lösungsmitteln
oder aber ausschließlich in organischen Lösungsmitteln herstellen.
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Aus den Lösungen kann man evtl. nach Zusatz von Weichmachungsmitteln
die Kapseln nach Verdunsten des Lösungsmittels gewinnen. Es besteht auch die Möglichkeit,
Polymerisate aus den Perlpolymerisationsverfahren anzuwenden, bei dem man.das Polymerisat
in Form eines Pulvers erhält. Dieses pulverförmige Polymerisat kann man mit den
Arzneistoffen mischen und, gegebenenfalls nach Zusatz eines weiteren Bindemittels,
auf Kugeln, Lamellen usw. weiterverarbeiten. Das pulverförmige Polymerisat kann
aber auch, gegebenenfalls mittels alkalisch reagierender Verbindungen, wie Ätznatron,
Ammoniak, Amin, Äthanolamin usw., in wäßrige Lösungen übergeführt werden, die dann
als solche Verwendung finden. Es besteht ferner die Möglichkeit, die Medikamente
bereits der Lösung der Monomeren zuzugeben. Die Arbeitsbedingungen können dabei
so gewählt werden, daß die Polymerisatlösung während der Polymerisation zu einer
gallertartigen oder festen Masse erstarrt, die dann nachträglich zerkleinert wird.
Auf diese Weise ist eine besonders gleichmäßige Verteilung des Arzneistoffes in
dem Polymerisat erreichbar. Man kann auch nach dem Blockpolymerisationsverfahren
gewonnene Polymerisate verwenden.
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Beispiele I. Die I0- bis zo0/,ige wäßrige Lösung des Ammoniumsalzes
eines Mischpolymerisats aus 94 01o Methacrylsäureamid und 60/o Methacrylsäure wird
zur Herstellung von Kapseln bzw. Umhüllungsmitteln für Medikamente verwendet, die
erst im Darmkanal zur Wirkung kommen sollen.
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2. Träger oder Umhüllungsmittel für Medikamente, die bereits im Magen
wirksam werden sollen, werden
hergestellt aus der I0- bis 2001,eigen
wäßrigen Lösung des Natriumsalzes eines Mischpolymerisats aus 100/0 Methacrylsäureamid
und 90 01o Methacrylsäure, gegebenenfalls in Gegenwart eines Weichmachers.
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3. I8 Teile Methacrylsäureamid und 12 Teile Methacrylsäure werden
in 60 Teilen Wasser und 10 Teilen Glycerin gelöst. Nach Einstellung auf ps 5,6 mittels
Ammoniak und nach Zusatz eines Katalysators und des vorgesehenen Medikaments wird
bei 60 bis 65" polymerisiert. Nach beendeter Polymerisation wird die viskose Flüssigkeit
ausgegossen und in Lamellenform getrocknet.
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4. Ein nach dem Perlpolymerisationsverfahren in Pulverform gewonnenes
Mischpolymerisat aus 10 Oio Methacrylsäureamid und go oio Methacrylsäure wird mittels
Ammoniak in Wasser gelöst und dann, wie in Beispiel 2 angegeben, weiterverarbeitet.