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Vorrichtung zur Verhinderung des Festbremsens der Räder von Schienenfahrzeugen
Die bisher bekannten Gleitschutzvorrichtungen an Zugbremsen, die bei möglichst weitgehender
Ausnutzung des Haftvermögens der Räder an den Schienen ein Festsetzen der Radachsen
und damit die Bildung von Flachstellen an den Radreifen verhindern sollen, fußen
fast durchweg auf dem Grundsatz, den Luftdruck in den Bremszylindern bei festgebremstenAchsen
bzw. bei eingetretenem "Schlüpfen" der Räder so schnell wie möglich zu senken. Nachdem
aber der Druck in den Bremszylindern auch bei frühzeitigem öffnen der Luftwege immerhin
Bruchteile von Sekunden benötigt, um auf einen brauchbaren Wert abzufallen, haftet
den nach diesem Prinzip funktionierenden Gleitschutzvorrichtungen eine gewisse Trägheit
an, die ihren eigentlichen Zweck in Frage stellen kann.
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Die folgende Darstellung betrifft eine Einrichtung, die schnell genug
anspricht, um die Bremskraft bei geschwundenem Haftvermögen der Räder vorübergehend
in ausreichendem Maße zu verringern, so daß auch größere Bremskräfte ohne die Gefahr
des Blockens der Räder angewandt werden können. Die Lösung dieser Aufgabe sieht
die Verwendung einer druckfesten und frostsicheren Flüssigkeit vor. Dabei sind die
beiden Bremsklötze eines Rades in der üblichen Weise in Halterungen befestigt, welche
im Fahrzeugrahmen so angebracht sind, daß ihnen ein Spielraum in der Längsrichtung
des Fahrzeuges verbleibt.
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Die Bremsklotzhalterungen werden in zweiarmigen Hebeln aufgehängt,
deren obere Enden durch Stangen mit je einem Kolben verbunden sind. Die beiden Kolben
liegen in einem gemeinsamen Zylinder einander gegenüber und schließen diesen druckdicht
ab.
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Ein ähnlicher Zylinder befindet sich unterhalb der Radachse. Auch
dieser dient zur Aufnahme zweier Kolben, deren jeder durch eine Stange mit
dem
unteren Ende der Bremsklotzhalterungen, dem Angriffspunkt der Luftdruckbremskraft,
verbunden ist. Beide Zylinder stehen durch eine senkrechte Rohrleitung unmittelbar
und außerdem durch weitere Leitungen über ein Flüssigkeitsausgleichgefäß so miteinander
in Verbindung, daß ein geschlossener hydraulischer Kreislauf möglich ist. Infolge
des am höchsten Punkt des Kreislaufs befindlichen Ausgleichgefäßes sind beide Zylinder
mit Flüssigkeit gefüllt und entlüftet. Der Flüssigkeitsumlauf kann durch drei Hähne
oder Schieber an den aus der Zeichnung ersichtlichen Stellen verhindert werden.
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Bei freier Fahrt sind die Hähne i und 3 geöffnet, so daß jeder Zylinder
mit dem Ausgleichgefäß verbunden ist. Hahn 2 dagegen ist geschlossen; somit besteht
also keine unmittelbare, Verbindung zwischen den Zylindern.
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Beim Bremsen wird Hahn i .geschlossen, so daß der Raum zwischen den
Kolben .des oberen Zylinders unveränderlich ist. Damit werden die Halterungen für
die Bremsklötze an ihrer Aufhängung unverrückbar gehalten und die Luftdruckbremse
kann wirksam werden. Durch den noch geöffneten Hahn 3 kann die infolge Annäherung
der beiden Kolben im unteren Zylinder verdrängte Flüssigkeit in das Ausgleichgefäß
entweichen. Beim Überbremsen, d. h. sobald die Räder zu schlüpfen beginnen, wird
der Durchlaß bei Hahn 3 geschlossen und bei Hahn 2 geöffnet, so daß beide Zylinder
vom Ausgleichgefäß getrennt, untereinander jedoch verbunden sind. Der in dem oberen
Zylinder herrschende hydraulische Druck wird sich nun auch auf den unteren Zylinder
fortpflanzen und in diesem über die Kolben einen Gegendruck auf die Bremskraft ausüben,
wodurch diese entsprechend geschwächt wird. Gleichzeitig aber wird sich der Druck
der Flüssigkeit insgesamt, infolge des nun größeren Volumens, um einen Betrag vermindern,
was wiederum ein geringes Eindringen .der beiden Kolben in den oberen Zylinder und
damit eine gewisse Entspannung der Bremshalterungen zur Folge hat.
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Als Gesamtergebnis dieser Funktionen wird eine fühlbare Verringerung
des wirksamen Druckes auf die Bremsklötze eintreten, und zwar in kürzester Zeit,
was für .die weitere Entwicklung des Bremsvorganges von größter Bedeutung ist. Zur
Erhöhung dieser Wirkung ist vorgesehen, den Flüssigkeitsdruck mit Hilfe eines Verdrängerkolbens
hk in dem unteren Zylinder unter entsprechender weiterer Entlastung des oberen Zylinders
zu erhöhen. Dieser Kolben befindet sich in einem ebenfalls gefüllten Zylinder, der
in die senkrechte Verbindungsleitung unterhalb des Hahnes 2 bzw. Schiebers eingebaut
ist. Er wird von seiner Kolbenstange abwärts gedrückt. Durch federbelastete Ventile
wird der Durchtritt der Flüssigkeit durch den Kolben nach unten und damit eine rückläufige
Bewegung des Kolbens ermöglicht, sobald die Bremswirkung wiedervoll einsetzt oder
das Fahrzeug nicht mehr gebremst wird.
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Da alle diese Vorgänge sich in sehr kurzer Zeit abspielen, wird es
meist gar nicht zum völligen Stillstand der Achse kommen, und wenn, dann infolge
der Tätigkeit des Verdrängerkolbens nur so kurze Zeit, daß ein Anschleifen von Flachstellen
an den Radreifen nicht mehr zu erwarten ist. Mit dem Schwinden des Schlupfes zwischen
Rädern und Schienen wird Hahn 2 geschlossen und Hahn 3 geöffnet, wodurch die Bremskraft
wieder voll zur Wirkung kommt. Damit wird die volle Ausnutzung des Bremsvermögens
bis zur Haftgrenze der Räder gewährleistet.
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Beim Lösen der Bremse werden die Hähne i und 3 geöffnet, Hahn 2 dagegen
geschlossen, so daß der Zustand der Freifahrt wiederhergestellt ist. Die Bremsklotzhalterungen
und die mit ihnen verbundenen wie auch der Verdrängerkolben werden durch Rückholfedern
in ihre Ausgangslage zurückgebracht und die Zylinder können sich dabei bis zum Anfangszustand
mit Flüssigkeit füllen. Ein neuerdings einsetzender Bremsvorgang wird also funktionsbereite
Einrichtungen vorfinden.
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Zur Steuerung der Gleitschutzorgane ist ein besonderes Gerät, ähnlich
dem vom Kraftwagenbau her bekannten Differentialgetriebe vorgesehen. Zu diesem Zweck
werden die Achsen eines Drehgestells zu einer Bremseinheit zusammengefaßt. Dabei
wird von der Überlegung ausgegangen, daß beideAchsen kaum einmal gleichzeitig schlüpfen
oder blocken. Sehr wahrscheinlich wird dagegen die infolge der beim Bremsen auftretenden
Kippneigung etwa mehr belastete in Fahrtrichtung vordere Achse der nachlaufenden
beim Schlüpfen und schließlich auch beim Blocken bald folgen. Jedoch setzt die Funktion
der Differentialeinrichtung nur dann aus, wenn beide Achsen in genau demselben Augenblick
und genau gleich stark schlüpfen oder stillstehen, ein Ereignis, das naturgemäß
nur äußerst selten eintreten dürfte. Im übrigen sorgt die sehr schnell eintretende
Wirkung der vorstehend beschriebenen Zylinder gemeinsam mit den während der Fahrt
ständig wechselnden Reibungs- und Gleitverhältnissen zwischen Rad und Schiene dafür,
daß dieser Fall wirklich nur ausnahmsweise zutrifft.
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Für das Steuergetriebe ist ein auf einer der Achsen fest angebrachtes
Kegelrad A vorgesehen, auf welchem sich kleine Kegelräder abwälzen, die in einem
von der anderen Achse angetriebenen Kettenrad K untergebracht sind. Dieses wird
entsprechend dem zu wählenden übersetzungsverhältnis i : 2 mit halber Drehzahl neben
dem erstgenannten Kegelrad rotieren. Neben diesem Kettenrad und im Eingriff mit
den kleinen Kegelrädern befindet sich, konzentrisch auf der Achse gelagert, ein
weiteres Kegelrad B, das bei dem angegebenen Übersetzungsverhältnis im Falle gleichschnell
umlaufender Radachsen stillstehen wird. Dieses Kegelrad dient als Steuer- und Antriebsorgan
zur Betätigung der Hähne und des Verdrängerkolbens der Gleitschutzeinrichtung. Die
Verbindung zwischen dem Steuergetriebe und den Gleitschutzorganen wird durch eine
mit Kegelrad versehene Hohlwelle C hergestellt, an deren Ende Fliehgewichte beim
Überschreiten einer zulässigen Differenz in
den Umlaufzahlen der
beiden Achsen eine Friktionsscheibe mitdrehen. Diese bewegt zunächst einen Schieber,
der die Funktionen der beiden Hähne 2 und 3 übernimmt, und anschließend über eine
Kurbel die Kolbenstange des Verdrängers. Der auf den Verdrängerkolben ausgeübte
Druck wächst mit der Drehzahl der Hohlwelle und wird beim Blocken einer Achse einen
Höchstwert erreichen. Damit wird sich, vornehmlich bei hohen Fahrgeschwindigkeiten,
eine nahezu völlige Aufhebung der Bremskraft ohne Ablassen von Bremsluft erzielen
lassen.
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Da während des Ablaufes dieser Wirkungen der Luftdruck in den Bremszylindern
erhalten bleibt, steht er bei kraftschlüssig rollenden Rädern sofort wieder zur
Verfügung, was ein augenblickliches Wiedereinsetzen des Bremsvorganges hervorruft.
Gerade dadurch aber dürfte eine fast ununterbrochene höchste Bremswirkung, d. h.
eine erhebliche Verkürzung des Bremsweges besonders bei hohen Geschwindigkeiten
erreicht werden.