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Verfahren zur Reduktion von Selensäure zu seleniger Säure Durch oxydierendes
Rösten oder Schmelzen Metallselenide enthaltenden Gutes unter Zuschlag von Alkalien,
wie es als Vorstufe zur technischen Selengewinnung meist üblich ist, entstehen bekanntlich
Alkaliselenat und -selenit in wechselnden Mengen. Röstet man z. B. selenhaltige
Anodenschlämme mit Soda unter Luftzutritt, so erhält man beim Laugen mit Wasser
Lösungen mit weit überwiegend Alkaliselenat. Die Gewinnung des Selens aüs derartigen
Laugen geschieht durch Fällung, d. h. durch Reduktion mit geeigneten Mitteln. Dabei
sind zwei Stufen zu unterscheiden: z. Die Reduktion der Selensäure (Se03) zu seleniger
Säure (Se02), d. i. die Umwandlung von sechswertigem in vierwertiges Selen, und
a. die Reduktion der selenigen Säure zu Selen.
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Während nun aus angesäuerten Selenitlösungen, also aus der selenigen
Säure, das Selen mit reduzierend wirkenden Mitteln, wie schweflige Säure oder Sulfiten
(gegebenenfalls auch Hydrazin- und Hydroxylaminsalzen), leicht und vollständig gefällt
und gewonnen werden kann, ist dies bei den Selenaten bzw. der Selensäure bekanntlich
nicht möglich. In der analytischen Chemie verwendet man zur Reduktion der Selensäure
noch stärkere Reduktionsmittel, wie Zinnchlorür, Jodwasserstoff u. ä.: m., die aber
für die technische Selengewinnung des hohen Preises halber nicht in Frage kommen.
Salzsäure, die nach der Gleichung Se03+aHCl=SeO2+H20+C12 wirkt, findet ebenfalls
analytische Anwendung und ist als billiges, Reduktionsmittel bis heute das für technische
Zwecke allein im Gebrauch befiüdliche.
Da diese Reaktion aber grundsätzlich
umkehrbar ist, hängt ihr Verlauf im Sinne der Reduktion der Se03 zu Se02 von der
Geschwindigkeit ab, mit der das entstehende Chlor aus der Lösung entfernt wird,
und vom angewendeten Salzsäureüberschuß. Da das Austreiben des Chlors aus der Lösung
durch Sieden nur sehr langsam verläuft, ist immer mehrstündiges Kochen erforderlich.
Dies, großer Aufwand an freier Salzsäure, etwa r o olo der Lauge, und die Entwicklung
gasförmigen Chlors, das in irgendeiner Weise unschädlich gemacht werden muß, sind
für das Reduktionsverfahren mit Salzsäure von jeher technisch ungewöhnlich erschwerende
Bedingungen gewesen.
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Erfindungsgemäß kann die Reduktion der Selensäure zu seleniger Säure
mit Ferrosalzen, die im Vergleich zu den vorstehend genannten Reduktionsmitteln
allgemein als schwächer wirkend anzusprechen sind, überraschend leicht und schnell
durchgeführt werden nach der Gleichung Se03-!-2 FeS0,--H@SO4 - Se 02+Fe2 (SO1)3+H20.
Bei Ver«>endung von Ferrochlorid verläuft die l-'caktion analog nach der Gleichung
Se03-L2FeCl2'2HC1 = Se 02 -f-- 2 Fe C13 -f- H20 auch in Gegenwart freier Salzsäure
ohne Chlorentwicklung.
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Die Umsetzung verläuft unter Anwendung der gemäß Reaktionsgleichung
erforderlichen Menge Ferrosalz und Mineralsäure etwa bei Siedehitze in wenigen Minuten
vollständig. Auch in praktisch stark konzentrierten Lösungen, also trotz Entstehens
großer Ferrisalzmengen, ist die Reaktion auffallenderweise nicht umkehrbar. Technisch
bietet die Verwendung von Ferrosalzen zur Reduktion der Selensäure zu seleniger
Säure gegenüber dem bis heute üblichen Reduktionsverfahren mit Salzsäure folgende
Hauptvorteile r. Schnelligkeit der Reduktion, so daß das langwierige Kochen in Fortfall
kommt; 2. eine Chlorentwicklung tritt nicht auf, selbst wenn Chloride oder Salzsäure
angewendet werden.
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Technisch ist das Verfahren folgendermaßen zu handhaben: Die Selenat-Selenit-Lauge
versetzt man mit so viel Mineralsäure, daß das meist vorhandene freie Alkali neutralisiert
wird, Selensäure und selenige Säure aus ihren Alkaliverbindungen freigemacht werden
und die zur Ferrisalzbildung erforderliche Säuremenge vorhanden ist. Ein zugefügter
Überschuß von wenigen Prozenten Säure verhindert das Ausfallen basischer Eisensalze.
Zu der Lösung gibt man so viel Ferrosalz, wie ihr Selenatgehalt nach obiger Gleichung
erfordert. Nach vollständiger Lösung des Ferrosalzes erhitzt man zu kurzem Sieden.
Die Lauge enthält dann alles Selen als selenige Säure.
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Soll die Fällung des Selens daraus z. B. mit schwefliger Säure stattfinden,
so kühlt man die Lauge ab, gibt einige Prozente Salzsäure hinzu, leitet schweflige
Säure ein und erhitzt auf etwa 9o°.
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Beispiel Durch oxydierendes Rösten selenhaltigen Anodenschlammes mit
Soda und nachfolgende Laugung mit Wasser fällt eine Lauge an, die ¢o,9 g Selen,
13,59 Natriumcarbonat und 5,8 g Arsen je Liter enthält. Etwa 95 0,lo des
Seleninhaltes sind Selenat, der Rest Selenit.
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Es werden angesetzt:
Der Eisenvitriol wird unter gelindem Erwärmen gelöst und die Lösung 5 bis t o Minuten
zum Sieden erhitzt.
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Aus der abgekühlten und mit einigen Prozenten Salzsäure versetzten
Lösung kann das Selen mit schwefliger Säure in bekannter Weise vollständig gefällt
werden. Das ausgebrachte Selen hat einen Reinheitsgrad von 99,9o 0`o, der nach dem
Einschmelzen auf 99,95 0.o ansteigt. . Die Verwendung von Eisensalzen zur Reduktion
der Selensäure bietet technisch auch noch folgenden Vorteil: Die meisten Ausgangsstoffe
zur Selengewinnung zeigen beachtliche Gehalte an Arsen, das bei dem der Röstung
folgenden Laugen auch in Lösung geht. Nach der Fällung des Selens tritt das Arsen
als arsenige Säure in den Abfall-Laugen auf, die vor dem Abstoßen neutralisiert
und entgiftet werden
müssen. Dabei ist ein Gehalt der Ablaugen an
Eisensalzen von besonders günstiger Wirkung, da mit der Neutralisation der Ablaugen
reichlich basische Eisensalze ausfallen, die Arsen (Antimon und Selen) bekanntlich
quantitativ fällen und durch Klärung oder Filtration zurückgehalten werden können.