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Gebiet der Erfindung
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Die Erfindung betrifft eine neue
therapeutische Verwendung von Levobupivacain oder (S)-1-Butyl-N-(2,6-dimethylphenyl)-2-piperidincarboxamid.
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Hintergrund der Erfindung
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Razemisches Bupivacain stellt ein
wirksames, lokales Langzeit-Anästhetikum
dar, das als epidurales Mittel verabreicht werden kann. Jedoch wirkt
razemisches Bupivacain kardiotoxisch und weist dämpfende elektrophysiologische
und mechanische Wirkungen auf das Herz auf. Es ist daher bei herzgeschädigten Patienten
mit Vorsicht einzusetzen. Die Anwendung hoher Dosen und hoher Konzentrationen
ist kontraindiziert.
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Insbesondere hat Bupivacain den Tod
einer Anzahl von Patienten hervorgerufen, einschließlich bei
gebärenden
Frauen und bei Verwendung bei der Bier-Blocktechnik. Obgleich nur
relativ wenige Todesfälle
auftraten, haben die Bedenken ausgereicht, um die Verwendung von
0,75 % Bupivacain bei der Geburtshilfe zu stoppen und die Verwendung
von Bupivacain beim Bier-Block zu unterbinden.
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Ferner ist bekannt, dass Bupivacain
aufgrund seiner direkten Einwirkung auf das Nervensystem in höheren Dosen
unerwünschte
Nebenwirkungen auf das Zentralnervensystem (ZNS) ausübt, die
prima facie mit seiner anästhetischen
Wirkung in Verbindung stehen. Tatsächlich stellt das Auftreten
von ZNS-Nebenwirkungen
einen der Hauptfaktoren dar, die die Verwendung dieses Arzneistoffes
in der normalen klinischen Praxis unter Anwendung von Techniken,
wie lokale Infiltration, Leitungsanästhesie, Umspritzungsanästhesie,
epidurale und spinale Anästhesie,
begrenzen.
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Es finden sich Hinweise darauf, dass
Levobupivacain weniger kardiotoxisch wirkt als Dextrobupivacain und
razemisches Bupivacain; vergl. beispielsweise Vanhoutte et al.,
Br. J. Pharmacol., Bd. 103 (1991), S. 1275–1281; und Denson et al., Regional
Anaesthesia, Bd. 17 (1992), S. 311–316. Jedoch beruhen diese
Berichte auf in vitro-Arbeiten und lassen sich nicht notwendigerweise
auf Säugetiere
und sicher nicht auf den Menschen extrapolieren.
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Die überraschenden und wirksamen
Anwendungsmöglichkeiten
von Levobupivacain beim Menschen (in vivo) werden erstmals in folgenden
Druckschriften dargelegt: WO-A-9510276, WO-A-9510277 und Gristwood
et al., Exp. Opin. Invest. Drugs, Bd. 3 (11) (1994), S. 1209-1212.
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Ein wirksames, sicheres Anästhetikum
mit langer Wirkungsdauer wäre
für die
Gesichtschirurgie von besonderem Wert. Jedoch bringt die Verabreichung
einer derartigen Verbindung für
lokalanästhetische
Zwecke und die postoperative Analgesie besondere Probleme mit sich.
Es sollen nämlich
wegen des massiven Auftretens von Nerven und/oder Blutgefäßen, z.
B. um die Augen herum und im Zahnfleisch, geringe Volumina verabreicht
werden. Damit verbunden ist ein geringer Wirkungsgrad. Daher sind
hohe Arzneistoffkonzentrationen erforderlich.
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Lignocain wird bei zahnmedizinischen
Behandlungen in breitem Umfang verwendet. Diese Verbindung ist jedoch
mit einer neurotoxischen Wirkung behaftet. Um eine angemessene Tiefe
des Blockes (Anästhesie) und
eine angemessene Wirkungsdauer zu erreichen, wird Lignocain üblicherweise
zusammen mit Epinephrin verabreicht. Dies führt zu weiteren unerwünschten
Auswirkungen, wie Herzklopfen und Ohnmacht. Ein Arzneistoff mit
höherer
Sicherheit ist daher erwünscht.
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Zusammenfassende Darstellung
der Erfindung
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Während
früher
gezeigt wurde, dass die Verwendung von Levobupivacain in bestimmten
Bereichen Vorteile gegenüber
Bupivacain aufweisen kann, gab es keine Hinweise darauf, dass Levobupivacain
auf dem Gebiet der Gesichtschirurgie im allgemeinen und insbesondere
auf dem Gebiet der Augenheil- und Zahnheilkunde wertvoll ist. Die
Erfindung beruht auf dem überraschenden
Befund, dass Levobupivacain für
diesen Zweck ein wirksames und insbesondere sicheres Anästhetikum
darstellt. Insbesondere ist es im Vergleich zu Bupivacain weniger
neurotoxisch und diesbezüglich
sicherer als Lignocain (bei alleiniger Verabreichung oder in Kombination
mit Dextrose oder Epinephrin). Es kann eine vasokonstriktive Wirkung
ausüben.
Dies ist dann von Wert, wenn an der Verabreichungsstelle Nerven
und/oder Blutgefäße massiert
auftreten, da dann kein oder weniger Epinephrin erforderlich ist.
Ferner ergibt sich in klinischen Dosierungsbereichen ein verringertes Potenzial
an Nebenwirkungen.
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Beschreibung der Erfindung
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Im erfindungsgemäßen Arzneimittel kann Levobupivacain
in Lösung,
für Infusions-
oder Injektionszwecke in den epiduralen oder spinalen Raum oder
zur Verabreichung nach beliebigen herkömmlichen Maßnahmen zur Erzielung eines
Nerven- oder Feldblockes bereitgestellt werden. Zusätzlich zu
anästhetischen
Blöcken,
die sich herkömmlicherweise
durch das Razemat ergeben, kann sich Levobupivacain auch zur Bereitstellung
von Blöcken
in Bereichen des Körpers,
wo die Gefahr einer systemischen Belastung mit dem Arzneistoff und
daher die Gefahr von ZNS-Nebenwirkungen besonders hoch ist, eignen.
Zu Beispielen hierfür
gehören
offene Wunden und Gefäßbereiche,
im letztgenannten Fall beispielsweise unter Einsatz von interkostalen Blöcken. Es
kann insbesondere für
ophthalmische Anwendungen topisch angewandt werden.
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Die Verabreichung von Levobupivacain
kann kontinuierlich oder durch Gabe eines Bolus erfolgen. Dies kann
unter Einsatz einer herkömmlichen
Vorrichtung erfolgen, wozu je nach Wunsch Maßnahmen am Patienten zur Einleitung
der Infusion gehören.
Die dem Patienten verabreichte tägliche
Dosis kann innerhalb des relativ niedrigen Bereiches liegen, der
für die
Verabreichung von razemischem Bupivacain bekannt ist; sie kann aber
aufgrund der verminderten ZNS-Nebenwirkungen
von Levobupivacain höher
sein als die herkömmliche Dosis
für den
razemischen Arzneistoff. Die Gesamtdosis von Levobupivacain kann
bei etwa 2 mg/kg Körpergewicht
des Patienten oder darüber
liegen.
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Die zu verabreichende Konzentration
an Levobupivacain kann der herkömmlichen
Konzentration für den
razemischen Arzneistoff entsprechen, z. B. 0,25% (Gew./Vol.). Jedoch
kann insbesondere für
ophthalmische Zwecke die Konzentration darüber liegen und beispielsweise
mindestens 0,75% (Gew./Vol.) und bis zu 1,5% (Gew./Vol.) betragen.
Vorzugsweise liegt jedoch die Konzentration an Levobupivacain im
Bereich von 0,5 bis 1% (Gew./Vol.). Bei der Lösung handelt es sich vorzugsweise
um eine wässrige
Lösung.
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Die Lösung kann typischenweise in
Dosiseinheiten von 1 bis 15 ml und vorzugsweise von etwa 10 ml bereitgestellt
werden. Jedoch können
die Dosiseinheiten auch größer sein,
beispielsweise bis zu 40 ml oder darüber. Die Dosiseinheiten können in
Form von Ampullen vorliegen, die aus einem beliebigen geeigneten
Material gefertigt sein können,
z. B. aus Glas oder einem in entsprechender Weise undurchlässigen Kunststoffmaterial.
Dosiseinheiten mit etwa 25 mg, jedoch vorzugsweise weniger als 200
mg an Levobupivacain können verabreicht
werden. Vorzugsweise liegt die Dosiseinheit im Bereich von 25 bis
100 mg.
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Die Verabreichung von Levobupivacain über einen
Konzentrationsbereich (der die derzeit für den razemischen Arzneistoff
angewandten Konzentrationen und die vorstehend beschriebenen höheren Konzentrationen
einschließt)
kann im Vergleich zur derzeitigen Situation über erheblich längere Zeiträume durchgeführt werden,
was wiederum eine Folge der bei Levobupivacain festgestellten verminderten
ZNS-Nebenwirkungen ist.
Beispielsweise kann Levobupivacain einem Patienten in sicherer Weise
für mindestens
24 Stunden und häufig
bis zu 72 Stunden oder darüber
verabreicht werden. Der Arzneistoff kann selbstverständlich über ähnliche
Zeiträume,
die bereits bei dem razemischen Arzneistoff angewandt werden, z.
B. von 3 bis 10 Stunden, verabreicht werden. Levobupivacain ist
von besonderem Wert für
die Aufrechterhaltung einer postoperativen Analgesie.
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Das erfindungsgemäße Verfahren eignet sich insbesondere
bei chirurgischen Maßnahmen,
die bei Patienten vorgenommen werden, bei denen lediglich ein chirurgischer
Eingriff erforderlich ist, die aber ansonsten gesund sind. Beim
Patienten kann auch eine Herz- oder ZNS-Schädigung vorliegen oder er kann
eine Prädisposition
für Herz-
oder ZNS-bedingte Zustände
aufweisen, beispielsweise kann bei ihm eine niedere ZNS-Schwelle
vorliegen.
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Levobupivacain eignet sich zur erfindungsgemäßen Anwendung
in Verbindung mit zahnchirurgischen Eingriffen, z. B. bei der Entfernung
von Weisheitszähnen.
Es kann auch bei chirurgischen Augenkorrekturen, z. B. bei der Entfernung
von Katarakten unter peri- oder retrobulbaren Blöcken, eingesetzt werden.
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Levobupivacain und das Razemat können eine
gleiche Wirkungsstärke
aufweisen, jedoch kann Levobupivacain bevorzugte Eigenschaften besitzen,
z. B. einen minimalen Einfluss auf das neurovaskuläre System und
ein gutes hämodynamisches
Profil.
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Im Rahmen dieser Beschreibung handelt
es sich bei Levobupivacain um ein Produkt, das im wesentlichen frei
von Dextrobupivacain ist, d. h. es handelt sich um einen mindestens
90%igen und vorzugsweise mindestens 99%igen enantiomeren Überschuss.
In der gesamten Beschreibung umfasst der Hinweis auf Bupivacain
und seine Enantiomeren auch die pharmazeutisch verträglichen
Salze davon.
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Es wurde eine Untersuchung durchgeführt, um
die Wirksamkeit von 0,75% Levobupivacain mit 2% Lignocain (mit Adrenalin)
und Placebo (0,9% NaCl) als postoperatives Schmerzlinderungsmittel
bei Patienten, bei denen unilaterale oder bilaterale Extraktionen
von impaktierten 3. Molaren vorgenommen wurden, zu vergleichen,
wobei auch die Sicherheit in den Arzneistoffvergleich einbezogen
wurde. Es handelte sich um eine randomisierte Doppelblindstudie
in einem einzigen Zentrum. 30 Patienten wurden willkürlich jeder
Gruppe zugeteilt. Die Randomisierung wurde in unilaterale und bilaterale
Extraktionen gegliedert. Es wurde eine Bewertung nach einer visuell-analogen
Schmerzskala durchgeführt.
Der Zeitpunkt sämtlicher
Hilfsmedikationen und der Zeitpunkt des Blockendes wurden aufgezeichnet.
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Für
jeden impaktierten mandibularen Zahn wurden 2 ml als ein unterer
alveolarer Nervenblock und 1 ml als bukkale Infiltration verabreicht.
Für jeden
maxillaren Zahn wurden 1 ml als bukkale Infiltration und 0,5 ml
als palatale Infiltration verabreicht.
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Levobupivacain, Lignocain und Placebo
zeigten bei Patienten, die unilateralen oder bilateralen Extraktionen
von impaktierten 3. Molaren unterzogen wurden, ein ähnliches
Sicherheitsprofil. Stellt man jedoch die Zeitspanne bis zu einer
Hilfsmedikation der Zeitspanne von der Beendigung des chirurgischen
Eingriffes bis zum Absetzen oder bis zu 48 Stunden bei Patienten,
die keine Hilfsmedikation erhielten, gegenüber, so war bei Patienten in
der Levobupivacain-Gruppe im Vergleich zu den beiden übrigen Behandlungsgruppen
die durchschnittliche Zeitspanne bis zur ersten erforderlichen Hilfsanalgesie
fast 3-mal länger.
Der Median war für die
Placebo-Gruppe (45 Minuten) am geringsten. Hierauf folgte die Lignocain-Gruppe (55 Minuten).
Für die
Levobupivacain-Gruppe war er aber wesentlich höher (87,5 Minuten). Die Standardabweichung
war für
die Levobupivacain-Gruppe etwa 5-mal größer als bei den übrigen Gruppen.
Dies ist darauf zurückzuführen, dass die
maximale Zeitspanne bis zur Hilfsmedikation in dieser Gruppe 48
Stunden betrug, während
der Maximalwert bei den übrigen
Behandlungsgruppen unter 8 Stunden lag.
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In weiteren Untersuchungen wurde
0,75% Levobupivacain mit 0,75 Bupivacain verglichen, und zwar bei
Patienten, die einem ophthalmischen chirurgischen Eingriff des Augenvorderabschnitts
unter einem peribulbaren Block unterzogen wurden, um die relative
Wirksamkeit der Arzneistoffe zu ermitteln. Es wurden keine signifikanten
Unterschiede bezüglich
des Zeitpunkts des Blockbeginns festgestellt. Der relative Wert
für Levobupivacain
ergibt sich aus einer weiteren Studie, bei der der Einfluss von
0,5% Levobupivacain mit der Wirkung von 0,5 razemischem Bupivacain
auf die QT-Verteilung und das Einzeldurchschnitts-EKG bei gesunden
männlichen
freiwilligen Versuchspersonen verglichen wurde.
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Die letztgenannte Studie beinhaltete
eine intravenöse
Infusion von 10 mg/min bis zu einem Maximum von 150 mg Arzneistoff
jeweils einzeln bei zwei Gelegenheiten. Die Bewertung umfasste die
Aufzeichnung des EKG. Insbesondere wurden autonome NS-Störungen (Hitzegefühl), zentrale
Störungen
(Kopfschmerzen, Brustschmerzen), zentrale/periphere NS-Störungen (Schwindel,
Hypästhesie,
Parästhesie),
Hörstörungen (Tinnitus)
und weitere Störungen
(Störungen
der geschmacklichen Wahrnehmung) beobachtet.
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Bei Levobupivacain wurden signifikant
verringerte Störungen
des peripheren/zentralen Nervensystems und signifikant verringerte
Hörstörungen (Tinnitus)
festgestellt. Diese Symptome sind beim klinischen Einsatz der derzeit
verwendeten Mittel üblich
(weswegen Beschränkungen
in der Kopf- und Halschirurgie bestehen).
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Die Gesamtfrequenz der Ereignisse
ist nachstehend tabellarisch zusammengefasst.
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Bei Personen, die mehr als 75 mg
erhalten hatten, ergaben sich folgende QT-Werte:
mehr
als 75 mg Bupivacain | 0,024 |
mehr
als 75 mg Levobupivacain | 0,003 |
P-Wert | 0,022 |
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Die Bedeutung dieser Ergebnisse liegt
in der Tatsache, dass für
gesichtschirurgische Eingriffe große Einzeldosen des Arzneistoffes
gegeben werden können,
z. B. 75 mg oder mehr. Für
klinische Zwecke sind 10 ml einer 0,75%igen oder 1%igen Levobupivacain-Lösung erwünscht.