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Verfahren zur Herstellung von Gerbextrakten aus Sulfitcelluloseablauge
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Gerbextrakten aus Sulfitcelluloseablauge
durch Vergären mit Bakterien.
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Bei der Herstellung von Sulfitzellstoff durch Behandlung von Holz
mit einer sauren Calciumsulfitlösung erhält man bekanntlich die sog. Sulfitcelluloseablauge,
eine gewöhnlich leicht saure Flüssigkeit mit etwa 9o bis g:2 °/o Wassergehalt. Außer
den sog. Ligninsulfonsäuren, die als Kalksalze vorliegen, enthält sie eine große
Menge von Extraktstoffen aus dem Holz, neben allen wasserlöslichen Stoffen auch
die löslichen Stoffe, die durch Hydrolyse aus den verschiedenen Kohlehydratbestandteilen
des Holzes gebildet werden, darunter auch durch Hefe vergärbare Zucker, die wahrscheinlich
Hexosen sind, Pentosezucker sowie Pentosane.
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Nach bekannten Verfahren wird Sulfitcelluloseablauge mit Kalk neutralisiert
und zu einer konzentrierten Flüssigkeit von etwa 30° Be eingedampft, die etwa 5o
°% Wasser enthält. Aus ihr werden verschiedenartige Gerbstoffe hergestellt. Nach
dem üblichen Verfahren wird der Kalk mit Schwefelsäure als unlösliches Calciumsulfat
ausgefällt. Die Wirkung dieser handelsüblichen Gerbstoffe beruht iin wesentlichen
auf ihrem Gehalt an Ligninsulfonsäuren. Die in ihnen enthaltenen Kohlehydrate, die
Pentosen, die Hexosen sowie die Pentosane usw. besitzen hingegen keine Gerbwirkung;
sie stellen daher lediglich einen Ballast dar und sind teilweise von schädlichem
Einfluß beim Gerben. Erfindungsgemäß wird die Menge dieser nichtgerbenden Stoffe
verringert.
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Es ist zwar bekannt, Sulfitcelluloseablauge zur Erzeugung von Alkohol
mit Hefe zu vergären, wodurch ein Teil der Nichtgerbstoffe, die Hexosen, mehr oder
weniger entfernt werden; indes ist das vergorene Material zu arm an Alkohol, als
daß dessen Gewinnung wirtschaftlich wäre, und die Erfahrung zeigt, daß die mit Hefe
vergorene Flüssigkeit keine erheblich verbesserten Gerbeigenschaften besitzt.
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Bekannt ist es auch, Sulfitcelluloseablauge mit Fermenten, die zur
Gruppe der Desmolasen rechnen, zu behandeln, wobei die Nichtgerbstoffe durch diese
Enzyme jedoch nicht angegriffen werden. Es werden lediglich gewisse gerbend wirkende
Stoffe auf diese Weise oxydiert. Die Behandlung von Sulfitcelluloseablauge mit Desmolasen
stellt also einen der zahlreichen Vorschläge dar, Gerbstoffe, insbesondere Tannin,
zu Chinonen zu oxydieren, um sie hierdurch in ihren Eigenschaften zu verbessern.
Die Schädlichkeit der neben diesen Gerbstoffen vorliegenden Nichtgerbstoffe wird
hierdurch nicht aufgehoben.
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Erfindungsgemäß wird die neutralisierte verdünnte Rohablauge mit Bakterien
vergoren, die an Sulfitcelluloseablauge gewöhnt wurden und die Pentosen und Pentosane,
die von Hefe nicht angegriffen werden, zu vergären vermögen, so daß aus ihnen entweder
leichtflüchtige
Stoffe, die entfernt werden können, oder Milchsäure, deren Anwesenheit in den Präparaten
nicht schädlich ist, entstehen. Nach der Vergärung wird die Lauge im Vakuum eingedickt
und hierauf der Külk' mit Schwefelsäure ausgefällt.
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Wird das Verfahren mit Bakterien durch=-geführt, die die Pentosen
und Pentosane in leicht abdestillierbare Verbindungen umwandeln, so werden in der
Regel, wie gefunden wurde, zugleich auch die Hexosen zu leichtflüchtigen Körpern
umgesetzt. Nach der Vergärung wird die Flüssigkeit bei dieser Ausführungsart der
Erfindung zweckmäßig in mehrstufigen Vakuumverdampfern eingedampft. Die von der
Vergärung herrührenden flüchtigen Verbindungen verdampfen in der ersten Stufe; sollen
sie zurückgewonnen werden, so kann dies durch Rückdestillation der kondensierten
Flüssigkeit aus der zweiten Stufe erfolgen.
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Da Pentosen und Pentosane bei der Destillation mit Salzsäure ein Destillat
von Furfurol ergeben, ist die Furfurolzahl der Sulfitcelluloseablauge ein Maß für
die vorhandene Menge dieser Stoffe. Die Furfurolzahl der Flüssigkeit wird nach der
Vergärung erniedrigt, wenn erfindungsgemäß Gärungsbakterien benutzt werden, die
die Pentosen, die als reduzierende Zucker mit Fehlingscher Lösung reagieren, und
Pentosane, die mit Fehlingscher Lösung nicht reagieren, ebenso wie Hexosen zu vergären
vermögen.
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Die handelsüblichen Bakterienkulturen, die als Ausgangsmaterial zur
Umwandlung von Kohlehydraten in flüchtige Produkte, wie Äthylalkohol, Aceton, Butylalkohol
usw., verwendet werden können, werden in der Regel auf Nährboden gezüchtet, die
Hexosen, wie Glucose; enthalten. Sie müssen erst an die rohe Sulfitcelluloseablauge
akklimatisiert werden, bevor sie zur Vergärung von Pentosen und Pentosanen geeignet
sind. Von den bekannten Bakterienarten können nach einer solchen Gewöhnung für das
neue Verfahren zum Beispiel der Aerobacillus acetoaethylicus (Northrup), der ßacilius
macerans, Bacterium acetonigenum, der Bacillus butylicus und der Bacillus butyricus
verwendet werden. Der Aerobacillus acetoaethylicus erzeugt Aceton und- Alkohol,
der Bacillus macerans ebenfalls, mit etwas höherem Anteil Alkohol. Bacterium acetonigenum
(bacillus granulobacter pectinovorum) erzeugt hauptsächlich Aceton, der Bacillus
butylicus Aceton und Butylalkohol. Alle diese Organismen entfernen durch Vergärung
nicht nur die Hexosen, sondern auch die Pentosen und die Pentosane.
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Erfindungsgemäß können ferner nach der Gewöhnung an rohe Sulfitcelluloseablauge
der Lactobacillus pentoaceticus (Peterson und Fred) oder Lactobacterium bulgaricum
oder der Lactobacillus Delbrücki (nach der Nomenklatur von Bergay) oder auch Streptococcus
laetis verwendet werden. Diese Organismen "vergären die Hexosen, die Pentosen und
die ,Antosane unter Erzeugung von Milchsäure, e beim Gerbprozeß nützlich ist. Es
können auch gemischte Kulturen dieser Bazillen verwendet werden. Ferner kann man
auch eine dünne Lauge z. B. zuerst mit Bacterium butgaricum, wonach man einen Tag
lang gären läßt, und dann mit Bacillus Delbrücki beimpfen.
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Beim Akklimatisieren der käuflichen Kulturen irgendeines dieser Organismen
für die vorliegenden Zwecke läßt man die Kulturen nacheinander in flüssigen Medien
wachsen, die rohe Sulfitcelluloseablaugeenthalten, wobei man keinen Hexosezucker
verwendet.
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Selbst in den reinsten Formen der käuflichen Kulturen findet man einige
Zellen, die für die vorliegenden Zwecke besser geeignet sind als andere. Es ist
daher vorzuziehen, einzelne Organismen aus den handelsüblichen Kulturen, auf einer
sterilen Glasplatte oder in anderer Weise isoliert, zu kultivieren. Es wird dann
eine Anzahl von Flaschen mit Sulfitcelluloseablauge enthaltender Flüssigkeit vorbereitet,
deren jede mit einer einzelnen Kolonie geimpft wird, wonach man die geimpfte Flüssigkeit
gären läßt. Die Flüssigkeit kann hergestellt werden, indem man ein wenig Rindereiweiß
oder anderes stickstoffhaltiges Material in Sulfitcelluloseablauge auflöst und so
viel Calciumcarbonat zusetzt, bis die Flüssigkeit neutral reagiert. Nach zwei- oder
dreitägigem Stehen zeigen die einzelnen Flaschen Unterschiede: in einigen ist die
Sulfitcelluloseal)lauge besser vergoren als in den anderen. Die Wirksamkeit der
Vergärung kann entweder durch eine Furfurolbestimmung der vergorenen Flüssigkeit
abgeschätzt werden oder mit Fehlingscher Lösung oder durch eine Alkohol- oder Acetonbestimmung
ermittelt werden.
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Ein wirksames Bakterium soll fähig sein, in kurzer Zeit alle reduzierenden
Zucker vollständig oder fast vollständig zu entfernen und die Furfurolzahl der Sulfitcelluloseablauge
wesentlich zu vermindern. So zeigt z. B. eine Sulfitcelluloseablauge vor der Vergärung
einen Gehalt an reduzierendem Zucker von 2 °/o und eine Furfurolzahl von 0,24 0(o
und nach Vergärung mit dem Bacillus butylicus einen Gehalt an reduzierendem Zucker
von o,25 °/o, während die Furfurolzahl auf o,o5 % gesunken ist. Nach der Vergärung
mit einer aus handelsüblichem Lactobacillus pentoaceticus stammenden Kultur zeigt
dieselbe Flüssigkeit reduzierenden Zucker nur noch in Spuren und eine Furfurolzahl
von etwa o,o5 0/0.
In der Praxis werden Teile der vergorenen Rohlauge
der Sulfitzellstofherstellung im allgemeinen zur weiteren Kultivierung einer weiteren
Menge verwendet, z. B. genügen zoo 1 der vergorenen Flüssigkeit im allgemei-. nen
zur Impfung von 2o ooo 1 Rohlauge. Wenn sich in dem Gärbehälter Marmorbrocken befinden,
halten diese im allgemeinen eine beträchtliche Menge Bakterien zurück, die wieder
einen frischen Satz Flüssigkeit beimpfen.
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Ausführungsbeispiel: 45 ooo l heiße roheDünnlauge, wie sievon den
Abblasgruben erhalten wurden, werden unter Zusatz von Calciumcarbonat auf die pA-Zahl
von 7,5 eingestellt. Die neutralisierte Flüssigkeit läßt man absitzen und dann in
einen Gärbehälter laufen, auf dessen Boden sich Marrnorbrockenbefinden. DieFlüssigkeitwird
auf 38' C abgekühlt und mit einer aus Bacterium acetonigenum erhaltenen Kultur geimpft.
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Nach der Impfung wird eine kleine Menge Malzsprößlinge (0,4 Gewichtsprozent
der Dünnlauge) zugesetzt, die Temperatur auf etwa 38' C gehalten und durch
weitere Zusätze von Cälciumcarbonät die pg-Zahl auf etwa 7,5 gehalten. Schwankungen
des pH-Wertes zwischen 6,5 und 8,5 sind zulässig. Nach vollständiger Vergärung,
wozu etwa 3 Tage benötigt werden, wird die Lauge im Vakuum auf eine Konzentration
von 34' Be eingedampft.
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Der Kalk wird dann in der konzentrierten Flüssigkeit mit Schwefelsäure
ausgefällt, hierauf wird filtriert.
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Um die erheblichen Verbesserungen der Eigenschaften der Gerbstoffextrakte
zu zeigen, die erfindungsgemäß erzielt werden, sind in der folgenden '.Tabelle Analysen
von Gerbstofflösungen zusammengestellt, wie sie durch Vergärung von neutralisierter,
verdünnter Rohablauge mit Bakterien der beanspruchten Eigenschaften hergestellt
und nach dem Ausfällen des Kalkes und Filtrierens eingedickt wurden
Vergoren Vergoren Vergoren Vergoren |
Un- mit mit mit mit |
vergorener Aerobacillus Bacillus Bacillus Bacillus |
Gerbe-trakt aceto- |
aethylicus macerans butylicus butyricus |
Be ............................ 30,30° 30,0° . 30,0°
28,5° 3o,1° |
Asche ......................... 3,040/" 2,700/0 2,950/0 3,19°i0
2,770/0 |
Fe ............................ 0,0110;0 o,oii0/. o,oiioi0
0,0050/0 0,0080;0 |
Ca0.......................... 0,230/0 0,1q.0/. 0,150/0 0,250/'o
0,16% |
i1-Ig0.......................... 2,1o0/0 2,24% 1,88% 199"/0
2,270/u |
Gelöste Bestandteile insgesamt ... 52,130,.`. 5o,880!0
52,130/0 49830.`0 52,660;" |
hiervon |
Nichtgerbende Stoffe ........... 25,5i0/0 22,420/0 17,57% 1831°/0
24,880/0 |
Gerbstoffe ..................... 26,620/0 28,46% 34560/u 3152"/o
27780/0 |
Essigsäure ..................... 3,80% 710";'0 5390:o i0#30°,°0
5,2 00 |
01 |
Reduzierender Zucker........... 13,45 ';?0 3,30 °/0
0,40 '70 2,48 |
Reinheit....................... 51,0 "/o 55,9 0/0 63,3 °/0
63,2 "/0 52,7 "/o |
Unter Reinheit ist das Mengenverhältnis der Gerbstoffe zu den gesamten gelösten
Stoffen zu verstehen.
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Die in der beschriebenen Weise hergestellten Gerbextrakte sind ähnlichen
Produkten, die aus unvergorenen oder aus mit Hefe vergorenen Sulfitablaugen hergestellt
werden, weit überlegen und können bei den verschiedenartigsten Prozessen der Lederherstellung
als Gerbmittel benutzt werden. Man kann mit diesen Extrakten allein ohne die gleichzeitige
Anwendung anderer Gerbstoffe Leder herstellen. Das mit Hilfe der erfindungsgemäß
hergestellten Extrakte gegerbte fertige Leder weist eine feine Struktur und eine
sehr schöne Farbe auf. Die Gerbextrakte selbst sind außerdem steril und gegenüber
-weiteren Gärungen widerstandsfähig. Bei ihrer Benutzung ist ein Säurezusatz wie
bei pflanzlichen Gerbstoftextrakten nicht erforderlich, der stets zu Verlusten bis
zu 25 °/0 des vorhandenen Gerbstoffgehaltes führt.