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Verfahren zur Herstellung einer für die Weiterverarbeitung auf Fäden,
Filme u. dgl. geeigneten Viscose Bei der Herstellung von Fäden, Filmen und anderen
geformten Gebilden aus Viscose ist es üblich, in den Prozeß der Herstellung der
als Spinnlösung dienenden Viscose eine längere Lagerung für die Alkalicellulose
einzuschalten. Mit dieser sogenannten Vorreife der Alkalicellulose bezweckt man,
eine Viscose mit stark herabgesetzter Viscosität zu erhalten, wie sie für viele
Zwecke unbedingt notwendig ist. Die durch die Vorreife bewirkte Viscositätsver-
, minderung ist sehr groß. Während man z. B. ohne Vorreife eine Spinnlösung erhält,
deren Viscosität im Kugelfallviscosimeter kaum bestimmbar (über aooo sec) ist, die
somit überhaupt nicht zu verarbeiten ist, läßt sich durch Zwischenschalten einer
5o- bis 6ostündigen Vorreife aus demselben Ausgangszellstoff eine Viscose gleicher
Zusammensetzung herstellen, deren Viscosität im Kugelfallviscosimeter zu beispielsweise
4o sec oder 6o sec bestimmt wird.
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Es ist nun gefunden worden, daß man eine gleich große Viscositätserniedrigung
der Spinnlösung erzielen kann, ohne daß die Qualität der daraus hergestellten Fäden,
Filme u. dgl. ungünstig beeinflußt wird, wenn man die Vorreife der Alkalicellulose
ausschaltet, d. h. also von einer ungereiften oder schwach gereiften Alkalicellulose
ausgeht, und dafür die Auf-Lösung des Xanthogenates in Gegenwart von Sauerstoff
oder sauerstoffhaltigen Gasen, - in denen der absolute Partialdruck des Sauerstoffes
größer ist als in der Atmosphäre, vornimmt. Zur Heraufsetzung des Partialdruckes
ist es in vielen Fällen vorteilhaft, den Sauerstoff oder die sauerstoffhaltigen
Gase unter Druck zur Anwendung zu bringen. Der Sauerstoff, welcher durch die Rührvorrichtungen
in der Löselauge emulgiert wird, bewirkt eine so weitgehende Viscositätserniedrigung,
daß während, des ganzen Lösevorgangs keine Viscose von übermäßig hoher Konsistenz
entsteht und die Lösung beschleunigt und gleichmäßig einsetzt.
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Der Vorteil des vorliegenden Verfahrens besteht zunächst darin, daß
die umfangreichen auf konstanter Temperatur zu haltenden Räume für die Vorreife
der Alkalicellulose gespart werden und daß der Herstellungsprozeß der Fäden, Filme
u. dgl. aus Viscose außerordentlich abgekürzt werden kann. Ein weiterer Vorteil
liegt darin, daß man bei der Fabrikation von Fäden, Filmen usw. aus Viscose nicht
mehr auf die Verwendung eines bestimmten Zellstoffes, der stets eine Viscose von
möglichst gleichbleibender Viscosität liefert, angewiesen ist, wie es bei den bisherigen,
mit der Vorreife arbeitenden Verfahren unbedingt
notwendig war,
um eine störungsfreie Fabrikation durchführen zu können. Man hat es vielmehr in
der Hand, auch aus verschiedenartigen Zellstoffen stets eine Spinnlösung gleicher
Viscosität herzustellen, dadurch, daß man die Wirkung des Sauerstoffes während des
Lösungsvorganges dosiert, was z. B. durch Veränderung seiner Einwirkungszeit, seiner
Konzentration oder seines Druckes und durch Temperaturregelung geschehen kann. Wie
außerdem festgestellt wurde, trete. bei der Verarbeitung der erfindungsgemäß dargestellten
Spinnlösung weniger gesundheitsschädliche Gase auf als bei der Arbeitsweise nach
dem bisher üblichen Verfahren; die erhaltenen Fäden und Filme zeigen überdies eine
größere Klarheit. Überraschend ist vor .allem, daß man nach vorliegendem Verfahren
Fäden, Filme u. dgl. von größerer mechanischer Festigkeit erhalten kann, als wenn
man sie unter Verwendung einer Spinnlösung herstellt, bei welcher die Viscosität
durch die Vorreife der Alkalicellulose im gleichen Maße herabgesetzt worden ist.
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Es ist bekannt, daß Viscose Sauerstoff aufnimmt und dabei eine Verminderung
der Vis; cosität erleidet. Ebenso ist es bekannt, daß man aus Zellstoffen, welche
mit Oxydationsmitteln vorbehandelt sind, eine Viscose mit stark herabgesetzter Viscosität
erhalten kann. Bezüglich der Einwirkung von gasförmigem Sauerstoff, dessen absoluter
Partialdruck größer war als in Luft, auf Viscose hat man bisher lediglich eine starke
Schädigung der Viscose und der daraus hergestellten Produkte festgestellt. Bei den
technischen Viscoseherstellungsverfahren hat man deshalb die Anwesenheit von verdünntem
Luftsauerstoff, durch den an sich nur eine ganzunbeträchtliche Viscositätserniedrigung
verursacht werden konnte, möglichst vermieden und die Ausschließung der Luft bei
dem ganzen Prozeß gefordert, eventuell die Einwirkung nur einer geringen Luftmenge
als günstig beurteilt und zugelassen. In allen diesen Fällen ist allerdings die
Sauerstoffeinwirkung auf Viscosen erfolgt, die aus vorgereifter Alkalicellulose
hergestellt waren und die auch ohne diese Einwirkung bereits eine genügend flüssige,
annähernd spinnfähige Lösung vorstellten.
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Man hat aber bisher noch nicht vorgeschlagen, Sauerstoff auf Viscose
während des Lösungsvorganges einwirken zu lassen, um eine Herabsetzung der Viscosität
zu erreichen, und zwar gerade in solchen Fällen, wo ohne diese Behandlung dicke
pastenähnliche und praktisch unverarbeitbare Massen entstanden wären. In Anbetracht
der Tatsache, daß man die Einwirkung von Sauerstoff auf Viscose bisher als schädlich
ansah, war es in keiner Weise vorauszusehen, daß durch Einwirkung von Sauerstoff
auf das in Lösunggehende Xanthogenat ohne wesentlicheErschwerungbzvv. Verlängerung
des Lösevorgangs eine gleich große Viscositätserniedrigung der Spinnlösung wie durch
die Vorreife der Alkalicellulose erreichbar ist und daß die aus dieser Spinnlösung
hergestellten Fäden, Filme usw. in vielen Fällen sogar eine bessere Qualität und
Festigkeit besitzen. Bei allen Versuchen, die Viscosität der Viscosespinnlösung
durch andere Mittel als durch die sogenannte Vorreife der Alkalicellulose stark
herabzusetzen, hat man bisher stets Fäden oder Filme erhalten, die starke Schädigungen
aufwiesen und unbrauchbar waren.
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Das vorliegende Verfahren kann beispielsweise so ausgeführt werden,
daß man die in üblicher Weise hergestellte und zerfaserte Alkalicellulose sofort
in das Xanthogenat überführt. Die Auflösung des Xanthögenates nimmt man in den gebräuchlichen
geschlossenen Lösegefäßen unter intensiver Rührung vor. Vor oder während des Lösens
wird die über der Löselauge stehende Luft ganz oder teilweise durch Sauerstoff verdrängt
und der Druck durch Zuströmenlassen von Sauerstoff auf etwa 2 Atm. gesteigert. Die
Viscosität der Lösung fällt während dieses Prozesses nach Durchlaufen eines Maximums
gleichmäßig ab und kann mit annähernder Genauigkeit an dem Kraftverbrauch der Rührelemente
gemessen werden. Die Schnelligkeit der Viscositätserniedrigung kann variiert werden
entweder durch Änderung des Überdruckes oder dadurch, daß man die Verdrängung der
Luft über der Löselauge mehr oder weniger vollständig vornimmt. Beispielsweise arbeitet
man bei einer Lösezeit von 5 Stunden vorteilhaft so, daß das Maximum der Viscosität
etwa nach ziJ" bis 2 Stunden überschritten wird. Die Einwirkung des Sauerstoffes
bzw. der Lösevorgang wird abgebrochen, wenn die gewünschte Viscosität der Spinnlösung
erreicht ist, was beispielsweise nach 5 Stunden der Fäll ist. Die Spinnlösung wird
dann ungereift oder gereift in der üblichen Weise auf Fäden, Filme u. dgl. weiterverarbeitet.
Beispiel röo kg Kunstseidezellstoff werden in. üblicher Weise 2 Stunden in einer
Lauge von 18 Gewichtsprozenten Ätznatron getaucht. Danach entfernt man den Laugenüberschuß
durch Abpressen der getränkten Platten bis auf das 2,8fache des ursprünglichen Gewichtes.
Die Alkalicellulose wird zerfasert und ohne jede Vorreife mit 35 kg Schwefelkohlenstoff
q. Stunden lang bei 2o bis 25°C sulfidiert, anschließend wird der Überschuß an Schwefelkohlenstoff
entfernt. Dabei müß die restlose Entfernung des freien Schwefelkohlenstoffs kontrolliert
werden, damit Sicherheit besteht, daß bei der nachfolgenden Sauerstoffbehandlung
jede Möglichkeit
einer Reaktion zwischen freiem Schwefelkohlenstoff
und Sauerstoff ausgeschlossen ist. Das erhaltene Cellulosexanthogenat löst man in
der berechneten Menge verdünnter Natronlauge, die zur Erzielung einer Konzentration
von 6,5 °/, Cellulose und 6,5 % Ätznatron in der fertigen Viscoselösung nötig
ist. Die Lösung erfolgt in einem geschlossenen Lösegefäß, in dem sich Vorrichtungen
zum Rühren und Umpumpen der Löselauge befinden. Unmittelbar nach Beginn des Lösevorganges
entfernt man die über der Löselange stehende Luft durch Evakuieren des Lösegefäßes
und läßt Sauerstoff einströmen, bis ein Überdruck von 3 Atm. erreicht ist. Dieser
Überdruck wird während der ersten 3 Stunden des Löseprozesses, gegebenenfalls durch
Nachdrücken von Sauerstoff, aufrechterhalten und kann in den folgenden 2 Stunden
auf 2 bis 21/2 Atm. gesenkt werden. Während des Lösevorganges sind die Rühr- und
Pumpvorrichtungen in voller Tätigkeit, um den Sauerstoff in der Löselauge möglichst
weitgehend zu emulgieren. Die Temperatur der Löselauge beträgt zu Beginn i2' C und
steigt während der Operation. Man hält sie, gegebenenfalls durch Kühlung, unter
25° C. Nach 5 Stunden ist die Operation beendet. Man erhält eine Viscose von etwa
6,5 % Cellulose und 6,o0/, Ätznatron, die bei der Viscositätsbestimmung nach der
Kugelfallmethode (i5 cm Fallhöhe, Stahlkugel von 0,063o g) eine Fallzeit von 42
Sekunden gibt. Die Viscose wird danach durch Evakuieren entlüftet und in üblicher
Weise, gereift oder ungereift, weiterverarbeitet. An Stelle von ioo kg Kunstseidezellstoff
können im vorstehenden Ausführungsbeispiel auch ioo kg Baumwoll-Linters in Plattenform
angewendet werden. Man erzielt auch in diesem Falle etwa dieselbe niedrige Viscosität
in der Viscoselösung.
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Nach der bekannten Arbeitsweise, bei welcher während des Lösens des-
Xanthogenates kein Sauerstoff. zur Einwirkung gebracht wird, erhält man nach dem
vorstehenden Ausführungsbeispiel eine Viscose 'von extrem hoher Viscosität. Erst
wenn eine etwa 5o stündige Vorreife der Alkalicellulose bei 22°C eingeschaltet wird,
kann eine Viscose erhalten werden, deren Viscosität, ebenfalls nach der Kugelfallmethode.
bestimmt, 42 Sekunden entspricht.